Unruhig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her. Ich fühlte mich so unbehaglich, wie eben, als wir das erste mal in die Halle gekommen waren. Die neugierigen Blicke meiner Eltern und meiner Tante bohrten sich in mich, wie Nadeln. Jetzt erwarteten sie sicherlich eine Erklärung von mir, die ich ihnen nicht liefern konnte und auch nicht liefern wollte. Denn dies alles hier bedeutete einfach rein gar nichts. Es gab nichts zu erzählen. Jan war einfach nur freundlich und brauchte eine Partnerin, mal ganz abgesehen von Asher, dem wahrscheinlich einfach nur langweilig gewesen war, wovon sie zum Glück nichts wussten. Und so sollte es auch bleiben.
"Warum hast du uns nie etwas von Jan erzählt? Er scheint mir ein richtig netter Kerl zu sein. Und er mag dich, das sieht jeder",
begann mein Vater nun vorwurfsvoll das Gespräch. Am liebsten hätte ich mich unter dem Tisch verkrochen.
"Samira hat einen Verehrer! Seltsam... Zwar ein bisschen schmächtig und eher eine halbe Portion, aber ok. Geschmackssache. Er scheint ganz schnucklig zu sein. Aber du musst eindeutig ein bisschen freundlicher zu ihm sein, sonst wird das nichts. Was war denn das bitte eben für eine Verabschiedung?",
gab auch meine Tante ihren Senf dazu.
"Seid ihr zusammen?",
warf meine Mutter dann auch noch aufgeregt ein. Ich seufzte tief. Wie es aussah, musste ich nun wohl oder übel antworten. Da ging kein Weg mehr daran vorbei.
"Warum muss man immer gleich mit einem Typen zusammen sein, wenn man etwas mit ihm unternimmt oder er nett zu einem ist?! Um ehrlich zu sein kenne ich Jan noch nicht einmal sonderlich gut. Da ist überhaupt nichts, verstanden? Er ist zu wirklich jedem freundlich, aber das heißt noch lange nicht, dass er etwas von mir will. Und vor allem WILL ICH NICHTS VON IHM",
klärte ich sie genervt auf, obwohl ich in Wahrheit ganz und gar nicht wusste, was ich im Moment überhaupt wollte. Meine Eltern starrten mich mit weit aufgerissenen Augen an, doch meine Tante grinste zufrieden.
"Das habe ich dir doch vorhin schon gesagt, Susanne. Deine Tochter ist einfach noch nicht reif genug",
stellte meine Tante süffisant grinsend fest. Jetzt reichte es mir endgültig. Sie sollten nicht immer so tun, als sei das hier ihr Leben. Es gehörte ja wohl noch immer mir! Ich durfte damit machen, was ich wollte. Sie konnten mir nicht in alles reinreden, als sei ich ein kleines Kind. Ich war schon über 18!!!
"Ich hole mir etwas zu essen. Das Essen bevormundet mich nämlich zum Glück nicht",
fauchte ich wütend und sprang auf, sodass mein Stuhl laut quietschend zurückgeschoben wurde. Beinahe wäre er dabei umgekippt. Aber nur beinahe. Mit langen Schritten stürmte ich in Richtung Buffet davon, das sich draußen in der Eingangshalle befand. Bloß weg, einfach bloß weg von hier.
Als ich dort ankam, hatte sich bereits eine lange Schlange vor der Theke gebildet, was mich relativ wenig störte. Erstens hatte ich sowieso keinen richtigen Hunger und zweitens wollte ich nicht zu meiner Familie zurück. Da kam mir der Massenauflauf hier gerade recht. Ich nahm mir einen Teller, eine Servierte und Besteck und wartete geduldig. Vor mir stand eine junge Frau in der Reihe, die ein kleines Kind an der Hand hielt. Das kleine Mädchen mochte vielleicht zwei Jahre alt sein, trug ein rosafarbenes Kleidchen, kleine rosane Schuhe und hatte kurze, dunkelblonde Haare. Sie quängelte heftig, weil sie etwas zu Essen haben wollte und warf sich auf den Boden. Dabei lief ihr Gesicht knallrot an und Tränen tropften ihre Wangen hinunter. Ihre großen, braunen Kulleraugen glänzten dabei voller Trotz. Sie wusste, wie man das bekam, was man wollte. Ihre Mutter schaute gequält auf das kleine Kind hinunter und versuchte es zu beruhigen. Doch das Mädchen ließ sich nicht davon beirren, sondern schluchzte heftig weiter.
"Herrgott Marie, kannst du das nicht bitte lassen? Du bekommst ja gleich etwas zu essen",
versuchte sie das Mädchen verzweifelt zum Schweigen zu bringen, was wenig half. Im Gegenteil. Nun begann es auch noch laut zu schreien.
"Kannst du dich mal bitte um deine kleine Schwester kümmern? Steh hier nicht einfach nur so herum! Ich bringe dann das Essen und danach gehen wir. Es geht einfach nicht anders, tut mir leid",
wandte sie sich da erschöpft an eine Person vor ihr.
"Wenn's sein muss!",
erwiderte der Angesprochene genervt und nahm seine Schwester auf den Arm. Als er sich jedoch an diese wandte, wurde seine Stimme weich:
"Komm, lass uns schon einmal vor gehen und noch etwas spielen, ok? Emma kommt gleich mit dem Essen nach, dann fahren wir nach Hause und danach geht's ab ins Bett. Der Sandmann ist für heute schon weggeflogen."
Schon als ich die Stimme hörte, wusste ich, wer das da vor mir war. Und tatsächlich. Plötzlich stand Jan vor mir, seine kleine Schwester auf dem Arm, die sich schniefend übers Gesicht wischte. Als er mich erkannte, entglitten ihm seine Gesichtszüge und er blickte beschämt zur Seite.
"Ähhh... Samira... Du... Ich... Tut mir leid,... ich muss früher gehen. Marie, meine kleine Schwester, hält es nicht länger aus... Sie ist müde... Sie würde den anderen mit ihrem Geschrei nur den Abend verderben. Ich kann schon froh sein, dass ich bis nach dem Essen da sein durfte. Meine Mutter ist... äh... beschäftigt und die Babysitterin hier eigentlich nur bis 17 Uhr eingeplant. Es... es tut mir wirklich leid, aber ich... ich kann nicht mit dir tanzen. Ich habe gehofft es geht. Ich wollte es wirklich, aber... sorry",
stotterte er mit hängenden Schultern, wie ein geschlagener Hund. Nun war sogar Marie verstummt, als würde sie die Stimmung ihres Bruders spüren. Verblüfft stand ich einfach nur da, unfähig das eben gehörte zu realisieren. Seine Eltern waren nicht hier? Aber er hatte seine kleine Schwester dabei?! Wieso denn das bitte! Und ich hatte gedacht er würde mit mir... aber wie es aussah ja wohl eher nicht.
"Schon ok, Jan. Kümmere dich lieber um deine kleine Schwester, ich wollte eigentlich sowieso nicht tanzen. Sie braucht deine Aufmerksamkeit dringender, als ich. Alles in Ordnung. Wir sehen uns dann am Montag wieder in der Schule",
erwiderte ich schnell, wobei ich meine Enttäuschung nicht ganz verbergen konnte.
"Danke, dass du mich verstehst",
atmete Jan erleichtert auf und trat einen Schritt näher an mich heran. Langsam beugte er sich zu mir vor, wobei seine kleine Schwester an mich gedrückt wurde, was ihr aber relativ wenig auszumachen schien. Sie fuhr nur mit ihren winzigen Fingern über mein Kleid und befühlte fasziniert den Stoff. Ich hielt den Atem an. Was würde gleich passieren? Nun konnte ich deutlich Jans angenehmen Geruch wahrnehmen, der mich an Frühling und Blumen erinnerte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Würde ES gleich passieren? Würde heute endlich der Tag sein, an dem mich zum ersten mal ein Junge küsste? Ich konnte seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren. Doch anstatt dass sich unsere Lippen trafen, führte er sie an meinem Kopf vorbei und flüsterte mir ins Ohr:
"Wir können uns ja einfach mal so treffen und ich entschuldige mich dann für mein schlechtes Verhalten mit einem Essen bei dir. Was meinst du dazu? Morgen vielleicht? Es gehört sich nämlich nicht und ist unverzeihlich, dass ich dich einfach so hier sitzen lasse. So bin ich sonst eigentlich nicht. Überlege es dir in Ruhe, du hast ja meine Nummer. Freue mich schon darauf dich wieder zu sehen. Dir noch einen schönen Abend und vergiss nicht, du packst das alles auch ohne mich locker."
Mit diesen Worten ließ er mich verstört in der Schlange zurück, wobei ich Marie noch mit ihrer süßen Babystimme quietschen hörte:
"Deine Freundin, Jan? Schöhhn! Riecht gut!"
Worauf ein herzliches Lachen von Jan folgte.
Wie ein begossener Pudel stand ich einfach nur da und regte mich nicht mehr. Verzweiflung, Resignation, Wut und Enttäuschung verliefen ineinander, was absolut keine gute Mischung war. Erst als ein Mann mich von hinten anstupste, löste ich mich aus meiner Starre und trat ans Salatbuffet, wo Emma, die Babysitterin von Jans Schwester, sich bereits bediente.
Ich schaufelte mir lustlos etwas grünen Blattsalat, Mais, Schafskäse, Oliven, Paprika, Zwiebeln, Tomaten und Joghurtdressing auf den Teller. Und das obwohl ich jetzt erst recht keinen Hunger mehr hatte. Dabei hätte ich eigentlich kohldampf haben müssen bis zum geht nicht mehr.
"Oh! Bist du nicht die Begleitung von Jan? Ihr Zwei wart wirklich absolut süß vorhin! Es freut mich ja so, dass er endlich eine "GUTE" Freundin gefunden hat, seine Betonung", sprach mich Emma da von der Seite an und zwinkerte mir verschwörerisch zu, "soetwas kann er wirklich gut gebrauchen. Der arme Kerl macht so viel durch und daheim... Er ist ein wirklich herzensguter Mensch. Kümmert sich rührend um seine kleine Schwester und kann keiner Fliege etwas zuleide tun. Und dass ich ihn dir vor dem Tanzen entführen muss, tut mir echt leid. Deswegen war er wirklich sauer. Aber ich brauche auch einmal meinen Feierabend."
Perplex starrte ich zu Emma und wusste nicht, was ich sagen sollte. Warum mussten auch immer alle in mein Leben pfuschen?! Erwartete sie etwa, dass ich ihr jetzt dankbar um den Hals fiel, weil Jan wohl wegen ihr heute Abend kommen konnte? Doch sofort bereute ich den Gedanken wieder. Denn ohne Jan hätte ich den Abend, so wie er bis jetzt gelaufen war, tatsächlich nicht überstanden. Und ich mochte ihn. Das stand außer Frage. Wie es schien hatte er ja auch viel um die Ohren. Er konnte ja nichts dafür. Auch wenn ich immer noch nicht verstand, warum seine Eltern Marie nicht zu sich genommen hatten. Aber vielleicht hatten sie ja einen wichtigen Geschäftstermin, was sicher auch richtig bescheuert war, wenn die eigenen Eltern nicht zum Abschlussball ihres Sohnes kamen.
"Richte ihm von mir aus, dass ich nicht sauer bin und es verstehe. Es war ein schöner Abend mit ihm und ich bin ihm dankbar dafür",
bat ich Emma, worauf sie nickte und mit den Tellern in der Hand davonbalancierte, zu ihrem Tisch, wo sie sicher schon sehnsüchtig erwartet wurde. Im Gegensatz zu mir.
Ich schaute auf das warme Buffet, dann auf den Teller in meiner Hand und überlegte es mir anders. Ein Salat genügte mir vollkommen. Doch wollte ich jetzt erst recht nicht mehr zurück zu meinem Platz, wo ich meinen Eltern und meiner schadenfrohen Tante dann nämlich hätte berichten müssen, dass Jan doch nicht mit mir tanzen würde. Also drängte ich mich erst einmal zu dem Tisch von Lara durch, an dem sie mit ihrer Familie saß. Ich musste einfach irgendjemandem mein Herz ausschütten und sie schien mir im Moment die geeignetste Person dafür zu sein. Hoffentlich konnte sie mir zumindest etwas von diesem stechenden Gefühl in meinem Magen nehmen, das mich zu durchbohren schien. Wenn man einen schlechten Tag hatte, dann aber gleich richtig.
Endlich war ich an Laras Platz angelangt. Sie saß neben ihrer Mutter und machte sich gerade über Schweinemedallions in Pilzrahmsoße mit Pommes her. Dabei war sie voll und ganz auf das Essen konzentriert und bemerkte mich überhaupt nicht. Ich ließ mich neben sie auf den noch freien Stuhl fallen und tippte ihr auf die Schulter. Erschrocken fuhr sie zu mir herum und ich konnte nicht anders, als über ihren panischen Gesichtsausdruck zu lachen.
"Alles gut, ich komme in friedlicher Mission und habe nicht die Absicht dir weh zu tun oder dir und deinen Mitmenschen sonst irgendwelchen Schaden zuzufügen",
grinste ich und stellte meinen Teller ab.
"Mann Sami, hast du mich erschreckt! Wenn ich an einem Herzinfarkt gestorben wäre, hättest du die Schuld dafür getragen. Dann hätte ich eine herzerweichende Abschiedsrede zu meiner Beerdigung erwartet und du hättest mir deinen Lieblingspulli mit ins Grab geben dürfen",
erwiderte sie erleichtert.
"Zum Glück ist es ja nicht so weit gekommen. Ist der Platz hier noch frei?",
wollte ich wissen und nickte Frau Moran, Laras Mutter, zur Begrüßung zu.
"Da sitzt eigentlich Jana, aber die hat sich sowieso zu ihrem Freund verzogen. Sie wohnt ja beinahe auf seinem Schoß",
winkte Lara ab. Jana war ihre ältere Schwester und seit zwei Jahren mit Fabian zusammen, der an der gleichen Uni wie sie studierte. Die Zwei waren wirklich unzertrennlich und in letzter Zeit bekam ich sie nicht mehr so oft zu Gesicht.
"Dann bin ich ja beruhigt",
entgegnete ich und schob mir eine Gabel mit Salat in den Mund. Mhhhhm, war gar nicht mal so übel. Ich kaute genüsslich.
"Aber sag mal, warum bist du überhaupt hier und nicht bei deinen Eltern? Hat dich deine Tante in die Flucht geschlagen oder was ist los?"
Ich verzog gequält das Gesicht. Eigentlich hätte ich am liebsten einfach alles vergessen.
"Ach! Das Übliche. Meine Eltern meinen nur, weil ich mit Jan eingelaufen bin, sei er mein Freund, meine Tante schikaniert mich von vorne bis hinten, aber das ist ja nichts Neues und Jan, der mir versprochen hat, dass er mit mir tanzt, haut jetzt gleich ab, weil er seine kleine Schwester ins Bett bringen muss!"
Lara ließ ihre Gabel geräuschvoll auf den Teller fallen und starrte mich entgeistert an.
"Das ist doch wohl nicht dein Ernst! Jan lässt dich hier alleine sitzen? Er verschwindet jetzt einfach so mir nichts dir nichts oder wie? So ein Arsch!!!"
Sie wurde immer lauter, sodass die Leute an den anderen Tischen sich neugierig zu uns umdrehten.
"Psssst!", zischte ich, was Lara zum Glück auch sofort verlegen verstummen ließ, "es ist nicht seine Schuld. Seine Eltern haben keine Zeit und der Babysitter, der auf die Kleine aufpasst, ist eigentlich nur bis 17 Uhr engagiert. Also kann man froh sein, dass er überhaupt zum Ball gekommen ist. Und ich weiß, dass er es ernst meint. Es tut ihm wirklich leid. Das Problem ist jetzt bloß, dass ich nachher wahrscheinlich blöd dasitzen werde und euch beim Tanzen zuschaue. Ich habe aber absolut keinen Bock mehr auf meine Familie! Vor allem nicht nach dem, was ich gerade erfahren habe."
Lara blickte mich mitfühlend an.
"Du magst ihn, was? Ich habe gesehen, wie ihr euch vorhin angeschaut habt. Richtig süß! Ja, er ist wohl schon ok. Hab gehört sein Vater ist vor zehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Seitdem übernimmt er viel daheim. Ist schon scheiße sowas."
Überrascht schaute ich von meinem Teller auf. Ich hatte nicht gewusst, dass seine Mutter alleinerziehend war. Trotzdem widersprach ich heftig:
"Da ist nichts zwischen uns! Fang du jetzt nicht auch noch damit an. Mir reicht's schon, wenn meine Eltern so reden. Freund hier, Freund da. Immer geht es nur darum, dass sie bald einen Schwiegersohn bekommen. Manchmal denke ich mir sie haben Angst, dass ich niemals einen Freund abbekommen werde. Und sogar die Babysitterin von Jans Schwester hat mich darauf angesprochen! Er ist ganz nett, ok? Aber mehr ist da nicht."
Ich war richtig wütend. Nicht direkt auf Lara, aber jetzt explodierte einfach alles:
"Mir geht es gut und ich werde es überleben, dass Jan später nicht da ist und er mich hier hat sitzen lassen. Ist das so schwer zu verstehen, dass ich auch eine eigene Meinung und ein Recht auf Selbstbestimmung habe? Und ist es denn so schlimm, dass man in meinem Alter noch keinen Freund hatte? Ich brauche das nicht! Ich komme auch ganz gut alleine klar. Habe ich ja schon 18 Jahre lang geschafft, da brauche ich jetzt auch keinen Typen, der mir dabei hilft."
Lara saß mir sprachlos gegenüber und brachte keinen Ton mehr hervor. Sie war ziemlich geschockt, aber was sollte es schon. Sie hatte es sich ja selbst zuzuschreiben. Nächstes mal sollte sie sich besser überlegen, was sie behauptete. Dieses Thema war sehr heikel.
Ich ließ gedankenverloren meinen Blick über die anderen Tische schweifen und erstarrte. Mir klappte die Kinnlade herunter. Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Ich traute meinen eigenen Augen nicht. Dort mir direkt gegenüber saß niemand geringeres als Asher O' Brien und musterte mich belustigt. Er hatte sich lässig in seinem Stuhl zurückgelehnt und feixte heftig. Seine faszinierend grünen Augen, die von einem anderen Stern zu kommen schienen, verspotteten mich dabei.
"Tut mir leid, das sollte nicht so rüberkommen. Es macht mir nichts aus, dass du noch keinen Freund hattest. Sollte wirklich keine Kritik sein. Wird sowieso überbewertet. Ist besser so, glaub mir. Eigentlich sollten wir neidisch auf dich sein",
entschuldigte sich Lara, als sie wieder ihre Sprache gefunden hatte. Ich hörte ihr gar nicht mehr richtig zu. Ich starrte einfach nur zu Asher hinüber, der sich prächtig über mich zu amüsieren schien.
"Äh... schon ok, Lari. Längst vergessen... Aber siehst du auch, was ich sehe oder halluziniere ich? Ich scheine ja ziemlich amüsant zu sein",
tat ich unseren Streit ab und deutete in die Richtung, in der Asher saß. Lara folgte meinem Blick und schüttelte den Kopf.
"So ein Vollpfosten! Hat wohl keine eigenen Hobbys. Mach dir nichts draus, Süße. Die Typen haben heute irgendwie alle einen Schaden",
versuchte Lara mich zu besänftigen.
"Nur heute?",
stieß ich etwas hysterisch hervor und sie grinste. Ich funkelte Asher wütend an. Warum musste der Depp auch lauschen?! Und was fiel ihm ein über das Ganze zu lachen? Ich fand das hier nämlich nicht gerade sehr komisch. Vielleicht hatte ich mich ja doch in ihm getäuscht und Lara hatte recht gehabt, dass er in Wahrheit ein arrogantes Arschloch sei? Idiot! Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten und zeigte ihm den Mittelfinger:
"Bin ich Kino oder was?!"
Ich wusste, dass das total kindisch war, aber ich konnte einfach nicht widerstehen. Ein befriedigendes Gefühl durchfuhr mich. Das hatte gesessen. Ein erstaunter Ausdruck breitete sich auf Ashers wunderschönem Gesicht aus und er klappte den Mund hilflos auf und wieder zu. Er wusste wohl nicht, wie ihm geschah. Gut so! Lara neben mir ließ ein leises Kichern vernehmen.
"Dem hast du es aber gegeben! Richtig cool! So habe ich Asher O' Brien noch nie gesehen. Unbezahlbar!",
freute sie sich und klopfte mir auf die Schulter. Ich grinste ebenfalls boshaft. Das hatte er absolut verdient. Empört sprang der Angesprochene in diesem Moment von seinem Platz auf und kam mit langen Schritten zu uns herübergeeilt. Ich konnte von seinem Gesicht ablesen, dass er ziemlich sauer war. Eine steile Falte hatte sich auf seiner Stirn gebildet, die ihn aber nicht minder anziehend machte. Direkt neben mir, keine fünf Zentimeter entfernt, blieb er stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich musste meinen Kopf verrenken, um sein Gesicht erkennen zu können, so dicht stand er vor mir.
"Autogramme gibt es später",
brachte ich sarkastisch hervor, wobei ich ihn abschätzig von oben bis unten musterte.
"Was ist dein Problem?!",
verlangte Asher von mir zu wissen. Seine Stimme bebte ebenso wie meine vor unterdrückter Wut.
"Was mein Problem ist? Ach, lass mich kurz überlegen... Hmmmm... Du bist mein Problem!",
warf ich ihm an den Kopf. In mir kochte es. Das Gelächter von Asher hatte das Fass einfach zum Überlaufen gebracht.
"Ich dachte wir verstehen uns eigentlich ganz gut. Schließlich habe ich dir sogar geholfen, als du in den Blumentopf da draußen gekotzt hast! Aber wie es aussieht, habe ich mich da wohl getäuscht",
gab Asher patzig zurück.
"Schön! Heul doch! Bist du jetzt fertig? Soll ich jetzt vor dir auf die Knie fallen und sagen, wie leid mir das Ganze doch tut? Ohhhh sorry!",
fauchte ich. Asher zog eine Augenbraue in die Höhe und lachte hämisch auf:
"Ganz bestimmt nicht. Ich dachte bloß du seist etwas reifer. Aber das hier ist ja echt Kindergarten. Verständlich, dass dieser Jan dich hat sitzen lassen und du noch keinen Freund hattest. Hätte ich an seiner Stelle auch getan."
Ich schnappte erschrocken nach Luft. Das hatte er doch gerade nicht wirklich... Er war wirklich ein arrogantes Arschloch! Depp! Mistkerl! Idiot! Schnösel!
"Achsoooo ok... Das hier ist also ganz allein meine Schuld, was? Ja natürlich! Du Heiliger! Aber es ist nicht kindisch, wie du uns hier belauschst und dich darüber lustig machst, dass es mir echt scheiße geht? Fass dir doch erstmal an die eigene Nase, bevor du mit dem Finger auf andere zeigst. Und ganz im Ernst, du kannst mir gestohlen bleiben. So jemanden wie dich brauche ich nicht! Und noch etwas. Jan hat mich nicht sitzen lassen, er MUSSTE nach Hause! Aber ich bin dafür als Entschädigung am Wochenende mit ihm verabredet. Er lädt mich nämlich zum Essen ein. Denn er weiß im Gegensatz zu dir, was sich gehört",
schrie ich außer mir und sprang auf die Füße, sodass ich ihm besser in die Augen schauen konnte. Für einen kurzen Moment verlor ich mich in diesem unendlich intensiven Grün, doch dann fing ich mich wieder. Ich durfte mich nicht unterkriegen lassen! Ein kurzes Flackern von Unsicherheit war in seinem Blick zu sehen, doch es war so schnell wieder verschwunden, dass ich mich auch getäuscht haben konnte. Stattdessen sah ich nur noch Verachtung.
Ohne nachzudenken nahm ich das noch halbvolle Sektglas von Jana zur Hand und kippte es ihm über den sicher sau teuren Designeranzug. Seine Gesichtszüge entglitten ihm und er starrte mich perplex an. Fassungslos wischte er mit einer Hand über den Fleck, der immer größer wurde. Bevor er sich regen konnte, stürmte ich an ihm vorbei und rannte kopflos aus der Halle. Ich konnte hier keine Sekunde mehr länger bleiben. Mir reichte es endgültig.