Kapitel 3

1419 Words
Kapitel 3 So lässig wie er auf mich zu schlenderte, konnte man meinen, dass er keine Sorgen in seinem Leben hatte. Er grinste, und dann, ganz plötzlich - ich hatte gar nicht mitbekommen dass er schon bei mir angekommen war - zog er mich in seine Arme. Das schien er irgendwie gerne zu tun. Ich war wie benebelt von seinem herben, maskulinen Geruch. „Danke" hauchte er, dann hob er mich urplötzlich hoch und trug mich zu seinem Auto. Ach du heiliges Schnitzel! Das war zu viel für mein armes, sonst so versteinertes Herz. Ohne es wirklich bewusst zu tun, legte ich meine Arme um seinen Hals und zog mich zu ihm. Sein Brustkorb bebte, als er leise lachte. „Du bist süss" Er kam beim Auto an und setzte mich auf dem Beifahrerersitz ab, dann joggte er ums Auto und liess sich neben mir fallen. ♧ Während der Fahrt hatten wir beide kein Wort gesagt. Mir war die Situation eher unangenehm und er hatte die ganze Zeit diesen wohligen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Nun sassen wir hier. Auf der Couch in seinem Wohnzimmer, dass - nur um es einmal zu bemerken - riesig war. So wie der Rest des Gebäudes. Merkwürdig fand ich nur, dass sich hier im Wald sozusagen eine einzige kleine Siedlung befand, denn um Damons Villa standen noch lauter andere herum. „lass uns einen Film schauen" Ich zog die Augenbrauen hoch. „Na gut" er grinste. „Horrorfilm?" Ich nickte nur genervt. Vor so etwas fürchtete ich mich nicht, deswegen hatte er sich geschnitten, wenn er dacht, dass ich mich dann ‚an ihn schmiegen' würde. Er zog einen Film aus einem Regal und legte ihn ein. Soweit so gut. Der Film startete relativ normal, so wie Horrorfilme halt anfingen, und als ich es nicht mit der Angst zu tun bekam, legte Damon einfach von selbst seinen Arm um meine Schulter und zog mich näher zu sich. Zwischen uns war wohl kaum ein Zentimeter Platz, aber diese Nähe störte mich merkwürdigerweise nicht. Alles war wunderbar... bis der Mörder ausfindig gemacht wurde. Im Film, versteht sich. Es war eine Frau. Eine Psychopathin, deren Problem man nicht diagnostizieren konnte. In meinem Hals bildete sich ein Kloss. Zu meinem Bedauern rief die nicht allzu schöne Erinnerung wach. Meine Augen wurden feucht und als man das Gesicht der Frau heran zoomte, die Shannon sogar ähnlich sah, konnte ich mich nicht mehr halten. Ich sprang auf. Die Tränen flossen ungehindert und ich wollte einfach nur noch von hier weg. Das konnte ich mich einfach nicht mehr mit ansehen. Es war fürchterlich für mich. Die Erinnerungen an meine leibliche Mutter kamen in mir hoch. Wie ich als kleines Kind in der Psychiatrie war, um sie zu besuchen, kurz nachdem sie eingewiesen wurde und noch gar nicht verstand, was es bedeutete, psychisch gestört zu sein. Und als meine Mutter mich sah, rastete sie beinahe aus und schrie. „Wenn er kommt, dann flieh. Wer auch immer du bist" Sie hatte mich nicht erkannt, und ich hatte geweint. So wie jetzt. Der Tränenschleier vor meinen Augen liess nicht zu, dass ich sah, wo ich hinlief, doch ich erkannte unweigerlich, dass es dunkler wurde. Angst überkam mich. Ich hätte nicht so einfach wegrennen sollen. Nach ein paar Mal Blinzeln klärte sich meine Sicht wieder einigermassen und ich erkannte, dass ich in einem Wald hockte. Die Angst kroch meinen Nacken hinauf und überwältigte mich beinahe. Alles in mir schrie: RENN! Doch ich wusste, dass dies das schlimmste war, dass ich machen konnte, denn ich hatte mich verirrt. Der Wald war so dicht, dass kaum noch Licht durch das Blätterdach schimmerte und ich schluchzte leise auf. An einem Baum liess ich mich auf den Boden sinken und atmete einmal tief durch. „ELISE? Elise, verdammt wo bist du?" Leicht schrie ich auf. „Elise, verdammt, jag mir nie wieder solche Angst ein" Damon trat in mein Sichtfeld und zog mich in seine Arme. Ich hingegen schluchzte nur laut auf und die Tränen flossen wie Wasserfälle über meine Wangen. Verdammt. Ich wollte vor Damon nicht schwach wirken. „Willst du mir erzählen, was dich so panisch gemacht hat?" Angstvoll schüttelte ich den Kopf. Er durfte es nicht wissen! Ich hatte Angst davor, dass er mich verurteilen würde, wenn er wüsste, dass ich die Tochter einer Verrückten war. „Ne-hein!" hickste ich bestimmend. „Pscht" hauchte er mir nur ans Ohr und hob mich mit einem Ruck hoch. „Du bist ganz kalt. Ich bringe dich schnell nach Hause" Zitternd nickte ich und schmiegte mich unterbewusst an ihn. Zumindest redete ich mir das ein, denn leider musste ich zugeben, dass ich mich zu ihm hingezogen fühlte und dass es mir gefiel, so in seinen Armen zu liegen. Er vermittelte mir ein Gefühl von Geborgenheit, dass ich nicht wirklich kannte. Traurig war nur, dass ich Damon erst seit gestern kannte und mich trotzdem - zumindest für meine Verhältnisse - an ihn heran schmiss. Und das im wörtlichen Sinne, schliesslich kuschelte ich mich gerade gegen seine muskulöse Brust. Von irgendwo über mir war ein zufriedenes Knurren zuhören und ich zuckte erschrocken zusammen. Als ich aber feststellte, dass es nur Damon war, der diesen Laut von sich gegeben hatte, krallte ich meine Arme besitzergreifen um seinen Hals. Ich war ja selber verdammt überrascht und verwirrt von meiner Handlung, aber was ich vor allem wissen wollte, war, warum ich mich so von ihm angezogen fühlte, obwohl ich ihn nicht im geringsten kannte. Das einzige was ich eigentlich wirklich über ihn wusste, war, dass er Damon hiess, und damit war es schon fertig. „Worüber denkst du nach, mein wunderschöner Engel?" hauchte Damon mir ins Ohr. Stirnrunzelnd spähte ich ihn an. Ich war alles, aber bestimmt nicht ‚wunderschön'. Klar, wenn man die Beschreibung meines Aussehens hörte, dachte man ‚ja die kann ja nur wunderschön sein', aber ein Blick in mein Gesicht reichte wohl, um sich des Gegenteils bewusst zu werden. Ich war relativ gross, etwas zu abgemagert und musste eine Brille tragen, die meine blauen Augen riesig aussehen liess. Ausserdem hatte ich lange blonde Haare. Trotz der Lüge wurde mir warm ums Herz. Wie konnte er nur so süss sein? „über dich" gab ich ehrlich zu und er riss begeistert die Augenbrauen hoch. „Wirklich?" Ich nickte. „Weisst du... Ich... irgendwie mag ich dich, aber..." huch, woher kam denn diese Offenheit? Im Normalfall würde ich so etwas nie sagen. „ich kenne dich erst seit gestern und ich weiss eigentlich nichts über dich." Plötzlich grinste er. „Das lässt sich natürlich ändern! Lass uns, wenn wir drüben sind, das Frage-Antwort Spiel zu spielen. Du stellst mir eine Frage und ich muss sie ehrlich beantworten, dann bin ich dran..." Ich nickte. Ich hatte schliesslich nichts wirklich zu verbergen, - bis auf das ableben meiner Mutter - also hatte ich keine Angst davor, was er fragen würde. Ich kuschelte mich fester an Damon. „Mir ist k-kalt" bibberte ich und er grinste. „Das Problem lässt sich beheben" er begann schneller zu rennen und es dauerte kaum zehn Minuten, da waren wir angekommen. „Bin ich nicht viel zu schwer für dich?" „du und zu schwer? Ich finde eher, dass du ein wenig zu leicht für deine Grösse bist..." Ich schluckte nur. Ja, er hatte Recht. Ich war ziemlich dünn, etwas zu dünn vermutlich aber es störte mich nicht und ich war lieber zu dünn als zu d**k. In diesem Moment kamen wir an und er setzte mich auf dem Sofa ab. „Willst du anfangen?" fragte er und ich nickte. „Wie alt bist du?" Er grinste. „ich bin achtzehn, werde aber in fünf Monaten neunzehn. Wie alt bist du?" "ich bin siebzehn, werde in fünf Monaten aber achtzehn. Wann hast du Geburtstag?" Er lachte wieder sein strahlendes Grinsen, dass mir das Gefühl gab, nur für mich bestimmt zu sein. Es machte mich glücklich. „am 2. Mai. Du?" Ich riss die Augen auf. „Nicht dein Ernst? Wir haben am gleichen Tag Geburtstag?" Er zog mich in seine Arme. „wenn dich das glücklich macht, bin ich auch glücklich" Oh mein Gott. Ich schmeeeeelze. Wie konnte ein Junge, den ich quasi gar nicht kannte, mein Herz so zum Hüpfen bringen? „Deine Frage?" Wieder grinste er sein wunderschönes Grinsen. „Ach so... Was ist deine Lieblingsfarbe?" „Ich liebe rot. Wie heissen deine Eltern?" Ich schluckte. „Meine Pflegemutter heisst Wilhelmine..." sagte ich dann. Er lächelte. „Du musst es nicht sagen. Erst wenn du so weit bist" Ich biss mir auf die Lippe. Innerlich führte ich einen kleinen Krieg. Mein Herz wollte sich ihm ausschütten und ihm von all dem Kummer berichten, aber mein Verstand sah das ganz anders. Er trichterte mir ein, niemandem zu vertrauen.
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