Kapitel 2-2

2041 Words
Riley atmete tief durch, um ihre Nerven zu beruhigen und ihre fünf neuen ‚Gefährten‘ kennenzulernen. Innerlich zitterte sie wie Espenlaub. Sie hatte jedoch schon vor langer Zeit gelernt, sich nichts anmerken zu lassen. Wieder stemmte sie ihre Hände in die Hüften, atmete noch einmal tief durch und warf ihre lange blonde Mähne über ihre Schulter, bevor sie sich wieder zu den fünf Männern umdrehte. Mit einem Meter fünfundsiebzig war sie für eine Frau relativ groß. Wenn man außerdem berücksichtigte, dass sie Kleidergröße 44 und BH-Größe Doppel D trug, könnte man sie mit Xena auf Steroiden vergleichen. Sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, mit ihrer wuchtigen Statur zu leben. Es blieb ihr auch nichts anderes übrig, da sie quasi alle, die sie im Alter zwischen vier und achtzehn Jahren kennengelernt hatte, immer überragt hatte. Sie war früh in die Pubertät gekommen und hatte alle möglichen Amazonen- und Riesen-Witze über sich ergehen lassen müssen, wie alle anderen sensiblen Mädchen auch. Nur, dass andere sensible Mädchen nicht ihre Oma Pearl hatten. Oma Pearl hatte Riley gezeigt, wie man es jedem, der sich über einen lustig machte, so richtig zeigte. Als der vierte Sozialarbeiter an der Schule Pearl damit gedroht hatte, ihr Riley und Tina wegzunehmen, hatte Pearl Riley gezeigt, wie man sich mit Worten zu Wehr setzen konnte. Im Laufe der Jahre hatte sie viele Möglichkeiten bekommen, an ihrem Talent, wie es ihre Oma immer nannte, zu arbeiten. Riley stieß die Luft aus, die sie die ganze Zeit über angehalten hatte und schenkte den fünf Alien-Männern, die sie anstarrten, ein strahlendes Lächeln. „Nun, Jungs, wie es aussieht, muss Tante Riley ein paar Regeln für unser gemeinsame Zeit hier aufstellen“, sagte sie und musterte die Männer aufmerksam, um zu entscheiden, wie sie die Sache angehen sollte. Alien Nummer eins war etwa einen Meter groß, hatte zwei Köpfe und sah aus wie eine Mischung aus einem Lurch und ET. Auf seine ganz eigene Art und Weise war er jedoch ganz süß. In jedem der beiden Köpfe huschten zwei große Augen nervös zwischen ihr und den anderen vier Männern hin und her. Er war dunkelgrün und hatte bräunliche, schwarze und rote Streifen am ganzen Körper. Seine Kleidung bestand aus einer kurzen Lederweste und einer karierten Hose sowie Kinderstiefeln. Er musste zu dem Schluss gekommen sein, dass sie keine so große Bedrohung darstellte wie die anderen Männer, denn er verzog sich mit einem leisen Quieken in eine Ecke. Sie fand, dass er wie ein ‚Fred‘ aussah. Dann fiel ihr Blick auf den nächsten Alien. Er – sie nahm an, dass es ein er war, nachdem das Strichmännchen ihn als Mann bezeichnet hatte – war fast zweieinhalb Meter groß. Er überragte sie alle, einschließlich der drei Männer, die neben ihm standen, war jedoch nicht ganz so furchteinflößend. Er erinnerte Riley an die große Knetmassen-Tube aus dem Film Monsters vs. Aliens. Er war grün statt blau und sah einfach wie ein ‚Bob‘ aus, als er so zitternd dastand. Er hinterließ sogar eine helle Flüssigkeit, die wie sie hoffte, nicht radioaktiv war. Der Großteil seines Körpers war mit einer Art Gewand bedeckt. Sie wollte nicht einmal darüber nachdenken, was sich wohl darunter befand. Als sie ihm in die Augen sah, hatte sie jedoch das Gefühl, dass er ihr nichts tun würde. Sie waren groß und rund und hatten die Farbe von Pfirsichgummibärchen mit kleinen schwarzen Pupillen in der Mitte. Er gab einen leisen summenden Laut von sich, so als hätte er große Angst. Sie wusste jedoch nicht, wovor er Angst hatte. Bis jetzt hatte sie das Gefühl, dass alles ziemlich gut lief, wenn man bedachte, dass sie von Aliens entführt worden war. Zumindest konnten Daddy und sein dummer Sohn aus New Mexico sie hier nicht finden. Ihr Blick fiel auf die letzten drei Männer. Sie hätte zu gerne einen dieser altmodischen Fächer gehabt, so wie die Frauen in den alten Filmen, denn sie spürte, wie ihr heiß wurde, als sie die Männer musterte. Der Erste war umwerfend! Sein langes Haar war im Nacken zusammengebunden. Es war Goldblond mit verschiedenen Schattierungen. Auf seiner Brust und seinem linken Arm waren Muster und er trug eine schwarze Weste, schwarze Hose und schwarze Stiefel, die sich deutlich von seiner hellen Haut abhoben. Seine dunklen gold-braunen Augen ruhten auf ihr, während sie ihn von oben bis unten musterte. Er wirkte eher neugierig als ‚interessiert‘. Dafür war Riley dankbar, denn sie glaubte, dass ihr Mundwerk und ihr Talent, jemandem die Nase zu brechen, ihn nicht lange aufhalten würden, wenn er beschloss, seine scharfen Zähne in ihrer Haut zu vergraben. Alien Nummer vier war ungefähr genauso groß wie der erste. Wenn sie von ihrer eigenen Größe ausging, schätzte sie ihn auf etwa einen Meter neunzig oder so. Eigentlich wäre es ganz schön, einmal auf Männer zu treffen, zu denen sie aufblicken konnte, wären sie keine Aliens gewesen! Alien Nummer vier musterte sie ebenso neugierig wie Nummer drei. Er hatte rötlich-braunes Haar und dunklere Haut. Sein Haar war kurz und mit dunkelroten Strähnen durchzogen. Seine Augen waren hellgrün mit dunkelgrünen Flecken. Er trug die gleiche Kleidung wie der andere. Riley vermutete, dass es eine Uniform sein musste. Es war eine Art Biker-Outfit, wie sie es von den Rocker-Typen zu Hause kannte, die sonntags immer mit ihren Bikes unterwegs waren. Nur dass sie glaubte, dass die Typen hier die ganze Zeit so herumliefen und es kein Kostüm war, um einen Tag lang auf Bad Boy zu machen. Ihren muskulösen Körpern nach zu schließen, waren sie wahrscheinlich immer böse. Ihre Annahme bestätigte sich, als ihr Blick auf Alien Nummer fünf fiel. Sie hatte die ganze Zeit versucht, ihn nicht anzusehen, weil sie gehofft hatte, es wäre nicht so intensiv wie beim ersten Mal, als sie ihn auf der Plattform im ‚Auswahl‘-Raum gesehen hatte. Wenn sie ihn schon aus der Entfernung heiß gefunden hatte, dann verbrannte er sie aus der Nähe regelrecht! Riley musste sich beherrschen, um ihn nicht einfach anzufassen, um zu sehen, ob sie sich ihre Finger verbrennen würde. Zum Glück rettete Oma Pearls wunderbare Erziehung sie vor diesem impulsiven Verhalten. Pearl hatte Tina und Riley darauf gedrillt, nicht mit dem Feuer zu spielen. Niemals! Pearl hatte ihnen erklärt, dass Feuer in verschiedenen Formen in Erscheinung treten konnte und die meisten davon hatten zwei Beine, einen Kopf und nicht besonders viele Gehirnzellen. Riley glaubte, dass ihre Großmutter deshalb so war, weil sie und ihre Tochter, Rileys und Tinas Mutter, sich selbst überlassen worden waren, nachdem die Lieben ihres Lebens sie geschwängert und die Stadt verlassen hatten. Es hatte jedoch nicht lange gedauert, bis sie gemerkt hatte, dass das auch anderen passierte. Pearl hatte Riley und Tina immer wieder eingebläut, die Anzeichen nicht zu ignorieren, wie es ihre Freundinnen oder Mädchen aus der Nachbarschaft oft taten. Riley hatte mitbekommen, wie sich die Mädchen reihenweise in die ‚Bad Boys‘ verliebt hatten, nur um dann für ein anderes hübsches Mädchen aus der Nachbarschaft verlassen zu werden. Einige von ihnen waren sogar mit einem Baby sitzen gelassen worden, um das sie sich dann alleine kümmern mussten. Im Alter von zwölf Jahren hatte Riley beschlossen, dass sie keines dieser Mädchen sein würde. Natürlich, denn genau zu dieser Zeit hatte ihr der alte Lustmolch, dem der Lebensmittelladen an der Ecke gehörte, nachgestellt. Nein, sie wollte erst einmal einen Ring am Finger, bevor sie in irgendetwas einwilligte. Sie würde nicht mit einem Kind sitzen gelassen werden wie ihre Großmutter, oder auch ihre Mutter, wenn sie nicht abgehauen wäre. Der Typ konnte sich entweder damit abfinden oder sein Maul halten. Ist schon irgendwie witzig, dachte Riley. Das ist so ziemlich das Einzige, worüber Tina und ich uns jemals einig waren, ohne zu streiten. Riley wandte ihren Blick wieder dem großen Mann zu, der sie immer noch anstarrte. Alien Nummer fünf scheint nicht nur ein Bad Boy zu sein, sondern auch noch Ausländer, dachte Riley und kicherte. Wohl eher Außerirdischer, korrigierte sie sich im Stillen, als sie sah, wie sich seine Miene bei ihrem Lachen verdüsterte. Er war etwa genauso groß wie die anderen beiden, wirkte jedoch aus irgendeinem Grund sogar noch größer. Auf jeden Fall überragte er sie um fast fünfzehn Zentimeter. Sein schwarzes Haar war kurz, fast so wie es bei Soldaten auf der Erde üblich war, und unter der schwarzen Weste blitzte der obere Teil seiner Brust durch. Auf seiner Brust waren dunkle Punkte zu sehen, die fast wie ein Leoparden-Muster aussahen, nicht dass sie je einen echten Leoparden gesehen hatte. Riley ließ ihren Blick über seine enge Hose schweifen. Ihre Augen weiteten sich, als sie an der Vorderseite seiner Hose eine deutliche Wölbung sah. Überrascht blickte sie wieder in sein Gesicht und zwang sich, durchzuatmen. Da ist wohl jemand geil, dachte sie, als sie in die intensiven, dunkelgelben Augen blickte. „Okay“, sagte Riley und rieb sich die Hände. „Regel Nummer eins. Das ist eure Seite der Höhle und das hier ist meine. Wenn ihr auf eurer Seite bleibt, dann passiert euch nichts. Wenn ihr auf meine Seite kommt, schneide ich euch die Schwänze ab und serviere sie euch zum Frühstück“, sagte sie lächelnd und mit hochgezogenen Augenbrauen. „Das Badezimmer ist morgens genau dreißig Minuten und abends eine Stunde für mich reserviert“, fügte sie hinzu, dann drehte sie sich um und ging zu ihrem Koffer, der neben dem Bett stand. Sie bückte sich und öffnete eine der Seitentaschen. Als sie ein leises Knurren hinter sich hörte, griff sie schnell nach dem Gegenstand, den sie sich seit ihrer Entführung schon die ganze Zeit herbeigewünscht hatte. Sie stieß einen erleichterten Seufzer aus, als sie den kleinen, mit Leder bedeckten Gegenstand ertastete. Genau in dem Moment, als der große Mann einen Schritt auf sie zumachte, drehte sie sich um. Sie blickte in seine funkelnden Augen und fluchte leise. Wie es aussah, würde sie beweisen müssen, dass sie ihre Drohung wahrmachen würde. „Geh auf deine Seite. Sofort!“, knurrte Riley, den kleinen Gegenstand fest umklammert. „Bleib weg! Böser Alien. Du darfst nicht auf diese Seite!“, sagte sie und deutete auf die Seite, wo die anderen Männer standen. „Du gehörst mir!“, knurrte der große Mann und machte einen weiteren bedrohlichen Schritt auf sie zu. „Ich erhebe Anspruch auf dich.“ Bei dieser empörenden Aussage konnte Riley sich nicht mehr länger zurückhalten. „Letzte Warnung. Beweg deinen Arsch auf die andere Seite des Raumes, sonst übernehme ich das für dich“, knurrte sie und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Vox grinste und zeigte seine blitzend weißen scharfen Zähne. „Das würde ich zu gerne sehen“, kicherte er und machte einen weiteren Schritt auf sie zu, bis er nur noch eine Armlänge von der Frau entfernt stand, die, wie er wusste, seine Gefährtin war. Riley lächelte und ihre Augen funkelten hinterhältig, als sie zu dem großen Mann aufblickte. „Oh, mein Lieber, das hättest du wirklich nicht sagen sollen“, sagte sie, kurz bevor sie den Gegenstand, den sie in ihrer Hand hielt, an seine Brust drückte und den Knopf des kleinen Tasers drückte. Vox‘ Augen weiteten sich kurz, bevor er fluchte, als sein ganzer Körper plötzlich zu zucken begann. Seine Brust brannte und der elektrische Schlag stieß ihn nach hinten. Er brach auf dem harten Steinboden zusammen, und sein Körper zuckte, als seine Muskeln auf den heftigen elektrischen Schlag reagierten, den er abbekommen hatte. Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte er gegen den Schmerz an, doch es half alles nichts. Er hatte keinerlei Kontrolle über seine Muskeln. Es war zehn Mal schmerzhafter als die Schläge mit dem Schlagstock, die ihm die Antrox verpasst hatten. Er zwang sich, die Frau wieder anzusehen. Sie hatte ihre Hände in die Hüften gestemmt und warf ihren Kopf in den Nacken, wobei sie die Männer, die sie jetzt anknurrten, keine Sekunde aus den Augen ließ. Mit einem wütenden Fauchen packten Tor und Lodar ihn an den Armen und zogen ihn von der Frau weg, die knurrend neben dem Bett stand und die Zähne fletschte. Ihre Blicke trafen sich und für einen kurzen Moment sah er einen Anflug von Angst in ihren Augen. Sie hatte sich jedoch schnell wieder unter Kontrolle.
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