Zum Glück war der Rest meines Tages relativ ereignislos. Es gab weder nervige Kunden noch brach Chaos aus. Nur das Aufräumen dauerte länger als sonst, weil ich am Ende des Tages wirklich entkräftet war. Um Mitternacht machte ich mich endlich auf den Weg nach Hause. Ich steckte meine Kopfhörer in meine Ohren, als ich meinen 20-minütigen Spaziergang von der Arbeit zurück zu meiner Wohnung antrat. Glücklicherweise wollte Jessie mich morgen früh abholen, sodass ich nicht laufen musste. Sie hat mich bisher immer mitgenommen, wenn wir denselben Dienst hatten, und ich wusste das sehr zu schätzen.
Ich lauschte der ruhigen Musik, während ich durch die düster beleuchteten Straßen lief. Ich hatte keine Angst, nachts nach Hause zu gehen, aber ich war mir der Gefahr dennoch bewusst. Ich konzentrierte mich auf den Weg vor mir und wollte einfach nur in mein Bett kriechen und etwas schlafen, bevor meine nächste Schicht begann. Ein Schauder lief mir den Rücken hinunter und ich hatte plötzlich das Gefühl, dass mir jemand folgte.
Ich wusste, dass das logische Ding wäre, überallhin, aber nicht nach Hause zu gehen. Ich schaute über meine Schulter und sah nichts hinter mir. Ich ging weiter und schaute nach einer Minute noch einmal. Immer noch niemand in meiner Umgebung. Ich kam zu dem Entschluss, dass ich wohl einfach übermüdet war und setzte meinen Weg nach Hause fort.
Ich kam zu Hause an, ohne dass etwas vorgefallen war, obwohl das bedrohliche Gefühl, dass mir jemand folgte, nie verschwunden war. Ich stieg die Treppen zu meiner Wohnung im dritten Stock hinauf, meine Füße erschöpft schleichend. Jetzt war ich so richtig krank und bereute alle Überstunden, die ich mir aufgehalst hatte.
Ich schloss die Tür auf und betrat meine kleine Ein-Zimmer-Wohnung. Sie war zwar klein, aber gemütlich. Ich brauchte nicht viel Platz, seitdem ich seit der Oberstufe keinen Freund mehr hatte. Mein Bett stand in der Ecke. An der Seite des Bettes befand sich ein Fenster mit Vorhängen. Direkt daneben hatte einen kleinen Tisch mit ein paar Pflanzen, die ich nur mühsam am Leben hielt. Gegenüber befand sich die Küchenzeile. Ich hatte einen Zweiplattenherd und ein Spülbecken mit ein paar Schränken. Vor einem Jahr hatte ich mir von dem Bonus, den uns das Diner gegeben hatte, einen Toasterofen besorgt. Mit dem und der Mikrowelle konnte ich also praktisch alles kochen. Ich hatte einen kleinen Kühlschrank daneben stehen, der genug Platz für ein paar Wochen Essen bat. So musste ich nie zu viel auf einmal einkaufen. Ich hatte einen sehr kleinen Tisch, den ich in der Nähe der Küche platziert hatte, mit nur einem Stuhl. An der anderen Wand stand eine alte, zerbeulte Couch. Jessies Großmutter war vor einiger Zeit gestorben und ihre Mutter hatte sie mir für 20 Euro angeboten. Ich wusste, dass ich niemals so günstig an ein Sofa kommen würde, also schlug ich zu und ihr Onkel hatte mir freundlicherweise sogar dabei geholfen, es in meine Wohnung zu bekommen. Ich hatte zwar keinen Fernseher, aber dafür stapelweise alter Bücher neben der Couch. Ich besuchte oft den kleinen Gebrauchtwarenladen die Straße runter und sie hatten stets gebrauchte Bücher. Sie wurden günstig verkauft, da immer weniger Leute überhaupt Papierbücher kauften. Ich hingegen konnte gar nicht anders; ich liebte das Gefühl eines Buches in meiner Hand. Ich konnte mir sowieso keinen Fernseher oder Kabel leisten, also war das Lesen meine Freizeitbeschäftigung. In meiner Wohnung gab es überall nicht zusammenpassende Decken und Kissen, was aber gut zu dem Stückkoch- und -geschirr passte, das ich besaß.
Alles in meiner Wohnung hatte ich im Laufe der letzten Jahre nach und nach gekauft. Ich war praktisch mit nichts von zu Hause weggegangen. Manchmal schaute ich mich in meinem kleinen Zuhause um und verspürte Stolz, weil ich es alles selbst erreicht hatte.
Ich ließ meine Tasche auf den Tisch fallen. Neben meinem Bett hatte ich eine kleine Kommode. Ich ließ meine Kleidung auf den Boden fallen und zog eine weiche Jogginghose und ein Shirt daraus hervor. Ich zog mich um, bevor ich ins Badezimmer ging, um Medizin zu holen. Immerhin hatte ich ein bisschen Erkältungsmittel da, welches ich in einem Schluck hinunterschluckte. Ich hoffte verzweifelt, dass es meine Symptome für eine Weile lindern würde. Gedankenlos ließ ich mich auf mein Bett fallen, und bemerkte nicht einmal, dass meine Kissen nicht mehr dort lagen, wo ich sie nach dem Aufschütteln abgelegt hatte.
-
Mein ganzer Körper schmerzte und mein Kopf war zu. Es war alles schlimmer als gestern. Wir steckten mitten im Ansturm zum Mittag, aber zum Glück versuchte die Gastgeberin, nicht allzu viele Gäste in meiner Sektion zu platzieren. Aber es war Samstag, also waren wir ohnehin mehr als beschäftigt. Ich war gerade dabei, das Essen für einen der Tische zu holen, als Jessie hereinkam.
„Deine Super-Trinkgeldgeber sind zurück und sie haben nach dir gefragt", sagte sie genervt.
„Was?", fragte ich überrascht.
„Ja, sie haben gefragt, ob du da bist und wollten in deiner Sektion platziert werden. Sie sind gerade da draußen", sagte sie. Ich ließ meinen Kopf nach hinten fallen und seufzte laut. “Was? Du könntest den Tag wieder mit einem so großartigen Trinkgeld wie gestern beenden! Du siehst sowieso so aus, als ob du es brauchst."
“Nein, mir geht's gut. Ich fühle mich beschissen, aber darum geht es nicht. Ich habe gestern noch versucht, es ihnen zurückzugeben und der Kerl hat es abgelehnt. Das wird doch jetzt total peinlich!"
“Tu einfach so, als ob nichts passiert wäre. Behandle sie wie jeden anderen", sagte sie achselzuckend.
Ich nahm das Essen für meinen Tisch und verließ die Küche. Nachdem ich das Essen serviert hatte, begab ich mich zu der Gruppe am Tisch. Die gleichen vier Gesichter begrüßten mich in etwa auf die gleiche Art und Weise wie gestern. Gentry lächelte strahlend, Cullen hatte einen wütenden Ausdruck im Gesicht und schaute mich nicht an, Jaime schien mehr an ihrem Handy interessiert zu sein als im Diner zu sein, und Calder hatte einen merkwürdigen Ausdruck, als er mich aufmerksam beobachtete.
“Willkommen zurück. Ich bin Remi und ich bin heute wieder eure Kellnerin. Was darf ich euch heute zu trinken bringen?"
“Guten Nachmittag, Remi!", sagte Gentry fröhlich. “Wie war der Rest deines gestrigen Tages?"
“Es war angenehm. Aber ich bin auch nur direkt nach der Arbeit nach Hause gegangen. Wie war euer Tag? Gentry, oder?"
“Du hast es dir gemerkt! Mein Tag war ziemlich langweilig. Aber heute scheint es besser zu werden!" Sein Lächeln wirkte ansteckend, also lächelte ich zurück.
“Schön, das zu hören. Was darf ich euch allen zu trinken bringen?"
“Frischen Kaffee?", fragte er.
“Ich setze gerne eine Kanne für dich auf", erklärte ich ihm.
“Danke, Puppe!", sagte er mit einem Zwinkern. Ich spürte, wie ich rot wurde.
“Ähm, das ist wirklich gar kein Problem! Was darf ich den anderen bringen?"
“Kaffee", sagte Jaime und Cullen nickte in Zustimmung.
Ich nickte und schaute zu Calder. Sein Kopf war leicht geneigt, als wollte er etwas herausfinden. “Wasser", sagte er schließlich.
“Kommt sofort", erwiderte ich und steckte mein Bestellbuch in meine Schürze, bevor ich mich umdrehte. Ich spürte, wie die Blicke auf mir ruhten, als ich mich entfernte. Ich ging nach hinten und setzte den Kaffee auf. Während er kochte, brachte ich eine Rechnung zu einem anderen Tisch und rannte dann zur Toilette. Über dem Waschbecken stehend, spritzte ich mir Wasser ins Gesicht. Ich schnäuzte und wünschte mir insgeheim, dass ich meine verstopften Nebenhöhlen freimachen könnte. Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich an das Waschbecken und versuchte stillschweigend, meine Erkältung zu vertreiben. Das Medikament, das ich heute Morgen eingenommen hatte, hatte zwar das Fieber gesenkt, aber ich fühlte mich immer noch schwach und schlapp.
Ich griff nach dem Handtuchspender und nahm eines heraus. Ich trocknete mein Gesicht ab und öffnete die Augen, um in den Spiegel zu schauen. Doch ich bemerkte schnell, dass ich nicht allein war. Harte graue Augen starrten mich durch den Spiegel an. Ich gab einen kleinen Schrei von mir, sprang auf und drehte mich schnell zu seinem großen Körper hinter mir um.
Ich hielt mir die Brust und zischte: “Das ist die Damentoilette!" Er zuckte nur mit den Schultern. Ich brauchte einen Moment, um meinen Atem zu beruhigen. “Kann ich dir irgendwie helfen? Cullen, oder?", fragte ich und versuchte höflich und leicht zu klingen. Unbehagen breitete sich langsam in mir aus.
Seine Augen suchten mein Gesicht ab, sein Ausdruck immer noch kalt und hart. Er streckte die Hand aus und strich mir über die Wange. Ich erstarrte unter seiner Berührung. Sein Kopf neigte sich, als ob er über etwas nachdenken würde. “Ich wäre dankbar, wenn du mich loslassen würdest", sagte ich, schon fast flüsternd. Er ließ seine Hand fallen und drehte sich weg, um zu gehen. Ich stand einfach da, verwirrt. Was ist gerade passiert? Doch bevor mein Verstand alles begriff, war er weg. Ich holte tief Luft, um meine Sinne zu sammeln, und verließ die Toilette. Cullen wartete zum Glück nicht im Flur auf mich. Ich ging in die Küche, um ihren Kaffee zu holen, und ging zurück zum Tisch.
Ich näherte mich zögerlich. Cullen verhielt sich wieder so, als wäre ich nicht einmal eines Blickes wert. Ich stellte alle Getränke ab und versuchte zu entkommen, als Gentry meinen Arm packte.
“Hey, Remi, ich habe eine Frage", sagte er. Ich erstarrte und drehte mich langsam zu ihm um.
“Ähm, sicher. Wie kann ich helfen?" Ich versuchte, so ruhig und nett wie möglich zu wirken. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass Calder mich beobachtete.
“Geht es dir gut?", fragte er. Seine fröhliche Fassade wich nun langsam der von Besorgnis.
“Ja, mir geht es gut. Warum fragst du?", erwiderte ich.
“Du siehst ein bisschen blass aus und wirkst fast grünlich...", sagte er. Sein Tonfall war nicht direkt vorwurfsvoll, aber es erweckte den Anschein, als wüsste er, dass ich lüge.
“Ich bin nur ein bisschen müde. Bin gestern spät ins Bett gegangen", sagte ich mit einem halben Lächeln. Ich wollte nur weg von ihnen. Wenn auch nur kurz.
“Du solltest so nicht arbeiten. Kannst du nicht nach Hause gehen, wenn du krank bist?", fragte er.
“Haha. Danke, das ist nett, aber das geht nicht. Ihr seid auf mich angewiesen. Es sei denn, ihr möchtet lieber einen anderen Kellner..." Ich verstummte.
“Nein", warf Calder überraschend ein. Meine Augen weiteten sich bei seinem plötzlichen Ausbruch. “Ich meine, es gibt keinen Grund. Wir machen es dir auch leicht. Burger für alle und du kannst die Rechnung dann auch gleich mitbringen", sagte er. Dann wandte er seinen Blick wieder von mir ab.
“Ähm, okay. Vier Burger. Ich bringe sie gleich mit der Rechnung", sagte ich und drehte mich langsam um. Ich ging zurück in die Küche und gab ihre Bestellung weiter. Während ich auf ihr Essen wartete, kümmerte ich mich um meine anderen Tische. Die Gastgeberin hatte aufgehört, Gäste in meiner Sektion zu platzieren, damit ich eine Pause machen konnte, sobald alle meine Tische fertig waren. Jessie kam in die Küche und kassierte ihren letzten Tisch ab, bevor sie Feierabend machte.
“Mädchen, du siehst furchtbar aus. Bist du sicher, dass du bleiben kannst?", sagte sie. Ich stand da und trank Wasser.
“Ja, mir geht's gut", sagte ich und versuchte, ihr mein bestes Lächeln zu geben.
“Ich werde Angela gleich sagen, dass sie dich nach Hause schicken soll. Du siehst aus, als würdest du jeden Moment kotzen...", sagte sie. Ich konnte die Sorge in ihrer Stimme regelrecht hören.
“Nein, mir geht es gut. Wirklich. Ich glaube, ich brauche nur meine Pause. Würdest du meinem letzten Tisch das Essen und die Rechnung bringen? Sie möchten es gleichzeitig. Ich bin rechtzeitig zurück, um sie abzukassieren", bat ich sie.
“Klar. Geh und setz dich vielleicht hin und iss ein paar Kekse. Die Miete wird ja wohl egal sein, wenn du dich jetzt zu Tode arbeitest", sagte sie.
“Nun, dann müsste ich mir aber auch keine Sorgen mehr um die Miete machen, oder?", lachte ich. Doch sie schaute mich nur finster an. Ich hob die Hände und sagte: “Okay, okay. Ich geh ja schon in die Pause. Ich bin dann draußen." Ich schnappte mir meinen Pullover aus dem hinteren Raum und ein paar Packungen Suppenkekse auf dem Weg nach draußen.
Ich setzte mich auf einen der Stühle und lehnte mich wieder mit dem Rücken gegen die Wand. Ich seufzte, als mir bewusst wurde, dass ich gestern nichts gegessen hatte und heute Morgen mein Frühstück ausgelassen hatte, weil ich bis zum letzten Moment geschlafen hatte. Ich öffnete die Packung Kekse und begann, an einem zu knabbern. Einer der Köche kam mit einer Tasse Tee zu mir heraus. Er war ein wirklich netter älterer Mann, der uns immer kostenlos Essen zubereitete und es nicht unserem Manager sagte. Ich bedankte mich für den Tee und nippte daran, als er wieder reinging. Er wärmte mich ein wenig auf und beruhigte meinen kratzigen Hals. Ich nahm einen weiteren Keks und wusste, dass ich etwas essen musste, um den Rest des Tages durchzustehen. Ich schloss meine Augen, lehnte meinen Kopf an die Ziegelwand und hielt die Tasse in meinem Schoß.
„Ist das deine ganze Mahlzeit?“, erklang eine tiefe Stimme direkt vor mir. Meine Augen öffneten sich weit und ich schaute nach vorne zu Calder, der mich von oben ansah.
„W-Was?“, fragte ich dumm. Er nickte mit dem Kopf in Richtung der halb aufgegessenen Kekse, die neben mir lagen. „Oh, ähm, ich d-denke schon“, sagte ich. Ich hatte die schlechte Angewohnheit zu stottern, wenn ich nervös war.
Er hockte sich hin und war nun auf Augenhöhe. Seine Hand streckte sich aus und strich über meine Wange. Ich erstarrte unter seiner Berührung. Sein Kopf neigte sich, als ob er über etwas nachdenken würde. „Du solltest besser nach Hause gehen und dich ausruhen“, sagte er.
„Ähm, ich w-weiß deine B-Besorgnis zu schätzen, ab-aber mir geht es gut“, sagte ich leise. Sein Finger strich weiter beruhigend über meine Wange.
„Hmmm“, sagte er. Er stand auf und gab mir ein letztes Stirnrunzeln, bevor er wieder ging und mich alleine zurückließ.
Er bog um die Ecke zurück zum Eingang des Diners und verschwand aus meinem Blickfeld. Ich stieß einen Atemzug aus, von dem ich nicht wusste, dass ich ihn angehalten hatte.
Gerade in diesem Moment kam Jessie durch die Hintertür raus. „Hey, dein Tisch fragt nach dir. Ich habe versucht ihnen zu sagen, dass du Pause hast, aber sie waren hartnäckig“, sagte sie mit einem reumütigen Blick.
„Alles gut, ich komme schon“, sagte ich. „Ich gönne mir später einfach ein paar Minuten Ruhe oder so.“ Ich nahm die restlichen Kekse vom Tisch und den Tee und stand auf. Während ich wieder reinlief, nahm ich einen großen Schluck Tee und genoss die Wärme in mir.
„Du solltest wirklich nach Hause gehen, Rem. Du siehst furchtbar aus“, sagte sie. „Sag Angela einfach, dass du krank bist. Ich bin mir sicher, dass jemand für dich einspringen kann.“
„Es ist verlockend, aber du weißt, ich brauche das Geld. Ich muss da jetzt wirklich durch. An meinem freien Tag werde ich aber nichts tun außer schlafen, okay?“, sagte ich zu ihr. Sie warf mir wieder einen finsteren Blick zu.
Ich hängte meinen Pulli weg und trat wieder auf den Flur, um mich auf den Weg zum Tisch zu machen. Ich hielt kurz inne als ich sah, dass Angela mit ihnen sprach. Ich näherte mich ihnen und sagte: „Und was geht so?“ Ich gab mein Bestes, um ein freundliches Lächeln aufzusetzen.
„Remi, wenn du so nett wärst, kassiere sie doch ab und komme dann in mein Büro“, sagte sie zu mir. Sie wandte sich an den Tisch und sagte: „Es tut mir nochmals leid. Ich werde das alles sofort erledigen.“ Als sie wegging, verzog sich mein Gesicht. Sofort versuchte ich die Sorge wieder aus meinem Gesicht zu wischen, als ich mich der Gruppe zuwandte.
„Ich nehme an, ihr wollt zahlen?“, sagte ich kleinlaut. Stand ich kurz davor, gefeuert zu werden? Lag es daran, dass ich jemand anderen geschickt hatte, um ihnen ihr Essen zu bringen und zu früh in die Pause gegangen bin?
Gentry gab mir das Rechnungsheft und stand auf. Ich trat zurück, als sie alle anfingen, die Sitzbank zu verlassen. „Hier. Behalt das Wechselgeld“, sagte er und lächelte gezwungen. Ich nickte und versuchte zurückzulächeln. Er drehte sich schnell um und wurde von Calder verfolgt. Jaime folgte ihnen und war wieder in ihr Handy vertieft. Cullen verweilte noch einen Moment, sein harter Blick auf mich gerichtet, bevor auch er ging.
Mein Herz sank, als ich zurück zur Kasse ging, um abzurechnen. Ich öffnete das Rechnungsheft und zog 500 Euro heraus. Mein Mund stand offen. Das konnte doch nicht real sein. Keineswegs. Ich nahm ihr Wechselgeld und steckte es in meine Schürzentasche, wobei ich auch eine Kopie der Quittung mitnahm. Ich würde es Angela sagen, selbst wenn sie mich dann feuerte. Das durfte auf keinen Fall zwei Tage hintereinander mit derselben Gruppe passieren, zumal sie sich auch noch bei der Geschäftsleitung beschwert hatten.
Ich ging den Weg zurück zu ihrem Büro und ignorierte den verstohlenen Blick von Jessie, als sie an mir vorbeiging. Ich klopfte an die Tür, bevor ich hereintrat. „Du wolltest mich sehen?“, sagte ich leise. Angela stand hinter ihrem Schreibtisch. Sie nickte mit dem Kopf.
„Deine Kunden hatten ein paar interessante Dinge zu sagen“, fing sie an. Ich senkte meinen Kopf und schaute auf den Boden. Sie waren schon seltsam genug, aber ich kann mir gar nicht vorstellen, was sie über mich zu sagen hatten. „Sie haben etwas zur Sprache gebracht, das ein wenig besorgniserregend war.“ Ich hielt den Atem an. „Remi, warum kommst du mit Grippe zur Arbeit?“, fragte sie genervt. „Nicht nur, dass du dich nicht um dich selbst kümmerst, aber was, wenn du jemanden anderen angesteckt hättest? Du servierst Essen und unterhältst dich mit den Leuten. Du berührst ihr Geschirr und ihre Becher. Ich dachte wirklich, du wärst klüger als das!“
Mein Kopf schoss bei ihren Worten hoch. Sie war sauer, weil ich krank war? „Also, kannst du mir das erklären?“, fragte sie erwartungsvoll.
„Äh, ich brauchte die Stunden. Und ich wollte nicht einfach absagen...“, sagte ich kleinlaut.
Sie seufzte. „Während ich verstehen kann, dass persönliche Finanzen es notwendig machen können, so viel wie möglich zu arbeiten, kannst du deine Arbeit nicht richtig oder sicher erledigen, wenn du mit Grippe zur Arbeit kommst. Du gehst nach Hause, bis du symptomfrei bist. Und wenn du noch einmal krank zur Arbeit kommst, wirst du entlassen. Ist das klar?“, sagte sie.
Meine Augen wurden feucht. Ich nickte mit dem Kopf, aber rührte mich nicht.
„Gibt es noch etwas?“
Ich schniefte. „Der letzte Tisch hat mir zu viel Trinkgeld gegeben.“
Sie seufzte. „Möchtest du dich wirklich über ein großes Trinkgeld beschweren, wenn ich dich früh nach Hause schicke?“ Ich schüttelte den Kopf. „Dann geh. Geh nach Hause, werde gesund und ruf mich an, wenn du wieder zur Arbeit kommen kannst.“ Ich nickte mit dem Kopf und rannte aus dem Raum.
Ich ging schnell durch in den hinteren Bereich, stempelte meine Zeiterfassungskarte aus und holte meine Sachen. Jessie erwischte mich, bevor ich gehen konnte. „Was ist los?“, fragte sie.
„Angela schickt mich nach Hause. Sie hat mir gesagt, dass sie mich feuern würde, wenn ich krank zur Arbeit kommen würde...“, sagte ich.
„Oh, Rem. Wie konnte sie das wissen? Ich meine, du siehst beschissen aus, aber sie hält sich so oft in ihrem Büro auf, dass ich nicht gedacht hätte, dass sie es merkt, es sei denn, wir sagen es ihr!“, sagte Jessie.
„Mein Tisch hat sich wohl beschwert. Ich weiß es nicht, aber ich muss gehen, bevor ich sie noch wütender mache. Ich melde mich später bei dir, okay?“, sagte ich.
„Soll ich dich nicht fahren?“, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. „Okay. Pass auf dich auf“, sagte sie und winkte mir noch einmal zu. Ich nickte und verschwand durch die Hintertür.