5. Gefroren

1910 Words
*** Olivers Sichtweise*** Carter bringt mir frische Kleidung, da ich immer noch nur eine Basketballshorts trage und die vielen ungewollten Blicke des weiblichen medizinischen Personals mich langsam nerven. Stunden vergehen, bevor ich ein Update über Auroras Zustand erhalte. Ihre Operation war erfolgreich, und schließlich bringt Meghan Carter und mich zu ihrem Zimmer. Bevor wir eintreten, hält Meghan uns auf. „Alpha, Aurora wurde schwer geschlagen, nicht nur heute, sondern mehrmals. Wahrscheinlich täglich, dem Anschein nach. Mein Team hat viele ältere Blutergüsse an ihrem Körper gefunden und die Menge an Narbengewebe…“ Sie hält inne, schüttelt den Kopf. „Es könnte schwer für dich sein, sie so zu sehen.“ „Ich will sie sehen.“ „In Ordnung“, antwortet sie und führt mich in das große Krankenzimmer. Aurora sieht so klein im Bett aus. Mehrere Schläuche sind an ihre zarten Arme und ihre Brust angeschlossen, während der Herzmonitor einen langsamen und gleichmäßigen Herzschlag anzeigt. Ihr Kopf ist in Verbände gewickelt, und ihre einst schönen Augen sind stark geschwollen und geschlossen. Ein großer Beatmungsschlauch führt durch ihre blauen und geschwollenen Lippen in ihren Mund. Ich hole mir einen Stuhl, setze mich neben sie und küsse ihre kleinen Hände. „Ich bin hier, Liebling“, flüstere ich sanft. „Wir geben euch beiden etwas Privatsphäre“, sagt Carter leise. Er beugt sich über meine Schulter und flüstert: „Alpha, mach dir keine Sorgen. Erin ist eingesperrt, und wir haben Andrews Leiche entsorgt. Ich kümmere mich um deine Alpha-Aufgaben, bis du zurückkommst.“ Ich murmle ein schnelles „Danke“ und höre, wie die beiden den Raum verlassen, sodass ich ganz allein mit meiner Gefährtin bin. Ich bleibe die ganze Nacht an ihrer Seite, schlafe nicht, falls sie aufwacht. Am Morgen fährt Carter mich nach Hause, damit ich duschen und mich umziehen kann. Ich beschließe, in Erins Zimmer zu gehen, um herauszufinden, was sie weiß. Erin sitzt auf ihrem Bett und sieht elend aus, als ich ihr Zimmer betrete. Ihr Erscheinungsbild ist verwahrlost, und unter ihren Augen sind dunkle Ringe. „Warum bin ich eingesperrt?“ fragt sie fordernd. „Wo ist diese Schlampe, Aurora? Ich werde sie umbringen!“ Ich schweige. Ich kenne Erin und weiß, dass sie gerne redet. Alles, was ich tun musste, war ruhig zu bleiben, und sie würde mir alles erzählen. Ich lehne mich an die Tür und warte. „Nicht in Redelaune? Gut. Dann kannst du alles über die Dinge hören, die diese Hure getan hat“, zischt sie. „Andrew kam gestern Morgen, um mich abzuholen. Ich sah, wie sie mit ihm flirtete, tat so, als sei sie schwer zu kriegen, bevor sie beide zusammen in den Wald liefen.“ Ein böses Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Ich presse die Kiefer zusammen, sage aber nichts. „Sie waren wirklich lange weg“, fährt sie fort. „Ich wurde müde vom Warten, also ging ich los, um sie zu suchen. Da sah ich, was sie getan hatte.“ Sie hält inne und wartet auf meine Reaktion. Ich bleibe emotionslos. „Sie ließ die Erde beben und brach ihm das Genick mit Unkraut. Verdammt nochmal Unkraut! Diese Schlampe ist eine verdammte Hexe! Sie ist gefährlich! Du musst dich von ihr fernhalten, sonst wird sie auch dir wehtun! Sie wird dem Rudel schaden! Wir müssen sie töten!“ fleht sie. Ich habe genug von ihren nutzlosen Geschichten und packe sie an der Kehle. „Was hat dein Bruder ihr angetan?“ befehle ich mit meiner Alpha-Stimme. Sie spannt sich unter meinem Griff an und antwortet gehorsam: „Ich weiß es nicht.“ „Hör gut zu“, knurre ich. „Aurora Montenegro ist meine Gefährtin und deine Luna. Wenn du oder irgendein anderes Rudelmitglied jemals wieder einen Finger an sie legt, werde ich dich umbringen. Ich reiße dir jedes Glied aus dem Körper. Verstanden?“ Sie nickt heftig. Ich lasse meinen Griff los, und sie fällt zurück auf ihr Bett. „Wie geht es deiner Schulter?“ frage ich. „Es geht.“ „Gut. Du wirst die nächste Woche hier bleiben als Strafe dafür, dass du deine Luna verletzt hast. Berühre sie wieder, und du wirst deinem Bruder folgen.“ Damit verlasse ich das Zimmer. Ich eile in mein Zimmer, packe eine Tasche mit Kleidung und Toilettenartikeln, bevor ich ins Krankenhaus zurückfahre. Aurora schläft noch immer. Gegen Mittag kommt Carter und bringt mir eine warme Mahlzeit. Ich habe keinen Hunger, aber er sitzt trotzdem eine Weile bei mir. Nach etwa einer Stunde geht er, um sich um einige meiner Alpha-Pflichten zu kümmern. Die nächsten vier Monate vergehen wie im Nebel. Jeden Tag kommt Carter, bringt mir Arbeitsunterlagen, die ich durchsehen soll, bleibt ein bisschen bei mir und geht dann, um sich um die Geschäfte zu kümmern. Meine kleine Schwester Rosalie kommt ebenfalls oft vorbei, bringt Snacks und Wechselkleidung für mich mit. „Du musst essen!“ schimpft sie. „Du willst doch nicht, dass deine Luna auf ein wandelndes Skelett aufwacht, oder?“ „Du bist der nervigste Quälgeist der Welt!“ schimpfe ich zurück. „Aber du liebst mich“, entgegnet sie. Meine Eltern weigern sich, mich zu besuchen. Nachdem ich ihnen erklärt hatte, dass Aurora meine Gefährtin ist, haben sie komplett aufgehört, mit mir zu sprechen. Ich erinnere mich lebhaft an den Streit, den wir hatten. Rückblick Ich war nach Hause gegangen, um mehr Kleidung und Notwendigkeiten zu holen. Als ich mein Schlafzimmer betrat, warteten meine Mutter und mein Vater geduldig auf meinem Bett. „Schön, dass du mal wieder nach Hause kommst“, sagte meine Mutter trocken. „Was macht ihr in meinem Zimmer?“ fragte ich. „Wir sind hier, weil es wachsende Bedenken um deine Führungsfähigkeiten gibt, Oliver. Niemand hat dich seit einer Woche gesehen. Deine Schwester macht sich Sorgen um dich. Du isst nicht. Du schläfst nicht. Du bist nicht hier. Du erzählst uns nichts. Also, darf ich fragen, wo du die ganze Zeit gewesen bist?“ fragte mein Vater. „Ich war im Krankenhaus bei meiner Gefährtin. Sie liegt im Koma“, antwortete ich. „Oh ja, wir wissen alles über deine kleine Gefährtin. Es ist dieses verrückte Mädchen, das ihren Vater im Wutanfall ermordet hat!“ knurrte mein Vater. „Und noch dazu hat sie jemanden aus unserem Rudel getötet!“ fügte meine Mutter hinzu. „Sie hat ihren Vater nicht getötet, und Andrews Tod war Selbstverteidigung!“ „Das sagt Erin nicht“, schnappte mein Vater. „Und du willst dieser Schlampe wirklich glauben?“ fragte ich. „Erin und ihre Familie sind treue Mitglieder dieses Rudels. Sie sind keine kaltblütigen Mörder, die in der Lage wären, ihr eigenes Fleisch und Blut zu töten!“ antwortete meine Mutter kalt. „RAUS!“ Ich hatte genug. Aurora hatte die Hölle durchgemacht und brauchte diese Verleumdung nicht. „Du wirst deine Familie für diese Schlampe verlassen?“ „RAUS AUS MEINEM ZIMMER!“ Sie standen schnell auf und gingen zur Tür. Mein Vater sprach noch einmal: „Du bist kein Sohn mehr von mir, solange diese Schlampe an deiner Seite steht.“ „Vertrau mir, du hast schon lange aufgehört, mein Vater zu sein.“ Ich schlug die Tür zu, während die Wut in meinen Adern kochte. Ich schlug gegen die Wand und hinterließ ein Loch darin, während ich meinen Frust herausschrie. Als ich mich beruhigt hatte, verlinkte ich mich gedanklich mit Carter und rief eine Versammlung des Rudels ein. Ich ging nach draußen und wartete, bis sich alle versammelt hatten. „Ich weiß, viele von euch sind besorgt, wo ich die letzten Wochen gewesen bin, und es tut mir leid, dass ich euch so lange im Dunkeln gelassen habe. Der Grund für meine Abwesenheit ist einfach: Eure zukünftige Luna kämpft gerade um ihr Leben und liegt im Koma im Rudelkrankenhaus. Carter hat mir all die administrativen Aufgaben gebracht, die ich durchgesehen habe, und ist bei Alpha- und Geschäftstreffen für mich eingesprungen. Ich versichere euch, ich habe meine Pflichten und Verantwortungen nicht vernachlässigt“, erklärte ich. „Alpha, wer ist unsere Luna?“ fragte eine anonyme Stimme. „Eure Luna ist Aurora Montenegro vom Lluvia Blanca Rudel“, antwortete ich. Ich hörte mehrere Keuchen und Ausrufe der Überraschung. Ich konnte fühlen, wie Michael sie anknurrte. „Die Mörderin?“ „Hat er gerade Aurora Montenegro gesagt?“ „Wir werden eine verrückte Luna haben!“ flüsterten sie. „Ruhe!“ befahl ich und wartete, bis die Menge verstummte. „Eure Luna ist Aurora Montenegro, und ich erwarte, dass jeder von euch ihr Respekt zeigt, wenn sie kommt. Ihr dürft sie weder schlecht behandeln, beleidigen noch missbrauchen. Wer das tut, wird sich direkt mit mir auseinandersetzen müssen. Ist das klar?“ „Ja, Sir!“ antworteten sie. „Gut, die Versammlung ist beendet.“ ENDE DES RÜCKBLICKS Meine Eltern haben seit jener Nacht nicht mehr mit mir gesprochen, aber das war mir egal. Ich brauche nur Aurora an meiner Seite. Ich war schockiert zu erfahren, dass sie auch nicht mehr mit Rosalie sprachen, da sie ebenfalls Aurora verteidigte. Es erwärmte mein Herz zu wissen, dass meine Schwester immer noch hinter mir steht. Sie kannte Aurora nicht besonders gut, aber ich konnte spüren, dass sie sie bereits liebte. Manchmal, während ich schlief, hörte ich Rosalie, wie sie Aurora erzählte, wie aufgeregt sie sei, eine Schwester zu haben. Sie plante sogar schon Doppel-Dates für den Tag, an dem sie aufwachte. Jedes Mal, wenn sie zu Besuch kam, bürstete sie Auroras Haare und ließ mich an ihrem eigenen Haar das Flechten üben. Ein Klopfen unterbrach meine Gedanken. „Komm rein“, antwortete ich. Evan, Auroras Gamma und zukünftiger Wächter, trat ein. „Hey, Oliver. Ich wollte fragen, ob du irgendetwas brauchst. Essen, Kleidung, Hygieneartikel?“ „Ich bin im Moment in Ordnung, danke.“ Evan schaute zu Aurora hinüber. „Wie geht es unserer Luna heute?“ fragte er, während er die Tür hinter sich schloss. Evan, Carter und ich waren seit unserer Kindheit die besten Freunde. Wir haben in allen Höhen und Tiefen zusammengehalten. Als Evan herausfand, dass Aurora Luna war, aktivierte sich seine Gamma-Bindung zu ihr und er ging sofort in den Beschützermodus über. Jeden Tag kam er vorbei, um ihr vorzulesen. „Sie heilt.“ „Sie sieht schon viel besser aus, Mann. Ich sehe immer weniger Schläuche an ihr. Es ist bestimmt nur noch eine Frage der Zeit, bis sie aufwacht!“ Letzten Monat hatten die Ärzte ihr Beatmungsgerät entfernt, da sie Anzeichen für eigenständiges Atmen zeigte. In den letzten Tagen wurden mehrere ihrer anderen Schläuche entfernt. Jetzt hat sie nur noch eine Infusion, eine Ernährungssonde, den Herzmonitor und ihren Katheter. „Ich hoffe, du hast recht“, sagte ich. Er setzte sich an die Seite ihres Bettes und zog ein Buch aus seiner Tasche. „Welches Buch hast du heute mitgebracht?“ fragte ich, während ich nach einer Geschäftakte auf dem Couchtisch griff, um sie durchzusehen, während Evan vorlas. „Heute habe ich einen Klassiker dabei.“ Er hob das Buchcover hoch, um es mir zu zeigen. „Stolz und-“ Die Geräusche eines Stöhnens unterbrachen uns beide. Wir schauten zu Aurora hinüber, die sich in ihrem Bett bewegte. Plötzlich kniff sie die Augen zusammen, als das helle Licht sie blendete, und öffnete sie. Sie hob ihre kleine Hand, um ihre wunderschönen honigfarbenen Augen zu schützen. Sie ist wach! Ich traf ihren Blick, und ihre Augen weiteten sich sofort. Sie waren voller Angst.
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