Kapitel 1-2

1148 Words
Cole Ich schiebe mich einige Sekunden, nachdem die Glocke geläutet hat, auf meinen Stuhl im Journalismus-Kurs. Natürlich sitzt der Mensch – das Miststück, das neben uns eingezogen ist – bereits an ihrem Tisch neben mir und plaudert wie ein Schleimer mit dem Lehrer. Ein Hauch ihres Zimt- und Honigduftes dringt mir in die Nase, als ich mich hinsetze, und meine Eier ziehen sich zusammen. „Streber-Alarm“, brummele ich, als Mr. Brumgard von ihrem Tisch wegläuft. Ich habe gehört, dass sie online einen der Englischkurse auf College-Niveau macht und diesen Kurs hier als Wahlfach benutzt. Doppelte Punkte in Englisch. Verdammte Irre. Sie fummelt an ihrem Stift herum – vermutlich, weil ich sie aus dem Konzept gebracht habe – und er fällt klappernd zu Boden. Mein Kumpel Austin greift automatisch danach, um ihn aufzuheben. Doch dann fängt er meinen düsteren Blick auf und realisiert, wem er gehört. Er richtet sich wieder auf, ohne ihn aufzuheben. Gut. Der König der Wolf Ridge High regiert nach wie vor. Niemand wird mit Bailey reden, geschweige denn ihr helfen, außer ich hebe meine Sperre auf. Ich gebe ihr noch einen Monat und dann wird sie auf eine Schule wechseln, auf die ihre Art gehört. Sie beugt sich in den Gang, um an ihren Stift zu gelangen, aber ich trete ihn weg. Dadurch verliert sie das Gleichgewicht, fällt halb von ihrem Stuhl und kann sich gerade noch mit einer Hand abfangen. Ich erhasche einen kurzen Blick auf ihren nackten Schenkel, da ihr Minikleid nach oben rutscht und ein leises Knurren steigt in meiner Kehle auf. Was zum Henker ist in mich gefahren? Ihre Art macht mich nicht scharf. Miss Perfekt in diesen kurzen Kleidern und Totenschädel-Chucks. Ich blicke finster in ihre Richtung und kämpfe die Anziehungskraft, die sie auf mich auszuüben scheint, nieder. Leider lässt mich die Art und Weise, wie ihre Brüste die Vorderseite ihres gepunkteten Minikleides ausdehnen, heute hart werden. Weshalb ich sie noch mehr hasse. Selbst wenn da nicht die Situation mit unseren Eltern wäre, wäre ich der Meinung, dass sie nicht hierhergehört. Sie ist viel zu schlau. Zu heiß auf nerdige Art. Zu selbstbeherrscht für jemanden, der jeden Tag in der Schule aktiv gemieden wird. Und irgendwie ist es eintausend Mal schlimmer, dass ihr Grips und Einstellung in diesem hübschen kleinen Paket stecken. Mr. Brumgard beendet die Überprüfung der Anwesenheit und ruft anschließend: „Unangekündigter Test zur Lektüre, die ich gestern aufgegeben habe!“ Die Klasse ächzt. Alle mit Ausnahme von Bailey, die es offensichtlich nicht erwarten kann, zu zeigen, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht hat. Brumgard steht auf und beginnt, jeweils ein Blatt mit der Schrift nach unten auf jeden Tisch zu legen. Meine Augen rollen vor Frust zurück in meinen Kopf und ich sinke nach hinten gegen meine Stuhllehne. Das ist verdammt beschissen. Ich werde unter keinen Umständen bestehen und das Heimspiel ist am Freitag. Was bedeutet, dass ich auf die Bank verbannt werden werde. Was bedeutet, dass mich das gesamte Team und Coach Jamison umbringen werden. Meine Teamkameraden blicken mit einer verzweifelten Frage in den Augen zu mir. Ich schüttle den Kopf und ein kollektives leises Stöhnen schwappt durch den Raum. Es sind nicht nur meine Mannschaftskameraden, es ist auch der Rest der Klasse. Sport ist eine große Sache an der Wolf Ridge High. Viel wichtiger als die Wissenschaften. Obgleich wir unsere Fähigkeiten in der Anwesenheit von Menschen herunterspielen müssen, will uns jeder Schüler gewinnen sehen. Und ich ziehe immer eine coole Show ab, indem ich mit dem anderen Team spiele und auf dem Feld rotzfrech bin. „Sie haben sieben Minuten, um den Test zur Lektüre von gestern Abend zu beenden“, verkündet Brumgard mit einem Blick auf sein Handy. „Sie dürfen anfangen.“ Das Rascheln von Papier erfüllt den Raum, als alle ihre Tests umdrehen. Ich nehme meinen Bleistift in die Hand und starre auf die Worte, wobei ich nicht einmal begreife, was ich da lese. Mein Gehirn geht die möglichen Konsequenzen dieser Situation durch. Sie enden so ziemlich alle damit, dass ich auf die Bank verbannt werde, weil ich keinen C-Durchschnitt halten kann, und mich dann dem Zorn der gesamten Schule stellen muss. Doch nichts davon lässt sich mit dem Shitstorm vergleichen, den ich zu Hause erleben werde, wenn mein Dad davon erfährt. Was ironisch ist, da ich die ganze Woche keine Hausaufgaben machen konnte, weil ich bis spät abends in der Werkstatt von Bos Onkel gearbeitet habe, um für Lebensmittel bezahlen zu können. Mein Dad ist nämlich zu betrunken und deprimiert, um seinen Arsch hochzukriegen und sich einen neuen Job zu suchen. Mein Blick schweift zu Bailey. Das Mädel kann ich einfach nicht ausstehen. Sie hat ihren Test bereits zu dreiviertel ausgefüllt. Und, was viel wichtiger ist, sie hat sich noch nicht die Zeit genommen, ihren Namen oben auf die Seite zu schreiben. In einem meiner besten Arschloch-Moves lasse ich meine Hand zur Seite schnellen und schnappe mir ihren Test, während uns der Rücken des Lehrers zugekehrt ist. Ich schiebe meinen leeren Test auf ihren Tisch. Ihre Wangen färben sich rot und ihr Mund klappt auf, aber bevor sie einen Ton von sich geben kann, dreht sich jeder Schüler zu uns und starrt sie im vereinten Rudelstil nieder. Sie mag ein Mensch sein, aber unsere Biologie ist sich ähnlich genug, dass sie den Druck fühlen muss. Spiel mit oder stirb. Das ist Wolfdominanz und Rudeldynamik vom Feinsten. Und ich bin ihr Alpha. Ihre Lippen pressen sich zusammen. Ihr Kiefer verspannt sich. Nachdem sie mich mit einem tödlichen Blick durchbohrt hat, beugt sie sich über das Blatt und beginnt, die Antworten wie wild auf das Papier zu kritzeln. Das Siegesgefühl, das in meiner Brust explodiert, hat mehr damit zu tun, dass ich Bailey gebrochen habe, als damit, dass ich meine Notenprobleme gelöst habe. Ich war total scharf darauf, sie in die Knie zu zwingen, seit dem Moment, in dem sie die verdammte Unverschämtheit besaß, nebenan einzuziehen. Ich feixe, während ich meinen Namen oben auf ihren Zettel schreibe und die Antworten, die sie noch nicht ausgefüllt hat, errate. Selbst wenn ich jede einzelne falsch beantworte, werde ich bestehen. Pink ist eine A plus Schülerin. Möglicherweise ein halbes Genie. Sie gehört genauso wenig nach Wolf Ridge wie ihre Mom in die Brauerei. Der Punkt ist jedenfalls, dass ihre Antworten richtig sein werden. Und ich brauche lediglich ein C. Ich beobachte, wie sie ihren Test beendet – der, der vorher meiner war – die Stirn in Falten gelegt, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. „Die Zeit ist um“, ruft Mr. Brumgard. „Legen Sie die Stifte weg. Geben Sie die Tests bitte nach vorne durch.“ Sie bedenkt mich mit ein einem weiteren wütenden Blick, ehe sie ihren Test weiterreicht. Ich ziehe herausfordernd die Augenbrauen hoch und provoziere sie, etwas dagegen zu unternehmen. Das wird sie nicht tun und wir wissen es beide. Ein Punkt für den Alpha-Bully. Loser-Mensch: null.
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