KAPITEL DREI
König MacGil—wohlbeleibt, mit breiter Brust, einem von zu viel Grau durchzogenen Bart und dazu passendem, langem Haar, und einer breiten Stirn, die von zu vielen Schlachten zerfurcht war—stand mit seiner Königin auf der oberen Brustwehr seiner Burg und sah dem Aufleben der Festlichkeiten des heutigen Tages zu. Sein königlicher Grund und Boden erstreckte sich vor ihm in all seiner Pracht, so weit das Auge reichte; eine blühende Stadt, von alten steinernen Befestigungsanlagen ummauert. Königshof. Untereinander durch ein Labyrinth an verwinkelten Straßen verbunden standen steinerne Bauten jeglicher Form und Größe—für die Krieger, die Fürsorger, die Pferde, die Silbernen, die Legion, die Wache, die Kaserne, das Waffenlager, die Rüstkammer—und zwischen ihnen hunderte Behausungen für die Vielzahl seiner Untertanen, die sich für ein Leben innerhalb der Stadtmauern entschieden hatten. Dazwischen erstreckten sich viele Hektar Grasflächen, königliche Gärten, steingesäumte Plätze, sprudelnde Brunnen. Königshof wurde schon seit Jahrhunderten fortlaufenden Verbesserungsarbeiten unterzogen, durch seinen Vater, und dessen Vater zuvor—und hatte nun den Gipfel seiner Pracht erreicht. Ohne Zweifel war es die sicherste Hochburg im Westlichen Königreich des Rings geworden.
MacGil war mit den besten und treuesten Kriegern gesegnet, die je ein König gesehen hatte, und zu seinen Lebzeiten hatte noch niemand einen Angriff gewagt. Als der siebte MacGil auf dem Thron hatte er diesen während der zwei-und-dreißig Jahre seiner Herrschaft gut gehalten, war ein guter und weiser König gewesen. Das Land hatte unter seiner Herrschaft großes Wachstum erfahren, er hatte die Größe seiner Armee verdoppelt, seine Städte ausgebaut, seinem Volk Wohlstand beschert, und nicht eine Beschwerde war unter seinem Volk zu hören. Er war bekannt als der großzügige König, und nie zuvor hatte es eine Zeit von solchem Wohlstand und Frieden gegeben als die, seitdem er den Thron bestiegen hatte.
Und gerade das war widersprüchlicherweise der Grund, warum MacGil des Nächtens wach lag. Denn MacGil wusste, wie die Geschichte verlief: in sämtlichen Zeitaltern hatte es noch nie einen so langen Zeitraum ohne Krieg gegeben. Er fragte sich nicht länger, ob ein Angriff kommen würde—sondern wann. Und von wem.
Die größte Gefahr drohte natürlich von außerhalb des Rings, von jenem Imperium unzivilisierter Wilder, das die außerhalb gelegenen Wildlande beherrschte und alle Völker außerhalb des Rings, über dem Canyon, unterworfen hatte. Für MacGil und die sieben Generationen vor ihm hatten die Wildlande nie eine direkte Bedrohung dargestellt: dank der einzigartigen Geografie seines Königreichs, das geformt wie ein vollkommener Kreis—ein Ring—vom Rest der Welt durch einen tiefen Canyon von einer Meile Breite getrennt war, und dazu geschützt war von einem Energie-Schild, das seit der Zeit des ersten MacGil aktiv war, hatten sie von den Wildlanden nicht viel zu befürchten. Die wilden Völker hatten viele Male versucht, anzugreifen, das Schild zu durchdringen, den Canyon zu überqueren; nicht einmal waren sie erfolgreich gewesen. Solange er und sein Volk innerhalb des Rings blieben, gab es keine Bedrohung von außen.
Das bedeute jedoch nicht, dass es keine Bedrohung von innen gab. Und das war es, was MacGil in letzter Zeit den Schlaf raubte. Das war auch der wahre Hintergrund der Festlichkeiten an diesem Tag: die Vermählung seiner ältesten Tochter. Eine Vermählung, die speziell dafür arrangiert worden war, seine Feinde zu besänftigen, den zerbrechlichen Frieden zwischen dem Östlichen und dem Westlichen Königreich des Rings zu erhalten.
Zwar maß der Ring gute fünfhundert Meilen in jede Richtung, doch war er in der Mitte durch einen Gebirgszug geteilt. Die Hochlande. Auf der anderen Seite der Hochlande lag das Östliche Königreich, welches die zweite Hälfte des Rings beherrschte. Und dieses Königreich, seit Jahrhunderten regiert von ihren Rivalen, den McClouds, hatte schon immer versucht, seinen zerbrechlichen Waffenstillstand mit den MacGils zu zerschmettern. Die McClouds waren ein unzufriedener Schlag, uneins mit ihrem Schicksal, davon überzeugt, ihre Seite des Königreichs läge auf weniger fruchtbarem Boden. Sie fochten auch die Hochlande an, bestanden darauf, dass die gesamte Gebirgskette ihnen gehörte, wo jedoch zumindest die Hälfte davon im Besitz der MacGils war. Es gab ewige Auseinandersetzungen an den Grenzen, und beständig drohte eine Invasion.
Die Gedanken daran versetzten MacGil in üble Laune. Die McClouds sollten doch froh sein: sie lebten in Sicherheit innerhalb des Rings, vom Canyon geschützt; sie saßen auf vorzüglichem Land und hatten nichts zu befürchten. Sie sollten sich doch einfach mit ihrer Hälfte des Rings zufrieden geben. Nur deswegen, weil MacGil seine Armee so stark vergrößert hatte, wagten die McClouds erstmals in der Geschichte keinen Angriff. Aber MacGil, als der weise König, der er war, spürte etwas am Horizont lauern; er wusste, dass dieser Friede nicht von Dauer sein konnte. So hatte er diese Vermählung seiner ältesten Tochter mit dem ältesten Prinzen der McClouds arrangiert. Und nun war der Tag gekommen.
Unter seinen Augen strömten Tausende Gefolgsleute herein, in bunte Tuniken gekleidet, aus allen Ecken des Königreichs, von beiden Seiten der Hochlande. Beinahe der gesamte Ring, und alle strömten sie ins Innere seiner Mauern. Sein Volk hatte monatelang an den Vorbereitungen gearbeitet, unter der Anweisung, dass alles wohlhabend aussehen müsse—und stark. Dies war nicht nur der Tag einer Vermählung: es war ein Tag, um den McClouds eine Botschaft zu übermitteln.
MacGil begutachtete die Hunderten seiner Soldaten, die strategisch entlang der Brustwehr, in den Straßen, entlang der Mauern in Stellung waren; mehr Soldaten, als er je brauchen könnte—und er war zufrieden. Es war genau die Präsentation von Stärke, die er wollte. Aber er fühlte sich auch unruhig: die Stimmung war geladen, reif für eine Auseinandersetzung. Er hoffte, dass von keiner der beiden Seiten irgendwelche Hitzköpfe, vom Trunk erdreistet, Streit anzetteln würden. Er blickte prüfend auf die Turnierplätze, die Spielfelder, und dachte an die kommenden Tage voller Spiele und Turniere und aller Arten von Festivitäten. Sie würden intensiv werden. Die McClouds würden bestimmt mit ihrer eigenen kleinen Armee auftauchen, und jedes Turnierreiten, jeder Ringkampf, jeder Bewerb würde eine tiefere Bedeutung haben. Wenn auch nur eines davon schief ging, könnte es zu einem Gemetzel ausarten.
„Mein König?“
Er fühlte eine sanfte Hand auf der seinen, und drehte sich zu seiner Königin um, Krea, immer noch die schönste Frau, die er je gekannt hatte. Glücklich verheiratet während seiner gesamten Herrschaftszeit, hatte sie ihm fünf Kinder geboren, drei davon Jungen, und sich nicht auch nur einmal beschwert. Darüber hinaus war sie zu seiner engsten Ratgeberin geworden. Über die Jahre hinweg hatte er gelernt, dass sie weiser war als alle seine Mannen. Sogar weiser als er selbst.
„Es ist ein politischer Tag“, sagte sie. „Aber es ist auch die Hochzeit unserer Tochter. Versuche, Freude daran zu haben. Es wird nicht zweimal passieren.“
„Ich hatte weniger Sorgen, als ich nichts hatte“, antwortete er. „Jetzt, wo wir alles haben, macht mir alles Sorgen. Wir sind in Sicherheit. Aber ich fühle mich nicht in Sicherheit.“
Sie sah ihn an mit Augen voller Mitgefühl, groß und nussbraun; sie wirkten, als läge in ihnen alle Weisheit der Welt. Ihre Augenlider hingen tief, wie schon immer, stets ein wenig schläfrig wirkend, und wurden umrahmt von ihrem wunderschönen, glatten braunen Haar, von Grau durchzogen, das zu beiden Seiten ihres Gesichts herabfiel. Sie hatte vielleicht ein paar Falten mehr, aber sie hatte sich nicht im Geringsten verändert.
„Das liegt daran, dass du nicht in Sicherheit bist“, sagte sie. „Kein König ist je sicher. Es gibt mehr Spione an unserem Hof, als du je wissen möchtest. Und so ist es eben.“
Sie lehnte sich vor und küsste ihn, und lächelte.
„Versuche, dich zu freuen“, sagte sie. „Immerhin ist es eine Hochzeit.“
Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ die Brustwehr.
Er blickte ihr nach, dann wandte er sich zurück zum Anblick seines Hofs. Sie hatte recht; sie hatte immer recht. Er wollte ja auch Freude daran haben. Er liebte seine älteste Tochter, und es war immerhin eine Hochzeit. Es war der schönste Tag in der schönsten Zeit des Jahres, am Gipfelpunkt des Frühlings, mit dem Sommer am Horizont, die beiden Sonnen perfekt am Himmel stehend, und der feinste Hauch einer Brise in der Luft. Alles stand in voller Blüte, rundum waren die Bäume eingefärbt in einer breiten Palette an Rosa und Lila, Orange und Weiß. Er täte nichts lieber, als sich hinunter zu seinen Mannen zu setzen, zuzusehen, wie seine Tochter verheiratet wurde, und becherweise Bier zu trinken, bis er nicht mehr konnte.
Aber das konnte er nicht. Er hatte eine lange Liste an Aufgaben zu erfüllen, bevor er überhaupt einen Schritt vor seine Burg setzen konnte. Schließlich bedeutete der Hochzeitstag einer Tochter für einen König gewisse Verpflichtungen: er musste seinen Rat einberufen; seine Kinder sprechen; sowie eine lange Reihe an Bittstellern sehen, die das Recht hatten, den König an diesem Tag zu sprechen. Er würde von Glück sprechen können, wenn er rechtzeitig zu Beginn der Zeremonie bei Sonnenuntergang aus der Burg kam.
*
In seine feinsten königlichen Gewänder gekleidet; Hosen aus schwarzem Samt, einem goldenen Gürtel, einer Königsrobe aus feinster purpurner und goldener Seide; in seinen weißen Mantel gehüllt, glänzende Lederstiefel über seine Waden gezogen, seine Krone auf den Kopf gesetzt—einem kunstvoll verzierten goldenen Reif mit einem großen Rubin, der in seine Mitte gefasst war—stolzierte MacGil durch die Hallen seiner Burg, von Bediensteten flankiert. Er schritt durch einen Raum nach dem anderen, stieg die Stiegen von der Brüstung hinab, durchquerte seine königlichen Gemächer, die große gewölbte Halle mit ihrer hochragenden Decke und den Reihen an Fenstern aus buntem Glas. Schließlich erreichte er eine alte Eichentüre, d**k wie ein Baumstamm, die seine Diener für ihn öffneten, bevor sie zur Seite traten. Der Thronsaal.
Seine Ratgeber standen stramm, als MacGil eintrat und die Tür hinter ihm geräuschvoll ins Schloss fiel.
„Nehmt Platz“, sagte er, abrupter als sonst. Er war sie leid, besonders an diesem Tag, die endlosen Formalitäten des Regierens, und er wollte sie hinter sich bringen.
Er durchquerte den Thronsaal, der ihn ohne Ende beeindruckte, mit seiner fünfzig Fuß über ihm aufragenden Decke, mit einer gesamten Wand aus Buntglas, Boden und Mauern aus einem Fuß dicken Stein. Dieser Raum könnte mit Leichtigkeit einhundert Würdenträger fassen. An Tagen wie diesem jedoch, wenn sein Rat einberufen wurde, gab es nur ihn und seine Handvoll Ratgeber in dieser majestätischen Umgebung. Der Raum wurde beherrscht von einem ausladenden Tisch in Form eines Halbkreises, hinter dem seine Ratgeber standen.
Er schritt durch den Eingang, direkt durch die Mitte auf seinen Thron zu. Er stieg die steinernen Stufen hinauf, an den goldenen Löwenstatuen vorbei, und sank in die roten Samtkissen, die seinen Thron überzogen, der gänzlich aus Gold geschmiedet war. Sein Vater hatte auf diesem Thron gesessen, wie auch wiederum dessen Vater und alle MacGils vor ihm. Als er sich hinsetzte, fühlte MacGil das Gewicht seiner Ahnen—aller Generationen zusammen—auf ihm lasten.
Er betrachtete die anwesenden Ratgeber. Da war Brom, sein größter General und Ratgeber in militärischen Angelegenheiten; Kolk, der General der Jugend-Legion; Aberthol, der älteste der Truppe, ein Gelehrter und Historiker, Mentor der Könige dreier Generationen; Firth, sein Ratgeber für hofinterne Angelegenheiten, ein magerer Mann mit kurzem grauem Haar und ausgehöhlten Augen, die niemals stillstanden. Er war kein Mann, der je MacGils Vertrauen genossen hatte, und er hatte noch nicht einmal seinen Titel je wirklich verstanden. Jedoch MacGils Vater, und dessen Vater davor, hielten sich einen Ratgeber für höfische Angelegenheiten, und aus Respekt vor ihnen behielt er dies bei. Dann gab es Owen, seinen Schatzmeister; Bradaigh, seinen Ratgeber für äußere Angelegenheiten; Earnan, seinen Steuereinzieher; Duwayne, seinen Berater in Sachen Bevölkerung; und Kelvin, den Repräsentanten des Adels.
Natürlich hatte der König die absolute Autorität. Aber sein Königreich war ein freiheitliches, und seine Vorväter hatten stets Stolz darin gefunden, dem Adel eine Stimme in allen Angelegenheiten zukommen zu lassen, über das Sprachrohr ihres Repräsentanten. Historisch gesehen war das Gleichgewicht der Macht zwischen dem Königtum und dem Adel nicht immer harmonisch gewesen. Derzeit herrschte Einklang, doch in früheren Zeiten waren Aufstände und Machtkämpfe zwischen den Adeligen und der königlichen Familie vorgekommen. Es war ein empfindliches Gleichgewicht.
Als MacGil den Raum betrachtete, fiel ihm die Abwesenheit einer Person auf: gerade des Mannes, den er am dringendsten zu sprechen wünschte. Argon. Wie üblich war es schwer absehbar, wann und wo er auftauchen würde. Es trieb MacGil in den Wahnsinn, aber er hatte keine Wahl, als es zu akzeptieren. Die Wege der Druiden waren ihm unergründlich. Ohne seine Anwesenheit verspürte MacGil noch größere Hast. Er wollte dies hinter sich bringen, sich den tausend anderen Dingen zuwenden, die ihm vor der Hochzeit noch bevorstanden.
Die Gruppe der Ratgeber saß ihm gegenüber um den halbrunden Tisch, im Abstand von zehn Fuß voneinander, jeder von ihnen in einem Stuhl aus uraltem Eichenholz mit aufwändig geschnitzten hölzernen Armlehnen.