Kapitel 2-2

1912 Words
„Du hast Claire durch mich gekriegt“, erinnerte Huck Alice. Alice‘ Gesicht wurde weich bei der Erwähnung von Hucks Tochter. Die Frau war schon Teil der Familie, seit bevor ich geboren worden war, und war geblieben, um sich um uns zu kümmern, nachdem unsere Eltern gestorben waren, als ich fünfzehn gewesen war. Sie war keine Blutsverwandte, aber sie war definitiv Claires Großmutter ehrenhalber. „Das habe ich. Jetzt besorg dir auch noch eine Frau.“ Huck legte den Kopf in den Nacken und lachte. Claires Mutter war sehr anstrengend und schon lange fort. Huck war ohne sie besser dran. Genauso wie Claire. Vielleicht hatte Alice recht damit gehabt, uns für diese Versteigerung anzumelden. Huck und ich waren eindeutig richtig mies darin, Frauen auszuwählen. Was Thatcher anging, so hatte sich bisher keine seiner Frauen als Goldgräberin entpuppt oder war schwanger aufgetaucht, aber er war noch immer single und das war in Alice‘ Augen ein schlimmer Makel. „Ja, Ma’am“, sagte Huck, um Alice zu besänftigen. „Die Versteigerung wurde von dem Gemeindezentrum organisiert“, sagte sie, nahm das Schneidebrett in die Hand und schob die geschnittenen Karotten in den Topf auf dem Herd. „Ihr müsst schon zugeben, dass es etwas anderes als der Weihnachtskranzverkauf vom letzten Jahr ist.“ Das war es auf jeden Fall. Irgendwelche Ilexkränze zu verkaufen war eine Sache, mich selbst zu verkaufen eine ganz andere. „Reverend Abernathy wird der Moderator sein“, fügte sie hinzu, als würde das alles besser machen. Thatcher lachte. Huck stöhnte. Ich ebenfalls, aber nur innerlich. Wir waren als Kinder mit unseren Eltern in die Kirche gegangen, aber wir hatten uns von dieser Schar abgewandt. „Gibt es bei diesen Dates also Anstandswauwaus?“, fragte Huck. „Warte kurz. Das ist nicht irgendeine Lockvogeltaktik, um uns gleich an Ort und Stelle zu verheiraten, oder?“ Ich erstarrte, da ich diese Möglichkeit für sehr real hielt. „Huckleberry Manning, hast du dir den Kopf gestoßen? Es ist eine Wohltätigkeitsveranstaltung, keine Falle.“ Alice bedachte ihn erneut mit einem finsteren Blick. „Frauen, auch welche, die nicht in The Bend leben, werden kommen und bieten. Ich rechne damit, dass sogar welche aus Helena kommen werden. Es passiert nicht oft, dass die Manning Brüder zum Verkauf stehen.“ Oft? Wohl eher nie. Wir waren in der Vergangenheit Frauen nachgestiegen und Huck war jetzt sogar Vater, aber wir Manning Brüder waren wählerisch. Zumindest diskret. Wir plauderten jedenfalls nicht offen über unser Intimleben. Sie beäugte uns drei von Kopf bis Fuß. Wir waren alle über eins achtzig groß und hatten die breiten Schultern unseres Vaters, das kantige Kiefer und die blauen Augen geerbt, aber irgendwie hatten wir alle eine andere Haarfarbe. Meine Haare waren fast schwarz. Hucks waren blond und Thatcher hatte karottenfarbige Haare. Ich erinnerte mich daran, dass unser Vater stets gesagt hatte, dass Momma ihn mit einigen Cowboys betrogen hätte, weil sie so unterschiedlich aussehende Jungen bekommen hatten. Sie waren jedoch so sehr ineinander verliebt gewesen, dass keine Chance bestanden hatte, dass einer von ihnen in ihrer Ehe fremdgegangen war. Sie waren eine perfekte Einheit gewesen, die ich mir auch für mich wünschte, aber bezweifelte, dass ich sie kriegen würde. Ich wurde allmählich alt und scheinbar nur wegen meines großen Bankkontos oder meines großen Schwanzes begehrt. Oder wegen beidem. „Ich brauche keine Hilfe mit meinem Liebesleben“, sagte Thatcher, der uns ein durchtriebenes Grinsen schenkte. Alice schnaubte und machte sich wieder ans Schneiden, wobei sie sich als Nächstes dem Sellerie widmete. Der Geruch von brutzelndem Fleisch in dem Topf auf dem Herd brachte meinen Magen zum Knurren. „Liebesleben? Nein, aber du hast kein einziges Mal eine Frau zum Abendessen nach Hause gebracht“, sagte sie zu ihm. „Er hat ein außereheliches Kind.“ Sie deutete mit ihrem Messer in Hucks Richtung und er errötete doch tatsächlich, aber nicht, weil er sich für Claire schämte. Alice liebte Claire abgöttisch, weshalb es bei ihrer Tirade um nichts anderes ging, als dass wir drei alle den gleichen Singlestatus hatten. „Und du.“ Sie drehte sich um und bedachte mich mit einem listigen Blick. „Ich?“, fragte ich und legte eine Hand auf meine Brust. „Was habe ich getan?“ Sie blickte zu den Erbsen auf meinem Schoß. „Du packst die Sache eindeutig falsch an“, konterte sie frech. „Da du eine Packung meiner Erbsen verschwendet hast bei dem Versuch, ein Date zu ergattern.“ „Nach Tina“, ich hob die Erbsen in die Luft, „und dem, was vorhin passiert ist, willst du, dass ich rausgehe und Frauen aufreiße?“ Sie machte ein finsteres Gesicht und schürzte die Lippen, als würde der Gedanke an Tina einen bitteren Geschmack in ihrem Mund hinterlassen. „Aufreißen? Nein. Schau nur, was dir dieses Bemühen eingebrockt hat. Du musst eindeutig versteigert werden, wenn du es nicht selbst hinkriegst.“ Sie wandte sich wieder ihrem Eintopf zu, leicht aufgeregt, dann schaute sie über ihre Schulter zu mir. Ich spürte tatsächlich, dass meine Wangen heiß wurden. Ich fühlte mich außer Form. Ich wollte Kelsey. Ich wollte, dass sie mich auf der Versteigerung kaufte, weil ich eine zweite Chance wollte. Zur Hölle, ich wollte wissen, was sie so wütend gemacht hatte. Aber sie würde unter keinen Umständen mich erbärmlichen Tunichtgut kaufen. „Ich werde euch Jungs nicht für immer großziehen“, fuhr sie fort. „Ich habe euch das zuvor schon gesagt und ich sage es euch wieder, ich bin dabei, in die Nähe meiner Schwester in Alabama zu ziehen, wo es das ganze Jahr über warm ist.“ Sie hatte das zuvor schon gesagt und ich hegte den leisen Verdacht, dass sie dieses Vorhaben mit jedem Tag ernster meinte. Alice war unser Fels gewesen, seit unsere Eltern gestorben waren. Sie war Mutter, Haushälterin, Krankenschwester und sogar Chauffeurin gewesen, bis ich meinen Führerschein gemacht und diese Rolle übernommen hatte. „Du willst nicht, dass wir mit beliebigen Frauen ausgehen, aber es ist okay für dich, wenn wir an die Höchstbietende versteigert werden?“, fragte Huck. „Ich habe nicht versucht, eine beliebige Frau anzusprechen“, rief ich ihnen ins Gedächtnis in dem Versuch, ihnen zu verklickern, dass ich keine männliche Schlampe mehr war. „Die neue Lehrerin der Preschool ist… zur Hölle, sie ist etwas. Ich habe ihr angeboten, ihr die Stadt zu zeigen, nicht mein Bett.“ Alice verengte die Augen und schürzte die Lippen. Sie ignorierte mich und Thatcher und wirbelte zu Huck herum. „Ihr habt euch freiwillig gemeldet –“ „Freiwillig gemeldet? Wir wurden wohl eher dazu genötigt“, fiel ihr Huck ins Wort, doch das konnte Alice auch nicht stoppen. „ – Junggesellen zu sein, um Geld für das Jugendprogramm des Gemeindezentrums zu sammeln. Ihr erinnert euch bestimmt noch, wie gerne ihr als Kinder dorthin gegangen seid.“ Wir hatten bei der Kinderliga mitgespielt und waren auf einige Campingausflüge gegangen. Ein paar Tänze. Auf einem von diesen hatte ich sogar meinen ersten Kuss bekommen. Als ich aufs College in Missoula gegangen war, hatten Huck und Thatcher – die zwei und vier Jahre jünger waren als ich – mehr Dinge durch das Programm gemacht. Alice hatte recht. Es war ein lohnenswerter Zweck, aber ich würde ihnen lieber einen Scheck ausstellen, anstatt an einer Versteigerung teilzunehmen, aber ich wagte es nicht, das vorzuschlagen. Ich war der verdammte Feuerwehrchef. Ich sorgte mich um das Wohl dieser Stadt. „Miss Turnbuckle wird ein Traumdate sein im Vergleich zu jemandem wie Delilah Mays“, sagte Thatcher, dann schüttelte er sich übertrieben. Er mochte der am wenigsten… Wählerische von uns sein, aber war auch nicht an dieser Nervensäge interessiert. „Delilah?“ Huck stöhnte und ging zum Kühlschrank, holte sich eine Tasse aus dem Schrank und goss sich etwas Kaffee ein, den Alice immer frisch vorrätig hatte. „Sie hat uns schon ins Auge gefasst, seit uns Haare an den Eiern gewachsen sind.“ „Wortwahl“, warnte Alice erneut und schüttelte den Kopf auf ihre übliche missbilligende Art über Hucks vulgäre Worte. „Was zum Teufel, Huck?“, sagte ich zur gleichen Zeit und bemühte mich, nicht zu lachen, auch wenn es stimmte. „Da hast du recht“, lenkte Alice ein. „Ich kann nicht fassen, dass sie in deinem letzten Jahr einfach in dein Bett gesprungen ist.“ „In mein Bett gesprungen?“, fragte ich mit großen Augen. „Alice, sie kam nicht durch die Eingangstür rein. Sie ist durchs Fenster geklettert und hat sich nackt ausgezogen.“ Thatcher gluckste. „Das erste Mal, dass du eine Frau im Bett hast, und du kriegst ihn nicht hoch.“ Darüber musste ich einfach lachen, obwohl es zum damaligen Zeitpunkt ein Alptraum gewesen war. Delilah war wunderschön. War es sogar damals schon gewesen. Der feuchte Traum jedes Highschool-Schülers. Aber wenn sie einen im eigenen Bett überraschte… mein Teenagerschwanz war beim Anblick ihrer kecken Titten hart geworden, aber rasch erschlafft. Eine Weile hatte ich gedacht, dass sie mich gebrochen hätte. Dieses Fiasko hatte sie jedoch nicht abgeschreckt, allerdings war sie zu Huck und Thatcher übergegangen. Sie war nicht durch ihre Fenster geklettert. Wenigstens hatte sie diese Lektion gelernt, auch wenn ich mir sicher war, dass sie nach wie vor einen von uns wollte, selbst all diese Jahre der Abweisungen später. Alice räusperte sich und ging zum Herd, um die Herdplatte runterzudrehen, woraufhin das Zischen des Fleisches leiser wurde. Sie wusste, dass wir keine Jungfrauen waren, aber wir erzählten ihr nicht, wo wir unsere Schwänze hinsteckten. „Sie würde bei jedem Mann Lampenfieber auslösen“, konterte Huck. „Das war vor zehn Jahren. Heutzutage ist sie kein Stück besser“, fügte ich hinzu, allerdings nicht, weil ich sie jemals in meinem Bett gehabt hatte. f**k, nein. „Sie war bei der Preschool, um ihre Tochter abzuholen. Die ist genauso wie sie. Sei froh, dass Claire ihr in der Schule ein Jahr voraus sein wird.“ Huck rieb sich mit einer Hand über das Gesicht und seufzte. „Es werden auch noch andere Frauen abgesehen von Delilah bieten“, merkte Alice an, womit sie das Gespräch wieder auf die Junggesellenversteigerung lenkte. „Es ist eine großartige Möglichkeit für Frauen, euch drei anzusprechen.“ Sie musterte uns von oben bis unten. „Ihr müsst schon zugeben, dass ihr mit euren mürrischen Mienen und eurer Größe eindrucksvoll seid.“ „Können wir nicht einfach Geld für das Programm spenden?“, fragte Huck, womit er meine Gedanken aussprach, dann trank er einen Schluck Kaffee. Er war schon immer der Launischste von uns dreien gewesen, aber wir waren alle gleichermaßen zu diesem Event verdonnert worden. Sich darüber zu beschweren, würde es auch nicht besser machen. „Das reicht.“ Alice stemmte die Hände in ihre schmalen Hüften. Mit fast siebzig hatte sie noch immer ein gerades Rückgrat und strotzte nur so vor Gesundheit. Jeder von uns war vermutlich fast hundert Pfund schwerer als sie, aber niemand legte sich mit Alice an. „Wenn Huck über die Haare auf euren Eiern reden kann, dann kann ich über die Tage reden, an denen ich euch dabei half, den Hintern abzuwischen.“ Sie machte eine effektvolle Pause, in der wir uns alle drei wanden. Sie deutete wieder mit ihrem Messer auf uns. „Ihr drei werdet am Freitagabend bei der Junggesellenversteigerung sein. Ihr werdet an verfügbare – und hoffentlich attraktive – Frauen versteigert werden. Ende der Diskussion.“
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