Kapitel 3

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3 1902, AM FLUSS SABIE, IM OSTEN VON TRANSVAAL, SÜDAFRIKA Claire nahm ihren breitkrempigen Reiterhut ab, als Nathaniel mit einem Colt .45 Revolver in der Hand die Tür des Farmhauses öffnete. Er grinste und steckte die Pistole wieder in seinen Gürtel. »Ma’am.« Im Haus war es angenehm warm und Nathaniel nahm ihr den Mantel ab. Im Tiefland von Transvaal war es bedeutend wärmer als in Pretoria, das im Hochland lag, und von wo aus sie zwei Tage zuvor losgeritten war. Der war Mai sonnig und klar gewesen, doch nun gehörte der Sommerregen der Vergangenheit an und die Nächte begannen, kühl zu werden. In der Feuerstelle knisterten gemütlich die Flammen. Nathaniel trat einen Schritt zurück und seine Augen machten sich unverhohlen und besitzergreifend wieder mit ihrem Körper vertraut. Claire machte einen Schritt auf ihn zu und küsste ihn. »Bis auf einen Mann, Christiaan, der von den Ställen aus Wache hält, sind wir allein«, flüsterte er ihr ins Ohr, während er mit ihr einen Flur entlang und durch eine Tür zu einem Himmelbett ging. Das Gebäude aus Pfählen und Dagga – einem Gemisch aus Holz und Lehm – mit einem Strohdach, war einst das Haus eines portugiesischen Händlers, der in einem zweiten Gebäude seinen Laden eingerichtet hatte. Das Anwesen lag an einer der Routen, die von den Goldfeldern weiter oben am Graben nach Lourenço Marques, der Hauptstadt Portugiesisch-Ostafrikas und ihrem Hafen in der Delagoa-Bucht, etwa zweihundertfünfzig Kilometer weiter östlich, führten. »Christiaan schaut in die andere Richtung.« Claire mochte den Amerikaner und wusste, dass er in sie vernarrt war. Als er über ihr lag, griff sie nach seiner Pistole, die sich in ihren Bauch bohrte. Sie schob sie heraus und legte sie auf den Nachttisch. »Jetzt bin ich dran.« Er küsste sich an ihrem Mieder hinunter, kniete sich auf den Boden und hob ihre Röcke an. »Ich weiss, irgendwo hier drin.« Claire legte den Kopf zurück und genoss das Gefühl seiner Finger, die langsam über ihre Wollstrümpfe bis zur nackten Haut ihrer Oberschenkel glitten. Nathaniel fand den Taschen-Derringer, den sie dort in der Schlaufe eines massgeschneiderten Lederstrumpfbandes aufbewahrte. Er zog ihn heraus und als sie über ihre Brüste hinunterblickte, musste sie lachen. Wie ein Hund, der einen Knochen hält, hatte er die winzige Pistole zwischen seinen glänzenden, weissen Zähnen. Er nahm die Pistole aus seinem Mund und legte sie neben seine auf den Nachttisch. Er senkte seinen Kopf wieder. Sie hielt sich mit beiden Händen an den Pfosten am Kopfende des Bettes fest, ihr Griff wurde fester und ihre Hüften wogten, als Nathaniel die unter ihrem Unterrock verborgenen Liebkosungen fortsetzte. Sie war zu sittsam, ihn zu fragen, wo er sein Repertoire gelernt hatte, aber er war eindeutig ein bereitwilliger und gelehrter Schüler gewesen. Claire versuchte, sich auf das Ziel zu konzentrieren, das sie sich gesetzt hatte: Herauszufinden, wo die Buren die Beute versteckt hatten, mit der sie ihre Waffen bezahlen wollten. Das war nicht einfach. Weder fähig noch willig, die totale Kontrolle zu behalten, schnappte Claire nach Luft und schauderte. Zufrieden, dass er seine Mission erfüllt hatte, stieg Nathaniel zurück auf das Bett und legte sich zu ihr. Er küsste sie und als sie wieder zu Atem gekommen war, rollte sie ihn auf den Rücken. Als beide gesättigt waren, wickelte der nackte Nathaniel sie in ein Laken und führte sie zurück zum Herd. Er schob einen chinesisch bedruckten Paravent beiseite hinter dem sich eine Badewanne aus Messing verbarg. Er füllte Wasser aus einer Kupferkanne nach. »Ich dachte schon, du würdest nie kommen«, sagte er. Claire sah seine Zigarrenkiste auf dem Kaminsims. Sie öffnete sie, nahm eine Zigarre heraus, zündete sie mit einer Flamme aus dem Kamin an und zog an ihr. Claire reichte sie Nathaniel, liess ihr Laken fallen und glitt in die Badewanne. »Das ist Glück«, sagte sie und griff nach der Seife. Er ging zu einem seitlichen Stehtisch und entkorkte eine Flasche Whiskey. Er schenkte grosszügig in zwei Gläser ein und kam zu ihr. Claire nahm ihren Drink und die Zigarre, zog noch einmal daran und blies den Rauch ins Glas. Sie lehnte sich im Wasser zurück, nippte an dem rauchigen Gebräu und liess sich davon wärmen. Nathaniel genoss die Hitze des Feuers in seinem Rücken, nahm seinen Drink, bückte sich dann nach ihrem Laken und band es sich um. »Schade, ich habe die Aussicht genossen.« »Sie sind unverbesserlich, Miss Martin.« »Vielen Dank, Colonel«, sagte sie mit der englischen Entsprechung seines Ranges und reichte ihm die Zigarre zurück. »Sag mir, Nathaniel, warum genau bist du in Südafrika und kämpfst für die Buren?« Er zuckte mit den Schultern. »Viele meiner Jungs sind Iren. Sie haben noch eine persönliche Rechnung mit den Briten offen. Ich, ich bin Geschäftsmann.« »Ich hätte angenommen, dass ein Geschäftsmann und Uitlander kein Interesse daran hat, sich auf die Seite von Transvaal und des Freistaats zu stellen?« Claire wusste, dass einer der Gründe, warum die beiden Burenrepubliken gegen Grossbritannien in den Krieg gezogen waren, darin bestand, dass Präsident Paul Krüger den britischen und anderen ausländischen Minenarbeitern das Wahlrecht verweigert hatte, um die Kontrolle der Afrikaner über die von den Buren ausgeschiedenen Gebiete zu behalten. Er lächelte. »Mir war es lieber, zu versuchen, Veränderungen innerhalb der Südafrikanischen Republik herbeizuführen, als dass ein Grosser – in diesem Fall Grossbritannien – dem Kleinen seinen Willen aufzwingt.« »Die Bilanz deines Washingtoner Bataillons deutet zeigt, dass du sowohl etwas vom Soldatentum als auch vom Geschäft verstehst«, sagte sie. In der Tat wusste Claire eine ganze Menge über Nathaniel Belvedere, doch war es ihre Aufgabe, ihn zum Reden zu bringen. »Meinen ersten Mann, einen Yankee, habe ich getötet, als ich sechzehn war. Seither habe ich das eine oder andere gelernt. Dennoch habe ich gehofft, nie wieder einen Krieg zu erleben. Die Buren sind grosse Kämpfer, aber ich fürchte, ich werde auch diesmal auf der Verliererseite stehen.« Claire versuchte, Nathaniels Alter zu schätzen. Er war wohl in den Fünfzigern, aber in bemerkenswert guter Form. »Du hast für den Erhalt der Sklaverei in Amerika gekämpft, etwas, das die zivilisierte Welt, die Briten, verboten haben. Ist das deine Vorstellung davon, für den ›kleinen Mann‹ einzutreten?« »Ha!« Nathaniel atmete aus und nahm einen weiteren Schluck. »Wenn du gesehen hast, wie die Briten diesen Krieg führen, wirst du deine Meinung über die Zivilisation ändern, kleine Dame. Aber nein, ich war kein Plantagenbesitzer und die Sklaverei ist mir so oder so scheissegal. Ich war in diesem Krieg, weil der Norden versuchte, die Wirtschaft des Südens zu ersticken. Als ich bis vor drei Jahren hier in Südafrika eine Goldmine betrieb, hatte ich den Eindruck, dass die Engländer dasselbe mit dem alten Paul Krüger und seinen Leuten vorhatten.« Mit einiger Mühe ignorierte sie seine Bemerkung über die ›kleine Dame‹. Seine Anstrengung von vor einer halben Stunde hatte ihm etwas Spielraum verschafft, doch es gab noch viel zu tun. Sie hob ein Bein und wies auf die Zehen. »Meine Füsse sind wund von meinen neuen Reitstiefeln.« Nathaniel stellte sein Getränk auf den Kaminsims, steckte sich die Zigarre zwischen die Lippen und nahm ihren tropfenden und seifigen Fuss in die Hand. Als er begann, ihn zu massieren schloss sie ihre Augen in echter Verzückung. »Und du, Claire, warum bist du wirklich hier? Hasst du die Briten? Hast du eine Rechnung zu begleichen, wie meine irischen Jungs?« Sie wog ab, wie viel sie ihm sagen sollte. Sie musste nicht nur ein Geschäft mit Nathaniel abschliessen, nämlich die Bezahlung für die Waffen, die sie an die Buren lieferte, erhalten, sondern auch sein Vertrauen gewinnen, damit er ihr verriet, wo die Geldquelle lag. »Geld«, gab Claire zurück, da sie wusste, dass eine gute Lüge, immer auf der Wahrheit basiert. »Die Wurzel allen Glücks.« Sie lächelte, hielt aber die Augen geschlossen, als er mit ihrem anderen Fuss begann. Daran könnte sie sich gewöhnen, beschloss sie. »Du kämpfst also, damit du mehr Geld verdienen kannst, wenn du in den Bergbau zurückkehrst.« »Das mag sein. Aber was hast du davon, wenn du deutsche Artillerie an die Buren verkaufst?« »Es ist das Schiff meines verstorbenen Mannes, das die Geschütze nach Portugiesisch-Ostafrika transportiert und es wäre mein Schiff gewesen, wenn die Bank es nicht zurückgefordert hätte. Er betrieb eine kleine Reederei, aber er hat sich übernommen. Ausserdem hatte er ein schreckliches Problem mit dem Glücksspiel – und teuren Mätressen, wie sich herausstellte. Er brachte sich um, bevor ich es für ihn tun konnte und hinterliess mir einen Haufen Schulden.« »Du bist also ins Waffengeschäft eingestiegen, um das Schiff zurückzukaufen?« Sie lachte und hoffte, dass es natürlich klang. »Mein Anteil wird nicht so hoch sein, wenn ich euch Kanonen verkaufe. Nein, ich hoffe, ich werde genug verdienen, um in Deutsch-Südwestafrika ein Stück Land kaufen zu können. Ich will eine Farm mit Pferden. Ich mag weder die Briten – mein Vater war Ire, ein Fenianer –, noch die Art und Weise, wie sie diesen Krieg führen. Das Land meiner Mutter hingegen, Deutschland, hat meinem Vater eine Heimat gegeben. Dafür leiste ich gern meinen Teil für den Kaiser.« »Deinen Beitrag? Wie kommt es, dass eine Frau, die so fähig ist wie du, ein illegales Waffengeschäft aushandelt?« Sie lächelte und hob eine Augenbraue. »Ich habe Freunde in hohen Positionen und in den Docks. Fritz Krupp ist eine Art entfernter Cousin.« »Aha«, sagte Nathaniel. Sie brauchte ihm nicht zu sagen, dass Fritz Krupp ein Vermögen mit der Entwicklung und Herstellung schwerer Waffen und Kriegsschiffe verdient hatte, die er sowohl an die kaiserliche Regierung als auch an viele ausländische Kunden verkaufte. »Ich kannte einige Admirale und als ich mich anbot, dem Oberkommando der Marine Berichte über den Fortgang des Krieges hier in Südafrika zu schicken sagte niemand: Mach dir keine Mühe, du dummes Mädchen. Als ich Wind davon bekam, dass die Buren mehr Artillerie bräuchten, dachte ich, ich könnte mich als eine Art von Vermittlerin betätigen.« »Du bist alles andere als ein dummes Mädchen, Claire und die Deutschen waren klug, dein Angebot anzunehmen. Unsere britischen Feinde sind so eingefahren, dass sie wahrscheinlich nicht einmal auf die Idee kämen, dass eine Frau eine Spionin sein könnte.« Claire lächelte kurz zum Dank für das Kompliment, unterschätzte ihren Feind aber nicht. » Es gibt einige am kaiserlichen Hof, in der Regierung und in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika, denen es lieber wäre, wenn die Buren gewinnen würden und die so verrückt sind, zu glauben, dass eine Lieferung von Artillerie in letzter Minute den Tag retten könnte.« Nathaniel hob die Augenbrauen. »Du glaubst nicht, dass es das wird?« Sie zuckte mit den Schultern. Sie hatten sich schon zweimal getroffen, um die Logistik des Geschäfts zu organisieren und bei ihrem letzten Treffen hatte Claire sich von Nathaniel verführen lassen. Nach ihrer Begegnung hatte er ihr anvertraut, dass er zwar den Buren gegenüber loyal war, aber insgeheim bezweifelte, dass sie die Briten Dank einer Verstärkung mit Waffen oder Männern besiegen könnten. »Nicht mehr als du«, sagte sie. »Aber es war nicht schwer, meine familiären Beziehungen zu nutzen, um eine Lieferung von 77-Millimeter-Feldkanonen des Typs FK-96, die für die deutsche Schutztruppe in Windhoek bestimmt waren, nach Lourenço Marques umzuleiten, wo sie derzeit auf dich und deine Leute warten. Fritz hat das Geschäft als familiären Gefallen direkt mit mir gemacht, es gibt also keinen offiziellen Papierkram. Ich werde mir einen Teil des Geldes nehmen und es wird hoffentlich reichen, um die Schulden meines verstorbenen Mannes zu begleichen. Der Rest des Geldes wird auf das Privatkonto meines lieben Cousins in Capri, in Italien, gehen, der dort eine Villa besitzt. Dann werde ich mich von der Schifffahrt verabschieden und mir eine kleine Farm in Südwestafrika kaufen.« ›Eher die halbe Kolonie‹, dachte sie bei sich. Nathaniel stiess einen Seufzer aus und sie spürte, wie der Druck seiner Finger nachliess. »Es geht dir also wirklich nur ums Geld.« Sie öffnete die Augen und merkte, dass sie ihn falsch eingeschätzt hatte. Auch wenn er desillusioniert war und sich dem Kampf gegen die Briten aus wirtschaftlichen Gründen angeschlossen hatte, war er im Herzen ein Idealist und Romantiker. Claire hatte nicht angenommen, dass sie sein Herz gewinnen müsse – sie hatte ihm bereits ihren Körper geschenkt. In Wirklichkeit hatte sie schon bevor sie das Waffengeschäft aushandelte, zugestimmt, für die Deutschen zu spionieren. Der Grund dafür lag bei etwas Anderem, das sie erlebt hatte. Claire sah ihm in die Augen. Sie musste an seine sentimentale Seite appellieren. »Ich habe eine Freundin – hatte eine Freundin, sollte ich sagen. Als meine Familie zu Beginn des Goldrauschs in Südafrika lebte, war Wilma wie eine Schwester für mich. Sie lernte einen jungen Mann kennen, einen Bauern und sie heirateten. Als der Krieg gegen die Engländer ausbrach, schloss sich ihr Mann einer Kommandoeinheit der Buren an. Wilma war gerade mit ihrem ersten Kind schwanger als britische Kolonialtruppen ihre Farm überfielen, abfackelten, die Hunde abschlachteten und das Vieh mitnahmen. Wilma wurde in ein Konzentrationslager gebracht. Verstehst du, was ich meine?« »Ja.« »Wilma schrieb mir und schaffte es, eine der Wachen zu bestechen, um den Brief herauszubekommen. Sie erzählte mir, dass sie das Kind im Lager bekommen hatte, einen kleinen Jungen namens Piet. Sie berichtete mir von den Schrecken, dem Mangel an sauberem Wasser und anständigem Essen, von Ruhr, Masern und anderen Krankheiten. Wilma fragte mich, ob ich versuchen würde, der Welt mitzuteilen, was hier in Südafrika vor sich ging. Ich schrieb Briefe an alle, die mir einfielen, nahm Kontakt zu Zeitungen auf und beschloss, Wilma zu besuchen und eine Petition für ihre Freilassung einzureichen.« »Und?« »Und als ich im Lager ankam, waren Wilma und Piet bereits tot. Das Kind starb bei der grossen Masernepidemie im letzten Jahr und kurz darauf wurde Wilmas Mann im Kampf getötet. Ich weiss nicht, ob jemand wirklich an einem gebrochenen Herzen sterben kann, aber vielleicht hat Wilma einfach aufgegeben. Ich kam gerade noch rechtzeitig für ihre Beerdigung.« Nathaniel nahm ihre Hand in seine und schaute ihr in die Augen. Sie sah die Kriegsmüdigkeit in den seinen und noch etwas anderes, Weicheres. Claire wechselte das Thema und fragte leise: »Ist meine Bezahlung für die Artillerie da, Nathaniel?« Er wandte den Blick ab. »Nein, aber ich weiss, wo sie ist.« »Sag es mir. Vielleicht können wir Zeit sparen, zusammen dorthin gehen und es holen.« Er schüttelte den Kopf, wandte seinen Blick aber wieder ihr zu und liess sich von ihrem erneuten Lächeln anstecken. Noch einmal sank er auf die Knie und seine Hand bewegte sich in die Badewanne und unter das Wasser. Sie legte ihre Hand auf seine. »Sag mir wenigstens, dass es genug ist, um die Kosten für die Waffen zu decken, Nathaniel.« Er grinste. »Oh, Claire, es ist mehr als genug da, um ein paar Kanonen zu bezahlen, vertrau mir.« »Sag es mir, bitte« gurrte sie erneut, dann schloss sie wieder die Augen und räkelte sich mit dem Kopf über die hohe Rückenlehne aus Metall. Sie zog ihre Hand weg. »Ist es weit weg?« »Nahe. Weniger als einen Tagesritt von hier. Was lang währt, wird endlich gut, meine Liebe.« »Oh, Nathaniel, es macht mir nichts aus, zu warten.« Ihr Körper versteifte sich und ihre Beine streckten sich über den Wannenrand, als das Vergnügen wieder von ihrem Körper Besitz ergriff. Als es nachliess und ihr Atem sich beruhigt hatte, öffnete sie die Augen und sah, dass er sie anstarrte. »Claire ...« »Ja?« »Du hast recht. Ich glaube nicht, dass die Buren eine Chance haben, zu gewinnen, selbst wenn sie deine Waffen bekommen.« »Ich auch nicht«, bestätigte sie. »Ehrlich gesagt habe ich den Krieg satt. Ich habe ein Dutzend guter amerikanischer Jungs verloren, als ich versuchte, den Standort des Goldes, mit dem sie deine Waffen bezahlen wollten, geheim zu halten.« Er fuhr sich mit der Hand durch sein langes Haar und wandte den Blick von ihr ab. Sie nickte, sagte aber nichts. Nathaniel hatte ihr beim letzten Mal erzählt, dass seine Freiwilligen-Truppe von von einem abtrünnigen Kommando der Buren in einen Hinterhalt gelockt worden war. Deren Anführer, ein alter Bandit namens Hermanus, hatte den Kampf für die Sache aufgegeben und es sich zum Ziel gesetzt, das Versteck der Goldreserven der ehemaligen Republik zu finden. Nathaniel und seine Männer waren mit leeren Wagen auf dem Rückweg von einer Goldlieferung, als ihre ehemaligen Kameraden sie überfielen. Nur Nathaniel und Christiaan konnten entkommen. Er dachte über etwas nach, über dasselbe wie sie, hoffte sie, aber sie musste es erst von ihm hören. »Mit dem Gold, Claire, sogar nur einem Teil davon, könnten wir für immer verschwinden. Niemand würde es je finden. Ich bin wahrscheinlich die letzte lebende Person, die weiss, wo es ist, denn Christiaan stand in der Nähe des Verstecks Wache und ist nicht hineingegangen.« Hinein? Ihre Gedanken überschlugen sich: Befand sich das Gold in einem Gebäude? Oder in einer Höhle, einem alten Minenschacht? Ihr Herz schlug schneller. Sie beobachtete ihn aufmerksam und fragte sich, ob sie ihre finanziellen Motive übertrieben hatte und er ihr eine Falle stellte. Foch sie erkannte, dass auch er den Atem anhielt, vielleicht um zu sehen, was sie darüber dachte. Claire hatte genug Andeutungen gemacht, dass es ihr um das Geld ging, aber nicht gesagt, dass sie es in Betracht zöge, das Geschäft aufzugeben und einfach das Gold zu stehlen. Alles. »Fahr fort.« Er grinste sie an. »Ich weiss, wo das Gold ist, Claire und ich habe die einzige Karte, die es gibt.« Anja streckte sich an ihrem Pult in der Universitätsbibliothek und las die nächste Seite des Briefs. Mir wurde klar, dass Kommandant Belvedere ein kriminelles Unternehmen vorschlug, bei dem wir beide uns mit einem Teil oder der Gesamtheit der Goldreserven von Präsident Krüger davonmachen sollten. Natürlich würde ich nichts dergleichen dulden, aber da dieser Mann kriminelle Neigungen zeigte, tat ich, als ob ich seinem Plan zustimmte und hoffte, er würde mir den Aufenthaltsort des Goldes verraten. Mein Auftrag war klar: Die strategischen Interessen Deutschlands heimlich zu fördern und dafür zu sorgen, dass die Rüstungsgüter zu den Truppen gelangten, für die sie bestimmt waren. Kommandant Belvedere bot mir für den Abend ein angemessenes Quartier auf dem Handelsposten an. Schon vor dem Morgengrauen wurde ich geweckt. Die Sammlung von Claires Briefen an ihre Spionagemeister war nicht vollständig. Das Reichsarchiv befand sich in Berlin und viele der Unterlagen waren verbrannt, als das Gebäude, wie ein Grossteil der Stadt, während des Zweiten Weltkriegs bombardiert wurde. In diesem Teil des Berichts fand sich ein Hinweis auf Waffen. Claire war Teil eines Komplotts, bei dem es darum ging, die Buren mit Artilleriewaffen zu versorgen. Anja hatte mittlerweile fast alle ihre Briefe gelesen und wenn sie nicht bald einen Hinweis darauf fand, dass Pferde in die Wüste des Nachbarlandes entlassen wurden, blieben ihre Nachforschungen der letzten Wochen nicht mehr als ein faszinierender Umweg und eine Sackgasse. Kommandant Belvederes Pferd wieherte neben dem Fenster und liess ihn Gefahr wittern. Er befürchtete einen Überfall vor der Morgendämmerung – eine bei den britischen Kolonialtruppen beliebte Taktik – und bestand darauf, dass ich das Bauernhaus verliess und durch die Dunkelheit zum Gipfel eines nahegelegenen Hügels ritt. Er sagte, dass er später, wenn alles sicher sei, zu mir stosse und gab mir seinen Colt. Ich zog schnell die Herren-Reitkleider an, die ich zur Tarnung bei meinen spärlichen Habseligkeiten trug, verliess das Haus so leise wie möglich und ging zum Stall. Ich fand Belvederes Burenwache, Christiaan, schlafend, weckte ihn unsanft und befahl ihm, sich im Haus des Händlers zu melden. Der Mann schaffte es, ungesehen zum Haus zu gelangen, aber als ich aus der Stalltür schaute, sah ich Männer, die sich in der Dunkelheit näherten. Aus Angst, gesehen zu werden, wenn ich ein Pferd herausnähme, verliess ich das Gebäude zu Fuss und versteckte mich im Gebüsch.
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