4 - Alles steht Kopf

1653 Words
Ich hatte mir immer verboten, über eine Zukunft mit Noah nachzudenken, doch die Bilder, die seine sanfte Stimme mir gerade in meinen Kopf malten, waren einfach unglaublich. Und zwar unglaublich schön. „Wie kannst du selbst Mason eine Chance geben, aber immer, wenn ich dir näher komme, wehrst du mich ab? Ich glaube dir nicht, dass du nicht dasselbe empfindest!“ Immerhin schien er sich seiner Sache sehr sicher zu sein. „Ich habe das Gefühl, dass du dir gar keine Gedanken um die Konsequenzen machst!“ Fuhr ich ihn also wütend an. „Wenn es nicht funktioniert… Kann es dann wirklich wieder wie vorher werden? Ich persönlich bezweifle das ja!“ Er knurrte. Was sollte das eigentlich die ganze Zeit. „Du scheinst mir nicht zugehört zu haben!“ Protestierte er. „Ich habe nicht vor, dich je wieder gehen zu lassen!“ „Wie kannst du dir da so sicher sein?“ „Ich bin es eben. Und das auch nicht erst seit gestern, Alya. Wie gesagt. Ich liebe dich schon immer. Vielleicht nicht schon immer auf diese Art, aber dennoch.“ Dieser Kerl machte mich fertig. Er konnte doch nicht eben einfach mal meine ganze Welt auf den Kopf stellen. „Bitte. Du bist doch mein Krümelmonster. Wir gehören zusammen, dass hast du selbst doch gesagt!“ Ich hasste es, dass er das jetzt sagen musste. „Aber das war doch nicht so gemeint!“ Wieso musste er jetzt nur so traurig aussehen. „Es ist jetzt schon zu spät, Alya. Es kann nicht mehr so werden, als hätten wir dieses Gespräch nie geführt. Du wirst dir eingestehen, dass du mich willst!“ Eine Träne der Wut kullerte über meine Wange. Er war ein Arschloch. Ein echtes Arschloch und das war alles nur seine Schuld. „Bringst du mich bitte zurück nach Hause?“ Fragte ich, ohne auf ihn einzugehen, doch er schüttelte nur den Kopf. „In dem Zustand lasse ich dich sicher nicht gehen.“ Mit dem Daumen strich er die Träne von meiner Wange. Als er gerade seine Hand wieder wegnehmen wollte, wanderte sein Blick zu meinen Lippen und er hielt inne. Sanft fuhr er ihre Umrisse mit seinem Finger nach und ich konnte nicht aufhören zu zittern. Am liebsten wollte ich ihn anflehen, nicht damit aufzuhören, mich zu berühren, doch gleichzeitig wusste ich, wie dumm das von mir wäre. Trotzdem konnte ich mich nicht von ihm losreißen oder ihn bitten, das bleiben zu lassen und so verharrte ich in meiner Position. „Alya, bitte sag doch etwas.“ Ich hasste es, dass Noah mich dazu brachte, soviel zu empfinden. „Ich möchte nach Hause!“ Sagte ich also, weil ich der Situation entkommen wollte. Er schüttelte ein wenig genervt den Kopf. „Wieso kommt aus deinem süßen Mund manchmal nur so ein Unsinn?“ Jetzt riss mein Geduldsfaden und ich schlug seine Hand weg. „Wieso nimmst du mich nicht ernst?“ Beschwerte ich mich und setzte gerade zu einer Schimpftirade an, da zog er mich auch schon zärtlich in seine Arme. „Tut mir leid. So sollte das nicht rüber kommen. Aber versuch doch auch mal mich zu verstehen. Das Mädchen, das ich liebe, möchte mich in die Friendzone stecken, obwohl sie mich eigentlich auch mag! Und ich habe das Gefühl, wenn ich dich jetzt – so aufgelöst – gehen lasse, gehst du mir die nächsten Wochen aus dem Weg. Ich will dich ja auch nicht bedrängen und so.“ Er zögerte. „Naja. Irgendwie schon. Aber nur wenn du das auch willst, und das ist ja im Moment nicht der Fall…“ „Du kannst mich hier aber auch nicht einsperren und hoffen, dass ich meine Meinung dann ändere!“ Eröffnete ich ihm, wie dämlich seine Aussage war. Er seufzte wiederum. „Ich will dich doch nicht einsperren. Ich… Ich weiß, dass es dämlich war, dich damit einfach so zu überfallen. Ich hätte es langsamer angehen lassen sollen und so, aber du machst mich halt einfach verrückt, okay? Es fällt mir halt schwer, dass du noch vor einer Woche unbedingt wolltest, dass ich bei dir schlafe und sich für dich jetzt auf einmal alles verändert zu haben scheint.“ Er war so begriffsstutzig. „Da war unsere Freundschaft ja auch noch nicht in Gefahr!“ Entgegnete ich wütend. „Das ist sie doch jetzt auch. Ich bin nämlich nicht damit zufrieden, einfach nur mit dir befreundet zu sein.“ Wow. Super. Damit hatte er seine Meinung wohl ganz deutlich offen gelegt. Und alles unwiderruflich kaputt gemacht. „Hör mal, wenn du mich nicht nach Hause bringen willst, dann laufe ich eben.“ Und mit einem Ruck erhob ich mich. Ich würde mir von diesem Idioten doch nichts sagen lassen. Er war wie erstarrt, als könnte er nicht glauben, dass ich gerade wirklich durch die Haustür verschwand. Ich hatte jedoch kaum das Haus verlassen, da baute sich vor mir ein Typ auf, den ich schon öfter hier ein der Gegend gesehen hatte und der wohl mit Noah befreundet war. „Du gehst schon?“ Fragt er irritiert. „ich dachte, du hast jetzt endlich geblickt, dass du zu ihm gehörst?“ Irritiert kratzte er sich an der Stirn, während ich ihn nur wütend ansah. Noah hatte also mit seinen Freunden über mich geredet? „Das geht dich gar nichts an, du Idiot!“ Verkündete ich also und stapfte wütend Richtung Straße. „Hey, jetzt warte doch mal!“ Rief der Typ mir hinterher. „Du solltest heute echt nicht durch den Wald laufen.“ Er joggte neben mir her. „Wieso nicht?“ Gab ich von mir. „Na, es ist Vollmond!“ Erwiderte er, als wäre das auch nur ansatzweise eine sinnvolle Begründung. Er deutete meinen Blick richtig, denn er schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. „Verstehe. Bleib bitte stehen. Ich kann dich fahren. Das ist Noah sicher lieber, als dass du hier durch die Dunkelheit laufen musst.“ Schlug er vor und nur, weil ich wirklich keine Lust auf einen langen Spaziergang hatte und auch ein wenig fror, stimmte ich zu. „Ich bin übrigens Alec. Der Gamma des Rudels.“ Ja, und vor Allem war er komisch. „Was soll das sein? Ein Gamma?“ Fragte ich schnippisch. Welchen Sinn hatte es, sich nach dem griechischen Alphabet zu benennen? Er räusperte sich geräuschvoll. „Egal. Vergiss es. Ist im Moment nicht so wichtig. Komm jetzt. Mein Auto steht da drüben.“ Er deutete in die Dunkelheit und als ich ihm folgte, fragte ich mich, ob ich nicht ein wenig naiv war, mit jemandem mitzugehen, den ich so gut wie gar nicht kannte. Als ich die Autotür öffnete, legte sich plötzlich eine Hand auf meine und ich zuckte geschockt zusammen. Niemand musste mir sagen, dass Noah hinter mir stand. Ich wusste es auch so. „Ich werde sie fahren, Alec.“ Knurrte er und streckte seine Hand aus. Alec gab ihm die Schlüssel und er schob mich sanft in das Auto, um dann die Tür zu schließen. „Wieso machst du das? Vorhin wolltest du mich doch auch nicht heimbringen?“ Er seufzte und startete den Motor. „Ich wollte nicht, dass du gehst. Aber wenn das meine einzige Chance ist, noch ein bisschen bei dir zu sein, dann nutze ich sie auch!“ Er seufzte. „bitte geh mir nach heute Abend nicht aus dem Weg.“ Flüsterte er dann. Innerlich wollte ich ihn am liebsten schlagen. „Wie kannst du nur so gut damit umgehen, unsere Freundschaft einfach über den Haufen zu werfen?“ Entgegnete ich, ohne auf seine Frage einzugehen, woraufhin er mir einen intensiven Blick durch seine grauen Augen schenkte. „Weil es das wert ist Alya. Du bist es wert. Wir würden großartig zusammen sein.“ Seine Worte brachten mein Herz zum Rasen. Vielleicht hatte er ja Recht. Schließlich mochte ich ihn gerne und ab diesem Moment könnte sowieso nicht mehr alles wie früher sein… „Einverstanden.“ Sagte ich also. „Ich gehe dir nicht aus dem Weg. Aber du kannst auch nicht gleich das Gefühl haben, dass ich dich bespringen will oder so.“ Murmelte ich, weil es mir unangenehm war. Doch ein Blick zu ihm, zeigte mir, dass diese Worte sich gelohnt hatten. Er strahlte und sah dabei einfach umwerfend aus. Er sah grundsätzlich heute einfach umwerfend aus. Am liebsten würde ich sein Gesicht den ganzen Tag betrachten. Seinen breiten, markanten Kiefer. Die schmalen Lippen, die strahlend weiße Zähne entblößen konnten. Seine grauen Augen und das wuschelige, dunkelbraune Haar. Ich liebte seine maskuline Ausstrahlung und auch sein Geruch war einfach betörend. „Wenn du mich weiter so anstarrst, fühle ich mich gezwungen, umzudrehen und doch noch zu entführen.“ Noahs Stimme klang tief und rauchig. Einfach perfekt. Innerlich schlug ich mir gegen die Stirn und wandte schweigend meinen Kopf aus dem Fenster. Da würde ich jetzt ganz bestimmt nicht drauf reagieren. Gott, wie schaffte es dieser Kerl nur, mich so verrückt zu machen? Einerseits wollte ich ihn in meine Arme ziehen und nie wieder loslassen, andererseits hatte er mir heute eine Seite von sich gezeigt, die ich nicht kannte und mit der ich nicht umgehen konnte. Er hatte einfach entschieden, von der freundschaftlichen Ebene eine Stufe nach oben zu wandern und schien auch nicht bereit, seinen Kurs zu ändern. --- Zuhause angekommen sprang ich schon beinahe aus seinem Wagen und verabschiedete mich mit einem hastigen ‚tschüss‘. Er rief mich noch etwas hinterher, doch da hatte ich die Tür schon zugeknallt und war in meinem Haus verschwunden. Mein Vater empfing mich. „Und?“ fragte er vorsichtig, als ob er wusste, was eben geschehen war. „Noah ist scheiße.“ War die einzige Erklärung, die ich ihm gab. Er seufzte nur und schien zu verstehen, weshalb ich wie eine beleidigte Kuh in mein Zimmer abzischte und mich heulend auf mein Bett fallen ließ. Wieso nur war das Leben so kompliziert?
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