Die kühle Luft war mir eine willkommene Abwechslung zu der stickigen Partyatmosphäre. „Wieso machst du das alles?“ wagte ich es zu fragen, nachdem wir eine Weile stillschweigend den Weg entlanggelaufen waren. Wenn man nicht den Bus nahm, welcher um diese Zeit schon lange nicht mehr fuhr, brauchte man zu Fuss ungefähr zwanzig Minuten von ihm zu mir. Neben mir spürte ich, wie er sich anspannte. Verdammt, wieso fühlten seine Muskeln sich dabei so gut an? Er antwortete nicht, blieb stattdessen ruckartig stehen. „Wieso?“ fragte ich also erneut. Er seufzte. „Bitte Cassandra, belass es einfach dabei, okay?“ Dass er mich nicht ‚Cas‘ nannte, war der einzige Grund, dass ich jetzt meine Klappe hielt. „Sollte ich mich geehrt fühlen, dass du wegen mir deine Party früher verlässt?“ scherzte ich und knuffte ihn sanft in die Seite. Lachend erwiderte er die Geste. „Selbstverständlich solltest du dich geehrt fühlen, oh holde Cassandra“ Grinsend und beschwingt vom Alkohol begann ich wie ein kleines Kind zu hopsen. „Komm, lass uns rennen“ schlug ich vor, auch wenn mir gleich klar war, dass ich mit seinem Tempo nicht mithalten könnte. Ich war zwar einigermassen sportlich, aber vor mir stand Nate, und der war nun mal verdammt ausdauernd und sportlich. Bevor er irgendetwas erwidern konnte, hatte ich bereits seine Hand ergriffen und rannte los. Lachend und ausgelassen folgte er mir. Irgendwann blieb ich ausser Atem stehen. „Das war anstrengend!“ keuchte ich und setzte mich auf den Boden. Nate lachte. „Du kannst dich doch jetzt nicht einfach hinsetzten. Wie soll ich dich denn so nach Hause bringen?“ „Ich kann aber nicht mehr!“ quengelte ich protestierend. „Nur fünf Minuten“ Mit einem Schmollmund sah ich ihn an, verfing mich in seinen wunderschönen Augen. Wie konnten sie so viele Gefühle ausstrahlen, dass ich das Gefühl hatte, in ihn hineinblicken zu können? Und wieso konnte ich nicht einfach zugeben, dass ich sie unendlich vermisste? Auf einmal fehlte der feste Boden unter meinen Füssen und als ich nach unten sah, stellte ich fest, dass Nate so dreist war, mich hochgehoben zu haben, allerdings war ich zu müde, um mich darüber zu beschweren. Stattdessen kuschelte ich mich an seine Brust und liess mich einfach von ihm tragen. Das war viel einfacher als laufen. Als er lachte, vibrierte seine Brust leicht. „du bist einzigartig, Cas“ Unsicher ob das ein Kompliment war, versteckte ich mein Gesicht in seinem T-Shirt. „Bitte nicht voll sabbern“ Seiner Stimme hörte man an, dass er grinste. Beleidigt hob ich meinen Kopf und sah ihn an. „Ich glaube, ich kann selber laufen“ Durch ein leichtes Strampeln befreite ich meine Beine und setzte sie wieder auf dem Boden ab. Nate wollte diese Flucht allerdings nicht zulassen. Mit seinem Arm zog er mich dicht an sich. Für fremde sahen wir vermutlich wie ein Pärchen aus, wie wir die Strasse entlangliefen. Er mit dem Arm um mich gelegt und ich, leicht torkelnd, an ihn gestützt. „Wieso?“ fragte ich nochmal, als mein Haus in Sicht kam. Ich wusste, dass die Frage dumm war, und dass er mich gebeten hatte, es zu lassen. Aber ich musste es einfach wissen. Eine lange Zeit schwieg er, also zog ich meinen Schlüssel hervor und öffnete die Haustüre. Ich wollte mich gerade bedanken und sie schliessen, da drängte Nate sich dazwischen. „Deswegen!“ Und mit diesen Worten versenkte er seine Lippen auf meinen. Ich war nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, so sehr berauschte mich dieser Kuss. Er war anders als die, die wir diese Woche bereits ausgetauscht hatten. So sanft und doch bestimmend. Er gab mir Raum, war aber im selben Moment dominant. Es war ein Sommerkuss. Er drängte mich hinein und warf mit seinem Fuss die Tür zu. Fiebrig und ohne unseren Kuss zu unterbrechen, schloss ich diese zu. Keine Sekunde später drückte er mich dagegen, nahm meine Hände in seine Hand und hielt sie über meinen Kopf, während seine andere Hand fahrig mein Gesicht abtastete und nicht zuliess, dass ich mich auch nur einen Zentimeter weiter von ihm entfernen würde. Seine Hand umschloss beinahe meine Wange, sein Daumen spielte mit einer Haarsträhne, die sich zwischen uns verirrt hatte. Haltlos, nur auf ihn fixiert, erwiderte ich den Kuss. Ich konnte gar nicht anders, er riss mich einfach mit. Keuchend holte ich Luft, nur um mich erneut auf seine Lippen zu stürzen. Wie er es schaffte, mich so besinnungslos zu küssen, dass ich nicht einmal mitbekam, wie er mich in mein Schlafzimmer beförderte, wusste ich nicht. Fest stand, dass er mich soeben in das weiche Bett geworfen hatte und nun meine Hände losliess, um mich an meiner Hüfte festzuhalten. Er begann mein enges Top hochzuschieben, sodass sich unsere Haut nun berührte und wir wären bestimmt noch weiter gegangen, wenn sein Handy nicht geklingelt hätte. Nate löste sich fluchend von mir und tastete nach seinem blinkenden Handy. „Ja, Charles? Was gibt’s?“ Fragte er, immer noch ein wenig ausser Atem. Innerlich hoffte ich einfach, dass dieser nichts ahnte, und das auch nicht mit mir in Verbindung brachte. „Wie bitte?“ Nate liess ein erneutes Fluchen vernehmen, während er sich neben mich fallen liess und begann, mit einer meiner blonden Haarsträhnen zu spielen. „Dann schmeiss sie doch einfach alle raus, verdammt!“ Ich zuckte zusammen. Soeben hatte der werte Nathan Jones mir volle Kanne in mein empfindliches Ohr gebrüllt. Entschuldigend sah er mich an, dann wanderte sein Blick an die Decke. „Na gut, ich bin schon auf dem Weg“ Mit diesen Worten legte er auf und sah mich dann entschuldigend an. „Ich muss los“ Dann erhob er sich und ging. Ich konnte ihm einfach nur hinterher starren, fassungslos über das, was gerade eben geschehen war. Wieso war ich nur so dämlich und liess mich immer wieder dazu hinreissen ihn zu küssen? Ich liess einen lauten Fluch los. Hätte sein Handy nicht geklingelt, dann lägen wir jetzt vielleicht beide nackt hier und leider musste ich sagen, dass ich dieser Vorstellung nicht allzu abgetan war. Als meine Gedanken zu Emma wanderten, riss ich mich jedoch zusammen, erhob mich und ging ins Badezimmer. Ich musste Nate klar machen, dass wir das lassen müssten und dass wir uns nicht mehr so nahe kommen dürften. Ein Blick auf meine geschwollenen Lippen, die zerzausten Haar und die roten Backen bestätigten diesen Gedanken nur. So konnte das nicht weitergehen.