2 - ein Strandhaus

1034 Words
Mittlerweile war es Donnerstag und ich wusste schon gar nicht mehr, wie viele Lügen ich mir über meinen diesjährigen Sommer bereits ausgedacht hatte, weil weder Nate noch Charles die Fresse halten konnten und in mir kam das Gefühl hoch, dass Charles von irgendetwas wusste. Mein Handy blinkte einmal hell auf. Eine Nachricht von Nate. Seufzend erhob ich mich aus meinem Bett und las die Nachricht. In einer halben Stunde im Strandhaus - Nate Wozu? - Cassandra Antwortete ich sogleich. Ich verstand einfach nicht, was er noch wollte. Gleich am Anfang des Sommers hatte er mehr als deutlich gemacht, dass mit dem Beginn der Schule alles wieder vorbei sein würde und ich versuchte mich im Gegensatz zu ihm wirklich daran zu halten. Vielleicht auch, weil ich Emma nichts davon erzählt hatte, aber ich konnte nicht. Früher hatte sie immer so für ihn geschwärmt und auch wenn sie meine beste Freundin war, wusste ich, dass sie mir eine Beziehung nicht gönnen würde. Nicht, nachdem ihr Freund per SMS mit ihr Schluss gemacht hatte, nachdem er sie mit einem Dutzend Mädchen betrogen hatte. Sie hatte immer gesagt, dass sie bloss Angst hatte, dass mir dasselbe passieren würde, doch ich wusste, dass sie es nicht ertragen könnte, mich auf diese Art und Weise glücklich zu sehen. Abgesehen davon hielt sie mich für zu schüchtern, etwas mit einem Jungen anzufangen und so sehr es mich auch kränkte, hatte ich nicht vor, diese Ansicht zu ändern. Es ging schliesslich um Emma. Als ich feststellte, dass Nate nicht antwortete, seufzte ich nur genervt und griff nach meiner Jeansjacke. Dass der Herbst so langsam kam, machte sich auch an der Temperatur bemerkbar. Ich musste nicht nachschauen, wann der nächste Bus fuhr, ich wusste es auswendig. Zu oft war ich bei ihm gewesen. --- Ausser Atem wollte ich die Klingel drücken, doch die Tür öffnete sich bereits, als hätte Nate nur auf meine Ankunft gewartet. Er wartete gar nicht ab, bis ich das Haus betreten hatte, sondern packte mich an der Hüfte und drückte mir einen sanften Kuss auf die Wange. Es war allerdings auch gut möglich, dass ich mir diese Gefühle seinerseits nur einbildete. Vorsichtig schob ich ihn von mir und betrat das Haus. „Es könnten uns Leute sehen“ murmelte ich, es war mir schon beinahe peinlich, wie sehr ich ihn verheimlichte. Ich sah, dass er schluckte. „Du hast Recht.“ Ich nickte. „Natürlich. So wie immer“ Das entlockte ihm ein kleines Grinsen. „Ich habe dich vermisst.“ Gab er ehrlich zu, während meine Augenbrauen in die Höhe rutschten. Nathan Jones hatte mich vermisst? „Jetzt schau doch nicht so ungläubig!“ murrte er und es tat mir beinahe ein bisschen leid. „Hör mal, was sollen die ganzen Anspielungen vor Emma?“ Er fasste sich gespielt ans Herz. „Kein, ‚Nate ich vermisse dich auch‘?“ Herausfordernd sah er mich an. „Wir haben uns heute erst in der Schule gesehen!“ „Du weisst was ich meine. Ich vermisse dich, Cassandra. Uns. Unsere gemeinsame Zeit“ Leicht musste ich lächeln. „Ich auch. Aber wir waren uns einig. Mit dem ersten Schultag endet sie, und der ist schon ein paar Tage her. Ich verstehe nicht, was das noch soll“ Es tat mir leid, dieser Ausdruck in seinen Augen. Ehrlich gesagt kamen mir schon fast die Tränen, aber es war wichtig, da jetzt einfach einen Schlussstrich zu ziehen. Eine einfache Sommeraffäre würde mir nicht meine beste Freundschaft zerstören. Nate hob seine Hand, öffnete den Mund. Und schloss ihn wieder. Er sah so verzweifelt aus. „Ich muss gehen. Nathan“ Ich nickte ihm zu. „Cas“ Ich blieb stehen. Er war der erste Mensch, dem ich gestattet hatte, mir einen Spitznamen zu geben. Ich wusste nicht wieso, aber er sagte es auf eine Weise, die mich besonders fühlen liess. „G… geh…“ Ich hörte, wie er schluckte. „bitte. Geh noch nicht“ Und plötzlich stand er vor mir und drückte seine Lippen auf meine. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, erst recht nicht, als er seine Hände in meinen Nacken legte und mich so dicht an sich zog, dass vermutlich kein Blatt mehr zwischen uns gepasst hätte. Seine Lippen waren begierig, gaben mir keinen Raum. Aber zu wissen, wie verzweifelt er war, hielt mich davon ab, ihn von mir zu stossen. Stattdessen war ich doch tatsächlich so blöd meine Hände auf seine muskulöse Brust zu legen. Es fühlte sich alles so an, wie vor zwei ein halb Monaten. Als das zwischen uns begann. Ehrlich gesagt war es ziemlich naiv gewesen, denn auch wenn wir mehr oder weniger in derselben Clique waren, wusste ich was für ein Aufreisser er sein konnte, und dass er da vor seinen Freunden keinen Halt machte. Wieso also erwiderte ich diesen Kuss? Vielleicht, weil es sich einfach so gut anfühlte. Vielleicht, weil seine Lippen so weich waren, wie nichts anderes auf der Welt und vielleicht, weil es sich besser anfühlte, als es das sollte. Als ich spürte, wie seine Lippen an meinen Hals wanderten und er kurz davor war, mir einen Knutschfleck zu verpassen, schob ich ihn mit meiner letzten Kraft von mir. „Nicht“ hauchte ich zaghaft, obwohl ich es doch so sehr wollte. „Wieso?“ gab er zurück. „Du willst es, ich will es. Wo ist das Problem?“ Ich würde ihm jetzt ganz bestimmt nicht von meinen Problemen mit Emma erzählen. Kühl musterte ich ihn. „Du hast dich gerade auf mich gestürzt, ich würde nicht behaupten, dass ich das auch will. Ich werde jetzt übrigens gehen, wir sehen uns morgen auf deiner Party“ Kurz und knapp lächelte ich ihn an, dann strich ich mir einmal kurz durch die Haare und verliess schnellstmöglich das verdammte Strandhaus, in das ich vor nicht allzu langer Zeit immer mit Vorfreude gegangen war. Aber der Sommer war schon immer eine ganz andere Welt, die meisten Leute waren verreist und jeder wollte sich am liebsten in ein Abenteuer stürzen, dass während der Schule allerdings nur stören würde. Als ich in den Bus stieg, konnte ich jedoch trotzdem nicht verhindern, dass eine einzelne Träne meine Wange hinunterkullerte und dafür schämte ich mich.
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