KAPITEL DREI

1773 Words
KAPITEL DREI Riley lächelte, als sie Special Agent Jake Crivaro erkannte. Sie hatte ihren Morgen unter Fremden verbracht und war sehr erfreut, dieses vertraute Gesicht zu sehen. Ich schätze, ich sollte nicht überrascht sein, dachte sie. Schließlich erinnerte sie sich an das, was er ihr in Lanton gesagt hatte, als er ihr die Papiere für das FBI-Sommer-Programm übergeben hatte ... »Ich bin pensionsberechtigt, aber ich könnte noch eine Weile bleiben, um jemandem wie dir zu helfen.« Er musste ausdrücklich darum gebeten haben, Rileys Mentor für ihr Praktikum zu sein. Aber Rileys Lächeln verblasste schnell, als ihr klar wurde ... Er lächelte nicht zurück. Tatsächlich sah Agent Crivaro nicht im Geringsten glücklich darüber aus, sie zu sehen. Noch immer auf der Tischkante sitzend, verschränkte er seine Arme und nickte einem unscheinbaren, aber liebenswürdig aussehenden Mann in den Zwanzigern zu, der in der Nähe stand. Crivaro sagte ... »Riley Sweeney, ich möchte Ihnen Special Agent Mark McCune vorstellen, direkt hier aus D.C., er ist mein Partner an einem Fall, an dem ich seit heute arbeite.« »Schön, Sie kennenzulernen«, sagte Agent McCune mit einem Lächeln. »Ebenso«, sagte Riley. McCune wirkte deutlich freundlicher als Crivaro. Crivaro stand vom Tisch auf. »Betrachten Sie sich als glücklich, Sweeney. Während die anderen Praktikanten drinnen lernen, wie man Aktenschränke und Büroklammern benutzt, gehen Sie direkt ins Feld. Ich bin gerade aus Quantico hergekommen, um an einem Drogenfall zu arbeiten. Sie werden sich Agent McCune und mir anschließen − wir sind gerade auf dem Weg zum Tatort.« Agent Crivaro ging aus dem Raum. Als Riley und Agent McCune ihm folgten, dachte Riley ... Er hat mich ›Sweeney‹ genannt und gesiezt. Während ihrer Zeit in Lanton hatte sie sich daran gewöhnt, dass er sie ›Riley‹ nannte und duzte. Riley flüsterte McCune zu: »Ist Agent Crivaro wegen etwas verärgert?« McCune zuckte mit den Achseln und flüsterte zurück: »Ich hatte gehofft, Sie könnten es mir sagen. Dies ist mein erster Arbeitstag mit ihm, aber ich habe gehört, dass Sie bereits an einem Fall mit ihm gearbeitet haben. Man sagt, er war ziemlich beeindruckt von Ihnen. Er hat den Ruf, etwas schroff zu sein. Sein letzter Partner wurde gefeuert, wissen Sie?« Riley hätte fast gesagt ... Eigentlich wusste ich das nicht. Sie hatte Crivaro in Lanton nie etwas von einem Partner sagen hören. Obwohl Crivaro knallhart gewesen war, hatte sie ihn nie als ›schroff‹ angesehen. Tatsächlich dachte sie an ihn als eine liebenswürdige Vaterfigur − ganz im Gegensatz zu ihrem richtigen Vater. Riley und McCune folgten Crivaro zu einem Auto auf der Parkebene des FBI-Gebäudes. Niemand sprach, als Crivaro sie aus dem Gebäude und in Richtung Norden durch die Straßen von D.C. fuhr. Riley fragte sich, ob Crivaro jemals erklären würde, was sie vorhatten, wann immer sie dort ankamen, wo sie hinfuhren. Irgendwann erreichten sie eine schäbige Nachbarschaft. Die Straßen waren gesäumt von Reihenhäusern, die für Riley so aussahen, als wären sie einst nette Häuser gewesen, aber nun schrecklich heruntergekommen waren. Noch während er fuhr, sprach Agent Crivaro schließlich mit ihr. »Ein paar Brüder, Jaden und Malik Madison, leiten seit einigen Jahren den Drogenhandel in dieser Gegend. Sie und ihre Bande waren so dreist, dass sie die Drogen direkt auf der Straße verkauft haben, als wäre es eine Art Wochenmarkt. Die örtlichen Polizisten konnten nichts tun, um sie aufzuhalten.« »Warum nicht?«, fragte Riley. Crivaro antwortete: »Die Bande hat immer Ausschau nach Polizisten gehalten. Außerdem hatten sie die ganze Nachbarschaft mit ihren Schießereien aus vorbeifahrenden Autos eingeschüchtert, so was in der Art. Ein paar Kinder sind erschossen worden, nur weil sie dort gestanden haben, wo sie nicht sein sollten. Niemand wagte es, mit der Polizei darüber zu reden, was los war.« Crivaro blickte entlang der Häuserzeilen und fuhr fort. »Das FBI wurde vor ein paar Tagen zu Hilfe gerufen. Erst heute Morgen hat es einer unserer Undercover-Leute geschafft, Jaden zu verhaften. Sein Bruder, Malik, ist noch auf freiem Fuß, und die Bande hat sich verstreut. Sie werden nicht leicht zu fassen sein. Aber wegen der Verhaftung konnten wir einen Durchsuchungsbefehl für das Haus bekommen, von dem aus sie operiert haben.« Riley fragte: »Wenn die Gang noch da draußen ist, werden sie dann nicht einfach weitermachen?« McCune sagte: »Jetzt können die örtlichen Polizisten wirklich etwas tun. Sie werden eine ›Mini-Polizei-Station‹ direkt auf dem Bürgersteig einrichten − nur einen Picknicktisch und ein paar Stühle, die von ein paar uniformierten Offizieren besetzt sind. Sie werden mit den Einheimischen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass das Gleiche hier nicht wieder passiert.« Riley hätte fast gefragt ... Werden sie nicht ihre Geschäfte einfach in eine andere Gegend verlegen? Aber sie wusste, dass es eine dumme Frage war. Natürlich würde die Bande irgendwo anders weitermachen − zumindest dann, wenn sie nicht erwischt würden. Und dann müssten die Cops und das FBI wieder von vorne anfangen, wo immer das auch sein mochte. Das war eben die Natur dieser Art von Arbeit. Crivaro stoppte das Auto und zeigte auf das nächstgelegene Haus. »Die Suche ist in diesem Fall bereits im Gange«, sagte er. »Und wir sind hier, um zu helfen.« Als sie aus dem Auto stiegen, wackelte Crivaro streng mit dem Finger in Richtung Riley. »Mit ›wir‹ meinte ich Agent McCune und mich selbst. Sie sind hier, um zuzusehen und zu lernen. Also bleiben Sie verdammt nochmal aus dem Weg. Und fassen Sie nichts an.« Riley bekam eine Gänsehaut bei seinen Worten. Aber sie nickte gehorsam. Ein uniformierter Polizist, der in der offenen Tür gestanden hatte, führte sie hinein. Riley sah sofort, dass hier bereits eine große Operation im Gange war. Der schmale Flur war voll von ortsansässigen Polizisten und von Agenten, die FBI-Jacken trugen. Sie waren dabei, Waffen und Beutel mit Drogen in der Mitte des Bodens aufzustapeln. Crivaro sah zufrieden aus. Er sagte zu einem der FBI-Männer: »Sieht aus, als wärt ihr hier auf eine echte Goldmine gestoßen.« Der FBI-Mann lachte und sagte: »Wir sind ziemlich sicher, dass dies nur die Spitze des Eisberges ist. Es muss hier irgendwo eine Menge Geld geben, aber das haben wir noch nicht gefunden. Es gibt viele Orte, an denen man in einem Haus wie diesem etwas verstecken kann. Unsere Jungs gehen gerade jeden Quadratzentimeter durch.« Riley folgte Crivaro und McCune eine Treppe hinauf in den zweiten Stock. Sie konnte nun sehen, dass das Haus, und offenbar auch die anderen, die es umgaben, größer waren, als es nach außen aussah. Obwohl die Front schmal war, zog es sich in die Länge, mit vielen Räumen entlang der Flure. Zusätzlich zu den beiden sichtbaren Stockwerken vermutete Riley, dass das Haus auch einen Dachboden und einen Keller hatte. Oben auf der Treppe stießen vier Agenten fast mit Crivaro zusammen, als sie aus einem der Räume kamen. »Da ist nichts drin«, sagte einer der Agenten. »Bist du sicher?«, fragte Crivaro. »Wir haben es von oben bis unten durchsucht«, sagte der andere Agent. Dann rief eine Stimme aus dem Raum direkt gegenüber dem Flur ... »He, ich glaube, wir haben hier wirklich etwas!« Riley folgte Crivaro und McCune über den Flur. Bevor sie mit ihnen in den Raum gehen konnte, streckte Crivaro seine Hand aus und hielt sie auf. »Nein, nein«, sagte er zu ihr. »Sie können vom Flur aus zusehen.« Riley blieb direkt vor der Tür stehen und sah zu, wie fünf Männer den Raum durchsuchten. Derjenige, der Jake gerufen hatte, stand neben einem rechteckigen Gebilde an der Wand. Er sagte: »Das hier sieht aus, als wäre es früher ein Speiseaufzug gewesen. Was meinst du, was wir da drin finden werden?« »Mach es auf«, sagte Crivaro. Riley machte einen Schritt nach vorne, um zu sehen, was sie da machten. Jake sah zu ihr auf und rief ... »He, Sweeney. Was habe ich Ihnen gerade gesagt?« Riley war im Begriff zu erklären, dass sie nicht wirklich beabsichtigte, hineinzukommen, als Jake einen Polizisten befahl ... »Mach die verdammte Tür zu.« Die Tür schlug vor Rileys Gesicht zu. Riley stand im Flur und fühlte sich schockiert und verlegen. Warum ist Agent Crivaro so wütend auf mich? fragte sie sich. Es ertönte jetzt viel Lärm aus dem Inneren des Raumes. Es klang, als würde jemand mit einem Brecheisen sich an der Stelle in der Wand zu schaffen machen, der einst der Speiseaufzug gewesen war. Riley wünschte sich, sie könnte sehen, was los war, aber das erneute Öffnen der Tür kam nicht infrage. Sie ging über den Flur und in den Raum auf der anderen Seite, denjenigen, von dem die Agenten gesagt hatten, dass er bereits durchsucht worden war. Stühle und Möbel waren umgeworfen und ein Teppich lag in Falten, nachdem er hochgehoben und wieder fallen gelassen worden war. Alleine im Raum ging Riley zu dem Fenster, das die Straße überblickte. Draußen sah sie ein paar vereinzelte Menschen, die sich zügig bewegten, als ob sie es eilig hätten, dorthin zu gelangen, wo sie hinwollten. Sie fühlen sich draußen nicht sicher, erkannte sie. Dieser Umstand erschien ihr unglaublich traurig. Sie fragte sich, wie lange es schon her war, dass diese Nachbarschaft ein angenehmer Ort zum Leben war. Sie fragte sich auch ... Machen wir wirklich einen Unterschied? Riley versuchte sich vorzustellen, wie das Leben hier aussehen könnte, nachdem die von Agent McCune erwähnte ›Mini-Polizei-Station‹ eingerichtet war. Würden sich die Nachbarn wirklich sicherer fühlen, weil ein paar Polizisten an einem Picknicktisch postiert waren? Riley seufzte, als sie zusah, wie die Handvoll Menschen auf der Straße weiter zu ihren einzelnen Zielen eilten. Sie erkannte, dass sie die Frage falsch gestellt hatte. Es gab kein ›wir‹ − zumindest noch nicht. Sie war an dieser Operation überhaupt nicht beteiligt. Und Agent Crivaro hatte offensichtlich kein Vertrauen in sie. Sie wandte sich vom Fenster ab und ging zurück zur Tür. Als sie den zerknitterten Teppich überquerte, bemerkte sie ein seltsames Geräusch unter ihren Füßen. Sie hielt in ihrer Bewegung inne und stand einen Moment lang nur da. Dann klopfte sie mit ihrer Ferse auf den Boden. Es klang seltsam hohl, dort, wo sie stand. Sie ging zum Rand des Teppichs und zog ihn von dieser Stelle auf dem Boden herunter. Sie sah nichts Ungewöhnliches, nur einen einfachen Parkettboden. Ich schätze, ich habe mir das nur eingebildet, dachte sie. Sie erinnerte sich daran, was einer der Agenten gesagt hatte, als er aus diesem Raum kam. »Wir haben alles von oben bis unten durchsucht.« Sicherlich würde sie nichts finden, was vier FBI-Agenten übersehen hätten. Und doch war sie sich sicher, dass sie etwas Seltsames gehört hatte. Sie hätte es nicht bemerkt, wenn sich jemand anderes im Raum bewegt hätte. Es war ihr nur aufgefallen, weil es hier drin ruhig war. Sie machte ein paar Schritte zur Seite und klopfte mit ihrer Ferse gegen den Boden. Der Boden klang wieder fest. Dann beugte sie sich vor und klopfte an der Stelle, die sie zuvor mit ihren Absätzen entdeckt hatte. Tatsächlich klang es dort hohl. Sie sah immer noch keine Anzeichen einer Öffnung, aber ... Ich frage mich. Sie konnte sehen, dass eine Länge des Brettes kürzer war als die anderen. Es hatte an einem Ende einen dunklen Fleck, der wie ein gewöhnlicher Ast aussah. Riley drückte mit dem Finger auf diese Stelle. Sie erschrak beinahe, als sich das Brett am anderen Ende ein wenig erhob. Ich habe etwas gefunden! dachte sie. Ich habe wirklich etwas gefunden!
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