Vlad
Ich kehre zum Bellissimo zurück – diesmal mit einem Plan und allen Utensilien, um ihn auszuführen: eine Spritze mit Beruhigungsmittel, Stricke, um ihre Hände und Füße zu fesseln, Klebeband für den Mund. Mein zwölfjähriger Komplize Mikhael – Mika – wird das Fluchtauto steuern. Er ist das einzig überlebende Mitglied der Chicagoer Bratva.
In meine tadellose Kellneruniform gekleidet, trete ich aus dem Fahrstuhl. Vor mir schiebe ich den Servierwagen her, mit dem ich das Mädchen hier rausholen werde.
Ich lasse den Wagen direkt vor der Tür stehen und betrachte den Saal. Ich halte den Kopf unten und meine tätowierten Finger habe ich hinterm Rücken zusammengefaltet. Sollten die Chicagoer Tacone-Brüder mich wiedererkennen, werden sie mich auf der Stelle umbringen. Aber das macht nichts. Wenn ich mir echt ein langes Leben wünschen würde, dann wäre ich jetzt nicht hier. Ironischerweise ist es auch meine Unbekümmertheit, die mich immer wieder triumphieren lässt.
Ich gehe Risiken ein. Ich lasse mich nie von der Angst steuern. Ich habe schon sehr früh gesehen, wie die Bratva funktioniert, und einen Weg gefunden, um dort die Oberhand zu behalten. Ich habe mich unverzichtbar gemacht. Aber nicht mit Gewalt, sondern mit Köpfchen.
Ich habe gelernt, wie man hackt. Wie man Geld wäscht. Ich habe Englisch, Deutsch und Französisch gelernt. So habe ich die Kontrolle über das gesamte Vermögen der Bratva erlangt. So habe ich Reichtümer angehäuft. Unzählige Attacken überlebt. Hätte Sabina mich damals nicht verraten, wäre ich dort drüben immer noch der King, anstatt mich hier in Amerika zu verkriechen.
Ich notiere mir die Waffenträger im Raum – mindestens vierundzwanzig. Alle Männer haben eine verdächtige Beule unterm Jackett – sogar die Bräutigame. Statt Angst verspüre ich jedoch das altbekannte Kribbeln auf der Haut, als der Adrenalinschub einsetzt.
Noch ein verstohlener Blick durch den Raum und ich mache die Mafiaprinzessin ausfindig. Diejenige, die ich benutzen werde, um jeden einzelnen von den Tacones in die Knie zu zwingen.
Diejenige, die durch meine Hände etwas Demut lernen wird.
Ich sollte sie hassen – sie ist die Schwester von meinem Feind –, aber ein dermaßen hübsches Geschöpf zu hassen, fällt mir irgendwie schwer. Und es ist nicht ihre Schuld, dass sie in eine skrupellose Familie hineingeboren wurde.
Die Italiener halten ihre Damen so unbefleckt wie möglich. Die Frauen mischen sich nie ins Geschäft ein. Von Gewalt und Tod kriegen sie nichts mit.
Verdammt, das Mädchen ist womöglich noch Jungfrau. Blyat, jetzt kriege ich einen Ständer. Ich werde diese Frau unter Drogen setzen und fesseln, es ist also nicht der passende Zeitpunkt, um einen Steifen zu bekommen. Es sei denn, ich bin ein perverser Wichser, denn der Gedanke macht mich nur noch härter.
Sie trägt ein geiles rosa Neckholderkleid, welches ihre jugendlichen Brüste auf appetitlichste Weise umrahmt und herzeigt. Die passenden rosa Schuhe und die Handtasche alleine müssen schon Tausend Dollar kosten.
Und das Glück ist mir hold, denn Alessia löst sich von der Gruppe und kommt auf die Tür zu. Wahrscheinlich geht sie zur Toilette.
Schnell schiebe ich den Wagen hinter ihr in den Flur, in der Hand halte ich die Spritze bereit. Ich nehme den künstlichen Aufsatz vom Wagen runter, wodurch der leere Boden zum Vorschein kommt, der in Wirklichkeit zu einem der rollenden Wäschewagen vom Bellissimo gehört.
Ich warte, bis sie alleine aus der Toilette kommt – Gott sei Dank – und überwältige sie von hinten. Wäre sie ein Typ, dann würde ich sie einfach mit der Faust k.o. schlagen, genau wie den Kellner unten. Aber ich kann mich einfach nicht überwinden, eine Frau zu schlagen; egal, wie schnell und einfach es wäre.
Ich erhasche eine Kostprobe von ihrem rosigen Vanilleduft, als ich ihr den Mund zuhalte und ihr die Injektionsnadel in den Hals steche. Sie wehrt sich, als die Droge durch ihre Adern sickert. Es dauert mindestens eine Minute, bis die Wirkung einsetzt.
„Schh, Printsessa“, flüstre ich und halte ihr eisern den Mund zu. Außerdem halte ich ihre Arme fest. „Entspann dich und niemand wird dir wehtun.“ Mein Akzent ist stärker als sonst. Wahrscheinlich, weil ihr weicher Zappel-Arsch meine Erektion ebenfalls erstarken lässt. „Ruhig, Zaika. Schlaf ein.“
Ihr betörendes Blütenaroma steigt mir in die Nase, als ich einatme und warte. Schließlich hält sie ruhig und ihr schlaffer Körper sackt in meinen Armen zusammen.
Ich schaufle meinen Arm unter ihre Knie und hebe sie in den Wäschewagen, dann lege ich den Deckel wieder drauf und ziehe die Tischdecke zurecht. Dreißig Sekunden später bin ich im Fahrstuhl. Einer von den Tacone-Männern steigt mit mir ein. Ich mache leere Miene, bleibe aber förmlich.
Der Typ sieht mich nicht mal an. Ich tätschle mein Messer in meiner Hosentasche; ich bin bereit, davon Gebrauch zu machen.
Dann steigt der Typ aus und ein paar andere Leute steigen in den Fahrstuhl – Touristen. Ich schließe mit einem Knopfdruck die Tür und fahre weiter bis zur unteren Etage.
Bin unterwegs, schreibe ich Mika. Ich bemühe mich, möglichst Englisch mit ihm zu reden, damit er es lesen und schreiben lernt.
In Position, antwortet er auf Russisch. Ich hätte den Jungen nicht in diese Scheiße reinziehen sollen. Verdammt, ich hätte ihn nicht mal aus Chicago mitbringen sollen. Aber was blieb mir sonst übrig? Ich bin von der Beerdigung meiner Mutter in Moskau zurückgekommen und sechs Leute der Bruderschaft waren tot und der Rest war verschwunden. Alle außer Mika.
Er hatte alleine in unserem Apartmenthaus gelebt und sich irgendwie durchgeschlagen. Wahrscheinlich wäre es netter gewesen, wenn ich ihn der amerikanischen Sozialfürsorge übergeben hätte, aber ich konnte es einfach nicht. Er mag zwar Problem darstellen, aber er ist einer von uns und wir kümmern uns um unsere eigenen Leute. Und er leistet ganze Arbeit, um sich nützlich zu machen.
Im Flur im Untergeschoss ziehe ich die Kellneruniform aus und tausche sie gegen ein Hemd vom Wartungspersonal, dann nehme ich den Catering-Deckel vom Wagen und rolle ihn nach draußen; als ob ich schmutzige Wäsche rausbringen würde. Ich wische meine Fingerabdrücke von ihrer Handtasche und stecke sie in den Müll.
Vorm Ausgang kommt auch schon Mika vorgefahren und bremst mit einem Ruck. Ja, ich lasse einen Zwölfjährigen mein Auto steuern. Ich musste es ihm nicht beibringen – er konnte bereits Autofahren. Und er ist verdammt gut.
„Mach den Kofferraum auf“, murmle ich auf Russisch. Er öffnet den Kofferraum und ich schiebe den Wagen bis zum Heck von meinen schwarzen Jetta. Ich hebe die bewusstlose Prinzessin hoch und wuchte sie in den Kofferraum, dann knalle ich ihn zu.
Das Ganze dauert dreiundzwanzig Sekunden und dann sind wir da raus.
Mission erfüllt. Jetzt halte ich alle Hebel in der Hand, die ich gegen die Tacone-Pisser so brauche.