Kapitel 1-1

1304 Words
KAPITEL 1 Mit wachsender Besorgnis ging Jaguin durch den langen Korridor des Gebäudes, das seine Kameraden und er gerade betreten hatten. Wachsam ließ er seinen Blick umherschweifen und hielt nach Gefahren Ausschau. Diese Mission sollte nicht allzu schwierig werden: Er sollte Carmen Walker-Reykill, die Gefährtin von Prinz Kreon beschützen. Das Problem war nur, dass nie etwas einfach war, wenn die ungewöhnliche Menschenfrau involviert war. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn Kreon Carmen einfach gefesselt und an Bord des Raumschiffs oder auf der Ranch ihres Menschenfreundes Paul Grove zurückgelassen hätte. Er verdrängte das Gefühl und inspizierte noch einmal die Innenwände von Javier Cuellos Haus, auf der Suche nach Ortungsgeräten oder Waffen, die den Menschen auf ihre Anwesenheit aufmerksam machen könnten. Doch da war nichts als poliertes dunkles Holz und mattweiße Wände. Hier und da hingen ein paar Gemälde, aber das war auch schon alles. Der Mann, den sie suchten, war übertrieben selbstsicher und fest davon überzeugt, die wenigen Männer, die er angeheuert hatte, würden ihn beschützen. Möglicherweise hätte das sogar funktioniert, vorausgesetzt er hätte es mit anderen Menschen zu tun gehabt. Aber die vielen Soldaten, die in der Gegend patrouillierten und in den hohen Türmen draußen stationiert waren, hatten keine Chance gegen Jaguin, Gunner, Kreon und ihre Symbionten. Sie stammten nicht von dieser Welt, sondern von Valdier, einer fremden Welt mehrere Lichtjahre von hier entfernt. Die Valdierer waren Drachenwandler, die in ihrem Sternensystem für ihre Unerbittlichkeit im Kampf bekannt war. Sie hatten mit den Männern, die draußen postiert waren, kurzen Prozess gemacht, bevor sie in Javier Cuellos Haus vorgedrungen waren. Die Krieger von Valdier bestanden aus insgesamt drei Komponenten, die sie zu einer tödlichen Macht gegen ihre Feinde machten. Die erste Komponente war der Mensch, die zweite der Drache, und die dritte der Symbiont. Sie waren ein eingespieltes Team, wenn es darum ging, Bedrohungen zu überwinden. Die Göttin hatte sie auf diese Weise ins Gleichgewicht bringen wollen. Das Problem dabei war, dass alle drei eine Frau als Gefährtin akzeptieren mussten. Ein nahezu unmögliches Unterfangen, wenn man bedenkt, wie wählerisch mein Symbiont und mein Drache sind, dachte er mit einem Seufzer der Resignation und Akzeptanz. Jaguins Blick wanderte noch einmal zu der Frau neben ihm. Neid stieg in ihm auf. Er und viele andere auf Valdier hatten die Hoffnung aufgegeben, jemals ihre wahre Gefährtin zu finden. Ungebundene Frauen waren auf Valdier im Laufe der Jahrhunderte immer seltener geworden, was bei den meisten Kriegern ein wachsendes Gefühl der Verzweiflung hervorrief. Ohne Gefährtin würde das Bedürfnis ihres Drachen, sich zu paaren, sie in den Wahnsinn treiben. Sie konnten nur hoffen, im Kampf zu sterben, bevor dies geschah. Jaguin war mit diesen Gefühlen und der wachsenden Sorge nur allzu gut vertraut. Die Tatsache, dass er in diesem Moment Schwierigkeiten hatte, seinen Drachen zu kontrollieren, bewies, dass er sich dem Moment näherte, an dem er in seine Heimat in den Bergen zurückkehren musste. Er würde den Ältesten gestehen müssen, dass seine Zeit gekommen war, in das nächste Leben überzugehen. Jaguin hatte gehofft, auf der Erde seine wahre Gefährtin zu finden, so wie Kreon und seine Brüder. Er hatte in den letzten Wochen gesucht, aber keine der Frauen, die er aus der Ferne gesehen hatte, hatte seinen Drachen oder seinen Symbionten begeistert. Es war an der Zeit, sich einzugestehen, dass es nicht sein Schicksal war, in diesem Leben eine Gefährtin zu finden. Für ihn war es die erste Reise zu diesem Planeten. Es waren jedoch schon Valdierer hier gewesen. Zoran Reykill, der Anführer der Valdierer, hatte diese seltsame, wunderschöne Welt entdeckt, nachdem er einer abtrünnigen Gruppe von Individuen entkommen war, die ihn gefangen gehalten hatten und die den Krieg zwischen den Valdierern, Kurizanern und Sarafinern neu entfachen wollten. Das Ziel der nächsten Reise hatte darin bestanden, Paul Grove, den Vater von Kelan Reykills wahrer Gefährtin, abzuholen. Diese Reise war jedoch anders. Diesmal waren sie auf der Erde, damit Carmen Reykill mit dem Mann abschließen konnte, der ihren früheren Partner und ihr ungeborenes Kind getötet hatte. Jaguin verstand Carmens Wunsch nach Rache. Doch er war sich auch der Gefahren bewusst, die mit einer solchen Mission einhergingen. In solchen Situationen kochten die Emotionen oft hoch, und das konnte zu tödlichen Fehlern führen. Es war Jaguins und Gunners Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Carmen nichts passierte. Wenn sie starb, dann würde auch ihr Prinz sterben. Niemand überlebte den Tod seines wahren Gefährten. Was die Sache noch schwieriger machte, war die Tatsache, dass Carmen schwanger war. Der Mann in ihm wollte sie beschützen, während der Drache sie am liebsten in eine Gummizelle gesperrt hätte, wo ihr nichts passieren konnte. Das Unbehagen, das er verspürte, verstärkte sich und kratzte an seinen Eingeweiden, wie sein Drache, wenn er seine Beute zerfetzte. Er spürte, wie sowohl sein Symbiont als auch sein Drache an ihm zerrten. Irgendetwas stimmte nicht. Das Gefühl wurde immer stärker, je näher sie dem Gelände kamen. Unter seinem Hemd breiteten sich Schuppen auf seiner Haut aus, ein sichtbares Zeichen der Erregung seines Drachen. Irgendetwas stimmt nicht, knurrte sein Drache plötzlich in ihm. Ich rieche Blut. Jaguin konnte den kupfernen Geruch in der Luft beinahe schmecken. Er warf Kreon Reykill einen besorgten Blick zu. Kreon erwiderte seinen argwöhnischen Blick mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken. Er hatte es auch gerochen. Jaguin spürte die Unruhe seines Symbionten, der neben ihm herlief. Sein Körper schimmerte und spiegelte die Farben des Flurs wider, und er wechselte fortwährend von einer Form zur anderen, als wäre er sich nicht sicher, was ihn erwartete. Das allein verstärkte Jaguins Sorge um die zarte und gleichzeitig wilde Frau zwischen Gunner und ihm. „Das gefällt mir nicht“, murmelte Gunner vor sich hin. „Kreon, ich denke, einer von uns sollte Lady Carmen von hier wegbringen.“ „Nein“, zischte Carmen und starrte auf die Tür am Ende des Korridors, auf die eine junge Menschenfrau stumm gezeigt hatte, als sie das Gebäude betreten hatten. „Ich muss das zu Ende bringen.“ „Bleib in meiner Nähe“, knurrte Kreon leise. „Denk daran, was du mir versprochen hast, Carmen.“ Jaguin sah, wie Carmens Blick für einen Moment weicher wurde, als sie sich umdrehte und Kreon ansah. „Das werde ich. Versprochen“, flüsterte sie. „Beim ersten Anzeichen von Gefahr bringst du sie hier raus“, murmelte Kreon ihm zu, bevor er sich wieder zur Tür umwandte. „Öffne sie“, wies er seinen Symbionten mit einer Handbewegung an. Blitzschnell schoss sein goldener Begleiter nach vorne und durchbrach die massiven Doppeltüren am Ende des Korridors. Der Körper des Symbionten veränderte sich und bildete lange Tentakel, die sich sofort um die Männer im Raum legten. Jaguin trat einen Schritt vor, um Carmen abzuschirmen, während Gunner hinter sie trat. Das Erste, was Jaguin auffiel, als sie eintraten, war der intensive Blutgeruch. Sein Symbiont stürmte an ihm vorbei, und ein scharfer Schmerz durchzuckte ihn. Betäubt von der Intensität des Schmerzes stolperte er einen Schritt, bevor er die Fassung wiedererlangte. Sein Blick schweifte durch den Raum, bis er auf die Gestalt fiel, die schlaff an einem grob gezimmerten Gestell hing. Er erstarrte vor Entsetzen. Der Körper der schlanken Menschenfrau war blutverschmiert. Ihr Kopf hing nach vorne, sodass der lange, dichte Zopf aus blondem Haar ihr Gesicht teilweise verdeckte. Ihre Arme waren in einem unangenehmen Winkel ausgestreckt und stützten ihren Körper, was die Qualen noch schlimmer machte. Eine überwältigende Wut packte ihn, gefolgt von einer intensiven, unerwarteten Welle der Traurigkeit. Er hielt einen Moment lang inne. Die Wut konnte er verstehen … aber die Traurigkeit? Er holte zittrig Luft, als sein Symbiont sich zu ihm umdrehte. Er konnte sein Flehen um Hilfe spüren. Auch sein Drache wollte unbedingt zu der Frau. In diesem Moment verstand er die heftige Reaktion der beiden. Er hatte endlich das gefunden, wonach er Jahrhunderte lang gesucht hatte. Unsere Gefährtin!, brüllte sein Drache voller Kummer.
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