Kapitel 1

1833 Words
1 „Ma’am, ich bin Detective McCade. Ich benötige Ihren Führerschein und die Fahrzeugpapiere.“ Detective McCade? Besser wäre Detective McHottie. Ja, das war nicht sein Name, aber er passte, genauso wie seine Jeans und schwarzes T-Shirt. Er war groß, so groß, dass ich von meinem Standpunkt aus nur einen sehr spezifischen Bereich seines Körpers sehen konnte – einen sehr hübschen Bereich abgetragener Jeans, die sich an all die richtigen Stellen schmiegten. Zu diesem Zeitpunkt meines Lebens sollte ich keine Hitzewallungen bekommen, aber jap, dieser Kerl löste so einiges bei mir aus. Ich leckte über meine Lippen. Er musste sich an der Taille nach vorne beugen, um durch das geöffnete Fenster zu mir schauen zu können. Ein Unterarm ruhte dabei auf meinem Autodach. Seine Haare waren kurz, aber ich konnte sehen, dass sie sich locken würden, wenn sie ein bisschen länger wären. Sein Kiefer war markant und glattrasiert, seine Nase leicht gekrümmt, was bedeuten könnte, dass in dem strengen Gesetzeshüter auch ein kleiner Kämpfer steckte. Seine Augen wurden von einer verspiegelten Sonnenbrille geschützt, weshalb ich mir erträumte, dass er blaue Augen hätte. Ein bisschen Schwarzer Ire zu seinem schottischen Namen. Eine Dienstpistole hing an seinem Gürtel zusammen mit einer Dienstmarke, was die ganze enge Jeans Geschichte sogar noch schärfer machte. Er sah so ziemlich wie eine GI Joe Actionfigur aus, ohne die Militärklamotten. „Hey, Sie sind Silky Tangles.“ Er grinste und leckte sich über die Lippen. Ich runzelte die Stirn. „Wie bitte?“ „Silky Tangles, die ähm…Schauspielerin.“ Ich reichte ihm meinen Führerschein. „Ja, ähm…nein. Hier ist keine Silky Tangles, außer Sie beziehen sich auf meine Haare, die sich manchmal ‘tanglen‘, verknoten, wegen den Locken und allem. Seidig? Ich schätze das ist ein Kompliment, oder?“ Er schaute auf meinen Führerschein. „Daphne Lane“, las er. „Nicht gerade einprägsam. Ich schätze, Sie brauchen einen besseren Namen für Ihre Art von Arbeit.“ „Hey!“ Ich war leicht beleidigt, aber ich war zu verwirrt, um zu wissen, was ich darauf erwidern sollte. Wer zum Geier war Silky Tangles? „Sagen Sie mal, woher soll ich wissen, dass Sie ein echter Polizist sind? Sie verhalten sich nicht gerade wie einer mit dem verknoteten Haarkommentar und allem.“ Er hatte ein Polizeilicht auf das Dach seines SUV gesteckt, es war kein Polizeiwagen. Ich war jedoch gesetzestreu genug, um zu wissen, wann ich an den Straßenrand fahren musste. Vielleicht nicht gesetzestreu genug, um mich ans Tempolimit zu halten, aber manchmal musste ein Mädel einfach tun, was nötig war. Und ich musste meinen Flug erwischen. „Ma’am?“, fragte er, seine Augenbrauen hoben sich über seine Sonnenbrille. „Ich habe auf Dateline gesehen, dass Frauen von einem Mann, der vorgibt Polizist zu sein, genommen und in kleine Stücke zerhackt werden.“ Ich hätte nichts dagegen, von McHottie genommen zu werden, solange wir den Teil mit dem Zerstückeln übersprangen. „Ma’am, es ist zehn Uhr an einem Dienstag in Montana. Nicht vier Uhr morgens im Stadtzentrum Detroits. Ich habe Sie an den Straßenrand gewinkt, weil Sie in einer fünfundvierziger Zone neunzig gefahren sind.“ Er hatte recht. Ich war zu schnell gefahren. Ich beugte mich über die Mittelkonsole, um mich für die Fahrzeugpapiere zum Handschuhfach zu beugen. „Sehen Sie, Officer – “ „Detective“, berichtigte er. „Detective“, wiederholte ich und blies mir die Haare aus den Augen. „Ich versuche, einen Flug zu erwischen. Ich habe noch eine Stunde, bis das Flugzeug abhebt.“ Ich wandte mich ihm wieder zu, streckte ihm das Papier entgegen, damit er es nehmen konnte. Er hob sein Kinn einige Zentimeter. Hatte er meinen Arsch abgecheckt? „Wohin soll’s denn gehen?“ Sein T-Shirt bot mir eine hübsche Aussicht auf gebräunte Unterarme mit sehnigen Muskeln und schwarzen Haaren. Kein Ehering. Eine dreißigjährige Frau bemerkte solche Dinge, selbst wenn der Mann sie von ihrem nächsten Job abhielt. Es war ja nicht so, als hätte ich vor, noch länger hierzubleiben und seine Babys zu bekommen. Männer waren im Moment der Antichrist, sogar Heiße, aber das bedeutete nicht, dass ich mir keinen Moment zum Gaffen gönnte. „Thailand.“ Er schüttelte den Kopf, während er mein Foto auf dem Führerschein betrachtete, dann mich. Es war nicht das beste Foto – wessen war das schon? Ich hatte einen inspirierenden Moment gehabt und mir den Pony geschnitten. Aber das Foto auf dem Führerschein bestätigte nur, dass ich mich ernsthaft geirrt hatte. Meine braunen Haare waren zu lockig für einen Pony und ich konnte mir nur ausmalen, was McHottie dachte. „Sehen Sie, Miss Lane, ich habe schon eine Menge Ausreden für zu schnelles Fahren gehört, aber Thailand? Konnten Sie sich nichts Besseres als das einfallen lassen? Außerdem dachte ich, dass Filme wie Ihre jetzt im Valley gedreht werden.“ „Im Valley? Gallatin Valley?“ Bozeman lag auf einer offenen Fläche zwischen drei Bergketten, auch bekannt als das Gallatin Valley. Wovon redete er? Ich kniff die Augen zusammen. Er zweifelte an meiner Geschichte? „Oh. Sie glauben nicht, dass ich nach Thailand gehe? Was hätte ich stattdessen sagen sollen?“ „Wehen sind ein beliebter Grund.“ Sein Blick wanderte während dieser Erklärung über meinen Körper. „Ja, die Ausrede würde bei Ihnen nicht funktionieren. Sie müssen ihren Körper in Topform halten.“ Er wackelte mit den Augenbrauen und grinste doch tatsächlich. Natürlich hatte er ein Grübchen. Ich wusste nicht, ob ich mich geschmeichelt, verärgert oder angewidert fühlen sollte. „Ich habe keine Zeit für das hier“, sagte ich kühl. Ich konnte spüren, wie Ärger in mir aufwallte. Geduld war noch nie meine Stärke gewesen, vielleicht war sie geschrumpft, weil ich mein ganzes Leben lang mit Tante Velma zu tun gehabt hatte. Man könnte meinen, man würde wegen ihrer Macken geduldiger werden, aber nein. Definitiv nicht. Ich hatte absolut keine Geduld. Deswegen war ich auch Reisejournalistin und musste auf niemanden warten. Außer auf einen Officer, nein, Detective McHottie, dass er mir meinen Strafzettel aushändigte, damit ich sogar noch schneller fahren könnte, um noch rechtzeitig zum Flughafen zu kommen. „Ich gehe wirklich nach Thailand. Wenn ich allerdings meinen Flug verpasse, werde ich es nicht mal bis Salt Lake schaffen und dann werde ich das Ubon Ratchathani Kerzenfest verpassen. Können Sie mir bitte meinen Strafzettel geben, damit ich weiterfahren kann?“ „Warten Sie hier.“ Er richtete sich auf und schaute in meinen Seitenspiegel. Ich beobachtete, wie er zu seinem Auto zurückging. Ja, die Hose passte ihm wirklich gut. Ich trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad, die Ungeduld nahm sekündlich zu. Ich war nur wegen Tante Velmas Geburtstag nach Bozeman zurückgekehrt, da ich zwischen meinen Aufträgen eine Woche frei gehabt hatte. Montana lag nicht auf dem Weg, egal wohin man wollte. Daher waren die Flugoptionen nach Thailand begrenzt. Tatsächlich musste ich nach Salt Lake City fliegen, dann Chicago, dann Narita in Japan, um von dort einen Anschlussflug nach Bangkok zu nehmen. Es würde länger als vierundzwanzig Stunden dauern, um dorthin zu kommen und einen Flug zu verpassen, bedeutete, alle zu verpassen. Und ich würde meinen Auftrag verlieren. Wenn ich die Story verlor, wurde ich nicht bezahlt. Ich arbeitete als Freelancerin, was bedeutete, dass ich keine Garantie für einen nächsten Job hatte. Da sich Roger als Drecksack entpuppt hatte, der beschlossen hatte, mit einer anderen in die Kiste zu hüpfen, einer, die Shalimar Parfüm und rote fick-mich-Absätze mochte, brauchte ich Geld, um mir eine neue Bleibe zu suchen. Zumindest einen Platz, wo ich pennen konnte. Reisejournalismus ließ es nicht zu, dass man Häuschenbauer spielte. Ich schaute auf die Uhr im Armaturenbrett. Spielte an dem Radio herum. Förderte zwischen dem Sitz und der Mittelkonsole zwölf Cents zu tage. Fünf, zehn Minuten und der Mann saß einfach nur in seinem Auto. Er schaute nach unten, aber er hätte alles Mögliche tun können, vom Ausstellen meines Strafzettels bis hin zum Spielen einer Runde Solitär auf seinem Handy. Mach schon! Als mir nur noch zwanzig Minuten blieben, um den Flug zu erwischen, bevor mein Platz vergeben werden würde, hatte ich die Nase voll. Ich kletterte aus meinem alten VW Rabbit, um dem Mann zu sagen, er solle in die Pötte kommen. Als ich mich näherte, blickte er von seinem Platz auf, öffnete seine Autotür und stieg aus. Er war größer als eins achtzig und musste zum Frühstück brav sein Müsli gegessen haben, dass er jetzt so aussah. „Ich bin mir nicht ganz sicher, was Sie dort drinnen treiben, aber es kann doch nicht so lange dauern, einen Strafzettel zu schreiben.“ Ich schüttelte enttäuscht den Kopf. Meine Freundin Violet war Erstklasslehrerin und ich hatte diese Geste schon mal bei ihr gesehen. Sie funktionierte gleichermaßen bei Sechsjährigen und Erwachsenen. Nicht bei diesem Kerl. Ich konnte an seiner Haltung und daran, dass er eine Hand auf die Pistole an seiner Hüfte gelegt hatte, während er ein merkwürdiges schwarzes Teil in der anderen Hand hielt, erkennen, dass ich vielleicht das Falsche getan hatte. „Ma’am, Sie müssen zurück in ihr Auto gehen.“ Ich hielt meine Hände in der ‘nicht schießen‘ Geste hoch. „Geben Sie mir einfach meinen Strafzettel und ich gehe.“ „Ma’am, Sie müssen jetzt zurück zu Ihrem Auto gehen oder ich werde Ihnen Handschellen anlegen. Von ihrem dritten Film, Gefesselt und Eingekesselt, wissen Sie ja, wie das ist.“ Meine Hände fielen nach unten, genauso wie meine Kinnlade. „Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“ Gefesselt und Eingekesselt? Das klang wie ein Porno. Was stimmte nicht mit diesem Kerl? „Sie werden mir Handschellen anlegen? Wenn Sie nicht so lang gebraucht hätten, würde ich jetzt nicht hier stehen. Ich muss diesen Flug erwischen. Es ist ja nicht so, als hätte ich versucht, mich aus der Sache rauszureden. Ich habe sogar nach dem Strafzettel verlangt.“ Ich konnte sehen, dass sich eine Augenbraue hob. „Thailand? Ernsthaft? Sie sind wie für einen Yogakurs gekleidet und lassen Sie mich sagen, all das Dehnen zahlt sich auf dem Bildschirm wirklich aus.“ Er hatte womöglich gezwinkert, aber die Sonnenbrille versteckte das gut. Ich denke, dass das der Moment war, in dem mein Kopf explodierte, denn seine Augen weiteten sich – das konnte ich sogar durch die verspiegelte Brille sehen – und er trat einen halben Schritt zurück. Seine Hand schloss sich um den Griff der Pistole. „Wissen Sie, wie es ist, hierher zurückzukommen? Haben Sie irgendeine Ahnung, was ich diese Woche durchgemacht habe? Was passieren wird, wenn ich diesen Flug verpasse? Und Sie stehen hier und diskutieren meine Flexibilität?“ „Ma’am, Sie müssen sich umdrehen und Ihre Hände auf Ihr Autodach legen.“ Er trat näher. Ich trat zurück. „Ein Polizeiwagen wird in wenigen Minuten hier sein, um Ihnen den Strafzettel zu überreichen.“ „In wenigen Minuten?“ Ich begann mit den Armen herumzufuchteln, während ich sprach. „Nein. Ich werde nach Thailand gehen. Ich muss nach Thailand gehen. Ich kann nicht noch eine Nacht Fahrer für einen Haufen Senioren spielen. Ich kann nicht nochmal beim Bowling einspringen, nur damit Frank Zajik mir in den Arsch kneifen kann. Und wenn ich noch einen Abend damit verbringen muss, einem grenzdebilen, altersschwachen Paar dabei zuzuhören, wie sie das Bett zum Wackeln bringen, während mein Sexleben der Sahara Wüste gleicht, werde ich etwas Verrücktes tun müssen. Geben Sie mir meinen dämlichen Strafzettel.“ Ich hatte vielleicht gesehen, wie seine Lippen amüsiert zuckten, es hätte aber auch nur ein nervöses Zucken sein können. „Sahara Wüste? Ja, klar. Ich dachte, Sie hätten Thailand gesagt. Ma’am, haben Sie getrunken?“ Ich kreischte so laut, dass die Vögel in den Feldern neben der Straße aufflogen. Das Letzte, an das ich mich bezüglich Detective McHottie erinnerte, bevor die Welt schwarz wurde, war, dass er eine kleine Narbe in seiner linken Augenbraue hatte.
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