EINLEITUNG

1369 Words
EINLEITUNG Es war fast unmöglich für Cindy Jenkins, die Frühjahrsparty ihrer Schwesternschaft im Atrium zu verlassen. Der gigantische Penthouse-Raum war mit Strobe-Lichtern, zwei vollen Bars und einer stellaren Kristallkugel ausgestattet. Sie funkelte auf der mit Partygängern vollgepackten Tanzfläche. Sie hatte die ganze Nacht lang niemandem getanzt. Tanzpartner kamen und gingen, Cindy schwang ihr kastanienbraunes Haar und strahlte mit ihrem perfekten Lächeln und himmelblauen Augen jeden Tanzpartner an, der vorbeikam. Das war ihre Nacht, eine Feier nicht nur für die Schwesternschaft Kappa Kappa Gamma, aber für die vielen, harten Jahre, in denen sie dafür gearbeitet hatte, die Beste zu sein. Sie wusste, dass eine sichere Zukunft auf sie wartete. In den letzten zwei Jahren war sie Praktikantin in einer großen Buchhaltungsfirma in der Stadt; kürzlich wurde ihr eine Stelle als Junior-Buchhalterin angeboten. Das Einstiegsgehalt reicht für einen neue, elegante Garderobe und die Miete für eine Wohnung in Arbeitsnähe. Ihre Noten? Klassenbeste. Sicher, sie könnte bis zum Abschluss eine ruhige Kugel schieben, aber Cindy wusste nicht, was „entspannen“ heißt. Sie gab alles, jeden Tag, egal, was sie tat. Sie war ein Arbeits- und Partytier und heute Abend wollte sie feiern. Noch ein Glas des hochalkoholischen "Dreamy Blue Slush", noch ein Applaus von Kappa Kappa Gamma und noch ein Tanz. Cindys Lächeln wich nicht mehr von ihrem Gesicht. In den Stroboskop-Lichtern bewegte sie sich in Zeitlupe. Ihr Haar flog zurück und sie zog ihre kecke Nase bei einem Jungen hoch, von dem sie seit zwei Jahren wusste, dass er sie küssen wollte. Warum auch nicht, dachte sie sich. Nur ein Bussi; Nichts Ernstes; Nichts, das ihre aktuelle Beziehung verletzen könnte, bloß genug, damit jeder auf der Party weiß, dass sie nicht immer nur eine brave Streberin war, die sich an Regeln hält. Ihre Freunde sahen und feuerten sie an. Cindy wandte sich von dem Jungen ab. Der Tanz, Alkohol und die Hitze hatten endlich ihre Wirkung erreicht. Sie schwankte leicht, lächelte noch und hielt sich am Hals des Jungen, damit sie nicht hinfällt. "Kommst du mit mir nach Hause?", flüsterte er. "Ich habe einen Freund." "Wo ist er?" Stimmt, dachte Cindy. Wo ist Winston? Er hasste Parties der Schwesternschaft. Er sagt immer, es wäre nur ein Haufen verklemmter Mädchen, die sich betrinken und ihre Freunde betrügen. Nun, dachte sie, dann kann ich ihm endlich zustimmen! Einen anderen Jungen zu küssen, obwohl sie bereits vergeben ist, war vermutlich das Gewagteste, das sie jemals getan hat. Du bist betrunken, erinnerte sie sich. Geh jetzt. "Ich muss gehen", murmelte sie. "Noch ein Tanz?" "Nein", antwortete sie, "ich muss wirklich gehen." Der Junge akzeptierte nur widerwillig. Er starrte liebevoll auf die beliebte Harvard Absolventin, er ging zurück in die Menge und winkte auf Wiedersehen. Cindy schob eine verschwitzte Haarsträhne hinter ihr Ohr und verließ die Tanzfläche, die Augen gesenkt, ihr Gesicht strahlte vor Glück. Ihr Lieblingslied kam, sie wirbelte herum und schwankte bis zum Rand der Menge. "Nein!", stöhnten ihre Freunde, als sie sahen, dass sie gehen wollte. "Wo gehst du hin?", fragte einer. "Nach Hause", beharrte sie. Ihre beste Freundin, Rachel, drängte sich durch die Gruppe und packte Cindys Hände. Eine kleine, stämmige Brünette, weder die Schönste, geschweige denn die Klügste in der Gruppe, aber ihr aggressiv sexuelles Wesen zog alle Aufmerksamkeit auf sich. Sie trug ein enges silbernes Kleid, das zu platzen schien, jedes Mal, wenn sie sich bewegte. "Du darfst nicht gehen!“, befahl sie. "Ich bin wirklich blau", flehte Cindy. "Wir haben nicht einmal unseren Aprilstreich gespielt! Das ist das Highlight unserer Party! Bitte, bleib doch einfach noch ein bisschen länger?" Cindy dachte an ihren Freund. Sie waren seit zwei Jahren zusammen. An diesem Abend sollten sie noch ein spätes Rendezvous in ihrer Wohnung haben. Innerlich stöhnte sie wegen dem für sie untypischen Kuss auf der Tanzfläche. Wie soll ich das nur erklären, fragte sie sich. "Ernsthaft", sagte sie, "ich muss gehen" und auf Rachels unverschämt erotische Art anspielend, blickte sie auf den Jungen, den sie küsste und fügte humorvoll hinzu: "Wenn ich bleibe? Wer weiß, was passieren könnte?" Ihre Freunde jubelten. "Sie ist außer Kontrolle!" Cindy küsste Rachel auf die Wange und flüsterte: "Habt einen tollen Abend. Wir sehen uns morgen", und ging zur Tür. Draußen atmete Cindy in der kühlen Frühlingsluft tief ein. Sie wischte sich den Schweiß vom Gesicht und hüpfte in ihrem kurzen gelben Sommerkleid die Church Street entlang. Dieser Häuserblock in der Innenstadt bestand vorwiegend aus niedrigen Backsteingebäuden und einigen prächtigen Häusern, die zwischen den Bäumen liegen. Sie bog links auf die Brattle Street, überquerte diese und ging nach Südwesten. Straßenlaternen beleuchteten viele Ecken, aber ein Abschnitt der Brattle Street lag in Dunkelheit. Anstatt sich Sorgen zu machen, ging Cindy schneller und breitete ihre Arme aus, als könnten die Schatten ihren Körper von Alkohol und Erschöpfung reinigen und sie für das Treffen mit Winston beleben. Auf der linken Seite kam eine schmale Gasse. Ihr Instinkt mahnte sie, vorsichtig zu sein, es war schließlich sehr spät. Sie hatte nicht den heruntergekommenen Teil von Boston vergessen, doch sie war auch zu aufgedreht, um ernsthaft zu glauben, dass ihrer Zukunft irgendetwas im Wege stehen könnte. Aus dem Augenwinkel heraus nahm sie eine Bewegung war und zu spät drehte sie sich um. Sie spürte plötzlich einen scharfen Schmerz in ihrem Nacken, er nahm ihr die Luft zum Atmen, sie blickte hinter sich und sah etwas im Licht schimmern. Eine Nadel. Ihr Herz sackte in sich zusammen und ihr Rausch war auf der Stelle verflogen. Im selben Augenblick spürte sie, wie jemand gegen ihren Rücken drückte, ein schlanker Arm hielt den ihrem umfangen. Dieser Körper war kleiner als ihrer, aber stark. Mit einem Ruck wurde sie rückwärts in die Gasse gezogen. "Schhh." Jeder Gedanke, dass es ein Streich sein könnte, verschwand in dem Moment, als sie diese böse, starke Stimme hörte. Sie versuchte, um sich zu treten und zu schreien. Aus irgendeinem Grund ließ sie ihre Stimme im Stich, als ob etwas die Muskeln im Hals erschlaffen ließ. Auch ihre Beine begannen sich wie Wackelpudding anzufühlen und sie konnte ihre Füße kaum auf dem Boden halten. Tu doch etwas, flehte sie sich selbst an und wusste, sie würde sterben, falls sie nichts unternimmt. Der Arm hielt sie auf der rechten Seite umschlungen. Cindy befreite sich aus dem Griff und warf gleichzeitig ihren Kopf in den Nacken, um ihren Angreifer einen Kopfstoß zu verpassen. Die Rückseite ihres Schädels schlug gegen seine Nase und sie konnte diese fast knacken hören. Der Mann fluchte leise und ließ sie los. Lauf, drängte Cindy. Aber ihr Körper weigerte sich. Ihre Beine rutschten unter ihr weg und sie fiel hart auf den Zement. Cindy lag auf dem Rücken, die Beine gespreizt und die Arme angewinkelt, unfähig sich zu bewegen. Der Angreifer kniete sich neben sie. Sein Gesicht war teilweise von einer schlecht platzierten Perücke, einem falschen Schnurrbart und einer dicken Brillen verdeckt. Die Augen hinter den Gläsern ließen ihren Körper erschauern: kalt und hart. Seelenlos. "Ich liebe dich", sagte er. Cindy versuchte zu schreien; Man hörte nur ein Röcheln. Fast berührte der Mann ihr Gesicht; Dann stand er schnell auf, als ob er sich plötzlich erinnerte, dass es eine Umgebung gab. Cindy fühlte, wie sie von Händen gepackt und durch die Gasse gezogen wurde. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Bitte, flehte sie in Gedankten, hilf mir. Hilfe! Sie erinnerte sich an ihre Klassenkameraden, ihre Freunde, ihr Lachen auf der Party. Hilfe! Am Ende des Weges hob der kleine Mann sie hoch und umarmte sie fest. Ihr Kopf fiel auf seine Schulter. Er streichelte liebevoll ihre Haare. Er griff nach einer ihrer Hände und drehte sie herum, als wären sie Geliebte. "Es ist alles in Ordnung", sagte er laut, als würde er andere ansprechen. "Ich mache die Tür auf." Cindy entdeckte in weiter Ferne Menschen. Das Denken fiel schwer. Nichts bewegte sich; Der Versuch zu sprechen, scheiterte. Die Beifahrerseite eines blauen Minivans wurde geöffnet. Er setzte sie hinein und schloss vorsichtig die Tür, so dass ihr Kopf auf dem Fenster lag. Er stieg auf der Fahrerseite ein und streifte einen weichen, kissenartigen Sack über ihren Kopf. "Schlaf, mein Liebling", sagte er, als er den Zündschlüssel drehte. „Schlaf.“ Der Wagen zog davon und als Cindys Sinne sich verdunkelten, kam ihr ein letzter Gedanke an ihre Zukunft, ihre glänzende, unglaubliche Zukunft, die plötzlich und entsetzlich zerschmettert worden war.
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