Der Wecker klingelt und Toja will ihn einfach nur schlagen. Sie öffnet ihre Augen und blinzelt müde. Es wird Zeit aufzustehen. Sie steht von der klumpigen, alten Matratze auf, versucht das alte, schmuddelige Kissen etwas ordentlicher herzurichten und dann nimmt sie die löchrige Decke und zieht sie zurecht. Keine Falte soll zu sehen sein und keine lose Ecke.
Auch wenn sie nur in dieser Besenkammer wohnt, soll es immer ordentlich sein. Nun, die zieht eine Grimasse, nicht mal eine Besenkammer. Eigentlich eher eine Art Verschlag, der mit Brettern an die Hausecke angebaut ist. Früher wurde hier ein Rasenmäher und Gartengeräte aufbewahrt, aber seit sie das Haus verlassen sollte…..sie schüttelt den Kopf. Nicht daran erinnern.
Schnell geht sie an die Regentonne, wäscht sich das Gesicht und reibt sich mit einem nassen Lappen und den harten Seifenresten ab. Die Haare kämmt sie sich mit einem alten Kamm, der nicht mehr alle seine Zinken hat und deshalb weggeworfen wurde. Dann flechtet sie ihre Haare in einen strengen Zopf. Kein Haar sollte herausschauen und alles musste wirklich unbedingt in Ordnung sein. Sie atmet die frische Morgenluft ein und sieht wie sich der Horizont leicht rosa und grau verfärbt. Die Sonne geht bald auf. Zeit für das Training.
Gute zwei Stunden später ist sie wieder zu Hause. Sie lächelt traurig. Eigentlich ist es ein altes und zusammengefallenes Haus, in dem niemand außer ihr mehr wohnt. Sie hat durch Zufall eine Lücke im Zaun gefunden, vor ca. 4 Jahren als sie aus dem Waisenhaus weggerannt ist. Es war das Beste was sie je hatte tun können. Den Bretterverschlag hatte sie gefunden, als sie eine Straße entlanggelaufen war und ein Polizeiauto gesehen hatte, da war sie 12 gewesen. Natürlich wusste sie das die Polizei nach ihr suchen würde und so war sie um die Ecke gebogen und hatte die Lücke im Zaun gefunden. Hier hatte sie sich versteckt und endlich eingerichtet. Das Beste war gewesen, dass es so eine Art Müll Tag in dieser Stadt gab und so hatte sie eine wunderbare Matratze, eine Decke und so bekommen. Sogar die alte Regentonne hatte sie gefunden und diese mit einem Holzdeckel verschlossen. Mit Hilfe eines Abwasserrohres einer Baustelle hatte sie es schlossen und eine Art Trichter gebaut. So konnte sie das Wasser einfangen, aber das Wasser enthielt keine Mückenlarven.
Jetzt konnte sie auch wieder in die Schule gehen. Alle Formulare hatte sie selber ausgefüllt und einem Bettler etwas Geld gegeben, damit dieser sie am ersten Schultag in die Schule begleitete und so tat als wäre er ihr Vater. Dafür hatte sie ihm etwas Geld gegeben. Geld war nicht ihr Problem. Als ihre Familie bei einem Brand umgekommen war, hatte der Staat festgestellt, dass sie keinen Vormund hatte und das Waisenhaus dazu bestimmt auf sie zu achten. Nur die Betreiber eben jenes Hauses waren ein Alptraum gewesen. Dennoch gab es einen Brief ihrer Eltern und darin einen Anwalt, der allein ihre Interessen vertreten hat und auch noch vertritt. Das hatte sie dem Waisenhaus oder dem Staat nicht mitgeteilt. Alles war eher inoffiziell geregelt worden. Aber es war für sie gesorgt. Dennoch hatte sie natürlich einen Job gefunden. Da sie nicht wusste was die Zukunft für sie bereithalten würde, wollte sie eher vorsichtig mit ihrer Hinterlassenschaft umgehen. Sie brauchte die Erbschaft nicht anzufassen, wenn sie einen Job hatte. Da sie in diesem Haus wohnte, hatte sie wenigstens keine Miete zu zahlen. Ihre Nachforschungen hatten ergeben, dass dieses Haus und das Grundstück einer Person gehörten, die schon seit Jahren im Koma lag, aber testamentarisch verfügt hatte am Leben erhalten zu werden. Das erleichterte es Toja sehr hier unterzukommen. Das Geld aus ihren Hilfsjobs reicht für etwas Kleidung, Essen und Schulmaterial. Die Schule ist glücklicherweise umsonst und auch die Bibliothek ist etwas was ihr sehr zusagt. Sie lernt und trainiert jede freie Minute. Toja weiß, dass ihre Zukunft einiges an Obstakeln bereithält und sie bereitet sich darauf vor. Sie trainiert jeden Tag 2 Stunden in der Früh und wenn sie nachts die Zeitungen austrägt. Hier hat sie eine feste Strecke und sie joggt diese jeden Tag am Abend, wenn sie mit dem lernen fertig ist. Sie hat die besten Noten und seit ca. 2 Jahren hat sie es geschafft einen Weg in die Bücherei zu finden, wenn keiner mehr in der Schule ist. Dort sitzt sie und nutzt ein altes Laptop, um sich die verschiedenen Scills beizubringen. Sie wird sie brauchen.
Endlich schüttelt sie den Kopf und macht sich auf den Weg in die Schule. „Toja Hansen, bitte ins Sekretariat. Toja Hansen, bitte ins Sekretariat“
Schnell erreicht sie das Sekretariat, klopft an und betritt den Raum. Eine der Schulsekretärinnen blickt auf und kommt zum Holztresen. Sie lächelt. „Hallo Toja, bitte sei so nett und geh zum Rektor“
Toja blinzelt verwirrt und fragt: „Hab ich etwas angestellt?“ „Nein,“ lächelt die Sekretärin. „Wir haben einen neuen Schüler mit seinen Eltern hier und deshalb bittet der Rektor um Hilfe.“ Toja lächelt und greift in ihren Rucksack. Sie holt einen Beutel frisch gepflückter Äpfel heraus und gibt diese der Sekretärin. Dazu lächelt sie. „Die habe ich heute Morgen frisch gepflückt und ich weiß die Mögen sie besonders gern…“ Den Rest des Satzes lässt sie unvollständig. Die Sekretärin nimmt den Beutel mit den Äpfeln und meint „Das sollst du doch nicht…“ lächelt sie an und sieht zu wie Toja an der Tür zum Rektor anklopft. Ein dumpfes „Herein“ erklingt und sie öffnet die Tür und geht hinein. Der Raum ist relativ groß und enthält nicht nur ein Regal mit Büchern und einen großen Schreibtisch, sondern auch eine kleine Sitzecke. Toja sieht den Rektor an, und grüßt freundlich „Guten Morgen Direktor Norris. Sie wollten mich sprechen?“
Direktor Norris nickt und winkt Toja zu sich hinüber. Dann zeigt er auf die weiteren Personen in diesem Zimmer. „Das hier sind Herr und Frau Grayson. Sie werden hier in Deutschland für eine Weile bleiben…ein Jahr“ er unterbricht sich, sieht die beiden nicken und spricht weiter „Ihr Sohn soll die Schule während dieser Zeit besuchen und es wäre gut, wenn du ihn herumführen könntest. Auf diese Weise kann er die Schule besichtigen und wir die rechtlichen Dinge regeln.“