“Nein. Keine Kinder.”
“Stimmen Sie dem Match aus freien Stücken zu?”
Ich nickte. “Ja, tue ich. Wo muss ich unterschreiben?”
“Wir benötigen nur ihr mündliches Einverständnis, Violet, denn alles wird aufgezeichnet und archiviert. Vielen Dank.”
Dass sie meinen schlüpfrigen Traum aufzeichneten, sagte mir nicht besonders zu, aber die Aufseherin hatte mir versichert, dass ich nicht die einzige Frau war, die vollkommen aufgegeilt und irritiert aus dem Testtraum aufgewacht war. Ich war nur ein weiteres Gesicht für sie. Ein weiterer Test, ein weiterer Transport. Und bald würde ich auf Trion sein. Die Erde und dieses Testzentrum lägen dann sehr weit hinter mir.
“Toll.” Meine nackten Füße wippten auf dem harten Stuhl auf und ab, ich war plötzlich ganz euphorisch. Vielleicht war es der heiße Orgasmus aus meinem Traum, der mich so anspornte. Ich würde meine Schwester zurückbekommen und meinen neuen, rattenscharfen Alien-Partner treffen.
“Wunderbar. Das war die letzte erforderliche Frage.” Sie trat zurück und in der Wand tat sich ein Spalt mit einem hellblauen Licht auf. Der Spalt öffnete sich zu einer Art Kammer und der Stuhl bewegte sich seitwärts und genau darauf zu. Heilige Scheiße. Ich war unterwegs nach Trion. Jetzt. Sofort.
Ich schloss die Augen, bis ich genau hinterm Ohr einen Piekser spürte. Ich schrie kurz auf, aber Aufseherin Egara beruhigte mich umgehend. “Violet, das ist die neurale Prozessionseinheit, damit sie ihre Sprache verstehen. Kein Grund zur Sorge.”
Ich atmete tief aus und entspannte die Schultern. Das hier war echt. Ich war unterwegs zu Mindy. “Schicken sie mich einfach nach Trion und alles ist bestens.”
Sie blickte verwundert. “Trion?”
Ich wollte meine Handgelenke reiben, obwohl sie nicht weh taten. Ich wollte herumfuchteln, mir das Haar hinters Ohr klemmen, auf dem harten Pseudo-Zahnarztstuhl hin und her rutschen. Dieser Stich hinters Ohr war im Vergleich zu einer Novokain-Spritze ein Klacks. Bisher war es hier sehr viel angenehmer als beim Zahnarzt. Nichts als Träume mit sexy Männern. “Ja, Trion. Dort, wo ich hingesendet werde.”
Die Aufseherin musste blinzeln, dann neigte sie den Kopf zur Seite. “Warum glauben sie, dass sie Trion zugeteilt wurden?”
“Meine Schwester ist dort, also werde ich auch dorthin geschickt.” Ich war felsenfest überzeugt davon. Wir waren Zwillinge. Identisch. Wo die eine hinging, würde die andere folgen. Immer.
“Wie schön für ihre Schwester,” sagte die Aufseherin unparteiisch, als ob sie diese geschmacklosen Worte schon zu anderen Geschwistern gesprochen hatte. “Aber Trion ist nicht ihr Match.”
Meine Kinnlade klappte runter und ich starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. “Natürlich ist es das. Ich gehe nach Trion.”
Sie begann, langsam den Kopf zu schütteln. “Nein, Miss Nichols. Sie wurden mit Viken gematcht. Zu siebenundneunzig Prozent, was ziemlich außergewöhnlich ist, wenn man berücksichtigt, dass sie drei Kriegern zugeordnet wurden.”
Heilige Scheiße. Drei? Hatte sie eben drei Krieger gesagt?
Nein. Unmöglich. Sicher, der Traum war ziemlich geil gewesen. Rattenscharf. Unglaublich. Aber es war nicht das, was ich brauchte. Ich musste nach Trion gehen. Jetzt war ich diejenige, die verwundert dreinblickte.
“Viken? Wo zur Hölle ist Viken? Von diesem Planeten habe ich noch nie gehört.” Ich fing an, an den Handfesseln zu zerren und war plötzlich mehr als gewillt von diesem verfluchten Stuhl herunterzukommen, bevor Aufseherin Egara einen magischen Knopf drückte und mich auf den falschen Scheiß-Planeten sendete. Auf gar keinen Fall würde ich nach Viken gehen. Mindy war auf Trion. Trion!
“Viken ist ein kleiner Planet und bekannt für seine—”
Ich funkelte sie an. “Viken ist mir scheißegal.” Ich zerrte noch fester und fluchte, als die Fesseln mir ins Fleisch schnitten. Ich schwang meine Beine zur Seite, strampelte herum und versuchte verzweifelt aufzustehen. “Nein. Ich will nicht nach Viken.”
“Warum nicht? Der tiefenpsychologische Test hat ergeben, dass das ihr bestes Match ist.”
Ich stellte die Hände zu einer Stoppgeste auf, obwohl meine Handgelenke fixiert waren. “Auf keinen Fall. Ich weigere mich.”
“Das Match ist bereits gemacht worden,” entgegnete sie. “Sie haben das Match akzeptiert, mündlich und für die Aufzeichnungen. Mir sind leider die Hände gebunden.”
Oh ja, genau wie meine. Erneut zerrte ich an den Fesseln.
“Laut Protokoll muss ich sie an den Ort schicken, wo die Wahrscheinlichkeit für ein erfolgreiches Match am größten ist, und das ist Viken.”
Ich schüttelte den Kopf. Das hier war falsch. So falsch. Aber sie suchten händeringend nach Bräuten, oder? Das Bräute-Programm machte überall Werbung. Im Fernsehen. Online. Auf Bussen. Sie mussten verzweifelt sein, oder? Also würden sie mich dorthin senden, wo ich auch hinwollte. Das mussten sie. “Nein. Ich bedaure, Aufseherin. Wenn ich nicht nach Trion kann, dann gehe ich wieder nach Hause.”
“Miss Nichols, das ist leider eine Premiere.” Ihre Augen blickten nicht länger traurig, schlimmer, jetzt waren sie voller Mitleid. “Violet, sie verspielen gerade ihre Chance auf wahres Glück. Ich kann sie nicht nach Trion schicken. Die Verpartnerungsprotokolle sind sehr spezifisch. Da sie bereits zugeordnet worden sind, kann ich nichts mehr daran ändern. Ich kann sie nicht einfach auf einen anderen Planeten schicken. Sie werden dort unglücklich sein.”
Ich kniff die Augen zusammen. “Aufseherin Egara, ich werde nicht nach Viken gehen.” Ich schloss den Mund, knirschte mit den Zähnen und spuckte es aus, “Entweder ich gehe nach Trion, zu meiner Schwester, oder nirgendwo hin.”
“Aber—”
“Lassen sie mich bitte hier raus. Ich gehe wieder nach Hause.”
Die Aufseherin starrte mich eine ganze Minute lang an, offensichtlich überlegte sie, was sie mit mir tun sollte. Kam es denn niemals vor, dass Frauen ihr Match ablehnten? Ich hätte angenommen, dass sie ständig ‘Nein’ sagten. Es war doch ganz nachvollziehbar in diesem Moment kalte Füße zu bekommen, oder?
Oder war ich hier die Dumme? Die Chance auf wahres Glück einfach ausschlagen? Nein. Ohne meine Schwester gab es für mich kein Glück. Sie war meine andere Hälfte. Ich brauchte keinen Mann—oder drei. Ich musste wissen, dass sie in Sicherheit war. Glücklich. Ohne diese Gewissheit könnte ich niemals glücklich werden. Ich schwöre, mich um sie zu kümmern musste wohl in meine DNA eingebrannt sein.
“Wenn sie mich nicht gleich von diesem Stuhl lassen, dann werde ich schreien.”
Sie kam auf mich zu und blickte mir in die Augen. “Violet, sie machen einen Fehler.”
“Nein, tue ich nicht. Ich kann nicht nach Viken gehen.”
Ihr Seufzen war so eindringlich, dass es mir fast in die Knochen fuhr und es fuhr mir definitiv ins Gemüt. “Na schön.”
Der Stuhl glitt zurück in den Untersuchungsraum, die komische Wandtür verschloss sich wieder und das blaue Licht erlosch. Dann sprangen wie von Zauberhand die Handfesseln auf, sie verschwanden in den Armlehnen und ich sprang so überstürzt vom Stuhl, dass ich sie dabei fast umrempelte. Ich rieb den wunden Punkt hinter meinem Ohr, der jetzt mit einem seltsamen, schmerzenden Knubbel versehen war. Es war kein Fehler. Ich würde nur einen anderen Weg finden müssen, um nach Trion zu gelangen.
Es musste einen anderen Weg geben.