Kapitel 6

2211 Words
Kapitel 6 Dritte Person Drei Jahre später "AHHHH!!!" Kalea fuhr schreiend aus ihrem Schlaf hoch. "Kalea!?" rief ihre Mutter, als sie in Kaleas Zimmer stürzte. "Göttin, nicht schon wieder!" Sie hielt Kalea fest, während ihr Vater hereinkam. "MACHT, DASS ES AUFHÖRT!! MACHT, DASS ES AUFHÖRT!!" schrie Kalea vor Schmerz. Es waren drei Jahre vergangen, seit Josh sie abgelehnt hatte, und in diesen drei Jahren hatte er drei- bis viermal pro Woche Geschlechtsverkehr. Immer wieder wachte Kalea mitten in der Nacht auf oder brach tagsüber zusammen, weil Josh sich nicht beherrschen konnte. Nach der Nacht der Ablehnung hinderte Joshs Alpha-Befehl Kalea daran, irgendjemandem davon zu erzählen, egal wie sehr sie es wollte. Sie konnte niemandem sagen, dass Josh derjenige war, der sie abgelehnt hatte und der Grund für all ihre Schmerzen war. Daher fühlte sich Kalea völlig hilflos. Niemand konnte herausfinden, warum die Gefährtenbindung zwischen Kalea und Josh nicht vollständig gelöst worden war. Dadurch litt Kalea mehrmals in der Woche. Es war nicht immer vollständiger Geschlechtsverkehr. Jede kleine intime Geste, die Josh machte – sei es ein Kuss oder Händchenhalten mit einer anderen Person – löste bei Kalea kleine stechende Schmerzen und brennende Stiche im ganzen Körper aus. Doch in Nächten wie dieser brauchte Kalea eine Sedierung, um die Nacht zu überstehen. "Schatz, halte sie fest," sagte Kaleas Vater, während er die Spritze mit dem Beruhigungsmittel vorbereitete, das Kalea bewusstlos machen würde. Ihre Eltern hassten es, sie zu sedieren, aber es war die einzige Möglichkeit. Anfangs war Kalea stur und weigerte sich, die Spritze zu akzeptieren, da sie dachte, sie könne den Schmerz aushalten. Doch eines Nachts wurde es so schlimm, dass es sie beinahe umgebracht hätte. Kalea hatte Krämpfe, hustete Blut und musste für fünf Tage intubiert werden. Josh war in jener Nacht besonders beschäftigt gewesen, und die Dauer seiner Eskapaden bestimmte, wie lange Kalea leiden musste. Je länger er weitermachte, desto mehr musste sie ertragen. Seit dieser schicksalhaften Nacht mied Kalea das Rudelhaus und versuchte, den Rudelmitgliedern aus dem Weg zu gehen. Hailey hatte sie vor dem Rest des Rudels als wolflos entlarvt, was zu weiterem Spott führte und Kalea zur Lachnummer des gesamten Rudels machte. Im Laufe der Zeit begannen immer mehr Rudelmitglieder, Kalea zu ignorieren und sie zu isolieren. Einige taten sogar so, als ob sie nicht existierte. Kalea wusste nicht, was schlimmer war: gequält und gemobbt zu werden oder unsichtbar zu sein. Als die Sedierung wirkte, beruhigte sich Kaleas Atmung. Stück für Stück fiel sie in einen friedlichen Schlaf. Kalea konnte nicht verstehen, warum Joshs Alpha-Befehl es ihr unmöglich machte, ihren Eltern zu sagen, wer der Verursacher ihrer Qualen war. Kalea hatte keinen Wolf, und dennoch konnte Josh sie befehligen. Während sie in den Schlaf glitt, betete sie zur Mondgöttin, den Schmerz zu lindern – selbst wenn das bedeuten würde, dass sie sterben müsste. Ihr Tod wäre die Befreiung von Schmerz, Einsamkeit, Verrat und Herzschmerz. Als Kalea am nächsten Morgen aufwachte, waren die Drogen des Vorabends vollständig abgeklungen. Sie fühlte sich erschöpft und hatte einen schrecklichen trockenen Mund. Niemand im Rudel wusste, was mit Kalea los war. Die einzigen, die Bescheid wussten, waren ihre Eltern, der Rudelarzt und Mr. Scout. Kalea fand es merkwürdig, dass ihr ehemaliger Lehrer von Joshs Untreue wusste und jedes Mal, wenn sie darunter litt, schien er ihren Schmerz zu spüren, als ob er selbst davon betroffen wäre. Kalea und Mr. Scout hatten ein stillschweigendes Verständnis – er sprach nie darüber, was er wusste, und sie stellte keine Fragen. Oft fragte sie sich, was er wohl wusste, aber sie wagte es nicht, einen schlafenden Bären zu wecken – oder in diesem Fall einen Einzelgänger mit unbekannter Vergangenheit. Nachdem sie geduscht und den Rest der Müdigkeit des Vorabends abgeschüttelt hatte, ging Kalea die Treppe hinunter und fand ihre Eltern in einem stillen Gespräch, das abrupt endete, als sie ihren Eintritt bemerkten. Dies geschah immer häufiger, und Kalea wusste, dass sie versuchten herauszufinden, wer ihr Mate war. "Kalea, Schatz, wie fühlst du dich heute Morgen?" fragte ihre Mutter, offensichtlich in der Hoffnung, sie davon abzulenken, ihre Gespräche wieder auf sie zu beziehen. "So gut, wie es zu erwarten war," antwortete Kalea. "Schatz..." "Ich werde es dir nicht sagen, Dad. Wir haben dieses Gespräch schon tausendmal geführt. Ich kann es dir nicht sagen," unterbrach Kalea ihren Vater. Sie seufzte frustriert und schüttelte den Kopf. Ihre Eltern ließen es nicht los – wie konnten sie auch? Wenn es ihrem Kind so erginge, würde Kalea Himmel und Erde in Bewegung setzen, um herauszufinden, wer ihrem Kind wehtat. Sie konnte nur erahnen, welchen Schmerz ihre Eltern durchlebten, als sie sie die letzten drei Jahre in solch einer Qual sahen. Kalea beschloss, das Frühstück auszulassen und das Haus zu verlassen. Sie hatte auch das Abendessen am Abend zuvor verpasst, was untypisch für sie war. Sie versuchte, hinauszugehen, um den Rudelmitgliedern zu entkommen. Das Einzige Gute an ihrem Haus war, dass es sich am äußersten Rand des Territoriums befand, wohin selten jemand kam. Sie ging durch das dichte Gebüsch und die Tumbleweeds hinter ihrem Haus und erreichte die Hügel, die über die Grenze des Silver Moon Rudels hinwegblickten. Sie betrachtete die weite Leere und fragte sich, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie das Rudel verlassen und wie ursprünglich geplant aufs College gegangen wäre. Kaleas Pläne für eine höhere Ausbildung änderten sich in dem Moment, als Josh sie ablehnte. Was sie beinahe täglich durchmachte, war der einzige Grund, warum sie in ihrem Zuhause gefangen blieb. Wenn sie jemals einen Anfall vor Menschen erlebte, würden sie denken, sie sei verrückt oder besessen. Während sie über die möglichen Szenarien nachdachte, bemerkte sie plötzlich etwas, das auf sie zulief. Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, und erkannte, dass es in der Ferne wie ein Hund oder Kojote aussah. Aber bei der Geschwindigkeit, mit der das Tier sich bewegte, wusste sie, dass es kein gewöhnlicher Hund war. "Vagabunden..." „VAGABUNDEN!“ Kalea taumelte zurück und versuchte so schnell wie möglich aufzustehen. Sie hatte keine Zeit für Panik. Sie zwang sich zur Ruhe und rannte so schnell sie konnte, doch ohne ihren Wolf war sie langsamer als die meisten anderen Werwölfe. Ihre Beine brannten, als sie sich noch mehr anstrengte, versuchte über Holzstämme, Löcher im Boden und große Steine zu springen, um nicht zu stolpern. „VAGABUNDEN KOMMEN!“ schrie sie so laut sie konnte, als sie durch die Bäume brach und in das Territorium des Rudels zurückkehrte. „VAGABUNDEN!“ rief sie erneut, als sie ihr Haus in Sichtweite hatte. „MAMA! PAPA! VAGABUNDEN!“ schrie sie, obwohl sie wusste, dass niemand zuhause war. Das Knurren der Vagabunden hinter ihr wurde lauter. Sie musste ihr Zuhause hinter sich lassen und rannte verzweifelt in Richtung des Rudelhauses, während sie ununterbrochen schrie, dass Vagabunden das Rudel angreifen. „Worum schreiest du, du Köter?!“ rief ein Rudelmitglied von seiner Veranda aus. „VAGABUN…“ „AAAAAH!!!“ Die verzweifelten Schreie des Rudelmitglieds wurden plötzlich von einem Vagabunden erstickt, der es angriff. „Oh Gott!“ keuchte Kalea entsetzt. Sie drehte sich um und sah die Gruppe von Vagabunden, die das Territorium stürmte. „Wo zur Hölle sind die Rudelwachen?!“ rief sie verzweifelt, während sie weiterlief, um ihr Leben zu retten. „Verdammt! Dies wäre der perfekte Zeitpunkt, um jemanden telepathisch zu erreichen!“ knurrte sie frustriert. Endlich hörte sie den Alarm, der signalisierte, dass das Rudel angegriffen wurde. Zu ihrer Erleichterung sah sie Rudelkrieger aus allen Richtungen des Rudelhauses eilen. Einige waren in ihrer Wolfsgestalt, andere noch in menschlicher Gestalt. „Endlich!“ Sie rannte weiter auf das Rudelhaus zu, in der Hoffnung, sich in einem der Bunker in Sicherheit zu bringen. Doch bevor sie es erreichen konnte, wurde sie von einem Wolfskrieger im Kampf umgerissen. Die Wucht des Aufpralls schleuderte sie über den Boden. Als sie aufblickte, sah sie eine Stampede von Wölfen auf sie zurennen. In diesem Moment konnte Kalea nichts anderes tun, als sich zusammenzukauern und zu beten, dass sie nicht von ihren eigenen Rudelmitgliedern zertrampelt wurde. Sie wusste, dass der Kampf begann, als sie das Krachen von Körpern, das Knurren, Brüllen, Bellen und das Stöhnen und Schreien hörte. Ihre Augen suchten panisch die Umgebung ab, und die einst braunen Felder des Silver Moon Rudels verwandelten sich langsam in ein Meer aus Blut. Sie war so fasziniert von dem Kampfgeschehen um sie herum, dass sie den Vagabunden, der sich ihr auf der rechten Seite näherte, nicht bemerkte, bis er bedrohlich knurrte. Kalea drehte sich langsam um und sah in die Augen eines riesigen Vagabunden, der nach Abwasser roch. Angst kroch in ihr hoch, und sie begann sich langsam zurückzuziehen. Der Vagabund tropfte vor Speichel, während er sie wie seine nächste Beute musterte. Er bäumte sich auf die Hinterbeine und war bereit, auf sie loszugehen, als plötzlich ein grauer Wolf über Kalea hinwegschoss und den Vagabunden zu Boden riss. „PAPA!“ schrie Kalea, als sie den Wolf ihres Vaters erkannte. Sie stand hastig auf und beobachtete, wie ihr Vater tapfer gegen den Vagabunden kämpfte. Plötzlich wurde sie von einem anderen Wolf gepackt und weggezogen. Sie drehte sich um und erkannte den Wolf ihrer Mutter. „MAMA!?“ Der Wolf ihrer Mutter zog sie aus der Gefahrenzone und verwandelte sich wieder in ihre menschliche Form. „Kalea! Du musst weglaufen!“ rief ihre Mutter panisch und drängte sie von der Kampfzone weg. „Mama! Ich muss in den Bunker!“ antwortete Kalea hektisch. „Das Rudelhaus wird angegriffen! Niemand wird es bis zum Bunker schaffen! Du musst rennen! Sofort! Verschwinde so weit wie möglich von hier!“ schrie ihre Mutter und drängte sie weiter. „Und was ist mit dir und Papa?“ „Dein Vater muss kämpfen, und ich muss sicherstellen, dass du nicht verfolgt wirst. Jetzt geh, Kalea! LAUF JETZT!“ Ihre Mutter schob sie verzweifelt von sich weg. „Ich kann euch nicht hierlassen!“ protestierte Kalea, Tränen füllten ihre Augen. „Verdammt nochmal, Kalea! Streit jetzt nicht mit mir! Lauf einfach weg—AHHH!!!“ Ihre Mutter brach plötzlich zusammen und hielt sich die Brust, während der Schmerz des Verlustes sie durchbohrte. „Nein! Patrick!“ weinte sie, als sie fühlte, wie das Band zu ihrem Gefährten zerriss. „PATRICK!!!“ rief sie verzweifelt. „Nein... Daddy...“, flüsterte Kalea. Tränen strömten über ihr Gesicht. Sie wollte zu ihrem Vater rennen, doch sie wurde von einem anderen Vagabunden aufgehalten. Ihre Mutter war keine Kriegerin, doch sie zögerte nicht, ihr Kind zu beschützen. Sie verwandelte sich erneut in ihren Wolf. Kalea wusste, dass der Tod ihres Vaters ihre Mutter geschwächt hatte. Ihr Wolf jammerte, als er sich dem Vagabunden gegenüberstellte. „Mama! Wir müssen weg! Du kannst ihn nicht besiegen! Wir können beide hier rauskommen!“ Kalea klammerte sich verzweifelt an das Fell ihrer Mutter und versuchte, sie vom Vagabunden wegzuziehen. Doch plötzlich sprang der Vagabund auf sie zu und riss ihre Mutter mit sich. Der Aufprall schleuderte Kalea gegen einen Baum. Benommen und mit schmerzendem Körper sah Kalea zu, wie ihre Mutter gegen den Vagabunden kämpfte. Sie konnte nicht tatenlos zusehen und suchte nach einer Waffe. Doch in dem Moment, als Kalea wegblickte, hörte sie den markerschütternden Schrei ihrer Mutter. Sie drehte sich um und sah, wie der Vagabund die Kehle ihres Wolfes gepackt hatte. In Zeitlupe sah Kalea, wie der Vagabund zubiss, und Blut spritzte überall hin. „MAMA!!!“ schrie Kalea, als der Vagabund den leblosen Körper ihrer Mutter zu Boden warf. Ihre Mutter verwandelte sich zurück in ihre menschliche Form, und Kalea kroch schluchzend zu ihr hinüber. Sie hielt ihre Mutter in ihren Armen, während sie weinte und schrie. Doch dann riss der Vagabund den Körper ihrer Mutter gewaltsam von ihr weg und schleuderte ihn irgendwohin, wo nur die Göttin es wissen konnte. Kalea starrte mit Entsetzen, Wut und Trauer im Herzen auf die brutale Szene. Wie sehr wünschte sie sich jetzt, dass sie ihren Wolf hätte oder wenigstens eine Waffe. Doch sie hatte nichts und niemanden mehr. Ihre Eltern waren tot, und sie war ganz allein. Plötzlich spürte Kalea einen Schmerz, der durch ihren Körper jagte, doch es war anders als der Schmerz, den sie durch Joshs Untreue gespürt hatte. Dieser Schmerz war der Verlust eines Rudelmitglieds – und nicht irgendeines. Es war der Tod des ehemaligen Alphas. Kalea wusste sofort, dass es nicht Josh war, sondern sein Vater, der gestorben war. Inmitten ihrer Trauer und Verzweiflung hatte sie den Vagabunden vor sich völlig vergessen, bis er erneut bedrohlich knurrte. Ihre Augen wandten sich ihm zu, und sie hätte schwören können, dass er sie angrinste. Langsam begann der Vagabund, sie zu umkreisen, als wäre sie seine nächste Beute. Mit jedem Schritt wurde der Kreis enger. Kalea war vor Angst wie gelähmt und schloss ihre Augen, bereit, den Tod zu empfangen. Sie hörte den Vagabunden brüllen, als er zum Angriff ansetzte, doch der Angriff kam nie. Stattdessen spürte sie, wie eine warme Flüssigkeit sie bedeckte. Sie öffnete die Augen und sah den Kopf des Vagabunden vor sich, vom Körper getrennt. Sie war von Kopf bis Fuß mit Blut bedeckt. Verwirrt hob sie den Kopf und sah einen Mann über sich stehen, der ein Schwert hielt. Er war in eine schwere Rüstung gehüllt, und Blut tropfte von der Klinge seines Schwertes. Er drehte seinen Kopf und sah sie an. „Herr Scout!?“
Free reading for new users
Scan code to download app
Facebookexpand_more
  • author-avatar
    Writer
  • chap_listContents
  • likeADD