Kapitel 1
EMMA
„Du kannst mit ihr machen, was du willst. Ich will nichts mehr mit ihr zu tun haben.“
Das waren die ersten Worte, die ich verstehen konnte, als ich wieder aufwachte. Meine Gedanken waren noch ungewöhnlich verschwommen. Alles das, was zuvor gesagt wurde, war unverständlich; fast so, als wären meine Ohren voll Watte. Meine Augen waren so schwer wie Blei, dass ich sie kaum öffnen könnte, und meine Zunge schmeckte bitter. Mein Kopf dröhnte im Takt meines Herzschlags. Ich wollte aus der sicheren Wärme meines Schlafs nicht erwachen.
„Sicherlich könnte sie leicht genug vergeben werden. Eine übereilte Ehe. Ihr Gesicht und ihr Körper sind für jeden Mann mehr als attraktiv“, antwortete eine Frau auf die eindringlichen Worte des Mannes.
„Nein!“ Sein Ton war emphatisch und scharf. „Das wird nicht ausreichen. Es ist mein Geld, wenn ich bitten darf.“
Mein Kopf wurde klarer und ich erkannte die Stimme. Es war mein Stiefbruder, Thomas. Mit wem sprach er da? Und warum? Das Thema war merkwürdig. Alles war merkwürdig. Warum sprachen sie in meinem Schlafzimmer, während ich schlief? Es war an der Zeit, die Antwort zu finden.
Schwankend richtete ich mich im Bett auf, während ich mit den Wimpern klimperte und sich meine Augen dann erstaunt weiteten. Das war nicht mein Schlafzimmer! Die Wände waren nicht eierschalen-blau, sondern grell rubinrot. Das Zimmer war prunkhaft und leicht beleuchtet. ebenfalls rote Gardinen aus Samt hingen an den Fenstern. Das Zimmer war mit Dekadenz und Extravaganz erfüllt. Ein geschmackloses Werk. Ich rieb meine verschlafenen Augen, um sicherzugehen, dass ich nicht träumte und brauchte einen Moment, um meinen Kopf klar zu bekommen.
Thomas stand mit aufrechter Haltung stramm an der Tür. Seine Handflächen zeigten nach außen und er sprach mit einer Frau, die über einen Kopf kleiner war. Sie trug ein smaragdgrünes Kleid aus Satin, das ihren üppigen Ausschnitt fast überquellen ließ und ihre schmale Taille hervorhob. Ihr tiefschwarzes Haar war auf kreative Art und dem neusten Trend entsprechend mit kunstvollen Löckchen, die in den Nacken fielen, hochgesteckt. Sie war hübsch und hatte schneeweiße Haut. Ihre Lippen waren leicht gefärbt und ihre Augen mit Kajal verdunkelt. Sie war so übertrieben wie ihre Umgebung.
Sie bewegte sich hochmütig auf einen großen Tisch zu, wo sie es sich vor einem kalten Kamin bequem machte und behutsam die obere Schublade öffnete. Ihre Augen wanderten zu mir und sie bemerkte, dass ich wach war, machte aber keine Anmerkung dazu. Sie nahm einen kleinen Stapel Scheine und übergab ihn an Thomas. Er war ein großer Mann mit breiten Schultern. Sein Auftreten war eindrucksvoll, so dass er selbst die stärksten aller Männer problemlos einschüchtern könnte. Aber nicht diese Frau. Sie zeigte sich unbeeindruckt und hatte kein gekünsteltes Lächeln auf den Lippen. Zum Geschäftsabschluss hob sie nur auf hochnäsige Weise ihr Kinn an.
„Thomas.“ Meine Stimme klang kratzig und ich räusperte mich. „Thomas“, wiederholte ich, „Was geht hier vor sich?“
Seine dunklen Augen verengten sich, als er seinen Blick auf mich lenkte. Reiner Hass spiegelte sich in den tintigen Tiefen seiner Augen wieder. Gewöhnlich war nur Desinteresse da gewesen; diese Wut war neu. Sein Vater hatte meine Mutter geheiratet, als ich fünf und Thomas fünfzehn war. Beide Elternteile waren Jahre zuvor verwitwet. Die Ehe wurde mehr wegen des Geldes als auf Basis von Zuneigung geschlossen und als sie gestorben waren – er durch einen Sturz vom Pferd und sie ein Jahr später als Folge von Schwindsucht – wurde ich unter die Vormundschaft von Thomas gestellt. Obwohl er mir gegenüber nie liebevoll oder sonderlich interessiert an mir gewesen war, hatte ich nichts lieber gewollt.
„Du bist wach“, murmelte er mit einem finsteren Blick. „Die Laudanum-Dosis war nicht ganz so stark, wie ich es mir vorgestellt hatte.“
Mein Mund öffnete sich vor Erstaunen. Laudanum? Kein Wunder, dass ich Probleme hatte, alles zu verstehen. „Was – ich verstehe nicht.“ Ich strich mir mit der Hand durch die Haare. Ich hatte einige Haarnadeln aus meiner strengen Hochsteckfrisur verloren und einige lange Strähnen strichen mir den Nacken. Ich leckte mir über meine trockenen Lippen und blickte zwischen der unbekannten Frau und meinem Thomas hin und her.
Mein Stiefbruder war auf eine konservative, strenge Art und Weise ein attraktiver Mann. Er war präzise, prägnant und exakt. Streng würde es auch treffen, genauso wie ernst. Sein Anzug war schwarz, seine dunklen Haare lagen mithilfe von Pomade glatt und glänzend an und sein Schnurrbart war voll, aber doch gnadenlos gepflegt. Manche sagten, dass wir uns ähnlich sahen, obwohl wir nicht wirklich verwandt waren. Wir hatten beide hellblaue Augen, unsere Haare waren aber dunkel wie die Nacht, allerdings waren unsere Mienen doch sehr unterschiedlich. Thomas‘ Emotionen passten zu seiner Kleidung: Nüchtern und angespannt. Eine Eigenschaft, die man auch in seinem Vater wiederfinden konnte. Ich hingegen wurde als gelassener, sozusagen als Friedensstifterin in der Familie, angesehen. Seit dem Tod unserer Eltern, lebte ich mit Tomas und seiner Frau, Mary, und ihren drei Kindern zusammen. Als Teil eines hektischen Haushalts konnte ich im Gegensatz zum weniger großzügigen Wesen meines Bruders immer einen Anschein von Unbeschwertheit bewahren.
Thomas seufzte, als ob er seine Zeit mit einem widerspenstigen Kind verschwand. „Das ist Frau Pratt. Ich überschreibe ihr meine Vormundschaft.“
Frau Pratt sah nicht wie irgendeine mir bekannte, verheiratete Frau aus. Keine, die ich kannte, trug ein Kleid in einer solchen Farbe, aus einem solch schimmernden Stoff oder mit einem so gewagten Schnitt. Ihr Ausdruck blieb neutral, als ob sie nicht in diese Unterhaltung einbezogen werden wollte.
„Ich brauche keinen Vormund, Thomas.“ Ich drehte mich, um meine Beine über die Seite der Liege, auf der ich geschlafen hatte, zu schwingen. Nicht geschlafen, betäubt. Das Möbelstück war ein ungewöhnliches Objekt in, so mutmaßte ich, Frau Pratts Büro. Das war kein Gesprächsthema, bei dem man liegen musste, und ich hatte das Gefühl, komplett benachteiligt zu werden. Ich richtete mein Kleid und versuchte mich herzurichten, aber ohne einen Spiegel oder einen Kamm konnte ich nicht viel machen. „Wenn du das Gefühl hast, dass im Haus nicht genügend Platz für mich ist, kann ich durchaus etwas Eigenes finden. Ich bin ja nicht mittellos.“
Unserem Vater gehörte eine Goldmine am Stadtrand von Virginia City und für eine Zeitlang strömte Geld ein. Mit gut platzierten Investitionen, die unsere Familie nicht wollte. Jegliche Verschwendung wurde durch die Eisenbahnstrecke gebracht. Selbst zu einer solch abgelegenen und kleinen Stadt in Montana Territory. Dieses Schicksal hatte sogar dabei geholfen, Thomas‘ Stellung in der Regierung der Stadt zu finanzieren. Sein Interesse an Politik und eine Zukunft in Washington forderten, dass die Gelder gut in Spenden investiert wurden.
„Nein. Dein Geld ist weg.“ Er betrachtete dabei die Fingernägel seiner Hand.
Seine Worte machten mich sprachlos. Ich war fassungslos. Das Zimmer drehte sich für einen Moment und ich hielt mich stützend an der Liege fest. Das Geld war weg? Das Konto war für das, was ich je gebraucht hätte, voll genug gewesen. „Weg? Wie?“
Er zuckte gleichgültig mit der Schulter und blickte nur flüchtig zu mir. „Ich habe es genommen.“
„Du kannst dir nicht mein Geld nehmen.“ Ich riss meine Augen auf und mein Magen drehte sich, nicht nur wegen der üblen Nebenwirkungen der opiathaltigen Droge, sondern auch wegen der Worte und dem banalen Tonfall meines Bruders.
„Das kann ich und das habe ich.“ Als dein Vormund ist es mein Recht, deine Gelder zu verwalten. Die Bank kann mich nicht davon abhalten.“
„Warum?“ fragte ich ungläubig. Er wusste, dass ich nicht nach der Bank fragte, sondern nach seinem Anspruch auf mein Erbe.
Frau Pratt stand nur da und hörte zu. Sie stütze Ihre Hände an ihrer Taille. Es schien ganz so, dass ich keinen Fürsprecher hatte.
„Du hast etwas gesehen, was du nicht hättest sehen sollen. Ich muss dich loswerden.“
„Mit–“ Nachdem ich seine Anspielung verstanden hatte, blieb ich still. Ich hatte etwas gesehen, was ich nicht hätte sehen sollen. Neulich hatten Mary und ich die Kinder zur Schule gebracht, bevor wir zum Hilfstreffen der Damen gehen wollten, um die Pläne für das Sommerpicknick der Stadt zu besprechen. Eines der Kinder hatte seine Tasche mit dem Mittagessen vergessen und ich hatte mich bereit erklärt, nach Hause zurückzugehen und sie zu holen, während Mary bereits zum Treffen ging. Auch wenn derartige Funktionen langwierig waren, war ich für eine Pause von den Bestrebungen älterer Damen, die versuchten einen passenden Partner für mich zu finden, dankbar. Mit meinen zweiundzwanzig Jahren und unverheiratet war ich eine Art Lieblingsprojekt für sie. Sie hatten sich das Ziel gesetzt, mich vor meinem nächsten Geburtstag verheiratet zu sehen. Ich hingegen war nicht in einer solchen Eile, besonders wenn ich mir die arroganten und unsympathischen Männer anschaute, die in Erwägung gezogen wurden.
Anstatt den Koch in der Küche zu finden, fand ich Clara, das Hausmädchen von oben, wie sie auf dem Küchentisch lag. Ihre graue Uniform war zur Taille hochgeschoben und ihre weiße Baumwollunterhose hing an einem Knöchel, während Allen, Thomas‘ persönlicher Sekretär zwischen ihren gespreizten Beinen stand. Seine Hose war offen und so lag seine Männlichkeit, die er kraftvoll in Clara stieß, frei. Ich blieb ruhig und versteckt im Eingang stehen. Das Paar bekam nicht mit, dass ich da war und bei ihren sexuellen Aktivitäten zusah. Im Allgemeinen wusste ich, was zwischen einem Mann und einer Frau geschah, aber ich hatte es noch nie erster Hand beobachtet und insbesondere nicht so etwas. Nicht auf einem Küchentisch!
Meine Mutter hatte mir, bevor sie gestorben war, erklärt, dass es nachts, in der Dunkelheit getan wurde und nackte Haut nur minimal – und nur so viel, wie nötig – gezeigt wurde. Aufgrund der Intensität und Stärke, die von Allens Bewegungen ausging, dachte ich, dass sich Clara beschweren würde oder Schmerzen hätte, aber der Blick auf ihrem Gesicht und die Art und Weise, wie sie ihren Kopf nach hinten warf und auf die hölzerne Oberfläche schlug, ließ mich anders denken. Er befriedigte sie. Es gefiel ihr! Mutter hatte gesagt, dass es etwas war, dass man über sich ergehen lassen müsse, aber Clara bewies mir das Gegenteil. Der Blick der Ekstase in ihrem Gesicht konnte nicht vorgetäuscht werden.
Ich spürte ein Prickeln zwischen meinen Beinen bei der Vorstellung, dass mich ein Mann auf solche Weise füllt und mich alles, außer das, was er tat, vergessen ließ. Als sich Clara über ihre bedeckten Brüste strich, wurden meine Nippel hart und schmerzten unter dem Verlangen, berührt zu werden. Sie genoss nicht nur Allens Aufmerksamkeit. Die Art und Weise wie Sie Ihren Rücken wölbte und schrie drückte aus, wie sehr sie es liebte. Ich wollte mich so fühlen wie sie. Ich wollte vor Vergnügen schreien. Die Vorstellung, von einem Mann so angefasst zu werden, erregte mich. Eine mir unbekannte Feuchte sickerte aus meinem weiblichen Kern heraus und ich griff nach unten, um meine Hand über mein geschwollenes Fleisch und durch das starke Gewebe meines Kleides zu streichen. Als die Bewegung in mir einen mir nicht vertrauten Stoß aus l**t auslöste, zog ich meine Hand in betäubter Überraschung zurück. Wenn meine Berührung allein schon ein solch wunderbares Gefühl verursachen konnte, wie würde es sich dann anfühlen, wenn es ein kräftiger Mann für mich täte?
Allen stieß noch einige Male heftig zu und versteifte und stöhnte dann, als ob er verletzt worden war. Als er sein pflaumenfarbiges Glied, das dank Claras Körper glitzerte und feucht war, herauszog, sah ich nicht nur ihre Schamlippen, sondern auch reichlich weiße Creme. Er hatte ihre Füße auf den Rand des Tisches gesetzt, so dass sie entblößt und verletzbar war. Allerdings schien es die junge Frau nicht zu interessieren, entweder weil sie zu sehr befriedigt wurde, dass Sie nicht darüber nachdachte, Anstand zu zeigen, oder weil sie keinen hatte.
Ich leckte meine Lippen bei dem Anblick ihrer Lüsternheit. Ihr Körper war gesättigt, voll und gut benutzt. Ich wollte mich so fühlen und ich wollte, dass es ein Mann machte. Nicht Allen, aber ein Mann, der mir gehören würde.
Mein Verlangen verflog allerdings schnell, als Thomas, der vorher von meiner Ansicht versteckt war, vortrat, um Allens Platz zwischen Claras Schenkeln einzunehmen. Er lehnte sich nach vorne, griff die Vorderseite ihres Mieders und riss es auf, so dass alle Knöpfe durch den Raum flogen. Er senkte seinen Kopf zu ihren entblößten Nippeln und saugte an einem und dann an dem anderen. Ich hatte keine Ahnung, dass ein Mann so etwas tun würde.
Seine Hände wanderten zum Knopf seiner Hose und er zog auch sein Glied heraus. Es war größer als Allens, länger und Lusttropfen traten aus der Spitze hervor. Der Sekretär stand an der Seite. Er hatte seine Hose wieder hochgezogen und er schaute mit verschränkten Armen zu. Thomas hatte sich in Position gebracht und bewegte seine Hüften so, dass er tief in Claras Körper eindringen konnte. Ihr Rücken wölbte sich vom Tisch weg, als Thomas sie füllte und ihr Stöhnen, das den Raum erfüllte, war ein Zeichen ihres Vergnügens.
Ich musste einen Ton, ein Keuchen, irgendein Geräusche gemacht haben, dass sich von der Frau unterschied, mit der er es trieb, da er seinen Kopf drehte und mich um den Eingang herumspähen sahen. Anstatt aufzuhören, stieß er noch härter in sie ein und der Kopf der Frau schlug auf die harte Oberfläche.
„Schau nur zu, es stört mich nicht“, sagte Thomas zu mir. Er grinste und platzierte seine Handflächen auf dem Tisch, um noch tiefer eindringen zu können. „Um genau zu sein, mag es mir durchaus gefallen, dass eine Jungfrau etwas lernt.“
Bei seinen Worten lief ich weg und vergaß dabei die Tasche mit dem Mittagessen.
Das war nun einige Tage her und ich hatte Thomas aus bloßer Scham meinerseits gemieden. Ich hatte nicht gewusst, was ich hätte sagen sollen oder wie ich ihm überhaupt noch in die Augen schauen könnte, da ich nun nicht nur wusste, dass er gemeinsam mit seinem Sekretär Frauen flachlegte, sondern auch, dass er seine Eheversprechen gebrochen hatte. Ob Mary von seiner Indiskretion wusste? Zumal ich nur ahnen konnte, dass das nicht das erste Mal war. Das Duo schien sich bei dem ganzen Vorgehen durchaus wohlzufühlen und das deutete auf eine langfristige Vertrautheit hin. Ich hatte mich bereitwillig von Clara und Allen distanziert.
„Ich sehe, dass du weißt, wovon ich spreche. Ich muss verhindern, dass du das, was du da gesehen hast, in der ganzen Stadt weitertratschst. Außerdem sind deine voyeuristischen Tendenzen nicht normal für eine Frau deines Status‘. Mit derart unsittlichen Neigungen kann ich dich zu Recht nicht mehr mit einem Freund von mir verheiraten.“