Ludwig Bechstein-2

1726 Words
ťNichts wird gesagt, Bruder Isegrimm!Ť sprach Herr Braun und brummelte: ťWas ich weiß, ist dieses: Seit sieben Jahren kränkelt des Königs einzige Tochter, und kein Doktor kann ihr helfen, weil keiner weiß, was ihr fehlt, wie wunderklug sich auch alle dünken. Gar manchen Rat gaben schon insgeheim des Königs Geheimräte, aber es ist nichts Rätliches davon an den Tag gekommen. Die Krankheit der Königstochter ist so gestiegen, daß der König verheilen hat, sie dem zur Gemahlin zu geben, der ihr hilft, um sie nur beim Leben erhalten zu sehen; es kann aber keiner helfen, der das nicht weiß, was ich weiß.Ť ťDu machst uns neugierig, hochgnädiger Herr König Braun!Ť sprach der Wolf, und Petz brummte: ťNur Geduld, es kommt schon noch. Werdet doch ein wenig warten gelernt haben?Ť Darauf schnaubte der Bär erst einmal gehörig aus und fuhr dann fort: ťDie Prinzessin Königstochter sollte in der Kirche ein Goldstück in den Opferstock werfen, sie war aber noch sehr jung und befangen und ängstlich und schämte sich vor den vielen Leuten in der Kirche und warf das Goldstück etwas ungeschickt, daß es daneben und in eine Spalte fiel. Darauf wurde sie von ihrer Krankheit befallen, die nicht früher enden wird, bis man das Goldstück hervorzieht und in die Ritze des Opferstockes einwirft. Solche Kur ist kinderleicht, es dürfte nur einer hingehen und das Goldstück suchen.Ť Als die Tiere sich einander so ihre Geheimnisse mitgeteilt hatten, erhoben sie sich aus ihrer Ruhe und gingen weiter; Hänschen aber war heilfroh über das, was er gehört hatte. Er bestrich sich eilend mit dem bereits gefallenen Himmelstau die Augen, da wuchsen ihm neue klare Augäpfel, und er sahe die goldenen Sterne am Himmel blinken und die dunklen Wipfel der Waldesbäume. Bald brach der Morgen an, und Hänschen sah nun Weg und Steg und wanderte, neu gestärkt, der Straße entlang. In einigen Dörfern, durch die er kam, erfocht er so viel, daß er seinen neuerwachten Hunger und Durst stillen konnte, und endlich kam er in die Stadt, in welcher der Wassermangel so groß war, daß alle Leute Wein und viele Schnäpse tranken, welche sie Likör nannten. Hänschen hatte kein Geld für Liköre; er trat zu einer Wirtin und bat, ihm ein großes Glas Wasser zu reichen. Die Wirtin sah ihn dafür sehr groß an und schalt: ťSeh mir einer den Lump! Hat nicht einmal Geld, einen Likör zu bezahlen, und will Wasser zechen! Meint der Mosjö, Herr von Fadenschein, das Wasser quelle nur so für nichts und wieder nichts? Es koste kein Geld? O weit gefehlt. Wisch Er sich das Maul von wegen dem Wasser; Wein oder Likör kann Er haben, mit Wasser kann ich nicht dienen, zumal in so großer Menge nicht.Ť ťLiegt man hier wirklich so krank an der Wassersucht, wie ich draußen vernommen?Ť fragte Hänschen. ťEi, wozu habt ihr denn hier Magistrat und Gemeinderat? Ist kein Moses im Stadtrate, der Wasser aus dem Felsen schlüge? Eure Krankheit wollte ich bald kuriert haben; ich bin ein Brunnenarzt .Ť Diese Worte vernahmen einige junge Ratsherren, welche bei der Wirtin teils auch Liköre, teils Champagnerwein tranken; sie taten dies nur aus Ermangelung des Wassers, sonst würden sie es gewiß nicht getan haben, denn sie nannten den Champagner Gift und Äquinoktialsäure , und ohne die äußerste Not wird sicherlich niemand Gift oder solcherlei Säuren zu sich nehmen. Diese jungen Herren umringten Hänschen und fragten hastig, wie er es anstellen wolle, dem Mangel abzuhelfen. ťMeine hochverehrtesten HerrenŤ, sprach Hänschen, ťwenn ich sotanen Mangel allhier abstellen soll, so tut nötig sein, daß ich erst angestellt werde. Soll ich euch geheimen Rat erteilen, so würde eine mir zugeteilte kleine Geheimeratsbesoldung - so vier-bis sechstausend Tälerchen alljährlich mich zu Dank vergnügt machen. Dann solltet ihr Herren aber auch sehen, daß ich etwas leiste , was sich nicht von allen Geheimeräten rühmen läßt.Ť Die jungen Ratsherren gaben dem Schneiderlein zu verstehen, es möge nicht sticheln und nicht so anzüglich reden, das könne man in der geistreichen Residenz nicht vertragen. ťNanu!Ť entgegnete Hänschen. ťWenn ein Kleiderkünstler nicht mehr sticheln und anzüglich reden soll, da hört alles auf.Ť Die Sache wurde nun im Gemeinderate und vom Magistrate reiflich erwogen, und alle Stimmen einigten sich in dem Rufe: ťWasser um jeden Preis - ehe wir im Sande totaliter vertrocknen!Ť Der Magistrat stellte hierauf die Not gemeiner Stadt dem Könige vor und auch das Mittel zu deren Abhilfe und bat Seine Majestät, in Gnaden zu geruhen, für den fremden Brunnenarzt ein Geheimeratsdekret ausfertigen zu lassen, die Besoldung solle aus städtischen Mitteln gern bestritten werden. Der König willfahrete mit väterlicher Huld diesem Gesuche und ließ das Dekret ausfertigen, jedoch - durch Erfahrungen gewitzigt - mit dem Vorbehalte, daß selbes nicht eher in Kraft trete, bis hinlängliches Wasser geschafft sei - sonst solle es nichts gelten, da schon so viele Versprechungen von auswärts hergewanderten Fremdlingen zwar zu Wasser geworden seien, aber zu keinem nutzbaren. Hänschen begab sich nun in Begleitung einer schnell ernannten Wasserkommission auf den Markt, sah schon von weitem den grauen Quader - sprach zu den Technikern der Kommission: diesen Stein lasset ausbrechen, ihr Herren! - und als dies geschah, so rauschte plötzlich der Strahl eines Springbrunnens stark und mächtig und turmhoch in die Luft und quoll so viel Wasser aus, daß auf der Stelle in allen Kaufläden der Residenz die Preise der wasserdichten Zeuge um das Doppelte in die Höhe gingen. Laut erscholl durch die ganze Königsresidenz das Lob des Wasserdoktors; fast hätte man ihn, wie den Schneider Hans Bockhold von Leiden, zum Propheten gemacht und ihn in Opern voll Pomp und Unsinn verherrlicht . Noch desselben Tages wurde der neue Herr Geheimerat, der sich indessen mit Staatskleidern, Staatswagen und Dienerschaft versehen hatte, an den Hof gerufen und fuhr stolz in den Palast. Der König sagte ihm vieles Freundliche und schenkte ihm in Anerkennung seines Verdienstes um die Haupt-und Residenzstadt einen schönen Orden, am gewasserten Bande zu tragen. Sehr bald lenkte sich das Gespräch auf die Krankheit der Königstochter, und der König fragte den neuen Geheimerat, ob er als geschickter Wasserdoktor vielleicht für die Prinzessin eine Brunnenkur heilsam finde. ťNein, Euer MajestätŤ, erwiderte der Geheimerat. ťEinmal mit Wasser mich befaßt, und nicht wieder. Lasse mich Eure Majestät der Gnade teilhaft werden, Allerhöchstdero Prinzessin Tochter zu sehen, so hoffe ich zuversichtlich den Sitz ihrer Krankheit zu ergründen.Ť Darüber war der König über alle Maßen froh und führte den Doktor selbst zu der kranken Prinzessin. Der fühlte ihr den Puls und sahe, daß sie sehr schön war. Dann sprach er: ťGroßmächtigster König, wenn die allerdurchlauchtigste Prinzessin genesen soll, so kann dies nicht durch irdische Medizin geschehen, sondern durch göttliche Hilfe; gestatten Allerhöchstdieselben, daß wir die Kranke in die Hofkirche tragen lassen, dort wird sie wohl genesen.Ť Dieser Vorschlag ward vom Könige alsbald gutgeheißen, denn er war sehr fromm und freute sich, einen so frommen neuen Geheimerat gewonnen zu haben. In der Kirche ließ sich der Heilkünstler von der Prinzessin den Opferstock zeigen, suchte nach und fand in einer Ritze das Goldstück. Dieses gab er der erleuchten Kranken in die Hand und ersuchte sie, dasselbe nun richtig in den Stock zu werfen. Selbiges tat die Prinzessin, und alsbald wurde sie völlig gesund und begann wie eine Rose aufzublühen. So führte sie nun der Geheimerat zu dem Könige. Was da für eine große Freude war, ist gar nicht zu schildern. Aus dem Geheimerat wurde alsbald rasch nacheinander ein Reichsrat, ein Standesherr, ein Graf, ein Fürst - und aus diesem ein Bräutigam der genesenen Prinzessin. Nach der Hochzeit fahren die Neuvermählten auf einer Rundreise durch das Land, da kamen sie auch durch das Dorf, aus welchem der Fürst jüngst als Hänschen gewandert war. Da stand am Wirtshaus ein Scherenschleifer und schliff, und seine Frau drehte ihm das Rad - und da waren's der Peter und das Lieschen, die den Peter erst durchaus nicht haben wollte, ihn aber am Ende doch nahm, weil er ihr zuschwur, Hänschen werde sie nie wieder sehen . Hänschen kannte gleich den Peter am falschen Gesicht, rief dem Kutscher zu: ťHalt!Ť und jenem rief er zu: ťPeter!Ť Peter horchte hoch auf - und fragte, was der Herr befehle. ťNichts befehlen will ich; PeterŤ, sprach Hans, ťals daß du das Hänschen in mir wiederkennen sollst, dem du zu so hohem Glücke verholfen hast. Dort im Walde fand ich armer Augenloser, durch dich augenlos - das blinde Glück, wie manche blinde Taube ihre Erbse. Dort unter einem Baume, an dem ich lag, suchte mich es heim. Hier hast du vieles Geld vom blinden Bettler, der wieder sehend und reich geworden ist! Fahre wohl, und fahr zu, Kutscher!Ť Peter stand wie aus den Wolken gefallen, lange starrte er dem Prachtwagen nach, dann gab er seiner Frau das Geld, es aufzuheben, und sagte: ťDorthin muß ich auch - muß auch das blinde Glück finden.Ť Und alsbald rüstete sich Peter und wanderte, so rasch er wandern konnte, an jenen Ort, wo er am armen Hänschen die letzte treulose Tat beging. Ein Fuchs lief lange vor ihm her - an jenem Orte stand der Fuchs. Da kam von weitem ein Wolf entgegengesprungen. Rasch wandte Peter sich um, da trabte ein Bär des Weges daher. Voll Entsetzen klomm jetzt Peter am Baume empor, unter dem er Hänschen den letzten Augapfel ausgestochen hatte. ťVerräter! Verräter! Verräter, die ihr seid!Ť bellte der Fuchs, heulte der Wolf, brummte der Bär, und jeder beschuldigte den andern, das Geheimnis verplaudert zu haben, auf dessen Behütung sie einander doch alle drei die Pfote gegeben hatten, waren sehr bissig gegeneinander und gaben einander schlechte Titel. Endlich nahmen Bär und Fuchs gegen den Wolf Partei, der sollte zunächst der Verräter sein und dafür gehenkt werden, und alsbald drehte der Fuchs ein Seil und eine Schlinge aus Tannenreisig, der Bär hielt den Wolf fest, der Fuchs warf letzterem die Schlinge um den Hals und zog den Zappelnden in die Höhe. Der Wolf starrte stieren Auges empor, da sah er Peter im Gezweige des Baumes sitzen und heulte: ťO falsche ungerechte Welt! Da droben sitzt er, der unser Geheimnis verraten hat!Ť Jetzt sahen die andern beiden Tiere auch in die Höhe, ließen den Wolf fallen, und der Bär kletterte auf den Baum und holte den Peter herunter. Drunten empfing ihn der Fuchs, der so fuchswild war, daß er ihm gleich beide Augen auskratzte. Dann würgte ihn der Wolf, und der Bär drückte ihn mausetot, darauf haben sie ihn zu dritt aufgefressen, daß kein Knöchelchen von ihm übrig geblieben ist.
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