Kapitel 3

1001 Words
Winters Perspektive Ich zwinge mich am nächsten Morgen früh aufzustehen, um mich für die Schule fertig zu machen. Ich bin so müde, dass ich kaum geradeaus sehen kann, und es kostet mich alles, um unter die Dusche zu gehen und mich anzuziehen. Damien kam letzte Nacht spät nach Hause und bestand darauf, dass ich seine Hausaufgaben mache. Als ich mich nicht schnell genug bewegte, schlug er mir in den Magen und warf mir seinen verdammten Schulranzen nach. Es war eine extrem lange Nacht, in der ich neben meinen eigenen Hausaufgaben auch seine machen musste. Gott, ich hasse ihn. Ich konnte nicht anders, als mich umzudrehen und in den ramponierten Spiegel auf meiner schäbigen Kommode zu schauen. Die großen dunklen Ringe unter meinen Augen und die Magerkeit meiner Figur überraschten mich nicht. Ich hasse, wie ich aussehe, und ich weiß, dass ich hässlich bin. Mein Gesicht ist blass, also eher weiß als Porzellan, meine Augen sind mattblau und mein Haar kraus blond, lang und schlaksig. Egal, wie oft ich es wusch, es machte keinen Unterschied. Meine Kleidung ist zerrissen, Secondhand aus Wohltätigkeitsläden, Jeans mit Löchern an den Knien und ein Pullover, der mir viel zu groß ist und bis weit über meine Knie hängt. Ich habe wirklich nichts Besseres anzuziehen und schlüpfe mit einer Grimasse in meine abgenutzten Turnschuhe. Die Sohlen sind dünn von vielen Tragen, und ich weiß, dass ich bald in den Secondhandladen gehen muss, um ein neues Paar zu finden. Kaum habe ich den Speck in der Pfanne brutzeln und die Pfannkuchen in Gang gesetzt, als mein Vater hereintorkelt, bleich und erschöpft, seine Augen rot und aufgedunsen, während er da sitzt und ungeduldig auf sein Essen wartete. Er sieht aus wie ein Wrack, und ich hoffe, dass er sich vor der Arbeit noch herrichtet, denn sonst verliert er seinen Job. Nicht, dass ihn das zu stören schien. „Hier ist dein Kaffee“, sagte ich sehr leise, stellte ihn neben seinen Ellbogen und hoffte inständig, dass er ihn diesmal einfach trinken würde, anstatt ihn wegzuschleudern. Anscheinend war er zu müde, um das zu tun, und trank ihn ohne weiteres oder Beschwerden. Auch Damien stolperte herein und setzte sich an den Tisch, starrte mich an, während er wartete und mit den Fingern auf dem Tisch trommelte, während ich mich so schnell wie möglich bemühte. Einmal nur, wünschte ich mir, dass sie ihre faulen Hinterteile hochbekommen und mir zur Hand gehen würden. Es würde sie doch nicht umbringen zu helfen, oder? Außerdem ist er alt genug, um sein eigenes Frühstück zu machen, zum Teufel nochmal. Aber ich wage nicht, ihm das zu sagen, ich bin nicht in der Stimmung für einen weiteren blauen Fleck. „Hier“, sage ich ihnen leise, stelle ihre großen Teller vor ihnen ab und gehe zurück zur Arbeitsfläche, wo mein mageres Stück Speck und eine Scheibe Toast auf mich warten. Es reicht nicht einmal annähernd, um meinen Hunger zu stillen, aber ich wage es nicht, mehr zu nehmen, falls sie es sehen. Ich halte inne, als Damien vom Tisch aufsteht und zu mir kommt, mich bösartig anstarrt. Er hat etwas vor, das weiß ich, und ich spüre, wie die Angst in mir aufsteigt. Ich versuche, meinen Gesichtsausdruck neutral zu halten, damit er meine Furcht vor ihm nicht sieht oder spürt. „Was glaubst du, tust du da?“, sagt er, und ich starre ihn neugierig an, mein Herz beginnt schon wild in meiner Brust zu schlagen, in Erwartung dessen, was gleich passieren wird, während ich den Atem anhalte. „Frühstücken“, sage ich nervös, und bevor ich ihn stoppen kann, schnellt seine Hand vor und schleudert den Teller zu Boden. Ich starre auf den zerbrochenen Teller und bin bestürzt. Was zur Hölle? „Ups“, sagt er hinterhältig. „Sieht so aus, als würdest du wieder ohne Essen auskommen, Fettsack“, wirft er hin, während er sich setzt und sein eigenes köstliches Frühstück verschlingt. Ich sage nichts. Ich bin nicht fett, im Gegenteil, ich bekomme sehr selten etwas zu essen. Aber was würde es schon bringen? Damien kann mit mir machen, was er will, und mein Vater wird nie eingreifen, ihn stoppen, nicht wenn er gutheißt, was mein Bruder mir antut. Ich halte meine Tränen zurück, mein Magen knurrt vor Hunger. Ich atme tief und zitternd ein und beuge mich hinunter, um die Scherben des zerbrochenen Tellers aufzusammeln. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen beim Anblick des Specks und Toasts auf dem Boden, aber sie sind voller Dreck und ekelhaft zu essen. Ich zwinge mich, sie in den Müll zu werfen. Ein scharfer Splitter schneidet in meinen Finger, und ich beobachte fasziniert das heruntertropfende Blut. Es tut nicht einmal weh, nichts tut mehr weh, und ich wische es an meinem Pullover ab, während ich die Scherben aufhebe, in dem traurigen Wissen, dass dies mein einziges Essen bis zum Abendessen war und dass ich heute wieder hungrig sein werde. Mein Vater und Damien kümmert das nicht, sie eilen aus dem Esszimmer, sobald sie fertig sind, und lassen mich zurück, um aufzuräumen, bevor ich meinen eigenen Schulranzen schnappen und zur Schule laufen kann. Damien ist bereits mit dem Auto weg, wofür ich extrem dankbar bin, denn so muss ich mir keine Sorgen machen, was er als Nächstes mit mir anstellen könnte, und auch mein Vater ist gegangen, ohne ein Wort zu sagen, nicht dass ich es noch erwarten würde. Das gibt mir die Möglichkeit, mir Zeit zu lassen, und ich möchte das Erlebnis so lange wie möglich hinauszögern. Die Schule, die früher ein Zufluchtsort war, als ich kleiner war, ist jetzt meine eigene Hölle geworden, ein Ort für Tyrannen und meinen Bruder, um mich zu quälen und sich über mich lustig zu machen, und ich weiß genau, was mich erwartet. Mein ganzer Körper zittert vor Angst, als ich die Korridore entlang gehe und es in die Klasse schaffe, mit der hoffnungsvollen Vorstellung, dass heute vielleicht anders sein könnte und dass ich einmal in Ruhe gelassen werde. Es war eine vergebliche Hoffnung.
Free reading for new users
Scan code to download app
Facebookexpand_more
  • author-avatar
    Writer
  • chap_listContents
  • likeADD