Kapitel 1-1

1593 Words
1 „Entscheide dich“, sagte die körperlose Stimme. Entscheiden? Wofür entscheiden?, dachte Riley und blickte fassungslos zwischen den Felswänden umher. Mich entscheiden, verdammt nochmal aus diesem verrückten Alptraum zu fliehen? Oh, ja. Mich entscheiden, die Mistkerle zu töten, die mich an diesen schrecklichen Ort gebracht haben? Oh, ja verdammt. Mich entscheiden … Riley zuckte zusammen, als sich die eiskalte Klaue zum dritten Mal in ihren Rücken bohrte. Sie drehte sich um und ihr Blick folgte dem Arm der Kreatur, die neben ihr stand. Sie deutete über die Kante einer kleinen Plattform. Riley versuchte wirklich so gut es ging, die Realität auszublenden, doch die verdammten Kreaturen, von denen sie vor zwanzig Tagen entführt worden war, hatten die nervige Angewohnheit, sie immer wieder an ihre missliche Lage zu erinnern. Riley konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Es ging einfach nicht. Nachdem sie sich während ihrer ersten Woche in Gefangenschaft einfach nur wie betäubt gefühlt und Angst gehabt hatte, war sie jetzt einfach nur noch wütend. Wenn sie sterben würde, dann konnte sie dabei auch das tun, was sie am besten konnte: alle um sich herum zur Weißglut bringen. So war sie überhaupt erst in diese Situation geraten – wegen ihres losen Mundwerks und ihrer Besserwisserei. Okay, vielleicht hätte sie sich nicht mit ihrem Chef anlegen und ihm sagen sollen, was er mit seinen Grapsch-Händen tun könnte, als er ihr zum dritten Mal an diesem Tag an den Hintern gefasst hatte. Und noch besser wäre es gewesen, wenn sie ihm nicht die Nase und seine Hand gebrochen hätte. Wahrscheinlich hatten sogar seine Eier etwas abbekommen, denn als er geschrien hatte, war seine Tonlage eine ganze Oktave höher als Sopran gewesen. Ja, das war wahrscheinlich nicht besonders klug gewesen. Vor allem, da sein Vater zufällig Sheriff war. Sie war Kautionsvermittlerin, verdammt nochmal. Jeder verdammte Idiot hätte es besser gewusst, als sich mit ihr anzulegen. Kenntnisse in Selbstverteidigung waren schließlich eine Voraussetzung für diesen Beruf. Man, dachte sie. Ich hätte diesen Job wirklich nie annehmen sollen. Als ihr Chef ihr geschworen hatte, dass sie die Stadt niemals lebend verlassen würde, nachdem sie ihn zusammengeschlagen hatte, war sie zu dem Entschluss gekommen, dass es Zeit war, Righteous, New Mexico, zu verlassen. Natürlich hätte die Tatsache, dass ihr Chef der Besitzer der lokalen Kautionsvermittlungsfirma war, und er lukrative Geschäfte mit seinem Vater am Laufen hatte, schon das erste Alarmsignal für sie sein sollen, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging. Mit diesem Gedanken hatte sie sich ihre Handtasche geschnappt, in der sich eine große Aktenmappe voller belastender Beweise gegen die beiden befand. Die Erkenntnis, dass Vater und Sohn auch mit illegalen Waffen und Drogen handelten, war definitiv ihr zweites und drittes Warnsignal gewesen. Der eigentliche Grund, warum sie glaubte, einen schlimmen Fehler begangen zu haben, war jedoch die Tatsache, dass ein Toter unter dem Lagerraum begraben war. Diese Information war nun sicher in der Aktenmappe verwahrt und mit ihr verschwunden, als sie die kleine Stadt, in der sie die letzten sechs Monate über gelebt hatte, so schnell ihr alter Ford fahren konnte, verlassen hatte. Tatsächlich hätte sie noch etwas länger leben können, wenn sich nicht eine Reihe ungewöhnlicher Vorfälle in ihrem Leben ereignet hätte. Schon wieder. Wenn das Auto etwas weiter von dem Junkie-Treffpunt geparkt gewesen wäre, hätte ihr toller Fluchtplan natürlich auch besser funktioniert. Noch besser hätte er sogar funktioniert, wenn das verdammte Auto nicht kurz nach der Bundesgrenze mitten im Nirgendwo den Geist aufgegeben hätte. Sie wusste, dass sie letzten Monat ein neues hätte kaufen sollen, aber sie war so ein Geizkragen und wollte es bis zum letzten Kilometer fahren. Und das hatte sie eindeutig getan! Oh, und dann war da natürlich noch ihre beste Idee überhaupt – in den Pick-up eines Typen zu steigen, der mehr Piercings und Tattoos hatte als die Models im Prick Magazine, anstatt die fünf Kilometer zu der Bar zu laufen, deren Werbeplakat sie am Straßenrand gesehen hatte. Nein, ich musste ja unbedingt meinen fetten – Riley seufzte. Nein, meinen wohlgeformten Hintern in den Pick-up von diesem Dreckskerl setzen. Ich hätte wirklich diese Anti-Aggressions-Kurse machen sollen, die meine Schwester Tina mir immer aufdrängen wollte. Riley konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als sie an den Gesichtsausdruck des gepiercten und tätowierten Typen zurückdachte, dem sie den Mittelfinger gezeigt hatte, als er sie mitten an diesem gottverdammten einsamen Strand zurückgelassen hatte und weggefahren war, als gerade die Dunkelheit hereinbrach. Ihm einen blasen, wenn ich aus der Wüste raus will, dachte Riley. Ganz sicher nicht. Sie hatte es ihm gezeigt! Sobald er an den Straßenrand gefahren war, war sie aus dem Pick-up gesprungen und hatte ihn wüst beschimpft. Ihre Großmutter Pearl wäre stolz auf sie gewesen. Sie erinnerte sich an jedes einzelne Schimpfwort, das ihre Großmutter je benutzt hatte, und an ein paar, die wahrscheinlich nicht einmal ihre Großmutter kannte. Natürlich hatte er sie mitten im Nirgendwo zurückgelassen. Riley hatte gedacht, sie wäre dem Tode geweiht, bis plötzlich die vielen kleinen Lichter auf sie zugekamen. Woher zur Hölle hätte sie wissen sollen, dass die verdammten Aliens die Area 51 nicht gefunden hatten und stattdessen im Nirgendwo, Arizona gelandet waren? Riley hatte eher damit gerechnet, von einer Biker Gang auf Motocross-Rädern gerettet zu werden, und nicht von einem Alien-Raumschiff, das auf einer montagabendlichen Rundfahrt nach vollbusigen Frauen Ausschau hielt. „Entscheide dich!“, knurrte die große Kreatur laut. Riley räusperte sich und drehte sich dann zu dem großen dürren Alien um, neben dem sie geradezu zwergenhaft wirkte. „Mich für was entscheiden?“, fragte sie und konnte ein leicht wahnsinniges Kichern nicht unterdrücken. Sie kicherte erneut, als die Kreatur endlich frustriert die Stirn runzelte. Der Alien ballte seine Klauen langsam zu Fäusten und ließ die Schultern sinken. „Entscheide dich für einen Mann“, sagte Antrox 785 müde. Riley hob ihre perfekt geschwungenen Augenbrauen und drehte sich zu den Männern um, die sich in einer Reihe vor ihr aufgestellt hatten, während sie darüber nachdachte, inwiefern sie selbst vielleicht auch ein bisschen zu ihrem aktuellen Dilemma beigetragen hatte. Sie hatte zufällig mitbekommen, wie eine andere Frau – zumindest glaubte sie, dass es eine Frau gewesen war – an den gleichen Ort gebracht worden war, an dem sie jetzt stand. Man hatte ihr – in einem sehr unfreundlichen Tonfall – gesagt, dass sie als Letzte wählen durfte, weil sie so unfreundlich, unangenehm und geradezu hässlich war. Natürlich hatte sie sich alles gefallen lassen, bis auf den letzten Kommentar. Nachdem sie das Strichmännchen in das, was wie sie hoffte, seine Eier gewesen waren, getreten hatte, war sie erneut gefesselt worden. Was auch immer sich unter den Tuniken der Kreaturen befand, es hatte den Typen umgehauen. Nun stand sie einem zweieinhalb Meter großen, grünen, rotzenden Etwas gegenüber, das einem zwei Meter großen Lurch glich, sowie drei männlichen, einen Meter achtzig großen, umwerfenden Adonissen. Rileys Augen weiteten sich. Wenn sie nicht so unglaublich durstig gewesen wäre, hätte sie sicher gesabbert. Ihrer Statur, den Augen und vielleicht den Malen auf ihren Armen, Schultern und ihrer Brust, oh und nicht zu vergessen ihren scharfen Zähnen nach zu urteilen, waren sie eindeutig nicht menschlich, aber oh Mann, sie sahen heiß aus! Riley schwelgte einen Moment lang verträumt in Gedanken, ehe sie wieder aufblickte. „Was passiert mit den Männern, die nicht ausgewählt werden?“, fragte Riley neugierig, ohne ihren Blick von den drei Männern abzuwenden. „Sie werden verfüttert“, sagte Antrox mit einem düsteren Blick. „Entscheide dich! Alle Männer, die Gefährtinnen haben, arbeiten im Bergwerk. Gebundene Männer lassen sich leichter kontrollieren, da sie ihre Frauen beschützen. Jetzt wähl deinen Mann aus!“ „Was ist, wenn ich mich nicht für einen Mann entscheiden will?“, fragte Riley sarkastisch und wandte sich zu der großen Kreatur um, die neben ihr emporragte. „Was ist, wenn ich keine Lust habe, mir einen Mann auszusuchen? Was ist, wenn ich nicht einmal auf Männer stehe?“, fügte Riley hinzu. In diesem Moment war sie, ehrlich gesagt, tatsächlich davon überzeugt, dass sie sich nie wieder auf einen Mann einlassen würde! Schließlich hatten Männer diese ganzen schrecklichen Vorkommnisse überhaupt erst ins Rollen gebracht, angefangen bei ihrem nutzlosen, dämlichen Chef. Und jetzt verlangte dieser übergroße Zahnstocher von ihr, sich einfach für einen dieser Bastarde zu entscheiden und mit ihm zusammen zu sein oder so? Das wird auf keinen Fall passieren. Fesseln hin oder her, ich werde jeden Typen zusammenschlagen, der versucht sich an mich heranzumachen, dachte sie erbittert. Sie würde nichts mit einem Alien anfangen, egal wie heiß sie aussahen. Sie hatte zu viele Science Fiction Filme gesehen, um etwas mit einem Alien zu tun haben zu wollen! Was, wenn diese Wesen beschlossen, ihren Körper zu stehlen oder aus ihr heraus zu explodieren? Bei dem Gedanken erschauderte Riley. Antrox 785 blickte verwirrt zwischen Riley und den Männern, die auf der Plattform unter ihnen standen, hin und her. „Warum würdest du keinen Mann wollen? Du bist eine Frau! Alle deine Merkmale weisen darauf hin, dass du die Schwächere deiner Spezies bist und einen Mann brauchst, der dich beschützt.“ Antrox blickte erneut von den Männern zu Riley. „Warum würdest du keinen Mann wollen?“ Riley stieß ein hysterisches Lachen aus. Okay, vielleicht hatte sie immer noch ein bisschen Angst. „Warum ich keinen Mann will? Nun, das ist die vierundsechzigtausend-Dollar-Frage, nicht wahr? Wie wäre es, wenn wir uns eine Flasche von dem hochprozentigsten Schnaps besorgen, den ihr hier habt, und uns betrinken? Dann erzähle ich dir, warum ich keinen Mann will!“ Rileys Stimme wurde mit jedem Wort lauter. „Fangen wir am besten gleich mit dir an!“
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