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Dani, Planet Everis, unbekannter Aufenthaltsort
Da war er. Endlich hatte ich ihn gefunden. Ich war stundenlang gelaufen und mein Körper war nach dem sexy Traum im Ausnahmezustand. Ich war meinem angeborenen Jägerinstinkt gefolgt, dem wissenden Herzen einer markierten Partnerin, die nach der zweiten Hälfte ihrer Seele suchte. Das Herz sprang mir aus der Brust, als ich ihn erblickte. Ich sah die rostige Kette an der Wand, die sich unter ihm über den Boden schlängelte. Ich war Lichtjahre von der Erde entfernt und das hier war der perfekte Mann für mich. Aufseherin Egara und das Testprotokoll hatten recht gehabt. Ich wusste es. Ich war von meiner Wanderung ganz durchgeschwitzt, in der Höhle aber fing ich zu zittern an.
Dieses Höllenloch. Man hatte ihn hier zurückgelassen, um zu leiden. Um zu sterben.
Niemand hätte ihn je gefunden. Nur ich, nur seine markierte Partnerin konnte ihn dank unserer Verbindung aufspüren. Das Mal in meiner Handfläche flackerte auf und ich hisste. Ein Stöhnen entwich seiner geschundenen Gestalt und ich wusste, dass er es auch spürte. Er spürte meine Anwesenheit.
Ich trat an ihn heran und zog den riesigen Fallbolzen aus der rostigen Metallkäfigtür, die ihn gefangen hielt. Ich warf das lange Stück Schwermetall so weit weg wie möglich, öffnete die Tür und fiel vor ihm auf die Knie. Mein Knöchel brüllte protestierend, aber ich ignorierte ihn. Ich würde es überleben, Gage aber? Ich war nicht sicher, wie ernsthaft seine Verletzungen waren.
Er saß mit dem Rücken an den nackten Stein gelehnt auf dem Boden. Über seinem Kopf hingen von außerhalb des Käfigs schwere Ketten herab, sie waren völlig außer seiner Reichweite und die dunklen Glieder waren mit Handschellen an seinen Handgelenken fixiert. Er schlief. Oder er war bewusstlos. Ich war nicht sicher, denn sein Körper war schlaff und seine Hände lagen locker in seinem Schoß. Sein Gesicht, Gott, sein wunderschönes Gesicht war voller Prellungen, seine Lippen waren geschwollen. Blut tränkte sein Haar und lief an seiner Schläfe entlang. Ich streckte die Hand aus und berührte seine Schulter. Er war ausgekühlt, seine nackte Brust war blutverschmiert und voller Brandwunden, seine Haut war wie Eis. Sie hatten seine Hosen angelassen, aber seine Füße waren nackt und ebenfalls eiskalt. Außerhalb seiner Reichweite lag eine dicke Jacke auf dem Boden. Es war dieselbe Aufmachung, die die Jäger am Prüfstein trugen, allerdings stand sie nur so vor Dreck.
“Gage.” Er antwortete nicht, also schüttelte ich ihn. “Gage!”
Ich wusste, dass er lebte, die Markierung verriet es mir und seine Markierung musste auf mich reagiert haben.
“Dani?”
“Ich bin hier. Komm schon, wach auf.”
Ich spürte, wie er sich versteifte, vielleicht wurde ihm schließlich klar, dass das hier kein Traum war, dass ich wirklich vor ihm stand und ihn wachrüttelte.
“Dani?” sprach er erneut und diesmal wurden seine Augen klarer und weiter. Er stöhnte mit zusammengebissenen Zähnen. Seine dunkle Hose war mit Rissen übersät und an mehreren Stellen mit getrocknetem Blut verkrustet. Ich sah mir seinen Torso genauer an, seine kräftigen Muskeln, die mit Schnitten, Verbrennungen und Blut bedeckt waren. Er sah aus, als wäre er durch die Hölle gegangen, aber ich konnte nicht ausmachen, ob die Verletzungen nur oberflächlich waren oder ob er auch noch innere Blutungen hatte. Hatte er gebrochene Rippen? Nierenblutungen? Er war erledigt und ihn so übel zugerichtet zu sehen ließ jede Zelle meines Körpers vor Entsetzen aufschreien.
Er gehörte mir. Das konnte ich nicht zulassen. “Du bist erledigt.”
“Warum bist du hier?” konterte er und zog seine Knie an seine Brust. Wir starrten uns an. Tasteten uns ab. Er war groß. Sogar im Sitzen und mit angewinkelten Beinen. Sein dunkles Haar kräuselte sich leicht über seine Ohren, es war d**k und ich wollte meine Finger darin vergraben und herausfinden, wie es sich anfühlte. Auf seinem markigen Kiefer machte sich ein Bart bemerkbar. Selbst im spärlichen Licht der Höhle konnte ich ausmachen, dass er ein bisschen röter war als das fast schwarze Haar auf seinem Kopf. Seine Lippe war nicht nur angeschwollen, sondern hatte einen blutigen Schnitt. Sein Gesicht war dünner als in meinen Träumen, als ob er tagelang kaum etwas gegessen hatte, seine Augen aber durchbohrten mich und hielten mich in seinem Bann. Die Augen eines Raubtiers. Sie waren ganz und gar auf mich fokussiert, betrachteten jedes Detail. Sein Blick verweilte auf meinem Knöchel, auf der Neigung meiner Hüften, als ich meinen Fuß entlastete. Es war, als ob er meine Gedanken lesen konnte, als ob er längst mit meinem Körper vertraut war.
Seine Augen waren fast schwarz und von durchdringender Intensität. Ich erkannte ihn wieder, nicht nur von unseren gemeinsamen Träumen her, sondern in meinem Herzen, in meiner DNA.
Er musterte mich ebenfalls und streckte seine Hand zu mir aus, dann aber ließ er sie wieder fallen.
“Bist du echt?” Seine Stimme war heiser, ausgetrocknet. “Oder ist das ein Traum?”
Ich legte meinen Rucksack ab, zog eine Trinkflasche heraus, nahm den Deckel ab und reichte sie ihm. “Ich bin echt. Trink.”
Er nahm die Flasche und schluckte begierig das Wasser runter. Wie lange war er in dieser Höhle? Hatte er tagelang nichts gegessen, nichts getrunken? Er trank und ich blickte mich um. Er war in einer einsamen Höhle zurückgelassen worden, der Raum bot vier oder fünf Männern nebeneinander Platz. Ich konnte mich mühelos im Eingang aufrichten und selbst mit ausgestreckten Armen würde ich nicht die Decke berühren. Dreck und tote Blätter bedeckten den kalten Steinboden wie ein verrottender Teppich. Wir waren etwa vier Meter vom Eingang entfernt und die dicken Steinmauern dämpften das Tageslicht. In der Ferne konnte ich leise Wasser tropfen hören. Die Ketten, die ihn festhielten, waren groß und schwer, aber auch angerostet und mit einer Patina des Alters bedeckt. Die Metallringe und Bolzen an den Wänden waren vor langer Zeit dort angebracht worden, als ob Gage nicht der Erste war, der hierher verschleppt worden war. Um gefoltert und schließlich dem Tode überlassen zu werden.
Ein Käfig mitten im Nirgendwo? Aus welchem Grund? “Was für ein Monster unterhält einen Ort wie diesen?” fragte ich laut.
“Mein Urgroßvater,” war seine Antwort und ich blickte zurück zu ihm. Er lächelte, allerdings ohne jede Freude. “Das ist meine Höhle, Dani. Wie ironisch, nicht?”
“Nein.” Ich schnappte mir die entsorgte Jacke und wickelte sie ihm um die Füße. “Definitiv nicht. Wir müssen dich hier rausholen.”
Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. “Ich muss dich noch einmal fragen, was machst du hier?”
Ich runzelte die Stirn. “Dich retten.”
Er schüttelte langsam den Kopf. “Das hättest du nicht tun sollen. Es ist zu riskant.”
“Du warst am Verrecken.”
Er blickte mir in die Augen. Die Ader an seiner Schläfe pochte. “Ich weiß.”
“Dann—”
Er hob die Hand, aber sie fiel in seinen Schoß zurück, als ob ihm die Kraft fehlte. Ich langte in meinen Rucksack und fand unter den Militärrationen vom Prüfstein eine Art Proteinriegel. Ich reichte ihm den Riegel. “Iss langsam.”
Er brach ein Stück ab, steckte es in den Mund und kaute langsam. Ich beobachtete die einfache Handlung, das Spiel seines Kehlkopfs, als er schluckte. Dann ergriff ich seine freie Hand und drehte sie nach oben.
Da war sie.
Die Markierung.
Zum ersten Mal legte ich meine Handfläche in seine. Markierung an Markierung.
Das alles-verschlingende Brennen in meinem Körper ließ mich nach Luft schnappen. Hitze und Verlangen flackerten in mir auf, aber jetzt war nicht der passende Zeitpunkt. Aber ich fühlte mich auch ganz. Als ob ein Teil von mir gefehlt hatte … für immer. Keine Ahnung, wie ich bis jetzt durchs Leben gekommen war. Vielleicht war mir einfach nicht bewusst gewesen, dass ein Teil von mir fehlte.
Aber jetzt … jetzt gab es kein Zurück mehr. Gage gehörte mir und selbst wenn er mich bis zur Erschöpfung anschreien würde, ich würde nicht mehr lockerlassen.
“Irgendjemand möchte mich umbringen.” Er schob sich ein weiteres Stück des Riegels in den Mund und kaute. “Ich werde nicht zulassen, dass sie dir ebenfalls nachstellen.”
“Ich komme gut alleine klar. Und was dich umbringen betrifft? Soweit wird es nicht kommen.”
Er rührte sein Handgelenk und die Kette rasselte laut. “Wie du siehst, werde ich nirgendwo hingehen. Ich habe tagelang nach einem Ausweg gesucht.”
Wieder durchstöberte ich meinen Rucksack. “Im Prüfstein habe ich ein paar Sachen gefunden, die sich als nützlich erweisen könnten. Ein Kommunikationsgerät.” Ich legte das kleine Gerät auf den Boden und er hob es sofort hoch.
“Gefunden?”
Ich warf ihm einen kurzen Blick zu und machte mich wieder an die Arbeit. Ich würde ihm nicht erklären, dass ich das Ding geklaut hatte. Ich hatte beabsichtigt, die Sachen nur auszuleihen und sie wieder zurückzugeben, sobald Gage und ich zusammen zurückgekehrt waren. Besser hinterher um Verzeihung beten als nach Erlaubnis fragen, besonders da ich wusste, dass diese Höhlenmänner mich niemals mitgenommen hätten. Und ohne mich hätten sie ihn niemals finden können. Nicht ohne die Markierung, die mich wie ein Peilsender zu ihm geführt hatte.
“Ein Kommunikationsgerät? Wie kommt es, dass sie dich nicht binnen einer Meile vom Prüfstein aufgespürt haben?” fragte er.
“Es ist nicht eingeschaltet. Ich habe die Batterie rausgenommen. Ich wollte verhindern, dass irgendjemand mir folgt. Meine Freundinnen haben ihre Männer in die Sache mit reingezogen und die hätten mich gesucht. Mich aufgehalten.”
“Wer sind diese Männer?”
“Jäger im Prüfstein.”
“Sie hätten dich stoppen sollen. Für dieses Versagen werde ich sie zur Rechenschaft ziehen.”
Ich runzelte die Stirn und schürzte die Lippen. Eigentlich hätte er mir danken sollen, anstatt mir ans Bein zu pissen, aber ich würde es ihm nachsehen; für den Moment. Wahrscheinlich redete er im Delirium. Und da wir in einer Höhle waren … war es wohl nicht allzu abwegig, dass er sich wie ein Höhlenmann aufführte. “Nun, da bin ich. Mit einem Kommunikationsgerät. Und dem hier.”
“Scheiße! Eine Ionenpistole?” rief er und entriss sie mir sogleich, um die Sicherung an der Seite zu prüfen. “Du hättest dich selbst erschießen können.”
Ich schnaubte. “Deine Partnerin ist keine Vollidiotin. Ich weiß, wie man mit einer Waffe umgeht. Wie man schießt. Wie man sie trägt, ohne sich dabei zu erschießen. Falls du es noch nicht mitbekommen hast, ich habe dich aufgespürt. Ich bin kein Mädel aus der Stadt, Gage.” Er kniff die Augen zusammen, entgegnete aber nichts darauf. “Niemand sonst hat dich gefunden, oder?”
Er atmete aus, warf mir einen fast schon vorwurfsvollen Blick zu und erkannte schließlich, dass ich recht hatte. Ich war hier um seinen Arsch zu retten. Er nahm die Pistole und richtete sich langsam auf, dann zielte er auf die Deckenplatte über unseren Köpfen, an der die Kette direkt außerhalb der Gitterstäbe befestigt war.
“Geh hinter mich.”
Ich tat, wie er wollte, er aber streckte nur den Arm aus und schob mich noch weiter nach hinten.
Der Schuss hallte von den Höhlenwänden wider, gefolgt vom lauten Klirren, als die schwere Kette zu Boden fiel. Ich lugte um ihn herum und sah, dass sie nicht länger an die Höhlenwand gekettet war. “Noch einen.” Er zielte auf sein Handgelenk, etwa drei Kettenglieder von der Handschelle entfernt. “Ich wollte sie erstmal testen. Ich möchte mir nicht die Hand weg ballern.”
Er feuerte erneut und eine Kette fiel zu Boden wie eine tote Schlange. Die andere Kette hing weiter von seinem anderen Handgelenk und ich erkannte, dass er mit einer Art Seilzug angekettet worden war. Er nahm die Ionenpistole in seine andere Hand und feuerte ein drittes Mal. Ich seufzte erleichtert, als die Kette leblos gegen die Höhlenwand schlug. Zumindest stellte ich es mir so vor. Er trug immer noch Handschellen an den Handgelenken, aber er war frei. Ein Problem nach dem andern.
Gage wandte sich zu mir um und hob mein Kinn. “Lass uns verschwinden.”