AN GOETHE
AN GOETHE
I
Erhabener Geist, im Geisterreich verloren!
Wo immer Deine lichte Wohnung sey,
Zum höh'ren Schaffen bist Du neugeboren,
Und singest dort die voll're Litanei.
Von jenem Streben das Du auserkoren,
Vom reinsten Aether, drin Du athmest frei,
O neige Dich zu gnädigem Erwiedern
Des letzten Wiederhalls von Deinen Liedern!
II
Den alten Musen die bestäubten Kronen
Nahmst Du, zu neuem Glanz, mit kühner Hand:
Du löst die Räthsel ältester Aeonen
Durch jüngeren Glauben, helleren Verstand,
Und machst, wo rege Menschengeister wohnen,
Die ganze Erde Dir zum Vaterland;
Und Deine Jünger sehn in Dir, verwundert,
Verkörpert schon das werdende Jahrhundert.
III
Was Du gesungen, Aller Lust und Klagen,
Des Lebens Wiedersprüche, neu vermählt,—
Die Harfe tausendstimmig frisch geschlagen,
Die Shakspeare einst, die einst Homer gewählt,—
Darf ich in fremde Klänge übertragen
Das Alles, wo so Mancher schon gefehlt?
Lass Deinen Geist in meiner Stimme klingen,
Und was Du sangst, lass mich es Dir nachsingen!
B.T.