Kapitel Drei
Ein weicher Holzstopfen, an Ort und Stelle gedrückt und mit einem Stück Baumwollstoff fest versiegelt, verpropfte den Ausguss von Yzebels Weinkrug. Ich drückte die schwere Flasche an mich, legte beide Hände unter die Unterseite.
Die ganzen Pfade entlang zu Bostars Zelt zog eine Vielfalt an Aktivitäten meine Aufmerksamkeit auf sich: Ein Schmied formte ein Stück schwarzen Metalls in eine Klinge; ein Gerber punzte eine Schlachtfeldaufmachung auf einen ledernen Brustharnisch; und ein Töpfer bearbeitete einen Klumpen Lehm zu einer großen Amphore.
Ein Sklavenmädchen, etwa in meinem Alter oder ein wenig jünger, stand vor einem schwarzen Zelt, benutzte eine Spinnvorrichtung, um aus Baumwolle Garn zu machen. Ein Zeichen des Besitzers war auf der Seite ihres Gesichts eingebrannt. Sie lächelte und sagte etwas, aber ich verstand ihre Worte nicht.
»Ich muss gehen und Bostar den Bäcker suchen, aber das nächste Mal werde ich anhalten, um zu reden.«
Sie gab keinenHinweis, dass sie mich gehört hat. Ich wartete, aber sie machte sich wieder an ihre Arbeit, also ging ich weiter, um den Bäcker zu besuchen.
Ich kam an eine Kurve auf dem Pfad, wo ein Weg in einem Winkel davonlief und ein weiterer sich scharf in die entgegengesetzte Richtung wand. Das Zelt des Bäckers lag irgendwo entlang des Pfads zur Linken, aber ich sah den erstaunlichsten Anblick entlang des anderen Pfads, der durch die Bäume führte.
»Elefanten!«
Gefesselt von dem Anblick und den Geräuschen so vieler Elefanten, verlagerte ich den Krug in meinen Armen und schlenderte auf sie zu. Hunderte Elefanten, groß und klein, säumten jede Seite des sich schlängelnden Pfads. Die meisten waren grau, aber manche waren dunkel, beinahe schwarz. Ein paar hatten kleine Ohren, aber viele von ihnen hatten gewaltige Ohren, welche sie wie Fächer hin und her schwenkten. Die großen Elefanten waren an Metallpfosten gekettet, die in den Boden getrieben waren, während die Elefantenbabys frei herumrannten.
Einige der Tiere fraßen Heu von Haufen in der Nähe. Ein Führer schob eine Melone in den offenen Mund seines Elefanten. Das Biest zerdrückte diese, während es seinen Kopf neigte, um die Säfte aufzufangen, schluckte dann das ganze Ding, Schale, Samen und alles. Andere brachen grüne, blättrige Zweige, die dicker als mein Arm waren, in mundgerechte Stücke, indem sie ihre Rüssel und Stoßzähne benutzten. Einige Jungen huschten mit Schläuchen mit Flusswasser vorbei, welche sie in die Kuhlen zwischen jedem Elefantenpaar gossen, die in leichter Reichweite zum Trinken waren. Ich kicherte, als ein Elefant Wasser in seinen Rüssel saugte und sich dann duschte, um sich abzukühlen.
Starke, stechende Gerüche von der großen Ansammlung von Tieren füllten die Luft, aber für mich schien es überhaupt nicht unangenehm.
Die Elefanten sahen schön aus und ihre Rüssel waren immer in Bewegung – fraßen, tranken oder packten Objekte in der Nähe.
So hat mich Obolus aus dem –
Eines der Tiere erregte meine Aufmerksamkeit. Ein langer Weg entlang der Reihe auf der Rechten stand ein Elefant, der größer als die anderen war. Er fraß von einem kleinen Heuhaufen, während er gelegentlich eine Melone nahm, die von einem Führer angeboten wurde. Ich erkannte etwas an der Artwieder, wie er sich bewegte, wenn er einen Armvoll Heu fasste und es schüttelte, bevor er es in seinen Mund stopfte. Die Form seines Kopfs und seiner Ohren sah vertraut aus.
Kann es sein?
Ich beschleunigte meinen Schritt und je näher ich dem Tier kam, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass es Obolus sein könnte. Aber es gab so viele Elefanten, und war Obolus denn nicht tot, umgehauen von dem fallenden Stamm des alten Baums beim Fluss, hatte sich dann seinen Kopf an einem Felsblock angeschlagen, als er zusammengebrochen war? Diese Stoßzähne, die aus seinem Mund kamen – sie waren sehr lang und anmutig nach oben gebogen, was ihn von den anderen abhob.
Er war es!
»Obolus!« Ich ließ den Krug mit Wein fallen und rannte den Pfad hinab. »Obolus! Obolus!«
Die Führer, Wasserjungen und Helfer hielten an, um mich anzustarren. Der große Elefant riss seinen Kopf in meine Richtung, seine riesigen Ohren stellten sich auf. Die Melone, die er gerade zerquetscht hatte, fiel aus seinem offenen Mund. Einer der Führer trat heraus, breitete seine Arme weit aus, um mich aufzuhalten, aber ich zog meinen Kopf ein und rannte um ihn herum.
Als ich einmal mehr rief: »Obolus!«, wurden seine Augen groß und er bäumte sich auf, hob seinen Kopf hoch in die Luft und trompetete durch seinen Rüssel.
»Obolus, du lebst.«
Er versuchte von mir wegzukommen, aber sein linker Vorderfuß war an einen Metallpfosten gekettet, der in den Boden getrieben war. Er wich auf die Länge der Kette zurück, schüttelte noch immer seinen gewaltigen Kopf und brüllte.
»Ich bin so froh dich zu sehen.«
Er stampfte auf die Erde und entließ ein tiefes Rumpeln, was all den anderen Elefanten Angst machte und sie dazu brachte an ihren Ketten zu ziehen und zu brüllen. Die Führer schrien und rannten herum, versuchten sie zu beruhigen. An der Straße hoch und runter breitete sich von einem verängstigten Tier zum nächsten Schrecken aus und bald war der ganze Ort in Aufruhr. Die nicht angeketteten Elefantenbabys rannten herum, wobei ihre kleinen Rüssel in die Luft erhoben waren, quiekten und trappelten umher, als ob Baal, der Gott der Stürme, hinter ihnen herjagte.
Ich stand wie gelähmt da. Das riesige Biest stampfte und brüllte, schickte Wellen der Furcht durch mich, aber sein Verhalten schien wie eine gekünstelte Machtdemonstration. Als ich meine Hand ausstreckte und auf ihn zutrat, schüttelte er seinen gewaltigen Kopf und versuchte zurückzuweichen. Der Metallpfosten lockerte sich, als er an der Kette zog, und es schien, dass er vielleicht nachgeben könnte, aber dann ließ er ab und streckte seinen Rüssel in Richtung meiner Hand aus. Ich hörte, wie er Luft holte, dachte, dass er vielleicht meinen Geruch untersuchte, zu verstehenversuchte.
In dem Wissen, dass seine riesigen Füße mich wie eine Maus unter einem umfallenden Baum zerquetschen könnten oder er mich mit seinem Rüssel niederschlagen könnte, holte ich tief Luft, ging zu ihm und tätschelte sein Bein.
»Ich dachte, du wärst tot, und ich habe dir niemals dafür gedankt, dass du mich aus dem Fluss gezogen hast. Du hast mein Leben gerettet.«
»Weg von meinem Elefanten!«, schrie jemand.
Ich ignorierte den Mann und blickte zu einem von Obolus’ großen braunen Augen hoch. Er war so groß, dass zwei Männer, die auf den Schultern des anderen standen, kaum die Oberseite seines Kopfs berührenkönnten. Er machte weiterhin drohende Geräusche, aber sie wurden sachter, als er seinen Kopf drehte, um auf mich herabzuschauen. Wenn er es wollte, könnte er einfach seinen Fuß heben und mich über den Pfad treten, aber er bewegte das Bein nicht dorthin, wo ich stand. Er stampfte mit dem angeketteten Fuß jedoch weiter auf den Boden und zog gegen die metallene Einschränkung.
Grobe Hände packten meine Schultern, zogen mich weg.
»Lass mich in Ruhe!«, brüllte ich.
»Du erschreckst die ganzen Tiere«, schnauzte der Mann mich an. »Ein nutzloses Mädchen hat kein Recht darauf hier herunter zu rennen, ihnen Angst zu machen. Sieh, was du getan hast. Der ganze Ort ist in Aufruhr.«
Als er mich zurückzerrte, trat und kämpfte ich. »Lass mich los!«, brüllte ich.
»Ich werde deinen dünnen, kleinen Hals brechen, wenn du nicht aufhörst zu schreien.«
Er packte mich mit beiden Händen, verengte seine Finger um meiner Kehle, würgte mich. Ich krallte nach seinen Handgelenken, versuchte seine Hände wegzuziehen, aber er war zu stark. Mein Herz hämmerte und meine Brust hob sich schwer, während ich darum kämpfte zu atmen.
Der Mann drehte mich herum, wandte Obolus seinen Rücken zu. »Warum kommt ein dummes Kind hierher, schreit und –«
Seine Worte wurden abgeschnitten und seine Finger lockerten sich um meine Kehle. Obolus’ Rüssel schlang sich dann um die Taille des Mannes und hob ihn vom Boden.
»Nein, Obolus!«, krächzte ich. »Setz ihn ab.« Ich rieb meine Kehle und spürte die Handabdrücke des Mannes, wo er meinen Hals umklammert hatte.
Obolus hielt den brüllenden Mann kopfüber, hoch in der Luft. Die Tunika des Mannes fiel über seinen Kopf herunter und ein Stock stürzte aus seinem Gürtel, während er trat und versuchte den Rüssel des Elefanten zu packen.
Ich blickte auf den Stock. Er hatte die Länge meines Unterarms, war mit Gold besetzt und hatte komplizierte Reben und Blätter eingeschnitzt. Das Gold an einem Ende war in einen kleinen stumpfen Haken geformt und das gegenüberliegende Ende war flach. Der Stock sah wie eine Art von Schlagstock aus. Ich bemerkte, dass ein paar andere Männer ähnliche Stöcke hatten, aber ihre waren mit Silber oder Kupfer anstatt Gold besetzt.
Einige Männer rannten mit ihren langstieligen Haken herbei, aber anstatt Obolus dazu zu bringen den Mann loszulassen, begannen sie zu lachen. Das brachte den Mann sogar noch mehr auf.
»Schlagt ihn!«, brüllte er. »Tötet ihn. Holt mich hier runter.«
Die Männer lachten nur und zeigten auf den baumelnden Mann. Sogar die Wasserjungen kamen, um den Spaß zu beobachten.
»Obolus!«, brüllte ich und klatschte gegen sein Bein. »Bitte tu ihm nicht weh.«
Der Elefant kippte seinen Kopf, um mich anzuschauen. Ich streckte meine Hand weit nach oben und tätschelte den unteren Teil seines Ohrs. Er blinzelte, schaute den Mann für einen Moment an, dann zu mir herunter.
Ich wusste, dass es nur ein wenig Druck von Obolus riesigem Rüssel brauchte, um das Leben aus dem Mann zu drücken.
»Setz ihn ab.« Meine Stimme brach, klang überhaupt nicht kraftvoll.
Obolus senkte den Mann zu Boden, gab seinen Griff frei. Der Kerl fiel in den Schmutz, landete schwer auf der Hüfte, fiel dann flach auf seinen Rücken. Zwei Arbeiter knieten sich hin, versuchten ihm aufzuhelfen.
»Das ist besser«, sagte ich zu Obolus und nahm das Ende seines Rüssels in meine Hände, blickte dann zu ihm hoch. »Ich danke dir noch einmal, dass du mein Leben gerettet hast, aber dieser Mann war nur wütend, weil ich dich und die anderen Elefanten aufgebracht habe.«
Der Mann auf dem Boden keuchte nach Atem, während der Aufruhr entlang des Pfads sich beruhigte. Die Elefantenbabys hörten auf zu rennen und senkten ihre Rüssel, um mich und Obolus zu beobachten, der das Ende seines Rüssels an meine Wange legte, um mein Gesicht und meine Haare zu beschnüffeln.
»Jetzt«, sagte ich, »werde ich dir eine Melone zu essen geben und ich verspreche, dass ich nicht wieder rennend und brüllend komme, wenn du nicht wegen jeder kleinen Sache wütend wirst.«
Ich hob eine große gelbe Melone neben dem Heuhaufen auf und streckte sie ihm hin. Er kringelte seinen Rüssel ein und öffnete seinen Mund. Ich schob sie hinein und lachte, als er sie zermalmte. Er senkte seinen Kopf für mich und ich betätschelte die Seite seines Gesichts.
»Guter Junge.«
»Ich werde sie umbringen!«
Als ich die Reibeisenstimme hinter mir hörte, drehte ich mich um und wich gegen Obolus’ Bein zurück.
Der Mann krabbelte auf seine Füße.
»Nein«, sagte ein anderer Mann, der den ersten Mann mit einer Hand auf seinem Arm zurückhielt. »Siehst du, wie sie ihn beruhigt hat?« Er war ein großer Mann, breite Schultern und muskulös, aber seine Augen waren tief und gedankenvoll. Er schaute mit einem netten Gesichtsausdruck auf mich. »Du bist diejenige, die Obolus aus dem Fluss gezogen hat, oder?«
Ich nickte.
»Das dachte ich mir.« Er nahm den anderen Mann am Arm. »Ukaron, du weißt, dass diese armen Tiere auf Dinge reagieren, von denen wir nicht wissen können. Du hast gesehen, wie er ihre Kommandos befolgt hat, als ob sie ihr ganzes Leben lang gemeinsam geübt haben. Ich habe das nur einmal zuvor gesehen, als sie diesen Jungen von Indienhergebracht haben, derjenige, der von einem römischen Speer in Messina gefällt wurde. Wie war sein Name?«
»Ponichard.« Ukaron staubte sich ab. »Was ist schon dabei?«
Ich starrte Ukaron an. Die Haut seines Gesichts war zu eng, zog seine Lippen in einem ständigen spöttischen Lächeln zurück, und seine Wangenknochen und sein Kinn stießen beinahe durch die Oberfläche. Seine Augen waren schlaff und feucht wie bei einem kranken Mann, aber vielleicht war das, weil Obolus ihn beinahe umgebracht hatte.
»Es war das Gleiche, Ukaron«, sagte der andere Mann. »Dieser Junge, Ponichard, als er zum ersten Mal den Elefanten Xetos traf. Du erinnerst dich daran, welch ein übel gesinntes Tier er sein konnte. Vom ersten Moment an, als Ponichard seine Hände auf ihn legte, stand Xetos jedoch zu Diensten des Jungen, so sehr, dass wir das Biest einschläfern mussten, als der Junge im Kampf starb. Und jetzt hat Obolus ein starkes Band mit diesem Kind geformt und sie mit ihm. Ich wage es nicht zu versuchen zu erklären, welchen Zweck die Götter für solche Dinge haben, genauso wie ich ihre unendliche Weisheit nicht hinterfrage. Ich schlage vor, dass du mit dieser Beziehung zwischen Biest und Kind nicht herumpfuschst.«
»Du liegst ziemlich falsch, Kandaulo.« Ukaron behielt seine Augen auf mir, während er mit dem Mann sprach. »Sie ist ein Dämonenkind. Sie versuchte diese Tiere in Panik zu versetzen, so dass sie das Lager zerstören. Wenn irgendwelche Götter involviert sind, sind es die Götter der Unterwelt.« Er wischte mit einem haarigen Unterarm über seinen Mund, schnappte seinen Schlagstock von dem Mann neben ihm und stürmte davon.
»Jetzt geh, Mädchen«, sagte Kandaulo. »Und wenn du dich das nächste Mal entlang der Elefanten Straße traust, schlage ich vor, dass du es leise tust.«
»Ja, Kandaulo. Das werde ich.« Ich tätschelte das Ende des Rüssels, der auf meiner Schulter zu ruhen kam. Die graue Haut des Elefanten schien rau und kalt mit all den Falten, aber sie fühlte sich weich an, und er hatte eine behutsame Berührung. »Auf Wiedersehen, mein großer Freund. Schlaf gut heute Nacht.«
Obolus griff nach mehr Heu und ich schnappte eine Handvoll für ihn, aber dann erinnerte ich mich.
»O nein«, flüsterte ich. »Yzebels Weinkrug!«
Ich ließ das Heu fallen und rannte die Elefanten Straße wieder hoch.