Kapitel Drei

1249 Words
Azalea Ich stand einen Moment lang im Flur und stützte mich gegen die Wand. Eine einsame Träne entwich meinen Augen. Ich würde mich nicht vor ihnen zum Weinen bringen lassen. Das tat wirklich weh. Schmerzen strahlten von meinem Hintern aus. Dieses Mal habe ich mir wahrscheinlich das Steißbein gebrochen. Ich hob mein Shirt hoch und versuchte, meinen unteren Rücken zu betrachten. Dieses Mal werde ich definitiv einen blauen Fleck haben. Ich atmete tief ein. Ich konnte hier nicht lange bleiben. Bald würden Leute zum Frühstück kommen. Langsam machte ich mich auf den Weg in den fünften Stock. Ich griff die Putzmittel aus einem Schrank und begann, mich durch die Badezimmer nach unten in den ersten Stock zu arbeiten. Schmerzen strahlten von meinem Hintern aus, während ich arbeitete. Das machte das Putzen umso schwieriger. Eine Aufgabe nach der anderen... Ein Zimmer nach dem anderen... 3 Monate und 7 Tage... Das sagte ich mir immer wieder. Ich kann es aushalten. Es war schon schlimmer gewesen. Beta Damien hat mir damals mal die Hand gebrochen. Es war meine linke Hand, meine dominante Hand, und die Aufgaben dauerten etwa vier Wochen doppelt so lange. Dann war da noch der Tag, an dem Gwen mir siedend heißen Tee übergeschüttet hat. Diese Verbrennungen haben ziemlich lange gebraucht, um zu heilen. Ich war im dritten Stock, als er mich wiederfand. Warum war er nicht mit allen anderen im Ferienhaus am See? Gehen sie an den Wochenenden nicht normalerweise alle dorthin, wenn keine Rudelveranstaltungen stattfinden? Er kam mit einem Handtuch um den Hals und einer Shorts in der Hand ins Badezimmer und sah verschwitzt und dreckig vom Training aus, nehme ich an. Als er mich ansah, blieb ich stehen. Ich stellte sofort meinen Mopp zur Seite und bewegte mich, um das Badezimmer zu verlassen. Bitte lass mich einfach gehen... Ich wollte keine weiteren Schwierigkeiten... Pech gehabt. Ich blieb wie angewurzelt stehen, als ich von hinten durchtränkt wurde. Ich drehte mich um und sah Alpha Liam dort stehen, den Moppeimer in der Hand, der jetzt leer war. Ich sah auf den Boden um mich herum… großartig, jetzt bin ich mit schmutzigem Moppwasser bedeckt. „Na steh nicht nur da rum“, fauchte er. Ich drehte mich schnell um und griff nach einigen Lappen aus meinem kleinen Putzwagen. Ich kniete mich hin und begann, das Wasser aufzuwischen. Ich kam nicht besonders weit, da ich überall dort, wo ich trocken wischte, Wasser hintröpfelte. „Liammmmmm. Wo steckst du-“, Gwens Stimme brach abrupt ab, als sie ins Badezimmer kam. „Oh, ich hab dich gefunden!“ sagte sie viel zu süß. Gwen ist die Tochter des Beta, Damians kleine Schwester. Und sie ist fest entschlossen, dass Liam seitdem sie drei Jahre alt ist, ihr Gefährte sein wird. Sie ist eine wirklich hübsche Blondine mit langen Beinen und blauen Augen. Aber ihre Schönheit ist nur oberflächlich. Sie bemerkte mich. „Du kannst nicht einmal den Boden richtig putzen? Kein Wunder, dass dein Wolf nie gekommen ist. Sie wusste, dass du nur eine nutzlose Verräterin bist“, spottete sie. Sie ging über mich hinweg, durch das Wasser, und verpasste es nicht, auf meine Finger zu treten. Dann ging sie zu Liams Seite. „Komm und benutze meine Dusche. Dieses Badezimmer stinkt nach schmutzigem Moppwasser“, sagte sie und klammerte sich an seinen Arm. „Ja“, sagte er, als sie anfingen, aus dem Badezimmer zu gehen. Gwen zögerte keinen Moment, mich umzustoßen, als sie hinausging. Heute wird nur noch besser. Ich habe den Rest des Tages mit minimalem Spott überstanden. Ein paar übliche Schubsereien und Stürze, die zu einem neuen blauen Fleck an meinem Schienbein geführt haben, aber sonst nichts. Ich entspannte mich ein wenig und kletterte auf den Dachboden. Es ist nicht viel, aber es gehört mir und niemand stört sich daran, hier hochzukommen, was mir recht ist. In der Ecke neben einem Fenster liegt eine alte Matratze mit ein paar Decken, die ich mir ergattern konnte. Ich habe auch zwei Kissen. Eines Tages brachte ein anderer Hausarbeiter einen riesigen Wagen mit Kissen herein, die recycelt werden sollten. Ich habe die oberen zwei mitgenommen, um ein paar neue Kissen heimlich in mein Zimmer zu schmuggeln. Dabei habe ich festgestellt, dass sie einen wunderbaren Duft hinterlassen haben. Ich habe zwar keine Wölfinnensinne, da meine Wölfin mich im Grunde verlassen hat und wir uns sowieso nie verwandelt haben. Aber ich habe einen stärkeren Geruchssinn als der Durchschnitt; die Kissen rochen nach Wald und ich konnte nicht genug davon bekommen. Ich hatte auch einen Standspiegel mit einem großen Riss darin. Er war gut genug. Es ist nicht so, als ob ich hübsch genug wäre, um mich um mein Aussehen zu sorgen. Ich benutze ihn größtenteils, um nach blauen Flecken und Schnitten zu suchen, die ich selbst nicht sehen kann. Gegenüber dem Spiegel hatte ich einen alten Schreibtisch, der schon hier stand, als ich einzog. Er hatte ungefähr sechs Schubladen. In einigen bewahre ich meine Kleidung auf, in einer anderen Ersatzbuntstifte und Papier, das ich zum Lernen gefunden habe, und in einer Schublade habe ich meine „Stash“. Meine Stash ist eine Schachtel mit Münzen. Ich sammle dieses Kleingeld seit ich acht Jahre alt bin. Das wird mein Fluchtgeld sein, wenn ich die Schule abschließe. Es wird zumindest helfen, wenn ich gehe. Ich zog mein Shirt, das jetzt trockenes Moppwasser überall hatte, über meinen Kopf und betrachtete mein Spiegelbild. Ich seufzte bei meinem Anblick. Mein rotes Haar war stumpf und flach. Es hing normalerweise nur schlaff über meine Schultern. Meine Haut war blass, und ich hatte dunkle Ringe unter meinen glanzlosen grünen Augen. Manchmal sahen meine Augen fast so aus, als würden sie in meinem Gesicht versinken. Ich war immer schon dünn, aber auch sehr klein, was für eine Wölfin nicht normal ist. Wenn man das mit den zufälligen blauen Flecken, Schnitten und alten Narben kombinierte, war ich einfach nicht hübsch. Ich konnte bereits den Anfang eines ziemlich dunklen blauen Flecks sehen, genau dort, wo mein Steißbein war. Jetzt würde das Sitzen die ganze Woche in der Schule eine Qual sein. Wenn meine Wölfin doch nur zurückkommen würde, vielleicht könnte ich dann etwas schneller heilen. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Mondgöttin es sich anders überlegt hat und meine Wölfin weggenommen hat. Sie war nur für kurze Zeit in meinem Kopf. Ich wartete auf den Zeitpunkt, an dem die Verwandlung kommen würde, aber sie kam nie. Nach etwa zwei Monaten gab ich auf, zu versuchen, dass meine Wölfin mit mir spricht. Vielleicht fühlte sie auch, dass ich eine Verräterin war. Es wäre keine unbeliebte Meinung. Ich erinnerte mich an mein halb gegessenes Croissant von heute Morgen und begann hektisch in meinen Taschen zu suchen. Essen wäre großartig. Ich bin nachmittags nie zurück in die Küche gekommen, um zu sehen, ob es ungewolltes Essen gab, und nach dem Abendessen war nichts mehr übrig. Am Wochenende habe ich immer Hunger, weil mehr Leute da sind und es schwieriger ist, Reste zu bekommen. Es ist noch schlimmer, wenn das Rudelhaus Gäste aus anderen Rudeln hat. Zumindest in der Schule kann ich immer in der Cafeteria Mittag essen. Nachdem ich meine Taschen gründlich durchsucht hatte, wurde mir klar, dass es mir bei einem meiner Stürze heute herausgefallen sein muss. Ich seufzte, kroch zu meinem Bett und verbarg mein Gesicht in meinem nach Wald duftenden Kissen. Hoffentlich kann ich morgen beim Frühstück etwas extra bekommen und ein paar Bissen zu essen. Morgen ist ein neuer Tag. 3 Monate und 6 weitere Tage...
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