Kapitel eins-1

2007 Words
KAPITEL EINS CG: Catgirl war hier. King1: Ich sehe dich. CG: Schöner Code. King1: Du gehst unter. Kein Mitleid mit dem Kätzchen. CG: Oooh, mach mir keine Angst, Baby. – Gespräch zwischen Hackerin und Jackson King, CEO und Gründer von SeCure, 2009 Kylie Heilige Ironie, Batman. Als Teenager hatte ich mich in ein Unternehmen gehackt und dem Gründer und CEO eine virtuelle Siegesfahne ins Gesicht geschwenkt. Neun Jahre später bin ich genau dort für ein Vorstellungsgespräch. Und nicht nur für irgendeinen Job – einen in Infosec. Steht für Informationssystemsicherheit. Falls ich den Job kriege, verteidige ich die Firma gegen Hacker. Wie Catgirl – meine alte DefCon-Identität. Also sitze ich hier in der opulenten Lobby des internationalen Hauptquartiers von SeCure und frage mich, ob sie mich irgendwie erkennen und in Handschellen abführen werden. Eine Gruppe von Mitarbeitern schlendert an mir vorbei, lacht und redet. Sie sehen entspannt und glücklich aus, als würden sie in einen Ferienort schlendern, nicht um sich von neun bis fünf abzuplagen. Verdammt, ich will diesen Job. Ich habe mein Outfit heute Morgen ungefähr siebenundneunzigmal gewechselt – und es ist mir normalerweise egal, was ich trage. Aber das ist das Vorstellungsgespräch meines Lebens und ich bin besessen davon, jedes Detail richtig hinzubekommen. Am Ende habe ich einen eleganten schwarzen Anzug gewählt, der aus einem taillierten Blazer und einem kurzen, engen Rock besteht. Ich habe mich gegen eine Strumpfhose entschieden, nackte Beine, aber meine Füße in ein paar sexy hohe Absätze gequetscht. Unter der Anzugjacke trage ich mein Lieblings-Batgirl-Shirt. Es liegt eng um meine Brüste an und die heiße rosa-glitzernde Fledermaus schmiegt sich perfekt an das Revers meiner Jacke. Das Outfit schreit „junges und hippes“-IT-Genie, während der Anzug eine Anspielung auf die konservative Unternehmenssache ist. Ich hatte über Heels oder Chucks nachgedacht, aber am Ende haben die Heels gewonnen. Was zu blöd ist, denn als Stu, mein Ansprechpartner, herunterkommt, muss ich in ihnen aufstehen. Und laufen. Falls mein Teenager-Hacker-Ich mich jetzt sehen würde, würde sie mir ins Gesicht lachen und mich einen faulen Kompromiss nennen. Aber selbst sie hat meine Obsession für den Gründer bzw. Besitzer von SeCure geteilt, Jackson King. Eine Obsession, die sich in Bewunderung verwandelt hat, gepaart mit einer großen Dosis von sexueller Anziehung. Okay, er ist mein Schwarm. Aber Jackson ist es total wert, in ihn verknallt zu sein. Ein Milliardär und Philanthrop, also unendlich beeindruckend. Ganz zu schweigen, dass er superheiß ist. Vor allem für einen Nerd. Und der einzige Moment, den wir teilen – der Moment, als ich alle seine Sicherheitsmaßnahmen überwunden und mich Angesicht zu Angesicht mit ihm befunden habe – na ja, Mauszeiger zu Mauszeiger –, ist in mein Gedächtnis als die heißeste Begegnung meiner Jugend eingebrannt. Ich habe ihm nichts gestohlen. Ich habe nur sehen wollen, ob ich den Genie-Code knacken konnte. Ich bin abgehauen, nachdem er mich gefunden hat, und habe nie riskiert zurückzukehren. Nun könnte ich noch eine Chance auf ein Cyber-Sparring mit King haben, und der Gedanke begeistert mich. Besonders, weil diesmal meine Handlungen nicht illegal wären. „Miss McDaniel?“ Ich springe auf die Füße, Arm schon ausgestreckt, bereit zum Händeschütteln. Ich wackele nur ein wenig auf den Absätzen. „Hi.“ Verdammt, ich höre mich atemlos an. Ich zwinge meine Schultern nach hinten und lächle, während ich die angebotene Handfläche ergreife. „Hallo, ich bin Stu Daniel, Infosec-Manager hier bei SeCure.“ Er sieht aus wie ein richtiger Streber, Brille, Kragenhemd, Hose. Dreißig oder so. Seine Augen wandern zu der rosa Fledermaus zwischen meinen Brüsten und dann wieder weg. Vielleicht ist das T-Shirt ein Fehler gewesen. Ich schüttele seine Hand weiter, wahrscheinlich viel zu lange. Ich hab fünf Business-Bücher gelesen, um mich auf heute vorzubereiten, aber ich kann mich nicht erinnern, was Vorstellungsgespräche für Dummies über die richtige Dauer eines Handschlags gesagt hat. „Schön, Sie kennenzulernen.“ Zum Glück ist Stu genauso unbeholfen wie ich. Seine Augen wandern immer wieder weiter nach unten. Nicht weil er versuchen würde, pervers zu sein, sondern als wäre er zu schüchtern, um den Blickkontakt aufrechtzuerhalten. „Wenn Sie mir folgen würden, gehen wir für das Bewerbungsgespräch in den sechsten Stock.“ Zusätzlich zu der unüberwindbaren Cybersicherheit ist auch die physische Festung von SeCure gut geschützt. Als ich über die glänzenden Marmorböden gegangen und an der Hauptrezeption angekommen war, hatten sie mir gesagt, ich solle in der Lobby auf eine „Begleitung“ für mein Gespräch warten. Ich folge meiner Begleitung. „Schönes Gebäude haben Sie hier.“ Okay, das klang lahm. Ich bin scheiße im Smalltalk. Also wirklich scheiße. Vielleicht hätte ich mich die letzten acht Jahre nicht vor allen sozialen Interaktionen verstecken sollen. IT-Geeks sollten nicht wie normale Leute Bewerbungsgespräche absolvieren müssen. Sie sollten nur einen Test machen oder etwas hacken müssen. Aber vermutlich kennt SeCure meine Codeknackfähigkeiten bereits, so was Ähnliches hat die Headhunterin zumindest gesagt. Ich bin fast an meinem Kaffee erstickt, als sie mich aus heiterem Himmel angerufen hatte. Ich hatte gedacht, es sei ein Streich von einem meiner alten Online-Kumpane gewesen – dem Clean Clan. Aber nein, es war echt gewesen. Außerdem sind die Chancen, dass mich jetzt jemand aus meinem alten Leben findet, gen null. Zumindest hoffe ich das. Stu führt mich zum Aufzug und drückt auf den Pfeil nach oben. Die Türen eines Aufzugs schwingen auf, um einen Mann in einem eleganten Anzug zu enthüllen, der seinen Kopf über sein Handy gebeugt hat. Groß und breitschultrig nimmt er mehr als nur seinen gerechten Anteil vom Aufzug in Beschlag. Ohne nach oben zu schauen, bewegt er sich zur Seite, um Platz für uns zu machen. Stu lässt mich zuerst gehen und ich unterdrücke die Panik. Es ist ein kleiner Aufzug, aber nicht zu klein. Ich kann schon damit umgehen. Falls ich den Job kriege, finde ich raus, wo das Treppenhaus ist. Ich konzentriere mich auf die hellen Tasten und hoffe, dass es eine schnelle Fahrt ist. Bevor meine Begleitung einsteigen kann, ruft jemand seinen Namen. „Eine Sekunde, bitte“, sagt Stu, als eine junge Frau herbeieilt, gefolgt von zwei anderen Leuten. „Stu, der Galileo-Server ist heute Morgen abgestürzt …“ Großartig. Genau das, was ich brauche – mehr Zeit in einem Aufzug. Ich schlucke und ignoriere das Kribbeln auf meiner Haut. Eine Panikattacke macht keinen guten Eindruck. Stu nimmt seinen Fuß aus der Tür, als die junge Frau ihren Laptop öffnet, um ihm etwas zu zeigen. Die Tür schließt sich und der Aufzug fährt los. Einfach so habe ich meine Begleitung verloren. So viel zur strengen Sicherheit. Ich drücke auf den Knopf Nummer sechs. Ich weiß, wohin ich muss. Je schneller ich aus dieser winzigen Todeskiste komme, desto besser. Wir sind auf halbem Weg nach oben, als die Lichter flackern. Einmal, zweimal, dann sind sie aus. „Was zum …“ Ich verstumme, um mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Ich habe etwa zehn Sekunden, bevor ich voll ausflippe. Der im Anzug neben mir murmelt etwas. Das Licht von seinem Handy wirft ein unheimliches blaues Licht an die Wände. Der Aufzug hält an. Oh nein. Jetzt gehts los. Mein Herz schlägt wild in meiner Brust; meine Lunge schnappt nach Luft. Stopp, sage ich zu meiner Panik. Es ist nichts. Der Aufzug startet jede Sekunde wieder. Du steckst hier nicht fest. Mein Körper glaubt mir nicht. Mein Magen verkrampft sich, meine Haut wird klamm. Alles wird dunkel. Entweder hat sich meine Sicht gedimmt oder der Typ hat gerade sein Handy an sein Ohr gelegt. Ich schwanke auf den Füßen. Der große Kerl flucht. „Kein Empfang hier drinnen.“ Meine Absätze verdrehen sich unter mir und ich greife nach dem Geländer. Mein Atem kommt in schnellen Zügen. „Hey.“ Der Typ hat eine Stimme, die zu seiner riesigen Größe passt, tief und volltönend. Unter anderen Umständen würde ich sie sexy finden. „Flippst du grade aus?“ Leichte Verachtung liegt in seinem Ton. Nicht meine Schuld, Kumpel. „Ja.“ Ich kriege das Wort kaum rausgekeucht. Mein Todesgriff um die Stange verstärkt sich. Bleib auf deinen Füßen. Fall jetzt nicht in Ohnmacht – nicht jetzt. Nicht hier. „Ich mag keine engen Räume.“ Untertreibung des Jahres. Hat sich der Aufzug gerade bewegt? Oder gerät mein Körper außer Kontrolle? Alte Panik ergreift mich. Ich werde hier drinnen sterben. Ich werde nie rauskommen. Zwei große Hände schieben mich gegen die Aufzugswand und fixieren mich mit Druck auf mein Brustbein. „Was – was machst du da?“, keuche ich. „Deinen Ruhe-Reflex auslösen.“ Er klingt ruhig, als ob er täglich hyperventilierende Mädchen gegen eine Wand drückt. „Funktioniert es?“ „Ja, klar. Wenn mich ein fremder Kerl angrabscht, beruhigt mich das immer.“ Ich habe mir geschworen, meinen Sarkasmus zurückzuhalten, bis ich den Job sicher habe, aber hier ist er und wurde von mir nur so herausgespuckt. Nur Sekunden von einer Ohnmacht entfernt zu sein, macht genau das mit einem Mädchen. „Ich grabsche dich nicht an“, sagt er. „Das sagen alle Kerle“, murmele ich. Sein kurzes Lachen verebbt, sobald es begonnen hat. Fast so, als wolle er es zurückhalten. Wer ist dieser Typ? Meine Herzfrequenz verlangsamt sich, aber mein Kopf dreht sich immer noch. Noch nie hat ein Mann so nah bei mir gestanden. Geschweige denn mich berührt. Ein paar Zentimeter weiter und er würde meine Brüste umschließen. Was für ein Gedanke! Empfindungen, die ich noch nie außerhalb der Privatsphäre meines Schlafzimmers gefühlt hatte, rauschen durch mich hindurch. „Nicht, dass es mir etwas ausmacht, dass du mich begrabschst“, plappere ich. „Ich denke nur, du solltest zuerst mit mir Essen gehen –“ Seine Hände verlassen mein Brustbein so schnell, dass ich nach vorn taumele. Bevor ich fallen kann, fängt er mich an meiner Schulter und dreht mich um. Er schließt seine Arme von hinten um mich und übt wieder Druck auf mein Brustbein aus. „Wie ist das?“ Er klingt amüsiert. „Besser? Ich will nicht, dass meine gute Tat mir später Vorwürfe wegen sexueller Belästigung einbringt.“ Oh Gott, seine Stimme. Seine Lippen sind direkt neben meinem Ohr. Er versucht nicht, mich zu verführen, aber, Mannomann, nur die Worte „sexuelle Belästigung“ erhitzen meinen Körper. „Sorry.“ Meiner Stimme wird ein bisschen die Luft abgeschnitten. „Ich wollte dich nicht beschuldigen. Was ich meinte, war … danke.“ Für einen Moment bewegt er sich nicht und ich atme in seine festen Hände, er umgibt mich, beschützt mich und gibt mir mit seinem Griff Sicherheit. Und alles, woran ich denken kann, ist … verdammt. Ich hatte gedacht, eine Panikattacke wäre schlimm. Jetzt stecke ich in einem Aufzug fest, eingewickelt in die Arme eines Fremden. So. Sehr. Angetörnt. Aber so was von. Es ist, als wäre meine Muschi von meinem Körper getrennt. Der Rest von mir rennt herum und wringt besorgt meine Hände, aber für meine p***y ist sich von einem Fremden in einem dunklen Aufzug anfassen zu lassen ein guter Grund, sich zu freuen. „Du solltest dich hinsetzen.“ Anscheinend habe ich keine Wahl, weil er mich mit stetigem, unaufhaltsamem Druck zum Boden senkt. Dort angekommen, drückt er mich gegen die Wand, seine festen, aber sanften Hände handhaben mich wie eine Puppe. Scharfe Worte tanzen auf meiner Zungenspitze: Ich bin verdammt noch mal eine erwachsene Frau, keine Barbie. Aber sitzen fühlt sich gut an. Trotz seines ungehobelten Höhlenmenschen-Benehmens kümmert er sich um mich. Fast vermisse ich seine Hände an meinem Brustbein. „Wo hast du das gelernt?“, frage ich, um mich von der Tatsache abzulenken, dass ich in einem engen Rechteck mit einem Mann gefangen bin, der keinerlei Bedenken hat, seine Hände über meinen ganzen Körper gleiten zu lassen. Ich habe auch kein Problem damit, obwohl ich mir wünschte, ich könnte mich daran erinnern, wie er aussieht. Alles, was ich habe, ist ein vager Eindruck von einem kräftigen Kiefer und einem Hauch von Ungeduld. Ich war zu sehr darauf fokussiert, mir die Aufzugfahrt schön zu reden, als ihn mir genauer anzuschauen. „Jahre und Jahre an Erfahrung, Frauen an dunklen Orten zu erschrecken.“
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