"Vielen Dank, Sie haben uns sehr geholfen!" Der Polizist nickte Gabriel höflich zu und setzte seinen Rundgang im Park fort. Überall tummelten sich Menschen. Ein paar saßen auf großen Decken und picknickten, andere spazierten die Wege entlang und genossen das schöne Wetter und auf den Wiesen spielten die Kinder. Die Sonne schien und die Vögel zwitscherten. "New York nervt!" Gabriel drehte sich stirnrunzelnd zu mir um. "Warum das denn? New York ist doch eine tolle Stadt!" "Oh ja, der ganze Lärm, die Abgase und nicht zu vergessen die Kinder!" Ich wich ein paar Jungs aus die einem Ball hinterliefen. Gabriel lächelte leicht. Eines dieser arroganten Lächeln die dich dazu brachten an dir selbst zu zweifeln. Eines dieser Lächeln die Gabriel immer aufsetzte, wenn er den großen, vernünftigen Bruder spielte. Eines dieser Lächeln, die mich früher sofort verunsichert hätten, heute jedoch einfach nur mehr nervten. "Uriel, du bist seit neuesten so sarkastisch. Das sieht dir gar nicht ähnlich, sondern eher..." Er verstummte und sein Gesicht verfinsterte sich. Ich wusste genau was er dachte. Ich verkniff mir ein Grinsen und setzte meine unschuldige, naive Miene auf, mit der ich in letzter Zeit im Dauerzustand rumrannte. "Wen? Meinst du Lucifer? Also wenn du mich fragst, ist sarkastisch nicht gerade das passende Wort für ihn. Zynisch trifft es schon eher." Gabriel kniff leicht die Augen zusammen. Verdammt, sein Nachdenk-Blick. "Naja, Lucifer ist ja jetzt irrelevant. Der ist da, wo er hingehört, und macht keine Probleme! Was hat der Polizist gesagt?" Versuchte ich geschickt das Thema zu wechseln, bewirkte leider nur das Gegenteil. "Lucifer macht uns jede Menge Probleme! Obwohl Vater ihn eingesperrt hat, hat er Mittel und Wege, um uns trotz allem zu sabotieren. Er kann zwar physisch nicht aus der Hölle, aber nach wie vor psychisch. Er dringt in das Unterbewusstsein der Menschen ein, und manipuliert sie sich so zurecht wie er sie will. Gemein, emotionslos und ohne Gewissen. So können sie seine Drecksarbeit erledigen, und sie wissen noch nicht einmal das sie ihre Seele dem Teufel verkaufen, und dabei auch noch zahllose andere Seelen in den Abgrund ziehen!" "Diese armen Kreaturen! Und alles nur weil Lucifer sich ihre Gier nach Geld und Macht zunutze macht! Wenn man es genau nimmt, sind sie selbst schuld!" "Sag sowas nicht! Sie sind noch jung, sie wissen es nicht besser. Deswegen sind wir hier. Um ihnen einen besseren Weg zu zeigen!" "Amen Bruder, los gehts!" Ich wollte an Gabriel vorbei als der mich festhielt. Ich drehte mich zu ihm und wollte gerade einen spöttischen Kommentar abgeben, doch ich verstummte als ich seinen Blick sah. Er war teils mitleidig, teils verständlich. Was zum Teufel soll das denn? "Ich glaube ich weiß was hier los ist." Ach echt? Scheiße! Ich versuchte eine unschuldige Miene beizubehalten. "Keine Ahnung was du meinst!" "Oh, doch, das weißt du! Wie konnte ich nur so blind dem gegenüber sein!" Scheiße! Schnell checkte ich meine Fluchtmöglichkeiten. Aussichtslos! Beinahe hätte ich Gabriels nächsten Satz verpasst, der mich mehr als nur aus dem Konzept brachte. "Du durchlebst gerade eine Existenzkrise!" Ich starrte ihn verblüfft an. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Wie kommt er auf so einen Schwachsinn? Existenzkrise? Ich? Bitte! "Existenzkrise?" "Ja! Das ist alles Lucifers schuld!" Na klar, gib dem Teufel die Schuld! Und ich dachte sowas wie Vorurteile wäre ihm fremd. "Lucifer?" "Er hat dich verunsichert! Wegen ihm denkst du, du müsstest wer anders sein. Jetzt versuchst du in die Rolle des jungen Rebellen zu schlüpfen, so wie Lucifer das immer war! Aber Uriel, das brauchst du nicht! Du bist der vierte Sohn Gottes! Du warst immer der bedachteste von uns, du hast dich niemals von Emotionen leiten lassen, so wie Lucifer es tat. Und vor allem warst du nie so verzweifelt das du auf Sarkasmus zurückgreifen musstest." Jetzt bloß nicht lachen! Ich musste mich zusammenreißen, um eine teilnahmslose Miene beizubehalten. Verzweifelt? Bitte, das sagt er doch nur weil ihm nie eine schlagfertige Antwort einfiel, wenn Lucifer wieder mal mit einer seiner sarkastischen Beleidigungen kam. Und was soll das heißen, in Lucifers Rolle schlüpfen? Der junge Rebell? Nein danke, das überlass ich gerne Lucifer, wenn er wieder zurückkommt. "Keine Sorge, Gabriel. Ich habe nicht vor in Lucifers Fußstapfen zu treten! Ich stell es mir auch viel zu anstrengend vor den Himmel anzuzünden. Schließlich kann ich ja nicht einfach mit den Fingern schnipsen so wie unser Bruder. Und wenn wir das geklärt hätten, könnten wir endlich Vaters Auftrag erledigen?" Mit diesen Worten machte ich mich von ihm los und ging los, das Grinsen versteckend.