Kapitel 1

3458 Words
1 Alexis Lopez, Zentrum für interstellare Bräute, Miami Finger strichen sanft über meine Wange. Federleicht und behutsam. Trotzdem konnte ich Hornhaut spüren und der heftige Kontrast jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich konnte ihn nicht sehen, aber ich kannte ihn. Ich spürte mehr als nur seine Berührung. Ich spürte sein Verlangen, seine Lust. Wie das möglich war? Keine Ahnung. Es ergab keinen Sinn, aber ich wollte nicht darüber nachdenken. Ich wollte ihn einfach nur spüren. “Kalt?” fragte seine düstere Stimme. Ich schüttelte den Kopf. Mir war heiß. Meine Brüste waren schwer und empfindlich. Meine p***y zuckte und pochte vor Verlangen, vor Not … mit einer kostbaren Empfindung, die ich noch nie gespürt hatte. Lust. Auf meiner Hüfte machte sich eine merkwürdige Hitze breit und irgendwie verband sie mich mit diesem Fremden. Ich wusste nicht, wer er war, aber ich kannte dieses Mal. Es brannte und schickte Stromschläge durch mein Blut direkt bis in meinen Kitzler, und zwar mit einer Wucht, die ich mir nie hätte vorstellen können. Nein. Es war falsch. Ich hatte zwar ein Geburtsmal, aber nicht an der Hüfte. Ich befeuchtete meine plötzlich so trockenen Lippen und fragte mich, wie es sich wohl anfühlen würde, sollte er mein Geburtsmal berühren. Meines war an der … “Nicht, Liebling.” Sein Finger wanderte an meine Unterlippe und rieb hin und her. “Wenn du dir so die Lippen leckst, dann kann ich nur noch daran denken, wie du mir einen bläst.” In meiner Mitte flackerte Hitze auf und ich winselte. Vage Erinnerungen taten sich in mir auf, aber ich konnte sie nicht wirklich abrufen. Irgendwoher kannte ich diesen Mann, seinen Duft, sein Aroma. Ich verzehrte mich nach ihm und ich hatte nie irgendeinen Mann gewollt. Nichts davon ergab Sinn, aber dieser Traum durfte nicht aufhören. Niemals. Ich hatte mich schon immer gefragt, was in all den anderen Mädchen vorging, worüber sie so vergnüglich kicherten. Und dann hatten sie ein anderes Gesprächsthema gefunden. Ich, die schräge Außenseiterin. Die Zuwendungen der männlichen Zunft hatten mich noch nie interessiert, nie war mir das Herz höher gerutscht, wenn ich einen Typen angesehen hatte und schon gar nicht einen Fremden. Ich hatte mich damit abgefunden, dass ich seltsam war, ein kalter Fisch. Defekt. Jetzt aber, mit ihm? Mein Körper war vor Lust regelrecht aufgelebt. Vor sinnlicher Not. Ich konnte an nichts anderes mehr denken, als ihn zu schmecken, ihn zu spüren. Irgendwie wusste ich, dass er mich gleich nehmen würde. Er würde mich ficken und mich für immer erobern. Und ich wollte es, und zwar so heftig, dass ich nur noch ihn wahrnahm. Seinen Duft. Seine Stimme. Die rauen, schwieligen Fingerspitzen, die immer noch über meine Lippe strichen. “Liebling, willst du meinen Schwanz nochmal kosten?” Liebling? Was? Einen Moment lang war ich verwirrt, aber dieses neue Ich, diese Traumgestalt, wollte ihn. Jetzt gleich. Also gab ich mich dem Moment hin; meine Neugierde war einfach stärker. Ich war noch nie mit einem Mann zusammen gewesen. Ich wollte wissen, wie es sich anfühlte, wenn er in mir war. Dieser Mann. Er war für mich bestimmt. Und seine Versprechungen klangen so verheißungsvoll. Über Schwänze wusste ich Bescheid. Ich war zwar noch Jungfrau, aber ich war nicht blöde. Allerdings wusste ich nicht genau, was er damit anstellen würde. Ich wusste nicht, wie er sich in mir anfühlen würde, oder wie er schmecken würde. Blowjobs waren schon immer ein heißes Thema gewesen. In der Oberstufe haben die Mädels sogar im Schulbus welche gegeben. Ich? Niemals. Ich war an keinem meiner Mitschüler interessiert gewesen und schon gar nicht an ihren Bleistiftschwänzen. Er aber? Das Wasser lief mir im Mund zusammen, so sehr wollte ich ihn kosten, sein dickes, schweres Gewicht auf meiner Zunge spüren. Dann glitt sein Finger davon und wurde von seinen Lippen ersetzt. Er küsste mich! Aber nicht so wie Bobby Jenkins in der zehnten Klasse. Wir drückten uns nicht hinter der Turnhalle herum. Dieser Junge hatte keine Zahnspange. Nein, er war kein Junge. Er war ein Mann. Mit einer Hand an meinem Nacken hielt er mich genau so, wie er mich haben wollte und sein Mund war fest und entschlossen. Er schob seine Zunge in meinen Mund und es war so gut. Er leckte meine Mundhöhle mit langsamen, saftigen Zügen und es war unglaublich. So fühlte es sich also an? Hitze breitete sich in meinen Adern aus, wie süßer, zähflüssiger Zuckerrübensirup. “Bist du je von einem Mann geküsst worden?” fragte er und seine Lippen strichen über meine, dann an meinem Kiefer entlang. Ich schüttelte den Kopf in seinem festen Griff. “Was hast du sonst so probiert, Liebling? Wer hat diese zarte Haut berührt? Dich hier geküsst?” Seine Lippen strichen über mein Schlüsselbein und ich schmolz nur so dahin, seine Lippen sollten tiefer wandern, zu meinen Nippeln. Vielleicht sogar noch tiefer. Ich hatte noch nie einen Mund auf mir gespürt, jedenfalls nicht da unten. Gott, ich hatte überhaupt nichts ausprobiert. Was für eine Lachnummer ich sein musste. “Niemand. Niemand sonst. Noch nie.” Ich würgte das Geständnis hervor und wartete auf sein Gelächter oder seine hochgezogene Augenbraue. Wer würde das heutzutage schon glauben? Eine einundzwanzigjährige Frau, die immer noch Jungfrau war. Wenn ich das zuhause zugäbe, würden sich alle nur kaputt lachen. Ich schluckte, dann winselte ich erneut, als er meine Ohrmuschel streifte und zärtlich an meinem Ohrläppchen knabberte. Seine Hände glitten über meinen unteren Rücken und umpackten meinen Arsch, sein Daumen strich über das empfindliche Mal an meiner Hüfte. Fast wurden meine Beine schwach, als Schockwellen des Verlangens mich erzittern ließen. Ich war vollkommen nackt und seine raue Kleidung rieb meine empfindliche Haut wie Sandpapier. Meine Nippel stellten sich auf und ich stöhnte, dann legte ich den Kopf in den Nacken, um ihm den Zugang zu meinem Hals zu erleichtern. Auch das hatte ich noch nie gemacht, aber diesem Mann, der mich seinen ‘Liebling’ nannte, würde ich alles geben. Alles. “Ich habe nie irgendjemanden gewollt.” Traurig, aber wahr. Ich hatte mich noch nie so gefühlt. Hitzig und feucht und voller Sehnsucht. “Gut,” flüsterte er. “Du gehörst mir und ich werde dich nicht teilen.” Alles klar. Ich schloss meine Augen und befühlte ihn, ich wollte meine Hände in seinem Haar vergraben und ihn näher an mich ziehen. Aber so sehr ich es auch versuchte, ich konnte ihn nicht fassen. Es war, als ob er verblasste, als ob meine Hände ins Leere griffen. Er ließ mich los und mir wurde kalt. Ich war allein. “Komm zurück,” flehte ich. “Bist du noch Jungfrau?” fragte er. Er berührte mich zwar nicht länger, jedoch konnte ich das Verlangen in seiner Stimme hören. Und ich hatte das bewirkt. Ich! “Ja.” Ich nickte und mein Haar fiel über meine Wange. Ich hörte Tränen in meiner Stimme, keine traurigen, wütenden Tränen, sondern Tränen der Liebe und des Glücks und diese Tränen waren so überwältigend, dass es fast schon wehtat. Irgendwie kannte ich ihn. Ich wusste, dass er mir gehörte. Irgendwie wusste ich, dass er mich liebte, wirklich. Die Tränen waren wie mein Herz, das sich über meine Wangen in mein Gesicht ausschüttete. “Soll ich dein Erster sein?” Ich konnte ihn nicht mehr sehen, aber seine Stimme flüsterte mir von hinten ins Ohr. “Ja.” “Akzeptierst du meinen Anspruch an dich? Und wirst du mich im Gegenzug zu deinem Partner machen? Für immer?” “Ja,” bekräftigte ich. Ich kannte ihn zwar nicht, aber dieser Körper kannte ihn. Ich kam mir vor wie irgendjemand anderes, jemand, der magisch und mächtig war und sich nicht davor fürchtete im Bett zu versagen. Wenn ein einziger Kuss von ihm sich dermaßen gut anfühlte, wie würde es erst werden, wenn er mich ernsthaft anfasste? Wie würde es sich anfühlen, wenn sein fester, heißer Körper, seine Haut, gegen meinen presste? Wenn sein Schwanz in mir steckte? Wenn er mich mit seinem Mund eroberte, während er langsam in mich hineinstieß, während er sich Zeit ließ und unsere Hände sich ineinander verschlangen. Mein Geist wurde mit allen möglichen romantischen Bildern überschwemmt und ich wusste, dass er sie alle verwirklichen würde. Er war der Richtige. Er würde mich glücklich machen. So glücklich. “Träum von mir.” Seine Stimme verblasste zu kaum mehr als einem Flüstern und ich wollte sie festhalten, aber der Traum schlüpfte mir durch die Finger wie Wasser. Träum von mir. Ich öffnete die Augen und blickte mich blinzelnd um. Es dauerte ein paar Momente, ehe ich mich wieder gesammelt hatte, ehe mir klar wurde, dass nichts davon real gewesen war. Der Mann. Der Kuss. Nichts. Meine Wangen waren feucht und mir wurde klar, dass ich wirklich geweint hatte. Jetzt schienen die Tränen einen guten Grund zu haben. Verlust. Ich fühlte mich bedürftig. Leer. Zurück in meinem kalten, stillen Dasein, das bis jetzt niemand durchdringen konnte. Niemand außer ihm. Ich war im Zentrum für interstellare Bräute. Das Testzimmer war klein und zweckdienlich und ähnelte eher einem Untersuchungszimmer beim Arzt, als einer hochmodernen Matchmaking-Einrichtung des Weltraumzeitalters. Der Raum brachte meine Erinnerungen zurück. Meine Handgelenke waren an den Metalllehnen einer Art Zahnarztstuhl fixiert. Die Fesseln störten mich jetzt. Ich hatte gehört, dass weibliche Strafgefangene sich freiwillig als Braut melden konnten. Vielleicht waren die Fesseln ja notwendig, schließlich handelte es sich dabei um Kriminelle. Vielleicht hatte es Fluchtversuche gegeben. Vielleicht waren sie einfach nur gewalttätig oder gemeingefährlich und das Bräutezentrum wollte daher keine Risiken eingehen. Aber ich war keine Kriminelle. Ich? Ich hatte nicht einmal ein Päckchen Kaugummi im Eckladen mitgehen lassen, wie meine bekloppten Freunde in der Unterstufe. Ich hatte bei keiner Prüfung gemogelt oder meine Mutter angeschwindelt. Ich war öde und traurig und armselig und so einsam, dass ich kaum noch klarkam. Die Aufseherin hatte gesagt, die Handfesseln wären zu meiner Sicherheit. Als sie mich festgeschnallt hatte, hatte ich mich gefragt, wie riskant der Testvorgang wohl war. Dann aber hatte sie sich mit einem Lächeln auf den Lippen entfernt und mit dem Finger über ein Tablet gewischt. Das war alles, woran ich mich erinnern konnte. Der Traum war ganz und gar nicht gefährlich. Gefährlich vielleicht für meine Unschuld. Meine Eierstöcke waren jetzt definitiv aufgewacht. Ich lungerte auf dem gebogenen Sitz, würde aber nirgendwo hingehen. Der Stuhl war gekrümmt und nach hinten gewinkelt, als ob ich gleich eine Füllung bekommen würde. Nicht, um mit einem Alien verpartnert zu werden. “Alexis, alles in Ordnung?” Die Aufseherin trug zum Glück ihren Namen an der Uniform. Eine Gedächtnisstütze. Egara. Sie war ziemlich nett, besonders, da das Programm für interstellare Bräute als durch und durch geradlinig und effizient galt. Sogar ein bisschen militärisch. Sie aber hatte mich beruhigt und mich in meiner Entscheidung bekräftigt. Die Fernsehwerbung zeigte glückliche Frauen, die mit Aliens auf fremden Planeten lebten. Ihre verliebte Ausstrahlung—und dieses offensichtlich gut gefickte Strahlen auf ihren Gesichtern—hatte mich aufhorchen lassen, aber ich hatte nichts unternommen. Bis jetzt. Bis ich absolut nichts mehr zu verlieren hatte. Jetzt war ich soweit. Mein Vater war tot, meine Mutter war bereits vor zwei Jahren gestorben und bei Rosie, meinem Golden Retriever wurde eine Woche nach dem Tod meines Vaters Knochenkrebs festgestellt und ich hatte schließlich auch sie verloren. Mein Hund war seit meinem elften Geburtstag meine beste Freundin und sie hatte sich mehr Geheule und schreckliche Popmusik angehört, als irgendein anderes Tier. Sie war nicht von meiner Seite gewichen, hatte Zuhause in meinem Bett geschlafen und mir an Vaters Bett Gesellschaft geleistet, als sonst niemand für mich da war. Ich liebte diesen Hund. Meine Eltern liebte ich auch. Aber sie alle waren jetzt tot. Alles war fort, außer das große Haus, in dem ich es einfach nicht mehr aushielt. Der Hof war riesig, das Haus ein Ungetüm mit vier Schlafzimmern und ich wollte es auf keinen Fall behalten. Die Bilder an den Wänden, die Möbel, die Gerüche … Es fühlte sich an, wie in einem Schrein für meine toten Eltern zu wohnen und ich konnte das einfach nicht mehr. Also hatte ich es verkauft und das Geld dem Baby meiner Cousine gespendet, dann hatte ich ein Auto gemietet und war nach Miami gefahren. Von Denver aus drei Tage. Ich hatte kaum geschlafen und noch weniger gegessen. Ich fühlte mich leer. Vollkommen leer. Bis jetzt. Bis zu diesem Traum. Und die Tränen wollten gar nicht mehr versiegen, wie ein leckender Wasserhahn. Dieser Mann hatte meine Gefühle aufleben lassen. Seinetwegen verspürte ich Verlangen. Hunger. Lust. Das Mädchen aus dem Traum war so anders als ich. Sie war voller Liebe und Hoffnung und ihre Lebensfreude sprudelte wie ein Brausebonbon unter ihrer Zunge. Genau das wollte ich. Ich wollte mich so fühlen wie sie. “Miss Lopez? Hören Sie mich?” Ich blinzelte die Aufseherin an und verscheuchte die Spinnenweben aus meinen Gedanken. Diese Gedanken gehörten der Vergangenheit an, jener komplizierten, verworrenen, schmerzhaften Vergangenheit, die ich hinter mir lassen würde. Heute noch. Jetzt gleich. “Ja, alles in Ordnung. Das ging aber schnell.” Es kam mir vor, als ob ich mich vor einer Minute erst mit dem tristen, mit dem Logo des Bräuteprogramms bedruckten Krankenhauskittel auf den Stuhl gesetzt hatte. “Ja, in der Tat,” erwiderte sie. Ich hörte die Verwunderung in ihrer Stimme und plötzlich wurde mir ganz flau im Magen. Kein Typ in der Welt hatte auch nur ein Zehntel von dem bewirkt, was mir in diesem Traum widerfahren war. Für keinen Mann auf der Erde war ich je heiß geworden. Niemals. Vor ungefähr einem Jahr war ich sogar zur Ärztin gegangen und hatte meinen Hormonspiegel testen lassen, aber sie hatte nur lächelnd auf meinen Bluttest geschaut und mir versichert, dass alles normal war. Sie hatte gesagt, dass alles in Ordnung war. Ich war kerngesund. Sie hatte mir sogar achselzuckend empfohlen, dass ich stattdessen besser zum Psychologen gehen sollte. Dann wollte sie mich über meinen Vater und meine Verwandten ausfragen und ich hatte sie abgewimmelt und war sofort abgehauen. In meinem Leben gab es solche Geheimnisse nicht. Und selbst wenn; ich hatte Freundinnen, die Missbrauch und Vergewaltigung erlebt hatten, aber ihnen erging es nicht wie mir. Sie hatten ihre Vergangenheit aufgearbeitet und einen Weg gefunden, um Beziehungen zu führen. Sie wollten es zumindest versuchen. Ich aber? Auf keinen Fall. Irgendetwas stimmte nicht mit mir. Letztes Jahr hatte Hank mich als frigide bezeichnet, nachdem ich seine Annäherungsversuche zurückgewiesen hatte. Klar, er war zudringlich geworden und hatte nach Knoblauch gestunken. Robert hatte mich als prüde beschimpft, nachdem ich ihm nach unserem zweiten Date keinen blasen wollte; als Gegenleistung, wie er gesagt hatte, weil er mich zum Abendessen eingeladen hatte. Zweimal. Ich hatte ihn vor meiner Wohnung mit dem Schwanz auf seinem Schoß in seinem Auto sitzen lassen. Nachdem ich die gewölbte, aderige Eichel erblickt hatte, musste ich mich fragen, warum irgendeine Frau sich das Ding in den Mund stecken würde. Selbst jetzt erschauderte ich bei dem Gedanken. Mit jedem kühlen, feuchten Kuss, den ich je empfangen hatte, von Will Travers Schmatzer auf die Wange in der fünften Klasse bis zum ersten Zungenkuss hinter der Tribüne in der Zehnten, hatte ich mich nur schlampig gefühlt. Ich war anders. Männer fanden mich offensichtlich nicht attraktiv und mein Kitzler musste irgendwie beschädigt sein. Wenn es um Männer ging, spürte ich rein gar nichts. Ich hatte mich sogar gefragt, ob ich nicht lesbisch wäre. Nach dem Zwischenfall mit Roberts Schwanz hatte ich mir einen Monat lang Frauen angeschaut, ich hatte sie studiert und mich gefragt, ob ihre Körper mich irgendwie anmachen könnten. Ich hatte Meg, eine lesbische Bekannte gefragt wie man merkt, ob man tatsächlich anders rum ist. Sie meinte nur, dass wenn ich nicht direkt in die Büsche abtauchen wollte, ich wahrscheinlich auch nicht auf Frauen stand. Sie hatte mich sogar geküsst, weil ich sie darum gebeten hatte. Und ich hatte nichts gespürt. Nichts. Da der Gedanke daran eine andere Frau da unten zu küssen sich in etwa so wohlig anfühlte, wie mir auf dem Parkplatz Roberts Schwanz in den Mund zu stecken, war ich also auch keine Lesbe. Was irgendwie scheiße war. Mir war völlig egal, in wen ich mich verlieben würde, ich wollte einfach nur lieben. Ich wollte Verlangen spüren. Ich hatte meine Eltern geliebt, aber das war nicht dasselbe. Ich hatte meinen Hund geliebt. In der Schule hatte ich Freunde gehabt, die mir wirklich am Herzen lagen. Süße Katzenbilder und Hundewelpen und Babys ließen mein Herz höher schlagen. Mein Herz funktionierte also prächtig. Da ich aber nicht auf Frauen stand und kein Mann mich je antörnen und zum Keuchen bringen konnte, wie ich es im Fernsehen gesehen hatte, hatte ich schließlich aufgegeben. Ich hatte mich einfach zusammengerissen und auf die Arbeit konzentriert. Ich war zur Schule gegangen und hatte eine Ausbildung zur Köchin gemacht, denn Essen war das einzige, was mich begeistern konnte. Die Aromen, die Texturen, die Überraschungen, die über meine Zunge rollten, wenn ich Gewürze oder Zutaten auf unerwartete Weise miteinander kombinierte. Die letzten drei Jahre hatte ich in der Gourmet-Kochschule im Stadtzentrum verbracht und so viel gelernt, wie ich nur konnte. Ich war ein herausragender Lehrling, hatte aber das Gefühl, das Leben würde in einer verqueren und grausamen Posse an mir vorbeiziehen. Nachdem die Pflege von erst einem und dann dem zweiten kranken Elternteil mich niedergeschlagen hatte, musste ich feststellen, dass ich mich am Ende des Tages nach dem Unterricht doppelt so einsam fühlte wie am Morgen. Die anderen Leute dort arbeiteten in echten Restaurantküchen, sie konnten sich schon beweisen, während ich jede Minute der Ausbildung in meinen straffen Tagesablauf quetschen musste. Irgendwann schließlich musste ich die Schule aufgeben und mich um meinen Vater kümmern. Eine Krankenschwester oder eine Pflegeeinrichtung konnten wir uns einfach nicht leisten. Und ich konnte es einfach nicht ertragen, dass er in einer solchen Einrichtung dahin vegetieren würde, während ich sautierte Pilze und Cremesoße für reiche Touristen zubereitete. Also kümmerte ich mich um meinen Vater und dachte mit jedem Tag mehr an die Werbung vom Programm für interstellare Bräute. Sie versicherten, dass ihr Match-Making zu neunundneunzig Prozent erfolgreich war. Das war beachtlich, denn die Scheidungsraten für reguläre Ehen auf der Erde betrugen immerhin fünfzig Prozent. Neunundneunzig Prozent hörte sich verdammt gut an. Und wenn ich nicht länger mit Typen wie Robert ausgehen musste und garantiert einen Typen abbekommen würde, der perfekt zu mir passte, dann war ich Feuer und Flamme. Zum Teufel, ich hatte nichts zu verlieren. Selbst, wenn es sich bei diesem Typen um einen Alien handelte. “Hmm.” Aufseherin Egara ging neben mir auf und ab, ihr dunkelbraunes Haar war zu einem Dutt hochgesteckt und sie war voll und ganz auf das Tablet in ihrer Hand konzentriert. Sie wirkte nicht länger zufrieden. Nein, sie sah beunruhigt aus. Vielleicht war ich ja tatsächlich hinüber. Vielleicht funktionierte ihr System bei Mädels wie mir nicht; dummen, verängstigten Jungfrauen, die keine Ahnung hatten, was sie mit einem Mann anfangen sollten und schon gar nicht mit einem Alien. Seltsamerweise trocknete dieser Gedanke sofort meine Tränen. Mit Kummer und Einsamkeit konnte ich leben. Falsche Hoffnung aber schmerzte so viel mehr. “Es hat nicht geklappt, oder? Sie konnten kein Match für mich finden.” Ich seufzte und versuchte, die Enttäuschung in meiner Stimme zu verschleiern. “Ich wusste es.” “Sie wussten was?” erkundigte sie sich. “Dass ich nicht normal bin, dass es bei mir definitiv nicht hinhaut, wenn es um Männer geht.” Die Aufseherin lächelte etwas bedrückt. Oh ja, ich war erbärmlich. “Oh, nein Alexis. Verzeihung, aber mir ist nicht aufgefallen, dass Sie sich Sorgen machen. Ich hätte es Ihnen gleich sagen sollen. Sie haben ein Match.” Mein Herz setzte einen Schlag aus und ich riss die Augen auf. “Ein Match? Wirklich?” Da draußen gab es jemanden für mich? Jemanden, der jetzt gerade auf mich wartete? “Wirklich,” bestätigte sie und strahlte. “Wer?” Ich war ganz außer Atem und aufgeregt, aber ich konnte nicht anders. Heute in diesem Traum war ich das erste Mal von einem Typen angetörnt worden. Und ich hatte keine Ahnung, wer er war oder wo er steckte. Ein Fingerwisch über ihr Tablet und die Handfesseln zogen sich zurück. Ich setzte mich auf und rieb meine Handgelenke, obwohl der Griff nicht wirklich straff gewesen war. “Alle Bräute werden zuerst einem Planeten zugeordnet, dann einem Partner. In Ihrem Fall ist das recht spannend, Ihrem genetischen Profil nach wurden sie Everis zugeteilt.” Ihr gewiefter Blick wanderte über mich. “Wie es aussieht, haben Sie die spezifischen Anforderungen für diesen Planeten erfüllt.” “Oh? Welche Anforderungen?” Sie neigte den Kopf zur Seite und warf mir einen prüfenden Blick zu. “Zeigen Sie mir bitte ihre Handfläche.” Ich wusste nicht, welche sie meinte, also drehte ich beide Hände nach oben, damit sie sie betrachten konnte. Sie runzelte die Stirn. “Merkwürdig.”
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