KAPITEL VIER

1438 Words
KAPITEL VIER Darius spürte, wie ihm Blut ins Gesicht spritzte. Als er sich umdrehte, sah er ein Dutzend seiner Männer, die von einem Empire-Krieger auf einem riesigen schwarzen Pferd niedergemäht worden waren. Der Krieger schwang ein Schwert, das grösser war als jedes, das Darius je gesehen hatte, und in einem sauberen Schwung mähte er damit die Köpfe von zwölf Männern ab. Darius hörte Schreie überall um sich herum und egal in welche Richtung er sich wandte, überall sah er seine Männer, die niedergemetzelt wurden. Es war surreal. Die Empire-Krieger stürmten auf sie ein und massakrierten sie zu Dutzenden, dann Hunderten – dann Tausenden. Darius kletterte auf den Sockel einer Statue und so weit das Auge reichte sah er tausende von Leichen. Alle seine Leute stapelten sich tot in den Straßen von Volusia. Niemand war übrig. Nicht ein einziger Mann. Darius stieß einen Schrei der Hilflosigkeit und des Schmerzes aus, als er spürte, wie Empire-Krieger ihn von hinten packten und ihn schreiend in die Dunkelheit wegzerrten. Darius erwachte keuchend und um sich schlagend. Er sah sich um, versuchte zu verstehen, was geschah, was real war und was ein Traum. Er hörte das Klirren von Ketten und als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte er, woher das Geräusch kam. Er blickte auf seine Knöchel herab, die mit schweren Ketten gefesselt waren. Sein ganzer Körper schmerzte, des Brennen frischer Wunden und überall an seinen Kleidern klebte getrocknetes Blut. Jede Bewegung fiel ihm schwer, und er fühlte sich, als ob er von einer Million Männern verprügelt worden war. Sein linkes Auge war fast vollkommen zugeschwollen. Langsam drehte Darius sich um und betrachtete seine Umgebung. Einerseits war er froh, dass alles ein Traum gewesen war – doch als er alles in sich aufnahm, begann er langsam, sich zu erinnern, und der Schmerz kam zurück. Es war ein Traum gewesen, doch viel Wahrheit war in ihm gelegen. Die Bilder seines Kampfes gegen die Empire-Krieger innerhalb der Tore von Volusia. Er erinnerte sich an den Hinterhalt, wie sich die Tore geschlossen hatten, die Truppen, die sie umzingelt und alle seine Männer niedergemetzelt hatten. Er erinnerte sich an den Verrat. Es fiel ihm schwer sich an alles zu erinnern, und das letzte, was er wusste war, dass er einige Empirekrieger getötet hatte, bevor das stumpfe Ende einer Axt ihn am Kopf getroffen hatte. Darius griff mit rasselnden Ketten an die Beule an seinem Kopf, die sich bis zu seinem zugeschwollenen Augen herunterzog. Es war kein Traum gewesen. Es war real. Als ihm alles wieder einfiel, wurde Darius von Schmerz und Bedauern überwältigt. Seine Leute, all die Männer, die er so sehr geliebt hatte, waren tot. Wegen ihm. Im Dämmerlicht sah er sich panisch nach irgendeinem Zeichen von seinen Männern um, irgendeinem Zeichen, dass jemand überlegt hatte. Vielleicht hatten doch viele überlebt und waren wie er gefangengenommen worden. „Beweg dich!“, kam ein barscher Befehl aus der Dunkelheit. Darius spürte, wie grobe Hände ihn unter den Armen packten und ihn auf die Beine zerrten. Dann spürte er einen Tritt in den Rücken. Er stöhnte vor Schmerzen als er mit klirrenden Ketten vorwärts stolperte und auf den Jungen vor ihm fiel. Der Junge stieß Darius seinen Ellbogen ins Gesicht, was ihn wieder zurückstolpern ließ. „Fass mich nicht noch einmal an“, knurrte der Junge. Ein verzweifelt aussehender Junge, gefesselt wie er selbst, starrte Darius an, und er erkannte, dass er in beide Richtungen an eine lange Reihe von Jungen gefesselt war. Lange Ketten verbanden sie an ihren Knöcheln und Handgelenken, und so wurden sie durch einen dunklen steinernen Tunnel getrieben. Zuchtmeister des Empire traten und schoben sie voran. Darius musterte die Gesichter so gut er konnte, doch er erkannte niemanden. „Darius!“ flüsterte eine eindringliche Stimme. „Fall nicht wieder hin! Sie werden dich umbringen!“ Darius Herz machte einen Sprung, als er eine bekannte Stimme hörte. Als er sich umsah, sah er ein paar Männer weiter hinter sich Desmond, Raj, Kaz und Luzi, seine Freunde, die ebenfalls angekettet waren und genauso mitgenommen aussahen wie er. „Noch ein Wort“, zischte ein Zuchtmeister Raj an, „und ich schneide dir die Zunge raus!“ Darius fragte sich, so erleichtert er auch war seine Freunde zu sehen, was mit den zahllosen anderen geschehen war, die mit ihm in den Straßen von Volusia gekämpft hatten. Der Zuchtmeister ging weiter nach vorn, und als er außer Sichtweite war, drehte Darius sich um und flüsterte. „Was ist mit den anderen? Hat sonst noch jemand überlebt?“ Er betete im Stillen darum, dass möglichst viele überlebt hatten, dass sie irgendwo warteten, selbst wenn sie Gefangene waren wie er. „Nein“, hörte er die klare Antwort hinter sich. „Wir sind die einzigen. Alle anderen sind tot.“ Darius fühlte sich, als hätte ihm jemand in die Magengrube geschlagen. Er hatte das Gefühl, alle im Stich gelassen zu haben, und unwillkürlich rollte ihm eine Träne über die Wange. Er wollte schluchzen. Ein Teil von ihm wollte sterben. Er konnte es kaum fassen: all diese Krieger aus all diesen Sklavendörfern… Es war der Anfang der größten Revolution aller Zeiten gewesen, eine, die das Angesicht des Empire für alle Zeiten verändern sollte. Doch sie hatte abrupt in einem Massenmord geendet. All ihre Chancen auf Freiheit waren zerstört. Während Darius unter Schmerzen von all seinen Wunden und den eisernen Fesseln, die sich in seine Haut gruben weiterging, sah er sich um und fragte sich, wo er war. Er fragte sich, wer diese anderen Gefangenen waren, und wo sie hingeführt wurden. Als er sie genauer betrachtete, bemerkte er, dass sie alle in etwa in seinem Alter waren, und alle schienen ausgesprochen gut in Form zu sein. Als ob sie alle Kämpfer waren. Sie bogen um eine Ecke ab, und wurden plötzlich von Sonnenlicht begrüßt, dass durch die eisernen Gitterstäbe über ihnen und am Ende des Tunnels fiel. Darius wurde grob mit einer Keule vorwärts getrieben, und er rannte mit den anderen los, bis sich das Gitter vor ihm öffnete und er mit einem letzten Tritt hinaus ans Licht gestoßen wurde. Darius und die anderen stolperten und alle fielen sie in den schmutzigen Sand. Darius spuckte den Sand aus und hob seine Hände, um seine Augen vor dem grellen Sonnenlicht zu schützen. Andere fielen auf ihn, ein einziges Chaos aus Körpern und Kette. „Auf die Beine!“, schrie einer der Zuchtmeister. Sie gingen von einem Jungen zum nächsten und stießen sie mit ihren Keulen an, bis Darius und die anderen sich endlich aufrappelten. Er stolperte als er, wie die anderen Jungen, an die er gefesselt war, versuchte, das Gleichgewicht wiederzugewinnen. Sie standen in einer Art kreisrundem Innenhof von etwa fünfzig Metern Durchmesser. Der Hof war von hohen Steinmauern umgeben und Gitterstäbe versperrten alle Ausgänge. Ihnen gegenüber, in der Mitte des Kreises, stand ein Zuchtmeister, offensichtlich der Anführer der Männer, die sie hierher getrieben hatten. Er überragte alle anderen und war mit seinen gelben Hörnern, seiner gelben Haut, den roten Augen und dem muskulösen Körper besonders beeindruckend. Er trug die Insignien eines Offiziers des Empire und ging vor ihnen auf und ab, während es sie missbilligend musterte. „Ich bin Morg“, sagte er mit tiefer, autoritärer Stimme. „Ihr werdet mich mit ‚Sir‘ ansprechen. Ich bin euer Wächter. Ich bin jetzt euer ganzes Leben.“ Während er vor ihnen auf und abging, klang sein Atem mehr wie ein Knurren. „Willkommen in eurem neuen Heim“, fuhr er fort, „nun, eurem vorübergehenden Heim, sollte ich besser sagen. Denn vor Ende dieses Mondes werdet ihr alle tot sein. Und es wird mir ein Vergnügen sein, dabei zuzusehen!“ Er grinste. „Doch solange ihr hier seid“, fügte er hinzu, „werdet ihr leben. Ihr werdet lernen, mich zu erfreuen. Ihr werdet lernen, die anderen zu erfreuen, und ihr werdet lernen, das Empire zu erfreuen. Ihr dient nun unserer Unterhaltung. Ihr seid unser Zeitvertreib. Euer Tod ist unsere Unterhaltung. Und ihr werdet uns gut unterhalten!“ Ein grausames Lächeln lag auf seinem Gesicht, und aus der Ferne bebte der Boden unter Darius Füssen. Es klang wie der blutdurstige Schrei von hunderttausend Menschen. „Hört ihr den Jubel?“, fragte er. „Das ist der Jubel des Todes. Der Durst nach Blut. Da draußen, hinter diesen Mauern, liegt die große Arena. In dieser Arena werdet ihr gegeneinander antreten und kämpfen, bis niemand mehr übrig ist.“ Er seufzte. „Es gibt drei Runden im Kampf“, fügte er hinzu. „Wenn irgendjemand von euch die letzte Runde überlebt, erhält die Chance, in der größten aller Arenen zu kämpfen, erhält die Chance, frei zu sein. Doch macht euch nicht zu viele Hoffnungen – niemand hat das allzu lange überlebt.“ „Ihr werdet nicht schnell sterben“, fügte er hinzu. „Ich bin hier, um dafür zu sorgen. Ich will, dass ihr langsam sterbt. Ich will, dass ihr uns gut unterhaltet. Ihr werdet lernen zu kämpfen, und ihr werdet lernen, gut zu kämpfen, damit wir uns länger an euch erfreuen können. Denn ihr seid keine Männer mehr. Ihr seid keine Sklaven. Ihr seid sogar noch niedriger als Sklaven – ihr seid jetzt Gladiatoren. Willkommen in eurer neuen und letzten Rolle. Ihr werdet sie nicht lange innehaben.“
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