KAPITEL ZWEI

2168 Words
KAPITEL ZWEI Mackenzie kam laufend am Flughafen an und erreichte gerade noch so ihr Gate. Sie eilte ins Flugzeug, fünf Minuten nachdem der Flug mit dem Boarding begonnen hatte und schlenderte den Gang entlang, ein wenig außer Atem, frustriert und ein wenig neben der Spur. Sie fragte sich kurz, ob Ellington rechtzeitig angekommen war, aber um ehrlich zu sein, war sie einfach nur froh, den Flug nicht verpasst zu haben. Ellington war ein großer Junge, er konnte auf sich selbst aufpassen. Ihre Frage wurde beantwortet, als sie ihren Sitz fand. Ellington war bereits an Bord und saß bequem in seinem Sitz neben ihr. Er lächelte sie von seinem Platz neben dem Fenster an und winkte ihr zu. Sie schüttelte ihren Kopf und seufzte schwer. “Schlechter Tag?”, fragte er. “Naja, es begann mit einer Beerdigung und dann einem Meeting mit McGrath”, antwortete Mackenzie. “Dann muste ich nach Hause rennen, eine Tasche packen und dann durch Dulles rennen, um den Flieger zu erwischen. Und es ist noch nicht einmal Mittag.” “Die Dinge können also nur besser werden”, witzelte Ellington. Sie schob ihr Handgepäck in das Fach über ihnen und sagte: “Wir werden ja sehen. Sag mal, hat das FBI keine Privatflugzeuge?” “Ja, aber nur für sehr zeitempfindliche Fälle. Und für Superstar Angestellte. Dieser Fall ist nicht zeitempfindlich und wir sind garantiert keine Star Angestellten.” Als sie endlich saß, nahm sie sich einen Moment Zeit zum Entspannen. Sie schielte zu Ellington und sah, dass er durch einen Ordner blätterte, der genauso wie der aussah, den sie in McGraths Büro gesehen hatte. “Was hältst du von dem Fall?”, fragte Ellington. “Ich glaube, es ist zu früh, um zu spekulieren”, sagte sie. Er rollte mit den Augen und runzelte verspielt die Stirn. “Du musst doch einen ersten Gedanken gehabt haben. Was ist der?” Obwohl sie ihre Gedanken nicht preisgeben wollte, die sich dann am Ende als falsch herausstellten, schätzte sie die Mühe direkt auf den Punkt zu kommen. Es zeigte sich, dass er tatsächlich der harte Arbeiter und engagierte Mitarbeiter war, als den McGrath ihn angepriesen hatte – dieselbe Art von Mitarbeiter, wie sie gehofft hatte. “Ich glaube, die Tatsache, dass man diese Verschwundene nennt und nicht Ermordete gibt uns ein wenig Hoffnung”, sagte sie. “Aber wenn man bedenkt, dass die Opfer alle von der Landstraße entführt wurden, dann sagt mir das auch, dass der Mann ein Einheimischer ist, der die Lage der Straßen kennt. Er könnte die Frauen entführen und sie dann töten, ihre Körper irgendwo im Wald verstecken oder an irgendwelchen Verstecken, die nur er kennt.” “Hast du dich schon eingelesen?” fragte er und nickte auf den Ordner. “Nein. Ich hatte noch keine Zeit.” “Dann mal zu”, sagte Ellington und überreichte ihr den Ordner. Mackenzie las die knappen Informationen, während die Stewardessen die Sicherheitsanweisungen durchgingen. Sie las immer noch, als das Flugzeug in Richtung Des Moines abhob. Es gab nicht viel Informationen in dem Ordner, aber genug für Mackenzie, um eine Herangehensweise zu erstellen, die sie ausführen würden, sobald sie ankamen. Delores Manning war die dritte Frau, die in den letzten 9 Tagen als vermisst gemeldet worden war. Die erste Frau war eine Einheimische, die von ihrer Tochter als vermisst gemeldet worden war. Naomi Nyles, siebenundvierzig Jahre alt, ebenfalls von der Straße entführt. Die Zweite war eine Frau aus Des Moines namens Crystal Hall. Sie hatte einen knappen Eintrag, hauptsächlich Gemischtes aus ihrer Jugend, aber nichts Wichtiges. Als sie entführt worden war, hatte sie eine einheimische Viehzucht in der Gegend besucht. Der erste Fall hatte keine Anzeichen von Fremdeinwirkung gezeigt – nur ein verlassenes Auto an der Seite der Straße. Das zweite verlassene Auto war ein kleiner Pick up Truck, mit einem geplatzten Reifen. Der Wagen wurde inmitten des Wechselns des Reifens entdeckt, der Wagenheber noch unter der Radachse und der Plattfuß an die Seite des Wagens gelehnt. Alle drei Fälle waren nachts passiert, so zwischen 22.00 Uhr und 3.00 Uhr morgens. Bis jetzt, neun Tage nach der ersten Entführung, gab es keinen einzigen Beweis und absolut keine Hinweise. Wie sie es immer tat, las Mackenzie die Information mehrere Male, um sie zu speichern. Das war nicht schwer in diesem Fall, denn es gab nicht viel zum Aufnehmen. Sie ging zurück zu den Fotos der ländlichen Umgebung – die Nebenstraßen, die sich durch die Wälder wie eine riesige Schlange wanden und nirgendwo hinführten. Sie erlaubte sich selbst, sich in die Gedanken des Mörders zu versetzen, der die Straßen und die Nacht als Deckung benutze. Er musste geduldig sein. Und wegen der Dunkelheit musste er daran gewöhnt sein, alleine zu sein. Die Dunkelheit machte ihm keine Angst. Vielleicht bevorzugte er es sogar im Dunkel zu arbeiten, nicht nur wegen der Deckung, auch wegen der Einsamkeit und Isolation. Dieser Mann war wahrscheinlich ein Einzelgänger. Er entführte die Frauen von der Straße, augenscheinlich in verschiedenen Stresssituationen. Autoreparatur, geplatzte Reifen. Das bedeutete, er machte das wahrscheinlich nicht wegen des Tötens. Er wollte einfach Frauen haben. Aber warum? Und was ist mit dem letzten Opfer, Delores Manning? Vielleicht war sie eine Einheimische mit einer Vergangenheit in dieser Gegend, dachte Mackenzie. Entweder das oder sie war sehr mutig, diese Straßen zu so einer Zeit zu befahren … Mir ist es egal, wie gut eine Abkürzung ist, das ist wirklich leichtsinnig. Sie hoffte, dass das der Fall war. Sie hoffte, die Frau war mutig. Denn Mut, egal wie inszeniert, half Menschen oft mit angespannten Situationen umzugehen. Es war mehr als nur ein Ehrenzeichen, sondern eine tiefe psychologische Eigenschaft, die Menschen half, die Lage zu meistern. Sie versuchte, sich Delores Manning vorzustellen, die aufsteigende Autorin, die diese Straßen nachts befuhr. Mutig oder nicht, es war einfach kein schönes Bild. Als Mackenzie fertig war, übergab sie den Ordner wieder Ellington. Sie schaute an ihm vorbei und auf das Fenster, hinter dem weiße Wolken vorbeischwebten. Sie schloss ihre Augen für einen Moment und ließ sich dort hinbringen, nicht nach Iowa, sondern ins benachbarte Nebraska. Ein Ort, wo es offenes Land und überragende Wälder gab, anstelle von Verkehr und hohen Gebäuden. Sie vermisste es nicht, fand aber den Gedanken dort hin zurückzukehren und wenn es nur für die Arbeit war, ganz aufregend, auf eine Art, die sie nicht ganz verstand. “White?” Sie öffnete ihre Augen bei dem Klang ihres Namens. Sie drehte sich zu Ellington, ein wenig peinlich berührt, dass er sie dabei erwischte hatte, wie sie träumte. “Ja?” “Du warst kurz weg. Geht’s dir gut?” “Ja”, antwortete sie. Und das beste, sie war wirklich okay. Die ersten sechs Stunden des Tages waren körperlich und emotional anstrengend gewesen, aber jetzt wo sie saß, in der Luft festgehalten und mit einem unwahrscheinlichen zeitweiligen Partner, fühlte sie sich okay. “Darf ich dich was fragen”, sagte Mackenzie. “Raus damit.” “Hast du darum gebeten, mit mir zusammenzuarbeiten?” Ellington antwortete nicht gleich. Sie konnte es hinter seiner Stirn arbeiten sehen, bevor er antwortete und fragte sich, ob er vielleicht einen Grund hatte sie anzulügen. “Naja, ich habe von dem Fall gehört, und wie du weißt, habe ich bereits vorher schon einmal mit dem Büro in Omaha gearbeitet. Und weil es das nächste Büro zu unserem Ziel in Iowa ist, habe ich meine Bewerbung in den Ring geworfen. Als er fragte, ob es mir was ausmachen würde, mit dir an dem Fall zu arbeiten, habe ich es nicht abgelehnt.” Sie nickte, sie fühlte sich schon fast schuldig und fragte sich, ob er noch andere Gründe dafür hatte, diesen Job zu wollen. Während sie ein paar Gefühle für ihn hatte (egal ob streng körperlich oder irgendwie emotional, sie war sich nie sicher), hatte er ihr nie einen Grund gegeben anzunehmen, dass er das gleiche fühlte. Es war einfach zu leicht sich daran zu erinnern, wie sie, als sie ihn zum ersten Mal getroffen hatte, auf ihn zugegangen war und er sie abgewiesen hatte. Hoffen wir einfach, dass er all das vergessen hat, dachte sie. Ich bin jetzt anders, er ist viel zu beschäftigt sich mit mir zu beschäftigen und wir arbeiten jetzt zusammen. Schnee von gestern. “Und bei dir?” fragte sie. Was sind deine ursprünglichen Gedanken?” “Ich glaube nicht, dass er die Frauen umbringen will”, meinte Ellington. “Keine Hinweise, keine Angaben und wie du glaube ich, dass es ein Einheimischer sein muss, der das macht. Ich glaube, er sammelt sie irgendwie…. Für was auch immer, ich will nicht spekulieren. Aber das macht mir Sorgen, wenn ich richtig liege.” Es machte Mackenzie ebenfalls Sorgen. Wenn es jemanden gab, da draußen, der Frauen kidnappte, würde er eventuell bald mit leeren Händen dastehen und vielleicht auch an Interesse verlieren … was bedeutete, er müsste früher oder später aufhören. Und obwohl das theoretisch gut war, bedeutete es auch, das diese Fährte kalt werden würde, ohne weitere Tatorte, die zu möglichen Beweisen führen könnten. “Ich glaube, dass du Recht mit dem Sammeln hast”, meinte sie. “Er holt sie in einer verletzlichen Situation – während sie mit Autos oder geplatzten Reifen umgehen. Das bedeutet, er schleicht sich an, anstatt sich direkt zu zeigen. Er ist irgendwie schüchtern.” Er grinste und sagte: “Huh. Das ist eine gute Beobachtung.” Sein Grinsen verwandelte sich in ein Lächeln, von dem sie sich abwenden musste, wissend, dass sie die Gewohnheit hatten, sich immer ein wenig zu lange in die Augen zu schauen. Stattdessen wandte sie ihre Augen wieder dem blauen Himmel und den Wolken zu, während der Mittelwesten unter ihnen zum Vorschein kam. *** Mit sehr wenig Gepäck zwischen ihnen, bahnten Mackenzie und Ellington sich problemlos ihren Weg durch den Flughafen. Am Ende des Fluges, hatte Ellington Mackenzie darüber informiert, dass bereits Pläne gemacht wurden (wahrscheinlich während sie in ihre Wohnung gerannt war und dann zum Flughafen). Sie und Ellington sollten zwei einheimische Agenten treffen und mit ihnen daran arbeiten, den Fall so schnell wie möglich zu lösen. Da sie nicht auf ihr Gepäck warten mussten, konnten sie sich ohne Probleme sofort mit den beiden Agenten treffen. Sie trafen sich in einem der zahlreichen Starbucks am Flughafen. Sie ließ Ellington vorgehen, weil es offensichtlich war, das McGrath ihn als die führende Rolle in dem Fall vorgesehen hatte. Warum sonst hatte er Ellington wissen lassen, wo sie die Agenten treffen sollten? Warum sonst hatte Ellington eine Vorwarnung bekommen, mit viel Zeit um gemütlich seinen Flug zu erreichen? Die zwei Agenten waren leicht zu erkennen. Mackenzie seufzte innerlich, als sie sah, dass beides Männer waren. Einer von ihnen sah jedoch aus, als wenn er neu war. Auf keinen Fall war der Mann älter als vierundzwanzig. Sein Partner sah dagegen abgehärtet und älter aus – wahrscheinlich schon an die fünfzig. Ellington ging geradewegs auf sie zu und Mackenzie folgte ihm. Keiner der Agenten stand auf, aber der ältere bot Ellington seine Hand, als sie sich dem Tisch näherten. “Agenten Heideman und Thorsson, stimmts?” fragte Ellington. “Erwischt”, sagte der ältere Mann. “Ich bin Thorsson und mein Partner hier ist Heideman.” “Nett euch kennenzulernen”, sagte Ellington. “ich bin Special Agent Ellington und das ist mein Partner Agent White.” Sie schüttelten sich alle die Hände auf eine Art, die schon fast ermüdend für Mackenzie erschien, seitdem sie dieses Amt übernommen hatte. Es war schon fast eine Formalität, eine merkwürdige Sache, die man machen musste, um die Aufgabe zu bekommen. Als Heideman ihr die Hand schüttelte, bemerkte sie, dass sein Griff schwach und schweißig war. Er sah nicht nervös aus, aber ein wenig schüchtern oder introvertiert. “Wie weit draußen ist der Tatort?”, fragte Ellington. “Der nähste ist ungefähr eine Stunde entfernt”, erwiderte Thorsson. “Die anderen befinden sich innerhalb von zehn oder fünfzehn Minuten voneinander entfernt.” “Gab es irgendwelche Neuigkeiten seit heute Morgen?” fragte Mackenzie. “Keine”, antwortete Thorsson. “Das ist einer der Gründe, warum wir euch gerufen haben. Dieser Mann hat bis jetzt drei Frauen entführt und wir können einfach keinen einzigen Beweis finden. Es ist so schlimm geworden, dass der Staat darüber nachdenkt, Kameras auf dem Highway zu nutzen. Das Problem daran ist, dass man nicht einfach hundertzwanzig Kilometer Straße mit Kameras bewachen kann.” “Technisch wäre das möglich”, sagte Heidemann. “Aber das wären Tonnen von Kameras und ein großer Aufwand. Also sehen das manche Leute auf Staatsebene nur als die letzte Möglichkeit.” “Können wir los und uns den ersten Tatort anschauen?”, fragte Ellington. “Sicherlich”, antwortete Thorsson. “Braucht ihr nicht zuerst Hotels und so?” “Nein”, sagte Mackenzie. “Lasst uns an die Arbeit gehen. Wenn ihr sagt, das es so eine große Strecke gibt, die abgedeckt werden muss, dann dürfen wir keine Zeit verschwenden.” Als Thorsson und Heideman aufstanden, warf Ellington ihr einen merkwürdigen Blick zu. Sie wusste nicht, ob er von ihrer Ansage so schnell wie möglich zum ersten Tatort zu gehen beeindruckt war oder ob er es amüsant fand, dass sie ihm nicht ganz die Führung hier überlassen wollte. Sie hoffte, dass er nicht merkte, dass der Gedanke daran irgendwo in die Nähe eines Hotels mit Ellington zu kommen, zu viele Emotionen auf einmal in ihr hochkommen liessen. Sie verließen Starbucks alle in einer Reihe hintereinander. Mackenzie war leicht berührt, dass Ellington auf sie wartete, um sicherzugehen, das sie nicht die Letzte war. “Wisst ihr”, sagte Thorsson und blickte über die Schulter hinüber, “ich bin froh, dass ihr gleich dort hin wollt. Es herrscht eine schlechte Stimmung in der ganzen Angelegenheit. Ihr könnt es fühlen, wenn ihr mit der einheimischen Polizei sprecht und es beginnt schon, auf uns abzufärben.” “Welche Art von Stimmung?”, erkundigte sich Mackenzie. Thorsson und Heideman teilten einen bedeutungsvollen Blick miteinander, bevor Thorssons Schulter ein wenig sank und er antwortete: “Als wenn es nicht passieren würde. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Es gibt keinen einzigen Hinweis. Der Mann ist wie ein Geist.” “Wir können hier hoffentlich helfen”, sagte Ellington. “Ich hoffe”, antwortete Thorsson. “Denn im Moment ist das allgmeine Gefühl von allen die an dem Fall arbeiten, das wir den Typ nie finden werden.”
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