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Madison Thomas
„Seid ihr euch sicher, dass ihr das tun wollt?“, fragte ich und bedachte die zwei Frauen vor mir mit einem ernsten Blick, während meine feuchten Hände mein Kleid glattstrichen, obwohl es nicht nötig war. Wir standen auf der schattigen Seite des Warenladens, gerade um die Ecke der Bank von Rollinsville. Die Luft war ziemlich warm und weil ich auch noch so nervös war, rann der Schweiß unter meinem Seidenkleid zwischen meinen Brüsten hinab. Äußerlich wirkte ich ruhig, oder zumindest hoffte ich, dass das der Fall war, aber innerlich zitterte ich wie Espenlaub.
Tara und Amanda waren so jung und unschuldig, selbst nach zwei Banküberfällen. Wir standen kurz davor, einen dritten zu begehen. Hoffentlich den Letzten. Wenn wir dieses Mal erfolgreich waren, würden wir von dannen ziehen können, nie wieder das Gesetz brechen müssen. Dennoch würde immer ich diejenige sein, die sie verdorben hatte. Es war meine Idee gewesen. Die ganze Sache.
Norman Rollins war derjenige, der uns dazu gezwungen hatte, Verbrecher zu werden. Wir hatten keine Wahl gehabt. Er hatte uns alle ruiniert. Uns war nichts geblieben. Unsere Familien waren zerstört. Mittellos. Wir holten uns nur zurück, was rechtmäßig jeder von uns gehörte, damit wir überleben konnten. Sie hatten Eltern, Brüder und Schwestern, zu denen sie zurückkehren konnten, auch wenn diese sehr arm waren, aber ich hatte niemanden. Mr. Rollins hatte auch dafür gesorgt. Ich war auf Rache aus.
„Ihr könnt eure Meinung ändern“, bot ich an. Eine letzte Gelegenheit. Wir waren zweimal davongekommen, aber es bestand immer die Chance, dass wir erwischt wurden. Eine sehr große Chance. Wenn ich eine Pokerspielerin wäre, würde ich sagen, dass unser Blatt nicht gerade vielversprechend war.
Ich holte tief Luft, hoffte, dass das Lächeln auf meinem Gesicht nicht so brüchig und falsch war, wie es sich anfühlte. Ich hasste es, Banken auszurauben. Stehlen entsprach nicht meinem Charakter, aber ich musste es tun. Ich wurde dazu getrieben. Meine Wut stiftete mich dazu an.
Aber Tara und Amanda? Sie konnten jetzt gehen. Ich würde es verstehen, wenn sie ihre Meinung änderten.
Wir könnten erwischt werden. Ich war mir nicht sicher, ob man eine Verbindung zwischen den verschiedenen Banken gezogen hatte. Ob man entdeckt hatte, dass alle Banken Mr. Rollins gehörten. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass das Gesetz auf uns wartete. Um uns auf frischer Tat zu ertappen.
Ich wollte nicht, dass sie ein schlechtes Gewissen hatten, weil sie ihre Meinung geändert hatten. Das war zwar noch nicht der Fall, aber ich musste es mit Sicherheit wissen. Ich fragte jedes Mal. Ich würde das tun, mit oder ohne ihnen. Ich wollte Mr. Rollins leiden sehen und sein Geld zu nehmen war eine Art, das bei einem Geizkragen wie ihm zu erreichen. Ich könnte ihn einfach erschießen und das Thema wäre vom Tisch, aber das wäre zu einfach für ihn. Ich wollte, dass er wusste, wie es sich anfühlte, hilflos und zerbrochen zu sein. Ich wollte, dass alle Welt wusste, was er getan hatte, was für eine Art Mann er wirklich war.
„Du siehst heute sehr hübsch aus“, antwortete Tara und richtete das Hutband unter ihrem Kinn. „Dieses Blau sieht mit deinen dunklen Haaren wirklich fabelhaft aus. Und die Seide.“ Sie seufzte unverhohlen neidisch.
Ich war wegen ihres Themenwechsels einen Augenblick verwirrt, aber ich stimmte ihr zu. Es war ein hübsches Kleid, das hübscheste, das ich jemals besessen hatte. Bevor Mr. Rollins Daddys Ranch hatte haben wollen, war es uns so gut gegangen, dass wir ein paar edlere Dinge besessen hatten. Dieses Kleid war eines davon gewesen.
„Wir rauben eine Bank aus. Ich denke nicht, dass ihr Kleid etwas ist, über das wir uns jetzt den Kopf zerbrechen sollten“, schalt Amanda. Sie musterte meine Kleidung. „Es steht dir allerdings wirklich gut.“
Ich versuchte, nicht die Augen zu verdrehen. Was wir gleich tun würden…abermals, war nicht klug. Es war geradezu idiotisch, illegal und etwas, dass so gar nicht in unser Metier fiel. Obwohl wir, seitdem wir zwei Bänke in der südwestlichen Ecke des Montana Territoriums ausgeraubt hatten, recht kompetent wirkten. Für mich war das bedeutungslos. Ich wurde von meiner Wut angetrieben und wollte den Besitzer jener Banken vernichten und wenn ich dafür zu einer Gesetzlosen werden musste, dann war das eben so. Auch wenn sie bei den Raubüberfallen halfen, waren Tara und Amanda keine Gesetzlosen. Nicht wirklich. Ich bezweifelte, dass sie jemals einen Gottesdienst verpassten. Es überraschte mich immer wieder, dass sie bereit waren, bei einem weiteren Banküberfall meine Komplizinnen zu sein. Ich fragte mich, was sie ihren Familien über ihre Taten erzählt hatten.
Wir hatten einen Plan ausgeheckt, aber ich bezweifelte, dass er auch nur annähernd dem Ablauf der berüchtigten James Bande ähnelte. Er hatte funktioniert. Zweimal. Kein Bankangestellter erwartete, dass ihm eine gut gekleidete Frau eine Pistole unter die Nase hielt. Wir nutzten das zu unserem Vorteil, aber ich bezweifelte, dass Tara oder Amanda die Schwere unserer Taten umrissen. Sie waren jung, nicht einmal zwanzig, und offenkundig naiv. Als ich sie jetzt betrachtete, machte ich mir Sorgen um sie. Das Gewicht des Revolvers in meiner Handtasche war nichts im Vergleich zu den Schuldgefühlen, die auf meinen Schultern lasteten. Ich verdarb sie mit meinen Gründen für diese Taten. Ja, Mr. Rollins hatte auch ihren Familien die Ranchen weggenommen, aber sie hatten noch immer eine Familie. Ich wollte, dass Mr. Rollins vernichtet wurde, genauso wie er meinen Vater vernichtet hatte. Aber war dies die richtige Vorgehensweise, sie als Komplizinnen in die Sache zu ziehen?
Sie könnten sich passende Ehemänner suchen, Männer, die sie lieben und ihre Vergangenheit vergessen lassen würden. Wenn sie sich über diese Sache ausschwiegen, würden die Männer nicht einmal wissen, dass sie gesuchte Kriminelle waren. Sie waren auf jegliche Art und Weise unschuldig – ausgenommen Banküberfälle. Beide hatten strohblonde Haare, aber Tara war groß und schlank, wohingegen Amanda klein und kurvig war. Beide waren hübsch und hatten ihr Leben noch vor sich. Unschuldig und im heiratsfähigen Alter. Wenn wir nicht erwischt wurden…
Ich schüttelte den Kopf, weil ich nicht gewillt war, die Chancen, die sie auf ein erfülltes und glückliches Leben hatten, zu riskieren. Wir würden nebeneinander hängen. „Vergesst es. Wir werden das hier nicht gemeinsam durchziehen. Wir haben so viel gestohlen, wie ihr braucht. Nicht den vollen Betrag, um den euch Mr. Rollins betrogen hat, aber trotzdem. Ich werde allein reingehen.“
„Nein.“ Amandas Wort war laut und ließ Tara zusammenzucken. „Wir gehen mit dir rein und holen uns, was uns gehört. Und du hast recht, wir haben fast all unser Geld zurück. Du hast aber noch nicht den gesamten Betrag zusammen, den er dir schuldet.“ Sie deutete über ihre Schulter in die Richtung der Bank und es war möglich, dass sie sogar mit dem Fuß auf dem Gehweg aufstampfte. „Was Mr. Rollins dir, uns allen, angetan hat, ist ungerecht. Er hat zwar weder unsere Häuser abgebrannt, noch unsere Väter zu früh unter die Erde geschickt, aber wir wollen dafür sorgen, dass er bekommt, was er verdient. Wir haben fast unser Geld zusammen. Jetzt holen wir dir deins.“
Wir hatten uns das während der vergangenen zwei Wochen immer wieder gegenseitig eingeredet, vielleicht um unsere Absichten vor uns zu rechtfertigen. Die Heftigkeit in Amandas Tonfall überraschte mich dieses Mal jedoch. Sie wollte das hier tun und hatte eindeutig nicht vor, ihre Meinung zu ändern. Ich hatte sie für sanftmütig gehalten, aber vielleicht hatte ich mich geirrt.
„Der Plan wird klappen“, fügte Tara mit einem entschlossenen Kopfnicken hinzu. „Männer mögen zwar die Welt regieren, aber Frauen halten sie an den Eiern.“
Amanda keuchte und ich musste einfach darüber lachen. Leute, die an uns vorbeiliefen, sahen sich nach uns um. Sie sahen nur drei Frauen, die miteinander plauderten und sich amüsierten, nicht einen Banküberfall planten. Wir sahen kein bisschen wie eine Bande Diebe aus. Weiblich zu sein, war die beste Tarnung.
„Was?“, fragte Tara und strich sich über die Haare. Mir entgingen die roten Flecken auf ihren Wangen nicht. „Ich mag zwar Jungfrau sein, aber ich bin nicht komplett naiv. Nicht nach dem, was wir getan haben.“
Nein, vielleicht waren sie das nicht. Sie mochten zwar so aussehen, aber Mr. Rollins hatte auch sie abstumpfen lassen. Sie waren vielleicht nicht ganz so rachsüchtig wie ich, aber sie wollten ebenfalls wieder haben, was ihnen gehörte. Ihren Familien helfen. Wir würden die Bank ausrauben, das restliche Geld, das Mr. Rollins uns schuldete, holen und in den Sonnenuntergang davonreiten. Der Bankier würde um zweitausend Dollar ärmer und von drei Frauen beraubt worden sein. Das würde ihn mehr ärgern als alles andere, wenn er es erfuhr.
„Ich werde meine Meinung nicht ändern“, verkündete Tara.
Sie schaute zu Amanda. „Ich auch nicht. Ein letztes Mal, Maddie.“
Ich schloss einen Augenblick die Augen, dachte an meinen Vater und wie ihn Mr. Rollins vernichtet hatte. Ich rief mir in Erinnerung, wie ich das Haus in Flammen aufgehen gesehen hatte, wie ich beobachtet hatte, wie alles, was wir besaßen, zu Asche geworden war. Ja, Mr. Rollins mochte sich Daddys Land unter den Nagel gerissen haben, aber ich würde mir das Geld holen, das er uns dafür schuldete.
„Ein letztes Mal“, wiederholte ich.
Ich schaute zu Amanda, die entschlossen nickte. „Ich weiß, was ich tun muss.“
Sie holte tief Luft, legte ihre Hand auf meine, dann drehte sie sich um und lief den Gehweg hinunter. Tara und ich standen nebeneinander und beobachteten sie. Sie nickte denjenigen, die sie passierte, mit einem freundlichen Lächeln zu, ehe sie um die Ecke und aus unserer Sicht verschwand.
Ich zählte in meinem Kopf die drei Minuten, die Amanda brauchte, um die Bank zu betreten und die Hilfe des Bankdirektors zu erbitten. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Jetzt war es nicht die Hitze, die mich zum Schwitzen brachte. Mein Herz hämmerte in meiner Brust wie es das auch vor den anderen Überfällen getan hatte. Ich legte meine Hand auf meinen Bauch, in dem es rumorte, als würden Schmetterlinge zu fliehen versuchen. Ich bezweifelte, dass sich richtige Kriminelle, bevor sie ihre Verbrechen begingen, fühlten, als würden sie sich gleich übergeben müssen. Dieser merkwürdige und gefährliche Weg hatte sich vor mir abgezeichnet, als Mr. Rollins ein Auge auf die Ranch meines Vaters geworfen hatte.
Als Daddy zurecht das Angebot des Geschäftsmannes, das Grundstück zu kaufen, abgelehnt hatte, hatte sich Mr. Rollins einer fieseren Art und Weise beholfen, um es in seinen Besitz zu bringen. Er hatte die Zahlungsraten, die wir für die Ranch schuldeten, auf eine Summe geändert, die mein Vater nicht hatte aufbringen können und die Bank – Mr. Rollins – hatte das Grundstück an sich genommen. Mein Vater hatte keinen Dime erhalten. Es mochte eine unkluge Entscheidung sein, das Geld zu stehlen, das ursprünglich meinem Vater angeboten worden war, aber sie war nicht überstürzt getroffen worden. Ich hatte mir Zeit genommen, um alles abzuwägen, um alles zu planen. Ich hatte herausgefunden, dass ich ebenfalls rücksichtslos sein konnte. Mr. Rollins musste bezahlen.
Mit neuer Entschlossenheit holte ich tief Luft und rief mir die Zeit ins Gedächtnis, in der wir diese Bank beobachtet hatten. Wir hatten in Erfahrung gebracht, dass dort zwei Männer arbeiteten. Ein Bankangestellter hinter dem Schalter und der Bankdirektor, der hinter seinem Tisch auf der anderen Seite des Raumes saß, genauso wie in den anderen Banken. Deren Zeitplan war pünktlicher als der des Zuges, der durch die Stadt fuhr, und die Männer schienen der peniblen Art anzugehören, die keine Spontanität mochte. Das spielte uns in die Karten.
Nachdem ein Mann sich an den Hut getippt, Tara einen langen Blick zugeworfen und weitergelaufen war, wusste ich, dass es an der Zeit war.
„Bereit?“, fragte ich Tara.
Sie lächelte mich an und winkte lässig mit der Hand ab. „Meine Aufgabe ist die leichteste. Mir war nicht bewusst, dass ich so eine gute Schauspielerin bin.“
„Oder so kokett“, fügte ich mit geschürzten Lippen hinzu. Ich verdarb sie wirklich. Und Amanda.
Sie grinste. „Ja, das kann auch sein.“
Ich wollte nicht, dass sie auf die Idee kam, dass kokett zu sein etwas Gutes war. Das war vielleicht sogar noch gefährlicher als ein Banküberfall. Wenn wir mit alldem fertig waren, das Geld hatten, das uns allen zustand, würde sie hoffentlich einen ihr würdigen Mann finden.
„In Ordnung“, schnaufte ich, richtete meinen Hut, der zu der hellen Seide passte, und lief Richtung Bank. Durch das Glasfenster konnte ich sehen, dass Amanda dort war, wo ich sie erwartete. Sie saß steif am Tisch dem Bankdirektor gegenüber. Der Mann lächelte und war augenscheinlich von dem geschmeichelt, was sie zu ihm gesagt hatte. Das funktionierte jedes Mal.
Ich betrat die Bank und warf nicht mehr als einen flüchtigen Blick auf Amanda – wir sollten einander nicht kennen – und entdeckte einen Mann am Schalter, der gerade bedient wurde. Niemand sonst war in der Bank. Geduldig – zumindest äußerlich – wartete ich, bis ich an der Reihe war. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Amanda den Bankdirektor bei Laune hielt. Das gedämpfte Gelächter der beiden wurde durch die ruhige Luft zu mir getragen. Sie war genauso gut im Flirten wie Tara. Ihre Rolle ging auf. Der Mann achtete auf nichts anderes als die hübsche Frau vor sich.
Nachdem er seine Angelegenheiten geklärt hatte, drehte sich der Mann am Schalter um, tippte sich vor mir an den Hut und ging zur Tür hinaus.
Daddys Ranch. Daddys Ranch. Auch wenn ich jetzt keinen Rückzieher machen würde, musste ich diese Worte trotzdem in meinem Kopf wiederholen. Vielleicht musste ich mich daran erinnern, warum ich das Gesetz brach und mich wie eine gewöhnliche Kriminelle verhielt. Nein, schlimmer. Ich beging einen bewaffneten Raubüberfall. Daddy würde sich wegen meines Verhaltens im Grab umdrehen, aber darüber konnte ich jetzt nicht nachdenken.
„Wie kann ich Ihnen helfen, Ma’am?“, fragte der Bankangestellte und schenkte mir einen aufmerksamen Blick und ein warmes Lächeln.
Er war ein korpulenter Mann mit langen, grauen Koteletten und buschigen Augenbrauen. Die Haare, die noch seinen Kopf bedeckten, waren nach hinten gekämmt. Sein schwarzer Anzug und blütenweißes Hemd deuteten auf den Wohlstand der Bank hin.
Mich räuspernd trat ich an den Schalter. „Guten Nachmittag. Ich würde gerne Geld abheben, allerdings muss ich erst einen Zettel mit dem Betrag suchen.“
Ich spielte an meiner Handtasche herum, wobei ich darauf achtete, dass die Pistole kein Geräusch machte, als sich sie auf die Holzoberfläche stellte. Ich warf einen Blick aus dem Fenster, hielt Ausschau nach Tara. „Es ist ziemlich warm heute, nicht wahr?“
Mein belangloses Geplauder brachte den Mann nur dazu, mir noch ein Lächeln zu schenken. Er war geduldig, während ich in der Tasche wühlte und auf den richtigen Moment wartete.
Da war sie, genau zur richtigen Zeit. Ich konnte sehen, wie Tara einen Cowboy packte, einen verstörten Ausdruck im Gesicht. Selbst von hier in der Bank wirkte sie, als würde sie gleich ohnmächtig werden. Ein anderer Mann eilte ihr zu Hilfe. Wie könnten sie auch nicht? Sie war wunderschön und brauchte Hilfe.
Beide Frauen erledigten ihre Aufgaben und es war an der Zeit, dass ich meiner nachkam. Ich griff in meine Tasche. Anstatt den nicht vorhandenen Zettel herauszuziehen, zog ich meine Pistole. Ich hielt sie so niedrig, dass sie von niemandem, der durch das Fenster sah, so schnell gesehen werden konnte, insbesondere nicht von dem Bankdirektor hinter mir. „Lösen Sie keinen Alarm aus. Ich möchte, Ihnen nicht wehtun.“
„Was wollen Sie, Ma’am?“
Ohne meinen Blick von seinen grauen Augen abzuwenden, nannte ich ihm die Summe, die noch ausstand.
Seine Augenbrauen schossen in die Höhe und er sah sich um, als wäre er verwirrt. Er dachte sich wahrscheinlich, dass eine Frau sicherlich keine Bank ausrauben würde. „Sie wollen einen spezifischen Betrag?“
„Das ist korrekt.“
Er räusperte sich. „Machen Sie keine Szene. Sie wollen doch nicht erschossen werden, oder?“
Seine Backen bewegten sich, als er seinen Kopf schüttelte. „Nein, Ma’am, aber ich denke, dass Sie das Ding einfach wegstecken und hier rauslaufen sollten.“
„Nein.“ Ich sprach mit leiser und ruhiger Stimme. „Sie werden mir die exakte Summe aushändigen. Jetzt.“
„Sie werden mich nicht erschießen“, konterte er, die Hände flach auf der Theke.
„Sehen Sie die Männer dort draußen? Diejenigen, die gerade ein Ablenkungsmanöver durchführen?“
Er drehte seinen Kopf nicht, sondern richtete lediglich seine Augen auf das Fenster.
„Sie werden nicht zögern, jeden, der vorbeiläuft, zu töten. Ist das eine Frau, die sie angehalten haben?“
Ein Mann beugte sich in diesem Moment über Tara, seine Hand lag auf ihrem Unterarm scheinbar, um sie zu stützen. Auch wenn ich wusste, dass sie diejenige war, die den Mann so betörte, dass er ihre Wünsche erfüllte, sah es von meinem Standpunkt aus, als würde sie sich in den Fängen des Fremden befinden. Schwach und verletzlich.
Der Bankangestellte räusperte sich abermals.
„Sie sind diejenige, die die anderen Banken überfallen hat. Die Schwarze Witwe.“
Ich hatte nicht gewusst, dass mir ein Name gegeben worden war, aber jetzt war nicht der Zeitpunkt, um darüber zu diskutieren oder etwas anderes zu behaupten.
„Erregen Sie nicht die Aufmerksamkeit des Bankdirektors.“ Ich wollte nicht, dass er noch mehr Zeit schindete. „Hilft er nicht gerade einer Frau? Meine Güte, Sie wollen doch bestimmt nicht, dass so viele unschuldige Menschen getötet werden, oder? Mr. Rollins würde sicherlich nicht wollen, dass Frauen in seiner Bank sterben.“
„Was wollen Sie?“ Schweiß rann über die Schläfen des Mannes.
Ich deutete auf seine Hand. „Nur die Summe, die ich Ihnen genannt habe.“
Er öffnete eine Schublade, begann, Scheine abzuzählen. Recht schnell wuchs ein kleiner Stapel. Dann schob er den Betrag mit seinen Wurstfingern zu mir. „Das ist nicht der gesamte Betrag, aber das ist alles, das ich hier habe und nicht im Tresor ist.“
Mist. Warum hatte es nicht mehr sein können? Der Mann log nicht, die Schublade war leer. Jetzt war nicht die Zeit, um darüber nachzusinnen, was ich nicht hatte. „Dankeschön“, sagte ich zu dem Bankangestellten. „Die Männer draußen werden bleiben, um sicherzustellen, dass Sie nicht gleich Alarm schlagen.“
Obwohl meine Finger zitterten, stopfte ich das Geld zusammen mit der Pistole in die Handtasche.
„Guten Tag“, verabschiedete ich mich, als hätte ich ihn nicht gerade ausgeraubt.
Ich machte auf dem Absatz kehrt und lief aus der Bank. Ich wandte mich von Tara und den Männern hab, die ihr bei ihrem vorgetäuschten Ohnmachtsanfall halfen, und lief den Gehweg hinunter, aber nicht so schnell, dass ich Aufmerksamkeit auf mich ziehen würde. Männer, die mich passierten, tippten sich an ihre Hüte, ahnungslos, dass ich gerade eine Bank überfallen hatte.
Kein Geschrei oder Schüsse erklangen. Niemand rief nach mir oder verfolgte mich. Meine Handtasche baumelte schwer von meinem Handgelenk und ich fühlte mich gleichzeitig lebendig und zittrig, gelähmt vor Angst und trunken vor Freude. Als ich mein Pferd aus dem Mietstall holte und aus der Stadt ritt, wurde mir erst so richtig bewusst, was ich getan hatte. Wieder. Mit der Hilfe von Amanda und Tara hatte ich sogar noch mehr Geld von Mr. Rollins erbeutet. Nicht alles, aber mehr. Das würde ausreichen müssen. Allein das Wissen, dass Mr. Rollins‘ Banken nicht so respekteinflößend waren, wie er annahm, war toll, aber wir würden noch einmal zuschlagen müssen.
Amanda würde Überraschung darüber vortäuschen, dass sie in einer Bank war, die ausgeraubt wurde, und Tara würde zum nächsten Restaurant gebracht werden, um im Schatten und bei einem Glas Wasser wieder zu Kräften zu kommen. Keine von beiden würde mit dem Überfall an sich in Verbindung gebracht werden und schnell aus der Stadt verschwinden. Wir würden uns in drei Tagen in Helena treffen. Obwohl wir gehofft hatten, dass dies das letzte Mal wäre, hatten wir noch einen weiteren Überfall geplant, falls es nötig werden sollte. Und das war es.
Noch einer, also. Auf nach Helena, dann wären wir fertig. Hoffentlich würden sie Verehrer finden und schnell heiraten. Sie verdienten Freude, eine Familie. Liebe.
Ich wusste, dass mir nicht das Gleiche vergönnt sein würde. Ich hatte vor langer Zeit einen Ehemann gehabt. Orville war freundlich und vernarrt in mich gewesen, aber wir waren auch jung gewesen. Mein Herz hatte nach seinem Tod geschmerzt, war aber nicht zerbrochen. Mein Leben hatte sich so sehr verändert. Daddy war tot. Ich war allein und zufrieden damit, mir zurückzuholen, was Daddy hätte gehören sollen.
Ich war glücklich, dass ich nicht im Gefängnis saß.
Ich ritt nach Westen, da ich mir Zeit lassen konnte, um nach Helena zu gehen. Ich besaß nur das kleine Haus, das Daddy und ich gemietet hatten, nachdem die Bank die Ranch beschlagnahmt hatte. Dort war nichts, nur einige Kleider. All unsere Möbel, unsere Erinnerungsstücke waren verbrannt. Es bedeutete mir nichts. Ich musste mich nur von den Städten mit Banken, die ich überfallen hatte, fernhalten und bereit sein, jederzeit zu fliehen. Wegzurennen. Allein zu sein, war der Preis der Rache.
Die Begeisterung über den Erfolg des Tages wurde von dem schwerwiegenden Wissen, dass ich Selbstjustiz verübte, aufgewogen. Ich hatte Gerechtigkeit gesucht, wo es keine gab.
Ich war keine Ehefrau mehr. Ich war keine Tochter mehr.
Ich war eine Gesetzlose.