Kapitel 1
West-Colony, Eden
22 Dezember 2032 / 07:34 p.m. Ortszeit
Rage
„Die Übergriffe werden mehr“, sagte Sturdy und sah mich an.
„Ich weiß“, erwiderte ich grimmig. „Dieser verdammte Whites ist eine Niete. Es wird an der Zeit, dass wir endlich die Befehlsgewalt über unsere Kolonie erhalten. Diese Menschen sind schwach.“
„Ich habe mit Diamond gesprochen“, sagte Sturdy grinsend. „Sie hatte s*x mit einem der Soldaten. Sie meint die Menschen sind so kümmerlich bestückt, dass sie gar nichts gespürt hat.“
Ich lachte ohne Humor.
„Schau dir ihre Frauen an“, sagte ich. „Die würden es nicht überleben, wenn einer von uns sie ficken würde. Sie sind viel zu klein und zerbrechlich.“
„Och, das geht schon“, mischte sich Happy ein.
Sturdy und ich schauten ihn an und Happy schaute verlegen auf den Boden.
„Was soll das heißen, Happy?“, fragte Sturdy. „Hast du etwa eine von ihnen ...?“
„Und wenn?“, erwiderte Happy grimmig. „Was geht euch das an? Ich bin kein Menschenfreund, aber manche ihrer Frauen sind ganz okay.“
„Welche war es denn?“, wollte ich wissen.
„Es war eine von den Krankenschwestern“, antwortete Happy.
„Und du hast sie nicht ... Ich meine, es ist nichts bei ihr kaputt gegangen oder so?“, wollte Sturdy wissen.
„Nein, sie hat gemeint, dass es toll war und das muss es wohl auch, sonst hätte sie mich nicht wieder getroffen.“
„Du triffst dich regelmäßig mit ihr?“, fragte ich.
„Naja, wir haben uns drei Mal gesehen, doch sie ist zurück zur Erde. Ihre Zeit hier war rum.“
„Bei mir würde es trotzdem nicht funktionieren“, sagte ich. „Ich bin zu sexuell aggressiv. Selbst unsere Frauen kommen nicht immer damit zurecht. Du hast weniger Alien DNA, Happy. Sturdy und ich würden eine Menschenfrau verletzen, wenn nicht gar töten. Wir bleiben besser bei Alien Breed Frauen. Ich bevorzuge Frauen wie Cat oder Blue. Sie gehören zur dritten Generation und sind nicht so leicht zu brechen. Sie wissen, wie sie uns handhaben können.“
„Ja, Blue ist mir am Liebsten“, stimmte Sturdy zu. „Ich würde sie gern zu meiner Gefährtin machen, aber sie ist zu unabhängig und will sich nicht binden.“
„Wir beide sind kein Gefährten Material, mein Freund“, sagte ich.
Ein Geräusch am Himmel ließ uns in unserem Gespräch inne halten und wir legten die Köpfe in den Nacken.
„Ich wusste gar nicht, dass heute ein Shuttle kommt“, sagte Happy.
„Ich auch nicht“, erwiderte ich und verfolgte die Landung außerhalb der Kolonie aus zusammengekniffenen Augen.
„Es wird bald dunkel“, sagte Sturdy. „Geht ihr noch eine Runde mit mir jagen?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Warum nicht“, sagte ich. „Und du, Happy?“
Happy schüttelte den Kopf.
„Nein, ich will noch zum Shop. Ich brauche einen neuen Akku, sonst steh ich bald im Dunklen. Aber wir könnten uns später noch im Clubhouse treffen. Ein Drink vor dem Schlafen und vielleicht können wir noch was aufreißen.“
„Ich komm auf jeden Fall“, sagte Sturdy. Beide sahen mich fragend an und ich nickte.
„Ja, von mir aus. Ich komm noch auf einen Drink vorbei.“
Die Jagd war erfolgreich gewesen. Wir hatten einen kleinen Barrgo geschossen. Die Soldaten sagten, ein Barrgo hätte Ähnlichkeit mit einem kleinen Hirsch. Da ich nach unserer Befreiung aus dem Labor nur kurze Zeit in einem Millitär-Camp in der Wüste verbracht hatte, kannte ich mich mit den irdischen Tieren nicht aus und wusste nicht, in wieweit dies stimmte. Wir brachten unseren Fang in mein Haus und schlachteten das Tier. Dann teilten wir es so, dass sowohl Sturdy und ich, als auch Happy, eine gerechte Portion hatten. Sturdy verstaute seinen und Happys Anteil in einem Sack und schlang ihn sich über die breiten Schultern. Sturdy war einer der Kräftigsten unserer Rasse, deswegen sein Name. Ich war mit zwei Meter sieben schon einer der größeren, doch Sturdy überragte mich noch um zehn Zentimeter. Auch war er noch breiter als die meisten. Gegen uns sahen die Soldaten wie Kinder aus, doch sie hatten Waffen. Wir hatten nur unsere Langbögen mit denen wir auf die Jagd gingen. Vor etwas mehr als neun Jahren hatten die Menschen uns hierher nach Eden transportiert. Sie nannten den Planeten Eden, weil er so idyllisch aussah. Doch der Schein trügt. Die Einheimischen Jinggs waren aggressiv und griffen immer wieder unsere Kolonien an. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Immerhin war es ihr Planet. Doch was sollte ich tun? Wir Alien Breed besaßen keinen eigenen Planeten. Die Erde war ebenso wenig unser Zuhause, wie Eden.
„Wir sehen uns später“, sagte Sturdy und öffnete die Tür.
„Ja, ich bin so in einer Stunde im Clubhouse.“
Sturdy nickte und verschwand. Ich verstaute mein Fleisch im Kühler und ging ins Bad, mir den Schweiß und das Blut abzuwaschen. Als ich frisch geduscht und angezogen war, setzte ich mich in meinen Sessel und schaltete den Fernseher ein. Die Regierung hatte uns mit allem Komfort ausgestattet, um uns für das zu entschädigen, was wir über Jahre erlitten hatten, doch es war nur ein Versuch, ihr ruiniertes Ansehen zu reparieren. Nach unserer Befreiung hatte die Regierung unter großen Druck gestanden. Viele Menschen waren empört über das, was DMI im Verborgenen getrieben hatte, doch es gab auch viele, die dafür gewesen waren, uns einfach zu eliminieren. Noch immer gab es viele Menschen, die uns hassten, weil wir gefährlich waren. Als wenn einer von uns darum gebeten hätte, von den skrupellosen Forschern der Dexter Medical Industries geschaffen zu werden.
Ich zappte durch die Kanäle. Wir hatten zwölf verschiedene Kanäle, die nach Themen sortiert waren. Ich mochte den Musikkanal und den Kanal mit Action Movies. Beim Durchschalten blieb ich beim Infokanal hängen als ich ein Gesicht sah, welches Erinnerungen in mir wachrief. In einer Kurzreportage wurde darüber berichtet, dass vier neue Beschäftigte auf Eden gelandet waren und das Team hier in der West Colony unterstützen sollten. Es waren zwei Frauen und zwei Männer. Ungläubig starrte ich auf den Bildschirm. Das konnte nicht sein. Mein Herz begann schneller zu schlagen und ein Grollen stieg in meinem Inneren auf. Was suchte SIE hier? Ich konnte es nicht glauben, dass ausgerechnet diese Frau sich hierher wagte.
Jessie
Aufgeregt sah ich mich um. Es sah eigentlich nicht so viel anders aus, als auf der Erde. Die Häuser waren schlicht, doch es hätte gut und gern auch eine Siedlung in Südamerika sein können. Der rote Sand zu meinen Füßen war zum Glück nicht staubig. Man hatte uns erklärt, dass es zu dieser Jahreszeit regelmäßig regnete, doch in zwei Monaten würde die Trockenzeit beginnen und dann würde es hier ziemlich staubig werden. Richtig kalt wurde es hier nie. In der Trockenzeit sanken die Temperaturen nachts bis kurz über dem Gefrierpunkt, doch tagsüber war es nie kälter als etwa zwanzig Grad. Im Moment war es jedoch weitaus wärmer. Obwohl es bereits Abend, und die Sonne vor zwei Stunden untergegangen war, mussten es noch beinahe dreißig Grad heiß sein. Als wir gelandet waren, waren es noch sechsunddreißig Grad gewesen. Ich hatte zwei Jahre nach meiner Ausbildung in Brasilien verbracht, und so war ich mit einem ähnlichen Klima wie hier durchaus vertraut. Nicht so Dr. Forster, der neben mir schnaufte, als wenn er gleich einen Herzinfarkt bekommen würde. Ich sah besorgt zu ihm rüber. Mit seinen neunundfünfzig Jahren war er der Älteste von uns hier. Vielleicht wäre er besser auf der Erde geblieben.
„Geht es Ihnen gut, Andreas?“, fragte ich.
„Ich bin so eine Hitze nicht gewohnt“, schnaubte er. „Aber es geht schon. Ich freu mich auf ein kühles Bier.“ Er wandte sich an Sergeant Blakes. „Ihr habt doch Bier in diesem Club, wo wir hingehen?“
„Ja, Doktor. Wir haben sogar ganz ausgezeichnete Biere. Sie werden sich wie zu Hause fühlen. Wenn man von den Jinggs absieht, dann ist dieser Planet eigentlich ein wenig wie Südamerika. Wir haben sogar erfolgreich verschiedene Obst- und Gemüsesorten hier angepflanzt. Ich selbst habe einen Mangobaum in meinem Garten, der mich mit so vielen Mangos versorgt, dass ich sie rechts und links verschenken kann“, erzählte der junge Sergeant.
„Was ist mit wilden Tieren? Kommen die ins Dorf oder bleiben die im Busch?“, wollte Julia wissen, die ebenfalls mit mir heute hier angekommen war. Wir waren vier. Dr. Forster war hier, um den derzeitigen Chefarzt abzulösen. Julia Briggs war Biologin und wollte die einheimische Fauna und Flora untersuchen und Samuel Torrentino war Lehrer und sollte eine Schule aufbauen. Es gab jetzt einige Kinder von den Soldaten und auch ein paar wenige von den Alien Breeds. Ich selbst würde im Krankenhaus als Ärztin arbeiten.
„Wir haben bisher noch keine Probleme mit den Wildtieren“, antwortete Sergeant Blakes. „Wir haben unsere Wachhunde und den Wildtiere scheint es hier etwas zu hektisch zuzugehen. Das einzige, was sie hier zu sehen bekommen werden sind Insekten, Vögel und ein paar rattenähnliche Tiere, die jedoch harmlos sind.“
„Ich kann es gar nicht erwarten, mit meinen Studien anzufangen“, sagte Julia begeistert.
„Hier sind wir schon“, sagte Sergeant Blakes. „Das hier ist unser Clubhouse. Es wird sowohl von den Soldaten als auch den Alien Breed besucht.“
Wir standen vor einen zweigeschossigen Haus aus dem gedämpft Musik zu hören war. Der Sergeant öffnete die Tür und ließ uns eintreten.
Im Inneren war die Musik deutlich lauter und ich bekam nur am Rande mit, dass Blakes etwas gesagt hatte. Ich war so sehr damit beschäftigt gewesen, mich umzusehen. Tatsächlich mischten sich Soldaten und Alien Breed in dem großen Raum, der aus einer Tanzfläche in der Mitte, einer Bar in der hinteren Ecke und mehreren Tischen bestand. Es war schon gut was los. Ich hatte noch nie andere Alien Breed live gesehen, als den einen, den ich damals bei DMI in Ketten vorgefunden hatte. Ob er auch hier war? Es gab ja noch eine Kolonie. Man hatte die Alien Breed Population begrenzen wollen, um sie besser kontrollieren zu können. Möglicherweise befand sich der Mann, der mich seit Jahren in meinen Träumen verfolgte in der anderen Kolonie.
„Was?“, fragte ich nach, da ich Blakes nicht verstanden hatte.
„Ich sagte, dass dort hinten noch ein Tisch frei ist. Setzen wir uns erst einmal.“
Sergeant Blakes führte uns an einen Tisch neben der Tanzfläche. Bei unserem Eintreten hatten sich alle Blicke uns zugewandt, doch jetzt waren alle wieder zu ihren Drinks und Gesprächen zurückgekehrt. Ich war aufgeregt. Als ich damals mit den Fotos an die Presse gegangen war, hatte ich nicht gewusst, wie viele Alien Breed im Auftrag der Regierung gezeugt worden waren. Allein in dem Gebäude von DMI hatten zweiundsechzig Männer und achtunddreißig Frauen gehaust. In einem weiteren Unternehmen in Mexiko, ähnlich wie DMI, waren es Hundertachtundvierzig Männer und vierundsiebzig Frauen. Erst vor vier Jahren war dann herausgekommen, dass es noch ein drittes Unternehmen in Arizona gab. Dort hatte man noch einmal neununddreißig Männer und acht Frauen befreit.
„Was wollen Sie trinken?“, fragte Sergeant Blakes.
„Was gibt es noch außer Bier?“, wollte Julia wissen.
„Wir haben Wein, Cider, Whisky, Wodka, verschiedene Softgetränke und Kaffee“, erklärte Blakes.
„Gibt es Orangensaft?“, fragte Julia. Der Sergeant nickte. „Dann nehm ich einen Wodka-O.“
„Ich schließe mich an“, sagte ich.
„Bier für mich, bitte“, sagte Andreas.
„Für mich auch“, schloss Samuel sich an.
Blakes verschwand in Richtung Tresen, um die Getränke zu besorgen. Mein Blick fiel auf eine Frau, die sich auf der Tanzfläche zur Musik bewegte. Sie war mindestens einen Meter achtzig und hatte einen so durchtrainierten Körper, wie ich ihn nicht mit täglichem Training erreichen würde. Dabei machte sie wahrscheinlich gar keinen Sport. Die Alien Breed waren durch ihre Genetik alle äußerst muskulös. Ich bewunderte die Frau, wie sie sich bewegte. So sinnlich und sexy, dass ich mir dagegen plump und unattraktiv vorkam. Noch dazu hatte sie eine Mähne die ihr bis zum Hintern hinab hing. Ich stellte fest, dass jeder anwesende Alien Breed, ob Mann oder Frau, verdammt attraktiv aussah. Da konnte man ja nur Komplexe bekommen.
Nach dem dritten Drink verspürte ich langsam Druck auf der Blase.
„Wo sind denn die Toiletten?“, fragte ich an Blakes gerichtet.
„Dort hinten durch die Tür und die Treppe hinab“, erklärte Blakes.
„Was ist eigentlich oben?“, wollte Samuel wissen.
„Da sind ein Spielzimmer mit Billard, Tischfußball und Kartentischen, ein kleines Bistro und noch eine kleine Bar, wo Musikvideos laufen.“
„Billard?“, sagte Julia begeistert. „Spielt noch wer?“
„Ich“, antwortete ich. „Aber später. Jetzt muss ich erst einmal für kleine Mädchen. Bis gleich.“
Ich erhob mich von der Bank und schlenderte durch den Raum. Ich bemerkte, dass mir einige Blicke folgten und fühlte mich ein wenig unwohl dabei. Ich hatte nicht so viel Selbstvertrauen wie Julia. Sie schien sich hier pudelwohl zu fühlen. Ich war so viele Leute nicht gewohnt. Vor allen nicht so viele attraktive Kerle. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss als ich auf die rettende Tür zu eilte. Ich war froh, als ich auf dem g**g keine Menschenseele sah und huschte schnellt zur Treppe, die in den Keller führte. Die Toilette war sauberer als ich erwartet hatte. Es gab sogar ein Sofa im Vorraum. Eine Soldatin kam aus einer der Kabinen als ich die Toilette betrat. Sie lächelte mir zu und ging zu den Waschbecken, sich die Hände zu waschen.