Kapitel 1-2

2027 Words
Noch nie. Affengeile, dominante Liebhaber waren nicht Teil meiner Realität. Meine Realität bestand aus Gefängnis. Grellem Licht. Schlechtem Essen. Abgestandener Luft. Mehreren hundert Frauen, die mich ansahen, als wäre ich Frischfleisch. Einsamkeit. Verrat. „Ja, Miss Pierce. Es tut mir furchtbar leid. Ich unterbreche die Tests für gewöhnlich nicht so abrupt, aber ich muss gestehen, dass mich Ihre Schreie ein wenig beunruhigt haben.“ Ich konnte nichts dagegen tun, dass ich feuerrot anlief. „Sagen wir einfach, dass der Traum äußerst...lebhaft war.“ Sie blickte auf ihr Tablet hinunter. Anscheinend hatte sie beschlossen, dass ich auf ihrem Untersuchungsstuhl nicht im Sterben lag. Sie schritt um den einfachen Tisch herum und setzte sich. Das Zimmer war klinisch, in beige gehalten. Ich hätte es für ein Besprechungszimmer in einem Büro halten können, wenn der ausgefeilte Untersuchungsstuhl nicht wäre, auf dem ich saß. Nein, auf den ich wie eine Irrenhaus-Patientin geschnallt war. Die Schnallen um meine Handgelenke waren mindestens zehn Zentimeter breit und zwei Zentimeter d**k. Ich war mir nicht sicher, was für eine Art Superfrau sie sonst auf dem Stuhl festschnallten, aber ein normales Mädchen kam hier nur mit einer Metallsäge raus. Ich blickte an mir hinunter, seltsam erfreut darüber, das ich das fade graue Nachthemd der Teststation trug und nicht die orange Gefängnisuniform mit weißem T-Shirt, die in den letzten paar Monaten meine Garderobe ausgemacht hatte. Darunter war ich nackt, und es reichte mir nur bis zu den Knien. Krankenhauskleidung war anscheinend überall gleich hässlich, egal von welchem Planeten. Und ich war kein großer Fan davon, wie mein nackter Hintern an diesem Stuhl klebte. Wo waren die standardmäßigen Oma-Höschen und Sport-BHs? „Die Tests waren erfolgreich, eine Zuordnung in Höhe von neunundneunzig Prozent ist erfolgt.“ Ein Lächeln verwandelte ihr Gesicht, und ich erkannte, dass sie gar nicht so alt war. Sie war vielleicht sogar ein paar Jahre jünger als ich. Ihr braunes Haar war zu einem strengen Knoten hochgesteckt. Die Frisur erinnerte mich an Schulmatronen in alten Wildwest-Filmen. In ihren grauen Augen lag eine aufgeweckte Intelligenz, die ich respektieren konnte, aber ihre Worte versetzten mich in Alarmbereitschaft. Ich war auf Empfehlung meines Anwalts hier. Aber an diesen ganzen Zuordnungsprozess hatte ich nie so recht geglaubt. Ich meine, jetzt mal im Ernst. Wie zum Teufel wollte irgend so ein Alien-Computer den perfekten Mann für mich auswählen? Ich glaubte es nicht. Aber das hielt das kleine Körnchen Hoffnung nicht davon ab, mit schmerzhaftem Summen in meiner Brust zum Leben zu erwachen. Ich verzog das Gesicht, um meine Reaktion zu verbergen. So hätte die Sache gar nicht ablaufen sollen. „Ich bin zugeordnet worden?“ „Ja, einem Krieger von Prillon.“ „Einem Prillonen?“ Ich wusste überhaupt nichts über die anderen Planeten in der Koalition. Die letzten zehn Jahre war meine Nase in einer Petrischale versunken gewesen, und meine Augen hinter der Linse eines Mikroskops. „Ich sagte Ihnen doch, dass ich das nicht will. Eine Zuordnung. Das hier. Ich will nicht zu irgendeinem...irgend so einem Planeten.“ Ich spuckte die letzten Worte hervor, als wären sie ein schlechter Geschmack auf meiner Zunge. „Ich sagte es Ihnen doch. Ich sollte gar nicht hier sein, sollte nicht im Gefängnis sein. Ich habe nichts Falsches getan, außer die Wahrheit aufzudecken. Ich werde die Erde nicht verlassen, nur weil jemand anderes das Gesetz gebrochen hat.“ Die Aufseherin blickte mich mit mitfühlenden grauen Augen an. „Ja, ich habe von Ihrem Fall gehört, und auch Ihre Unschuldsbekundungen. Rechtlich gesehen ändert der Test nichts daran, dass Sie eines Verbrechens für schuldig befunden worden sind. Er ändert nichts daran, dass Sie die nächsten fünfundzwanzig Jahre im Gefängnis verbringen werden.“ „Ich habe Berufung eingelegt.“ „Ja, Ihr Anwalt hat mich darüber informiert, und ich wünsche Ihnen dafür alles Gute.“ Ihre grauen Augen wurden sanfter, und ich spürte, wie mein Ärger unter der Welle des Mitleids, das ich darin sah, verflog. „Es tut mir leid, Rachel. Aber Ihre Unschuld oder Schuld ist irrelevant für mich. Und glauben Sie mir, Ihrem neuen Gefährten wird es egal sein. Sie sind hier. Sie wurden verurteilt. Die hatten wohl Beweise.“ „Die Beweise waren untergeschoben“, erwiderte ich. Die letzten Spuren des Orgasmus waren verflogen, und an ihre Stelle traten der gleiche Ärger, Frust und die Verbitterung, die mich schon die letzten fünf Monate lang verfolgten. Als das Whistleblower-Gesetz in Kraft trat, traf es auf mich nicht zu. Nein. Ich wurde eiligst abgeführt und fälschlich mit Verbrechen zugekleistert, die ich nicht begangen hatte, und zwar von den Leuten, die viel schlimmere Taten begangen hatten und sie auf diese Weise verbergen wollten. Ja, ich war die Forschungsleiterin bei GloboPharma gewesen. Die Versuchsreihe hatte unter meiner Aufsicht stattgefunden. Aber ich hatte den Stecker gezogen, als sich schlechte Ergebnisse zeigten. Ich hatte mich penibel an die Richtlinien der Arzneimittel-Aufsichtsbehörde gehalten. Die Daten in meinen Berichten waren wahrheitsgetreu und präzise. Ja, ich hatte gewusst, dass bei der Firma hunderte Millionen Dollar für ein Krebs-Heilmittel auf dem Spiel standen. Und die Behandlungsmethode war erfolgreich gewesen, sie tötete nur auch zu viele gesunde Zellen ab. Ich hatte meine Berichte eingereicht und mich darauf verlassen, dass meine Vorgesetzten das Richtige tun würden. An dem Tag, als ich hörte, dass die Aufsichtsbehörde das Medikament zugelassen hatte, kam mir an meinem Schreibtisch fast mein Senf-Salami-Sandwich wieder hoch. Ich hatte die Firmenchefin persönlich angerufen, und als sie mir nicht zuhören wollte, rief ich beim CEO an. Sie alle ignorierten mich und schickten ein paar Schläger vorbei, die meine Wohnung in Stücke schlugen und mich zum Schweigen bringen sollten. Sie hatten mich gefeuert, diskreditiert und, was ich nicht wusste, sie hatten meine Daten behalten und dafür gesorgt, dass ich zu Fall gebracht werden konnte, wenn etwas schief lief. Und es lief richtig, richtig schief. Mindestens vierhundert Menschen starben, bevor die Aufsichtsbehörde dahinterkam, dass der Schaden von dem neuen Medikament verursacht wurde. Als sie nach einem Schuldigen suchten, servierte ihnen GloboPharma meinen Kopf auf einem Silbertablett. Die Schweine. Ich weigerte mich, kampflos aufzugeben. Ich würde nicht wie ein verängstigtes Hündchen rumlaufen und den Rest meines Lebens auf einem beschissenen fremden Planeten verbringen. Ich musste das Richtige tun. Ich musste kämpfen. Wenn ich das nicht tun würde, würden die Mistkerle, die das diesen armen Menschen angetan hatten, das Gleiche wieder tun. Und wieder. Und wieder. Ich hatte erst letztes Jahr mein Doktorat in Biochemie abgeschlossen. Ich hatte ein Grundstudium in Physiologie absolviert, damit ich in der Welt etwas bewirken konnte, Menschen helfen. Ich wollte nie in einen solchen Kampf verwickelt sein. Aber jetzt, da ich hier war, konnte ich nicht einfach weglaufen. Ich hatte keine Wahl. Es hieß entweder kämpfen, oder im Gefängnis versauern. Und wenn ich mich von ihnen unterkriegen ließ, würden sie es einfach wieder tun, einen weiteren Fehler begehen. Menschen töten. Und darüber lügen. „Ich kann nicht weg. Ich muss vors Gericht. Bitte, es ist mir wichtig, dass Sie das verstehen.“ „Ihr Berufungsverfahren beginnt in zwei Monaten“, antwortete sie und ließ sich nicht weiter auf meinen Ausbruch ein. Sie wusste, was passiert war. Die Anschuldigungen, das Verfahren, meine Verurteilung. Es war alles in meiner Akte auf ihrem feinen Tablet. Alles über mich war da drin, auch, was ich vor drei Monaten zum Mittagessen hatte, und meine BH-Größe. „Ihr Anwalt hat Ihnen angeraten, dass Sie sich fürs Interstellare Bräute-Programm testen lassen, nur für alle Fälle.“ Mein Anwalt war ein netter Mann, machte seine Arbeit gut, aber er trat gegen die höchst kunstfertigen, äußerst gut platzierten Leute in der Aufsichtsbehörde sowie gegen GloboPharmas Heer von Anwälten an. Er hatte mir gesagt, dass es ein harter Kampf werden würde, aber es war mir egal. Ich hatte nichts Falsches getan. Ich war dahintergekommen, was andere getan hatten, immer noch taten, zehntausenden verängstigten Menschen antaten, die verzweifelt auf der Suche nach einem Heilmittel waren. Sie hatten Menschen ausgenutzt, die krank waren und Angst hatten. Sie hatten Dokumente gefälscht, hatten gelogen, sich verschworen und auf alles meinen Namen gesetzt. Die Firma hatte nichts als eine dämliche Geldstrafe bezahlt und war davongekommen. Ich war diejenige, die wegen Fälschung, Betrug und Verschwörung im Gefängnis gelandet war. Und das war nur die kurze Liste. Mir war egal, was über mich geredet wurde. Ich würde nicht aufgeben. „Ja, zwei Monate, dann wird die Wahrheit ans Licht kommen und ich werde frei sein.“ Sie blickte nicht gerade hoffnungsvoll drein. „Einen Prillonen zum Gefährten zu nehmen ist nicht das Ende der Welt, Rachel.“ „Ja, das ist es. Buchstäblich. Ich würde nicht auf der Erde bleiben.“ „Ich war schon dort. Auf Prillon.“ Sie neigte mir den Kopf entgegen. „Ich wurde vor sechs Jahren einem Prillon-Krieger zugeordnet. Es war das Beste, was mir je passiert ist.“ „Und doch sind Sie hier“, entgegnete ich. Ihre Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen, und ein Schatten legte sich über ihre grauen Augen. Ich hatte sie mit meinen Worten verletzt. „Es tut mir leid. Ich kenne Ihre Geschichte nicht, Ihr Leben. Ich sitze nur“—ich zerrte an den Schnallen—„in der Falle.“ Während ich auf Antwort wartete, betrachtete ich ihre bewusst stoische Miene. Ja. Sie war jung, vielleicht etwa vier Jahre jünger als ich mit meinen zweiunddreißig. Aber der Schmerz in ihren Augen war alter Schmerz. Alt und verhärtet, zu einer Panzerung um ihr Herz. „Wie ist es möglich, dass Sie vor sechs Jahren nach Prillon gehen konnten? Das Bräute-Programm gibt es erst seit zwei Jahren.“ Zwei Jahre, seit die Aliens gelandet waren. Zwei Jahre, seit alles auf der Erde ins Schleudern gekommen war und wir erfahren hatten, dass wir nicht alleine waren. Zwei Jahre, und unsere Regierungen kämpften immer noch untereinander wie die Halbstarken im Schulhof, die sich um ihr Revier stritten. Nichts hatte sich geändert. Nichts würde sich jemals ändern. Die menschliche Natur war...nun...einfach zu menschlich. Ihr Lächeln war beherrscht und reichte nicht bis an ihre Augen. „Nun, ich war nicht in Ihrer Lage. Ich war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Meine Gefährten fanden mich, bevor die Erde offiziell der Koalition beigetreten war. Ich hatte keine Wahl, Rachel. Nicht wie Sie. Ich war nur für kurze Zeit bei ihnen, bevor sie von den Hive getötet wurden, aber ich liebte sie und ich bereue nicht einen Augenblick, den ich als ihre Gefährtin verbracht habe. Ich verstehe Ihre Angst davor, auf einen anderen Planeten zu gehen. Aber Sie sind einem hochrangigen Prillon-Kommandanten zugeordnet worden. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Sie ihn zu lieben lernen werden. Sein Sekundär wird, da bin ich mir sicher, ebenso beeindruckend sein.“ „Sekundär?“ Sie nickte. „Ja, alle Prillon-Krieger teilen ihre Gefährtin mit einem anderen. Das ist dort so Brauch. Wenn einer Ihrer Gefährten im Kampf umkommen sollte, hätten Sie und mögliche Kinder immer noch den zweiten Mann, um Sie zu beschützen und zu versorgen.“ „Zwei Männer? Ein Dreier?“ War sie verrückt? Ich wollte keinen Gruppensex. Ich wollte nicht einmal einen Außerirdischen, geschweige denn zwei. Mein Körper erinnerte sich an die zwei Männer, die mich erst vor wenigen Augenblicken noch mit ihren Schwänzen gefüllt hatten, in diesem verdammten Traum, und mir wurde sofort warm. Nein. Nein. Nein. Nein. Ich würde vor meiner Berufung nicht davonlaufen, nur um heißen Alien-s*x zu haben. Einfach nur Nein. „Auf gar keinen Fall“, sagte ich. Wenn ich mit der Hand durch die Luft hätte wedeln können, dann hätte ich das getan. Wie die Dinge standen, musste ich mich damit zufrieden geben, den Stuhl mittels der Schnallen an meinen Händen zum Rasseln zu bringen. Ich blickte ihr in die Augen hoch und schüttelte noch einmal meinen Kopf, um ganz sicher zu sein, dass sie genau verstand, was ich sagen wollte. „Nein danke. Ich weiß, dass John gesagt hat, ich solle hierher kommen, aber nein. Ich kann nicht weg. Ich lehne die Zuweisung ab.“ „Dann kommen Sie bis zu Ihrer Verhandlung zurück ins Hochsicherheitsgefängnis.“ Der Gedanke daran, zurück in die Einzelhaft zu gehen, war elend. Eine Gefängniszelle oder der Weltraum. Die Auswahlmöglichkeiten waren düster. Das Wissen, dass ich unschuldig war, verhalf mir zu einem Entschluss.
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