Kapitel 7 Enzos Sichtweise

1901 Words
Ich lag im Bett und starrte an die Decke. Ihre Worte gingen mir immer wieder durch den Kopf, wiederholten sich unaufhörlich. Ihr Gesicht spielte sich wie ein Bild in meinem Geist ab, immer und immer wieder. Sie sah nicht verzweifelt oder traurig aus, nur erschöpft. Als hätte sie das, was sie mir sagte, längst akzeptiert und nichts anderes erwartet. Wie schlimm ihr Leben wohl sein musste, um alles, was sie mir erzählte, einfach so hinzunehmen. Ich wusste, dass ich daran auch Schuld hatte. Ich war nur eine weitere Person, die sie minderwertig behandelte. Ich musste ihr erklären, dass das alles nur wegen meiner Position und der Situation so war. Unter anderen Umständen hätte ich an die Worte meines Vaters geglaubt: Ein Gefährte wird uns aus einem bestimmten Grund geschickt, und er ist unser perfektes Gegenstück. Aber egal wie sehr ich auch versuchte, den Grund des Schicksals für diese Verbindung zu finden, es gab keinen. Es sei denn, das Ziel war, mich in einer Alpha-Herausforderung töten oder aus meinem Rudel vertreiben zu lassen. Diese Ablehnung beruhte auf den Umständen. Mein Wolf knurrte mich in meinem Kopf an, nannte es Bullshit. „Stolz und Ego“, sagte er, und ich rollte mit den Augen. Er war in den letzten Tagen ein griesgrämiger Mistkerl gewesen. Wir sprachen nicht wirklich miteinander, und die Tatsache, dass er bereit gewesen war, mich neulich zu zwingen, machte mich wütend. Und die Tatsache, dass ich sie nicht beanspruchen wollte, machte ihn wütend. Seine Bedürfnisse waren rein animalisch, er verstand oder kümmerte sich nicht um die damit verbundenen politischen Konsequenzen. Drei Tage hatte ich sie nicht gesehen, und es fühlte sich an, als würde meine Haut kribbeln. Meine Nerven waren angespannt, und meine Geduld war kurz. Ich hatte Monate nach dem ersten Treffen ohne Probleme verbracht, ohne sie zu sehen oder mich davon beeinflussen zu lassen, mit wem ich schlief. Warum beeinträchtigte es mich jetzt so sehr? Ich hatte Bücher und Tagebücher von Vorfahren des Rudels durchsucht und nichts gefunden. Keine einzige Erwähnung. Alle anderen dokumentierten Ablehnungen von Gefährten waren mündlich erfolgt, beide hatten sich gegenseitig abgelehnt, dann kam der Schmerz, als die Verbindung zerrissen wurde. Was ich jedoch gelesen hatte, was mir Sorgen bereitete, war, dass diese Wölfe danach nie wieder einen wahren Gefährten gefunden hatten. Sie mussten sich alle schließlich mit einer Bindungspaarung abfinden. Vielleicht war das der Weg, den ich jetzt einschlagen musste. Ich hatte die Idee, dass eine Bindung mit einer anderen Wölfin die Verbindung kappen könnte. Schließlich konnte ich nicht zwei Gefährtinnen haben. Ich musste nur eine finden, die bereit wäre, ihren eigenen Gefährten abzulehnen, falls dieser nach unserer Paarung auftauchen würde. Stöhnend setzte ich mich auf und sah auf den Wecker. Es war erst fünf Uhr morgens. Ich hatte seit Tagen nicht geschlafen. Aber ich wusste, dass es keinen Sinn hatte, sich wieder hinzulegen, der Schlaf würde nicht kommen. Statt mich anzuziehen, griff ich nach dem Handtuch, das ich letzte Nacht nach dem Duschen über das Bettgestell geworfen hatte, und wickelte es um meine Hüften. Leise tappte ich durch das Haus und ging nach draußen. Der Morgen brachte eine kühle Brise, und alles war still. In der Ferne hörte und spürte ich die Nachtwölfe bei ihren Patrouillen, aber sonst war nichts zu hören. „Ich werde dich für einen Lauf rauslassen, aber du musst dich benehmen“, sagte ich leise zu meinem Wolf. Er schnaubte in meinem Kopf, und ich nahm das als Zustimmung. Ich warf das Handtuch auf einen nahegelegenen Stuhl, ließ die Verwandlung zu und grinste, wie therapeutisch es sich anfühlte. Als unsere Pfoten das Gras berührten, schossen wir los. Wir flitzten durch die Straßen, bis wir die Baumgrenze erreichten. Ich ließ ihn freie Bahn, und es schien, als wäre er in Jagdlaune. Wir waren gerade glücklich dabei, Beute zu verfolgen, als uns ein Duft in die Nase stieg. Verdammt. Ich kannte diesen Duft jetzt, er war fest in meinem Gehirn verankert. Mein Wolf erstarrte und blieb regungslos stehen, schnüffelte in der Luft. „Ich habe dir gesagt, du sollst dich benehmen“, warnte ich in meinem Kopf. Es prallte auf taube Ohren. Unser Kopf ruckte nach links, als wir eine Bewegung hörten, und der Duft wurde stärker. In der Ferne huschte ein weißer Blitz durch die Bäume, und er rannte los. Er verschwendete keine Zeit, setzte all seine Kraft in den Sprint. Der weiße Blitz tauchte wieder auf, diesmal näher. Er erwischte den kleinen Wolf leicht. Ihr Kopf drehte sich zu uns, dann änderte der weiße Wolf die Richtung und beschleunigte. Es schien, als wollte ihr Wolf spielen. Und zum ersten Mal seit Wochen fühlte sich mein Wolf aufgeregt und glücklich, als sie ein Katz-und-Maus-Spiel begannen. Er verlangsamte sich, um mit ihr zu spielen. Wir könnten sie leicht fangen, wenn wir es wollten, auch wenn sie schnell war, das musste ich zugeben, aber er wollte es nicht. Zehn Minuten lang hielten sie es durch. Dann sprang er, segelte durch die Luft und landete sanft auf dem Rücken des weißen Wolfs. Sie rollten miteinander, bis der weiße Wolf unter uns auf dem Rücken lag. „Wage es ja nicht“, knurrte ich ihn an und versuchte verzweifelt, die Kontrolle zurückzugewinnen. Aber er kämpfte dagegen an. Der Wolf unter uns wimmerte bedürftig. Mein Wolf senkte den Kopf und begann, dem weißen Wolf das Gesicht zu lecken, und sie erwiderte es. Sie machten weiter, aber er ging nicht weiter. Ich spürte, wie er sich zurückzog, mich die Verwandlung zurück zu einem Menschen durchlaufen ließ, bis ich der Mann im Körper des Wolfs war, und ich sah, wie sie sich ebenfalls verwandelte. Ich weiß nicht, warum ich mich nicht bewegte. Aber als wir beide wieder vollständig menschlich waren, lag ich zwischen ihren gespreizten Beinen, meine Arme umrahmten ihren Kopf, und unsere Gesichter waren so nah, dass ich ihren Atem auf meinem Gesicht spürte, während sie keuchte. So nah, dass ich ihren Atem auf meinem Gesicht spürte, als sie keuchte. Als ich zwischen uns hinunterblickte, sah ich, dass wir beide nackt waren. Und mein Schwanz war direkt dort, wo er sich eindeutig vergraben wollte. Ich konnte die Hitze spüren, die von ihr ausging, und ihren Duft riechen. Mit zusammengebissenen Zähnen und aufblähenden Nüstern sah ich wieder in ihr Gesicht. Sie starrte mich mit glasigen Augen an. Und ich wusste, was mein Wolf hier getan hatte – er versuchte, mich zu drängen, es zu tun. Er hatte die Versuchung direkt vor mein verdammtes Gesicht gelegt. Mir wurde schwindelig und benommen. Ich lehnte mich nach unten, drückte meine Nase in ihr Haar und atmete tief ein. Es brachte mich zum Stöhnen, wie gut es roch. Ich fuhr mit meiner Nase ihre Wange entlang, spürte ihre weiche Haut darunter und hörte, wie sie keuchte. Ihr Körper wölbte sich, und ich spürte, wie sich ihre nackten Brüste gegen meine Brust drückten. Ich bewegte mich weiter, bis sich unsere Nasen berührten, unsere Lippen waren nur Millimeter voneinander entfernt. Unsere Atemzüge mischten sich. Ihre violett-blauen Augen waren weit aufgerissen. Ohne einen klaren Gedanken in meinem Kopf, denn ich glaube, es war kein verdammter Tropfen Blut mehr in meinem Kopf. Ich schloss den kleinen Abstand und ließ meine Lippen sanft über ihre streifen. Nur eine leichte Berührung. Aber das war alles, was nötig war. Stöhnend über das Gefühl ihrer weichen Lippen schloss ich die Augen und fluchte gegen ihren Mund, bevor ich sie wie ein wildes Tier angriff. Ich war nicht sanft oder freundlich, pure Begierde erfüllte mich, als ich meine Lippen fest auf ihre presste. Ich nahm, was ich wollte, ohne Entschuldigung. Sie war unerfahren und ungeschickt. Eine große rote Fahne wegen ihrer Unerfahrenheit und die Tatsache, dass ich das nicht tun sollte. Aber ihr Geschmack explodierte auf meiner Zunge und brachte mich beinahe um den Verstand. Meine Hände griffen in ihr Haar, hielten ihren Kopf fest, während ich mir meinen Rausch holte. Ich erinnerte mich an ein ausgehungertes wildes Tier, das seit Wochen keine Nahrung mehr hatte. Es war erst, als ich spürte, wie sich feuchte Hitze um die Spitze meines Schwanzes legte, dass mein Verstand plötzlich zurückkehrte. Ich musste wohl begonnen haben, in der Nähe ihres Eingangs zu stoßen, ohne es zu merken. Ich riss meinen Körper zurück und von ihr weg, landete in einer geduckten Angriffsposition einige Meter entfernt. Meine Lungen schnappten nach Luft, und mein Wolf verlangte, dass ich zurückgehe. Verdammt, verdammt nochmal, ich hatte gerade fast mit ihr geschlafen. Ohne einen Gedanken hatte sich mein Körper instinktiv bewegt. „Du hast mich verdammt nochmal nicht aufgehalten“, knurrte ich sie an, als sie sich hastig aufrichtete. Sie sah entsetzt aus, als würde ihr die Erkenntnis erst jetzt bewusst werden. „Du hast gesagt, du würdest mich nicht als Gefährten akzeptieren, und trotzdem hast du nicht gestoppt. Ich war dabei, ich war dabei ... verdammt, ich war dabei, dich zu ficken, Anthea, du bist noch Jungfrau und ich hätte nicht sanft sein können“, schoss ich frustriert heraus. Es war nicht ihre Schuld, das wusste ich. Aber alles war gerade beinahe völlig aus den Fugen geraten. Hatte sie keinen Selbstschutz? Ich hätte ihr weh tun können. Das erste Mal musste sanft sein, und der Wolf musste voll und ganz die Kontrolle haben. Das war ich definitiv nicht gewesen. Meine Küsse hätten sie darauf hinweisen sollen; ihre Lippen sahen aus, als wären sie durch die Intensität meiner Berührungen geschunden worden. „Du hast mich geküsst“, sagte sie atemlos. Ich stand auf und griff mir in die Haare, zog daran. „Verdammt, ich weiß, es tut mir leid. Mein Wolf, er wusste, was er tat“, begann ich zu kreisen. „Es wird immer schwieriger, mich von dir fernzuhalten. Mein Körper verlangt verdammt nach dir, und jetzt, wo ich dich gekostet habe, wird es nur noch schlimmer.“ Ich redete mehr mit mir selbst als mit ihr. „Es tut mir leid“, sagte sie leise, aber ich hörte den Schmerz in ihren Worten. Als sie sich aufrichtete, versuchte sie, ihren Körper mit den Händen zu bedecken. Es tat mir weh, das zu sehen. Ich ging zu ihr hinüber, nahm ihre Hände und hielt sie in meinen. Ich musste ihr das klar machen, musste ihr zeigen, dass ich nicht wie alle anderen in ihrem Leben sein wollte. „Anthea, das ist nicht deine Schuld, das ist nicht meine Schuld. Wir haben das nicht verlangt, und wenn ich ein gewöhnlicher Wolf wäre, würde ich ohne Probleme mit dir paaren. Aber ich bin der nächste Alpha, verstehst du das? Verstehst du, warum ich das nicht kann?“ Sie sah mich nicht an, sondern auf den Boden, als sie nickte. Also ließ ich eine ihrer Hände los und hob ihr Kinn mit einem Finger an. Ihre violettblauen Augen bohrten sich in meine, und ich fühlte mich in ihnen verloren. Mein Kopf begann sich zu senken, meine Lippen bewegten sich wieder in ihre Richtung. Also ließ ich sie los und trat zurück, während ich mich von ihr abwandte. „Ich muss gehen, es tut mir leid, Anthea. Ich werde eine Bindungspartnerin auswählen, und hoffentlich wird das unsere Verbindung kappen. Es wird bald vorbei sein.“ Und ich lief los. Mein Wolf war nicht erfreut. Ich würde ihn nicht zurücklassen, damit er zu ihr zurückkehren konnte. Ich war kein Monster; meine Mutter hatte mich gelehrt, Frauen besser zu behandeln. Aber sie musste denken, dass ich es bin. Und ich würde ihr das nicht übel nehmen.
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