KAPITEL EINS
KAPITEL EINS
Der Ring war noch viel schöner als in Emilys Erinnerung. Ein gewundenes Silberband war mit dem Blau, das sie an das Meer erinnerte, verschlungen. Darauf saß eine Perlengruppe. Er war wunderbar, einzigartig und absolut perfekt.
Eine Schneeflocke landete auf Emilys Hand und brachte sie wieder in die Gegenwart zurück. Sie sah zu Daniel, der immer noch vor ihr kniete. Im Hintergrund schlugen die Wellen an den Strand, die Sterne glänzten am Himmel und Sand klebte an Daniels Hose. Er hatte Tränen in den Augen und Emily konnte spüren, wie sie auch in ihren Augen aufstiegen. Sie konnte sich nicht bewegen, nicht aufstehen. Das einzige, zu dem sie fähig schien, war, Daniel festzuhalten und ihn nie wieder loszulassen.
Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und zog seinen Körper dicht zu sich heran. Dann übersäte sie seinen Nacken mit Küssen und fuhr ihm mit den Fingern durch das Haar.
„Ich liebe dich so sehr“, flüsterte sie.
„Und ich liebe dich mehr, als Worte je beschreiben können“, erwiderte Daniel atemlos. Dann fügte er mit einem leisen Lachen hinzu: „Du zitterst ja.“
Emily musste kichern, sie fühlte sich sorglos und frei. „Das liegt am Schnee“, erklärte sie.
Schließlich lösten sie sich voneinander und Daniel griff nach Emilys Hand, an der er sie auf die Füße zog.
„Sollen wir zurückgehen?“, fragte er.
Emilys Gedanken kehrten zu der Thanksgiving-Feier zurück, die gerade in ihrer Pension stattfand. Es hatte sich praktisch die ganze Stadt hier versammelt und mit Sicherheit war die Abwesenheit von ihr und Daniel mittlerweile bemerkt worden. Doch sie wollte nicht zurückgehen. Noch nicht. Sie wollte hier mit Daniel diesen perfekten Moment so lange wie möglich auskosten.
Emily schüttelte den Kopf und rieb sich die Gänsehaut von den Armen. „Können wir noch ein bisschen länger hierbleiben?“
Daniel schenkte ihr ein zärtliches Lächeln. „Natürlich.“ Er zog sie wieder in seine Arme. Zusammen wiegten sie hin und her, so als ob sie zu einer Musik tanzen würden, die nur sie hören konnten.
„Ich kann es kaum abwarten, Chantelle davon zu erzählen“, murmelte Daniel nach einer Weile.
Bei dem Gedanken an Daniels Tochter durchfuhr Emily ein plötzlicher Schub Aufregung. Das kleine Mädchen würde sich so für sie freuen. Auf einmal erschien ihr die Idee, zur Pension zurückzukehren, um einiges verlockender. Emily wollte unbedingt Chantelles Gesicht sehen, wenn sie ihr die Neuigkeit verkündeten. Das Mädchen, das solch einen schrecklichen Start ins Leben gehabt hatte, würde nun endlich sein Märchenende bekommen.
„Komm, lass uns zurückgehen“, sagte Emily, während sie sich aus Daniels Umarmung löste und stattdessen seine beiden Hände ergriff.
„Bist du dir sicher?“, fragte er.
Sie nickte. In diesem Augenblick wünschte sich Emily nichts sehnlicher, als Chantelle von den Neuigkeiten zu erzählen. Plötzlich fühlte sie sich selbstbewusst und stolz und wollte auch, dass die ganze Welt davon wusste. Sie wollte sich auf die Dachterrasse ihrer Pension stellen und die Neuigkeiten über die ganze Stadt hinwegschreien, damit jeder im Umkreis von mehreren Kilometern sie hören könnte.
Doch während sie den Strand in Richtung Pension entlanggingen, stieg in Emily wieder eine gewisse Nervosität auf. Sie hielt nicht gerne große Ansprachen, aber sie würde es niemals schaffen, zurück ins Haus zu schleichen, ohne über ihre Abwesenheit befragt zu werden. Ganz zu schweigen von dem Ring. Der war wohl kaum unauffällig. Jeder, der Augen im Kopf hatte, würde ihn sofort glitzern sehen.
Unwillkürlich tauchten in Emilys Kopf all die Gesichter auf, die sie anstarren würden – einige davon mit unterstützender Miene, andere eher auf abwehrende Weise. Jetzt im Moment gehörte ihre Verlobung nur ihr und Daniel und niemandem sonst. Es war etwas ganz Privates, ein Zustand reinen Glücks. Doch sobald sie die Neuigkeiten verkündeten, öffneten sie diesen Bereich ihres Lebens für Kritik und gegensätzliche Meinungen.
Vielleicht kommt es ja auch ganz anders, dachte Emily, während sie entlangschlenderte. Vielleicht hatten sich die Stadtbewohner in ihrer Abwesenheit ja an den Mimosas vergriffen und waren so mit Trinken, Tanzen und fröhlichem Beisammensein beschäftigt, dass sie ihre Rückkehr gar nicht bemerken würden.
Schließlich erreichten sie den kleinen Pfad, der vom Strand hinauf zu der Straße führte, in der sie lebten. Emily kletterte den steilen Abhang zuerst hinauf, Daniel folgte ihr. Als sie durch die Bäume auf den Gehweg traten, konnten sie die Lichter der Pension sehen und die Musik und das Lachen hören, das der Wind zu ihnen hinübertrug. In ihrem Bauch flatterten Schmetterlinge umher.
„Bereit?“, fragte Daniel, als er neben sie trat.
Emily holte tief Luft. Trotz ihrer Nervosität fühlte sie sich so selbstsicher wie nie zuvor, so als ob sie es mit der ganzen Welt aufnehmen könnte.
Hand in Hand liefen sie langsam die Einfahrt entlang, vorbei am Kutscherhaus, in dem Daniel einmal gewohnt hatte, und anschließen die Stufen der Veranda hinauf und durch die Eingangstür der Pension in Sunset Harbor. Sofort wurden sie von Wärme und Helligkeit umfangen. Der beruhigende Duft nach Thanksgiving-Essen – Truthahn, Preiselbeeren, Mais, Kürbiskuchen – lag in der Luft. Augenblicklich spürte Emily die Liebe, die in der Pension herrschte.
In diesem Moment stürmte eine lachende Serena aus dem Esszimmer in den Flur. Als sie Daniel und Emily erblickte, lächelte sie sie aus ihren rotbemalten Lippen an. Ihre Wangen waren leicht gerötet und Emily fragte sich unwillkürlich, ob das wohl etwas mit dem andauernden Flirt zu tun hatte, der an diesem Abend zwischen ihr und Owen, dem Klavierspieler, stattfand.
„Oh hey“, sagte Serena, als sie Emilys Blick auffing. „Ich habe mich schon gefragt, wohin ihr zwei verschwunden seid.“
Emily und Daniel sahen sich verschmitzt an. Auf frischer Tat ertappt.
Plötzlich brachte Emily kein Wort über die Lippen, wie ein Kind, das gerade dabei erwischt worden war, wie es Kekse aus der Dose stahl. Sie sah Daniel hilfesuchend an, doch es machte einen noch schlimmeren Eindruck als sie. Er wirkte wie ein Reh im Scheinwerferlicht.
Serena runzelte die Stirn. Dann verengte sie argwöhnisch die Augen und ihr Mund verzog sich zu einem leichten Grinsen. Sie ahnte offensichtlich, dass die beiden etwas angestellt hatten.
„Hm“, meinte sie, während sie wie ein Detektiv vor ihnen auf- und abging. „Schnee im Haar. Sand auf der Hose. Ich nehme an, ihr wart am Strand.“ Sie tippt sich auf das Kinn. „Aber warum nur?“ Sie hielt einen Augenblick inne, bevor sich ein Ausdruck der Erleuchtung auf ihrem Gesicht ausbreitete. Nach Luft schnappend griff sie nach Emilys linker Hand und suchte nach der Bestätigung ihrer Vermutung. Beim Anblick des Rings weiteten sich ihre Augen und ihr Mund fiel auf.
„Oh. Mein. Gott! Ihr seid verlobt!“
Emily spürte, wie sich ihre Wangen röteten. Das war das erste Mal, dass jemand das Wort „verlobt“ im Zusammenhang mit ihr sagte, und es fühlte sich surreal an. All diese Jahre lang hatte sie sich danach gesehnt und davon geträumt und nun hatte sie endlich dieses Stadium der „Verlobung“ erreicht.
Schnell nickte sie. Serena kreischte und zog sie beide in eine unbeholfene Umarmung, in der Ellbogen und Arme aneinanderstießen.
„Bin ich die erste, die es erfährt?“, wollte Serena wissen, als sie sich von ihnen löste. Dabei war die wachsende Aufregung in ihrer Stimme unüberhörbar.
„Ja“, bestätigte Daniel. „Aber könntest du bitte Chantelle zu uns bringen? Ich will, dass sie es weiß, bevor der Rest davon erfährt.“
„Natürlich!“, rief Serena.
Mit vor Tränen glänzenden Augen warf sie einen letzten Blick auf Emilys Ring, bevor sie überschwänglich davonsprang. Emily stieß eine Mischung aus nervösem Kichern und verlegenem Stöhnen aus.
Daniel drückte ihre Hand aufmunternd. Es fühlte sich so an, als würde er ihr gratulieren, die Reaktion der ersten Person überstanden zu haben, und ihr gleichzeitig Mut für die nächste Enthüllung zusprechen, die weitaus wichtiger sein würde.
Emily holte tief Luft. Ihr Herz schlug wild in ihrer Brust. Das war er. Der große Moment.
Als sich die Tür zum Esszimmer einen Spalt breit öffnete, schwollen die Geräusche der Feier an. Dann tauchte Chantelles Gesicht auf, das sich schüchtern umsah. Emily hörte Serenas Stimme auf der anderen Seite, die Chantelle dazu ermutigte, in den Flur hinauszutreten.
„Geh schon, du musst dir keine Sorgen machen!“
Chantelle trat vollständig aus dem Zimmer. Sofort schloss Serena die Tür hinter ihr, woraufhin der Feierlärm wieder nachließ. Plötzlich empfand Emily die Stille als erdrückend.
Am einen Ende des Flurs stand eine verängstigt aussehende Chantelle. Am anderen Ende standen Emily und Daniel, denen man ihre Nervosität ebenso ansehen konnte. Emily bedeutete dem Kind, näher zu kommen und sofort stürmte Chantelle auf sie zu.
„Stecke ich in Schwierigkeiten?“, fragte sie mit leiser, zitternder Stimme. „Serena meinte, dass ihr mit mir sprechen wollt.“
„Auf keinen Fall!“, rief Emily. Dann zog sie Chantelle in eine feste Umarmung. „Du steckst definitiv nicht in Schwierigkeiten!“ Dabei strich sie über Chantelles weiches, blondes Haar. „Daddy und ich wollen dir nur etwas sagen. Es ist nichts Schlimmes.“
Chantelle löste sich aus der Umarmung, um Emily mit gerunzelter Stirn und skeptischem Blick in ihren blauen Augen anzuschauen. Obwohl sie gerade einmal sieben Jahre alt war, hatte sie schon gelernt, Erwachsenen misstrauisch und argwöhnisch gegenüberzutreten.
„Schickt ihr mich zurück nach Tennessee?“, vermutete Chantelle geradeheraus, wobei sie ihr Kinn mit gespielter Gleichgültigkeit anhob.
„Nein!“, rief Daniel und schüttelte den Kopf. Wenn die Vorstellung nicht so traurig wäre, dann hätte die ganze Situation etwas Lustiges an sich. Um Chantelles Ängste so schnell wie möglich auszulöschen, ging Daniel neben seiner Tochter in die Hocke, sodass er auf einer Augenhöhe mit ihr war. Dann nahm er ihre Hände in seine, holte tief Luft und verkündete: „Emily und ich werden heiraten.“
Zuerst tat sich gar nichts, während Chantelle die Neuigkeiten verarbeitete. Dann wich die Angst aus ihrem Gesicht und ihre Augen weiteten sich verwundert. Anschließend breitete sich ein großes Grinsen auf ihrem Gesicht aus.
„Wirklich?“, kreischte sie, während sie sie verzückt ansah.
„Ja, wirklich“, bestätigte Emily.
Sie streckte ihre Hand aus, damit Chantelle den Ring betrachten konnte. Die Augen des Mädchens wurden sogar noch größer, als sie ungläubig auf den wunderschönen Ring an Emilys Finger starrte. Chantelle hielt Emilys Hand umklammert.
„Ich dachte…“, stammelte sie. „Ich dachte, ihr wollt mich loswerden. Aber in Wirklichkeit ist er in Erfüllung gegangen.“
„Wer ist in Erfüllung gegangen?“, wollte Emily neugierig wissen.
„Mein Thanksgiving-Wunsch“, antwortete Chantelle. Ihr Griff, mit dem sie immer noch Emilys Hand umklammerte, verstärkte sich. „Ich habe mir gewünscht, dass ihr heiratet, damit wir für immer eine Familie sein können.“
Bei Chantelles ernsten Worten bildete sich ein Kloß in Emilys Hals. Sie fing Daniels Blick auf. An seinem Gesichtsausdruck konnte sie erkennen, dass sein Herz genau wie ihr eigenes gerade schmolz.
In diesem Moment fühlte sich Emily mehr vom Universum geliebt als je zuvor. Aus irgendeinem Grund standen ihr die Sterne günstig und hatten ihr Daniels Liebe und Chantelles Verehrung geschenkt. Alles fühlte sich richtig an.
„Kann ich diejenige sein, die es allen erzählt?“, fragte Chantelle plötzlich.
„Du meinst, allen Gästen dort drinnen?“, vergewisserte sich Emily, während sie auf die Esszimmertür zeigte, aus der Gelächter und Unterhaltungsfetzen zu ihnen herausdrangen.
„Mhm. Also, darf ich oder wollt ihr es selbst verkünden?“
„Bitte, du hast das Sagen!“, rief Emily aus, erleichtert, dass ihr jemand diese Aufgabe abnahm.
„Kann ich es jetzt machen?“, wollte Chantelle wissen, während sie auf- und absprang.
Emily grinste. Chantelles Reaktion hatte sie perfekt auf diesen Moment vorbereitet. Ihre Aufregung und Freude beruhigten Emilys Nerven. Solange Chantelle glücklich war, dann war es egal, wie die anderen Gäste reagieren würden!
„Jetzt sofort“, stimmte Emily zu.
Als sie Emilys Zustimmung hörte, kreischte Chantelle auf und sprang den Flur entlang. Sie war so schnell, dass Daniel und Emily hinter ihr herrennen mussten, um Schritt zu halten. Dann platzte sie so abrupt in den Raum, dass sich alle überrascht von der plötzlichen Störung umdrehten. So laut sie konnte schrie Chantelle:
„Sie werden heiraten! Sie werden heiraten!“
An der Türschwelle warteten Emily und Daniel ein paar Sekunden lang, bis Chantelles Worte bei allen durchgedrungen waren.
Dann beobachteten sie die überraschten Ausdrücke auf den Gesichtern ihrer Freunde und Nachbarn – von Cynthia, die übertrieben laut nach Luft schnappte, bis hin zu Vanessa, die sich eine Hand auf den Mund schlug.
Schließlich mussten alle breit grinsen. Yvonne und Keiran, Suzanna und Wesley, all die Menschen, die sie mittlerweile so gernhatte und ihre Freunde nannte, begannen zu klatschen.
„Herzlichen Glückwunsch!“, rief Yvonne und stürmte als erste auf Emily zu, um sie zu umarmen. Keiran folgte ihr auf den Fuß. Er schüttelte Daniels Hand und zog Emily in seine Arme, nachdem Yvonne sie gehen gelassen hatte. Alle überschütteten Daniel und Emily mit Umarmungen und Küssen, Glückwünschen und Freudensbekundungen. Emily konnte die Liebe der Gemeinschaft spüren, die sie umgab. Noch nie zuvor hatte sie das Gefühl gehabt, so unterstützt zu werden. Warum um alles auf der Welt hatte sie sich Sorgen gemacht?
„Wir müssen auf das glückliche Paar anstoßen“, meinte Derek Hansen in seiner starken Bürgermeisterstimme.
Die Menschen begannen, ihre Gläser mit Champagner zu füllen. Emily bekam auch eines in die Hand gedrückt. Neben ihr füllte Serena ein Champagnerglas mit Cola, sodass Chantelle mit ihnen anstoßen konnte. Emilys Gedanken schwirrten wild umher, so überwältigt war sie vor Freude. Das alles fühlte sich wie ein Traum an.
Dann hoben alle Anwesenden ihre Gläser, wobei das Licht des Kronleuchters gespiegelt und tausend glitzernde Punkte an die Wände, auf den Boden und die Decke gezaubert wurden.
„Auf Emily und Daniel“, rief Bürgermeister Hansen. Anschließend fügte er an Daniel gewandt hinzu: „Und darauf, seine Seelenverwandte zu finden!“. In Emilys Richtung sagte er: „Und darauf, seinem Traum zu folgen.“
Alle jubelten und stießen miteinander an, während sich Emily die Tränen der Freude aus den Augen wischte.
So ein schönes Thanksgiving hatte sie noch nie erlebt.
*
Die Feier hielt bis spät in die Nacht an. Sie war erfüllt von Freundschaft und Freude und Emily war glücklicher als sie es je für möglich gehalten hatte. Zudem war sie überaus dankbar. Doch irgendwann kam die Feier zu ihrem Ende, die Gäste machten sich allmählich auf den Weg hinaus in die frische Nacht und schließlich legte sich Stille über die Pension.
Sogar als sie und Daniel ins Bett gingen, brummte Emilys Kopf immer noch vor lauter Energie. Ihre Gedanken wollten nicht stillstehen, weshalb sie sich immer wieder herumwälzte und nicht zur Ruhe kommen konnte.
„Kannst du nicht schlafen?“, fragte Daniel, dessen Gesicht zur Hälfte in dem flauschigen Kissen versunken war, auf dem er lag. Dann grinste er. „Ich auch nicht.“
Emily drehte sich zu ihm um und fuhr mit ihren Fingern über seine nackte, muskulöse Brust. „Ich muss die ganze Zeit an die Zukunft denken“, sagte sie. „Ich bin so aufgeregt.“
Daniel streckte seine Hand aus und strich damit über Emilys Wange. „Ich weiß, wie ich deine Gedanken ablenken könne“, meinte er. Dann drückte er seine Lippen auf ihre.
Emily ließ sich in den Kuss fallen, wobei sie spürte, wie alle Gedanken aus ihrem Geist wichen und sie sich völlig von ihren Gefühlen tragen ließ. Sie zog Daniel dichter an sich heran und spürte sein Herz neben ihrem eigenen schlagen. Daniel erweckte immer solch eine feurige Leidenschaft in ihr, doch was sie jetzt gerade empfand, hatte sie noch nie zuvor verspürt.
Plötzlich flog die Schlafzimmertür auf. Grelles Licht drang wie die Scheinwerfer eines Autos vom Flur her in das Zimmer. Sofort sprangen Emily und Daniel auseinander.
Auf der Türschwelle stand Chantelle.
„Ich kann nicht schlafen!“, verkündete sie, während sie hereinstürmte.
Emily lachte. „Dann geht es uns wohl allen gleich“, meinte sie.
Chantelle sprang zu Emily und Daniel ins Bett, wo sie sich in die Mitte kuschelte. Das brachte Emily unwillkürlich zum Lachen. Chantelle war das einzige auf der Welt, das ihr Liebesspiel mit Daniel unterbrechen konnte, ohne dass es sie frustrierte.
„Wenn du und Daddy verheiratet seid, bedeutet das dann, dass du für immer meine Mommy sein wirst?“, fragte Chantelle.
Emily nickte. Doch dann musste sie darüber nachdenken. Sie und Daniel hatten mit ihrem Freund Richard, einem Anwalt für Familienrecht, darüber gesprochen, ob sie Chantelle offiziell adoptieren konnten. Würde eine Heirat ihre Seite in dem Prozess gegen Chantelles leibliche Mutter stärken? Sheila war eine Drogenabhängige ohne eigene Wohnung, zwei Dinge, die bereits für Daniel und Emily sprachen. Würde ihre Heirat nun auch ihren Teil dazu beitragen?
Sie sah Daniel über Chantelles Kopf hinweg an, doch beide waren schon eingeschlafen. Der Anblick ließ Emilys Herz vor Freude beben. In diesem Moment beschloss sie, ihre Anstrengungen bei dem Rechtsstreit zu verdoppeln. Je früher, desto besser. Sie wollte um mehr als alles andere in der Welt eine richtige Familie sein. Und mit dem glitzernden Ring am Finger hatte sie das Gefühl, dass dieser Traum endlich in Reichweite gerückt war.