Kapitel Eins

1073 Words
Kapitel Eins Riley wusste, das die Bilder, die folgten, ihre FBI Akademie Studenten schocken würden. Einige von ihnen würden es vermutlich schwer verkraften. Sie sah in die eifrigen jungen Gesichter, die sie von den im Halbkreis hintereinander aufgestellten Tischen ansahen. Schauen wir mal, wie sie reagieren, dachte sie. Das könnte wichtig für sie sein. Natürlich wusste Riley, dass in der breiten Palette der Verbrechen, Serienmorde relativ selten waren. Trotzdem mussten diese jungen Leute alles lernen, was es zu lernen gab. Sie wollten FBI Agenten werden und würden bald herausfinden, dass die meisten örtlichen Polizisten keine Erfahrung mit Serienverbrechen hatten. Und Spezialagentin Riley Paige war eine Autorität für Serienmorde. Sie drückte auf die Fernbedienung. Die ersten Bilder, die auf dem großen Flachbildschirm erschienen, waren alles andere als gewalttätig. Es waren fünf Kohlezeichnungen von Frauen verschiedenen Alters. Alle fünf Frauen waren attraktiv und lächelten und die Porträts zeigten artistisches Talent. Als Riley klickte, sagte sie, “Diese fünf Zeichnungen wurden vor acht Jahren von einem Künstler namens Derrick Caldwell angefertigt. Jeden Sommer hat er viel Geld damit verdient, Porträts von Touristen zu zeichnen, die hier auf dem Dunes Beach Boardwalk in Virginia unterwegs waren. Diese Frauen waren unter den letzten seiner Kunden.” Nach dem letzten der fünf Porträts klickte Riley erneut. Die nächste Aufnahme zeigte das abscheuliche Bild einer offenen Gefriertruhe, die mit den abgetrennten Gliedmaßen weiblicher Körper gefüllt war. Sie hörte die Studenten hörbar nach Luft schnappen. “Das ist aus diesen Frauen geworden”, sagte Riley. “Während er sie zeichnete, hat Derrick Caldwell sich davon überzeugt, dass, um seine eigenen Worte zu nutzen, sie 'zu schön waren, um zu leben.' Also hat er sie eine nach der anderen gejagt, sie getötet, zerteilt und in seiner Gefriertruhe aufbewahrt.” Riley klickte wieder und die nächsten Bilder waren noch schockierender. Es waren Fotos, die von dem Team des Gerichtsmediziners gemacht worden waren, nachdem sie die Leichen wieder zusammengesetzt hatten. Riley sagte, “Caldwell hat die Leichenteile 'gemischt', sodass die Frauen bis zur Unkenntlichkeit entmenschlicht wurden.” Riley wandte sich wieder an die Klasse. Ein Student lief zum Ausgang, während er sich den Magen hielt. Auch andere sahen so aus, als wären sie kurz davor sich übergeben zu müssen. Viele hatten Tränen in den Augen. Nur eine Handvoll schien unbeeindruckt. Paradoxerweise war sich Riley sicher, dass die unbeeindruckten Studenten diejenigen sein würden, die das Training in der Akademie nicht abschlossen. Für sie waren das hier nur Bilder, nichts Reales. Sie würden den wahren Horror nicht überleben, wenn sie ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Sie würden nicht in der Lage sein, die persönlichen Auswirkungen, den möglichen posttraumatischen Stress, zu verkraften. Visionen der brennenden Fackel stahlen sich immer noch von Zeit zu Zeit in ihre Gedanken, aber ihr PTBS nahm ab. Sie heilte. Aber sie war sich sicher, dass jeder zuerst etwas fühlen musste, bevor er sich davon erholen konnte. “Und jetzt”, sagte Riley, “möchte ich, dass Sie mir sagen, ob die folgenden Aussagen wahr oder falsch sind. Hier ist die Erste. 'Die meisten Serienmörder töten aus sexuellen Gründen.' Fakt oder Mythos?” Die Hände der Studenten schossen nach oben. Riley zeigte auf einen besonders eifrig aussehenden Studenten in der ersten Reihe. “Fakt?” sagte er. “Ja, Fakt”, bestätigte Riley. “Auch wenn es andere Motive gibt, ist die sexuelle Komponente die häufigste. Das kann verschiedene Formen annehmen, manchmal recht bizarre. Derrick Caldwell ist ein klassisches Beispiel. Der Gerichtsmediziner hat festgestellt, dass er die Leichen der Opfer geschändet hat, bevor er sie zerteilte.” Riley sah, wie die meisten ihrer Studenten Notizen in ihre Laptops tippten. Sie fuhr fort, “Hier ist die nächste Aussage: 'Serienmörder werden zunehmend gewalttätiger, je länger sie töten.'“ Wieder hoben sich viele Hände. Diesmal zeigte sie auf einen Studenten weiter hinten in den Reihen. “Fakt?” sagte der Student. “Mythos”, schüttelte Riley den Kopf. “Auch wenn ich Ausnahmen für die Regel gesehen habe, zeigt sich in den meisten Fällen keine solche Änderung über die Zeit. Derrick Caldwells Gewalttätigkeit blieb konsistent, während er tötete. Aber er war waghalsig, kaum ein böses Genie. Er wurde gierig. Er hat seine Opfer in einem Zeitraum von anderthalb Monaten getötet. Indem er dadurch die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, war seine Verhaftung unausweichlich.” Sie sah auf die Uhr und bemerkte, dass ihre Stunde vorbei war. “Das ist alles für heute”, sagte sie. “Aber es gibt viele falsche Annahmen über Serienmörder und viele Mythen zirkulieren noch. Das BAU hat die Daten gesammelt und analysiert und ich habe an Serienmorden im ganzen Land gearbeitet. Trotzdem gibt es noch viele Informationen, die uns fehlen.” Die Klasse zerstreute sich und Riley fing an, ihre Materialien zusammenzupacken, um nach Hause zu gehen. Drei oder vier Studenten drängten sich um ihr Pult, um Fragen zu stellen. Ein Student fragte, “Agentin Paige, waren sie nicht auch an dem Derrick Caldwell Fall beteiligt?” “Ja, das war ich”, sagte Riley. “Aber das ist eine Geschichte für ein andermal.” Es war auch eine Geschichte, die sie nicht unbedingt erzählen wollte, aber das sagte sie nicht. Eine junge Frau fragte, “Wurde Caldwell für seine Verbrechen hingerichtet?” “Noch nicht”, sagte Riley. Riley wollte nicht unhöflich sein, aber schob sich an den Studenten vorbei zum Ausgang. Caldwells bevorstehende Hinrichtung war nichts, was sie mit ihnen diskutieren wollte. In Wahrheit erwartete sie, dass die Hinrichtung jetzt jederzeit festgesetzt werden konnte. Als die leitende Agentin in seinem Fall, hatte sie die Einladung seinem Tod beizuwohnen. Sie hatte sich noch nicht entschieden, ob sie sie annehmen würde. Riley fühlte sich gut, als sie aus dem Gebäude in einen angenehmen September Nachmittag ging. Sie hatte schließlich immer noch Urlaub vom Außendienst. Seit ein wahnsinniger Serienmörder sie gefangen gehalten hatte, litt sie unter PTSD. Sie war entkommen und hatte ihren Peiniger schließlich ausschalten können. Aber selbst danach hatte sie keinen Urlaub gemacht. Sie war gleich zum nächsten Fall gefahren. Ein schauriger Fall im Hinterland von New York, der damit geendet hatte, dass sich der Mörder vor ihnen mit einem Messer die Kehle durchschnitt. Der Moment verfolgte sie immer noch. Als ihr Vorgesetzter, Brent Meredith, sie wegen eines neuen Falles ansprach, hatte sie abgelehnt. Auf Merediths Vorschlag hin hatte sie zugestimmt stattdessen eine Klasse in Quantico, an der FBI Akademie zu unterrichten. Als sie nun in ihr Auto stieg und nach Hause fuhr, dachte Riley darüber nach, was für eine gute Entscheidung es gewesen war. Endlich hatte ihr Leben ein Gefühl von Ruhe und Frieden. Und trotzdem kroch ein vertrautes Gefühl in ihr hoch, eines, das ihr Herz mitten an diesem klaren, blauen Tag zum Pochen brachte. Es war das Gefühl von Vorahnung, wurde ihr klar, von etwas Drohendem, das kurz bevorstand. Und so sehr sie auch versuchte sich vorzustellen für immer in dieser Ruhe zu verbringen, wusste sie doch, dass sie nicht anhalten würde.
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