Kapitel 4

1160 Words
Kapitel 4 4.11 Uhr Untergeschoss Center Medical Center, Upper East Side „Nicht so fest,“ sagte Luke, aus dessen Mund ein Plastikthermometer ragte. Trudy hatte die Manschette eines tragbaren Blutdruckmessgeräts um sein Handgelenk geschlungen. Sie umschloss sein Handgelenk immer fester bis der Druck mit einem zischenden Geräusch langsam wieder nachließ. Trudy öffnete den Klettverschluss der Manschette und zog ihm im selben Atemzug das Thermometer aus dem Mund. „Wie sieht es aus?“ fragte er. Sie blickte auf die Anzeige. „Hoher Blutdruck,“ sagte sie. „138 über 85. Ruhepuls 97. Körpertemperatur 38 Grad. Ich werde dir nichts vormachen Luke. Die Werte könnten besser sein.“ „Ich hatte ziemlich viel Stress in der letzten Zeit,“ sagte Luke. Trudy zuckte mit den Schultern. „Dons Werte sind besser als deine.“ „Ja gut, aber er nimmt auch Cholesterinpillen.“ Luke und Don saßen in Boxershorts und T-Shirt zusammen auf einer Holzbank. Sie befanden sich in einer unterirdischen Lagerräumlichkeit unter dem Krankenhaus. Schwere Vinylvorhänge schlossen den Bereich ab und umschlossen die Beiden. Es war kalt und feucht hier unten und ein kalter Schauder fuhr Luke den Rücken herunter. Das betroffene Sicherheitsgewölbe befand sich noch zwei weitere Stockwerke tiefer. Menschen liefen durch die Gegend. Ein paar Beamte der Spezialeinheit aus dem New Yorker Büro waren unter ihnen. Sie hatten zwei Klapptische für einige Laptops und Monitore aufgestellt. Der Typ im Dreiteiler stand auch dort. Es hatte sich herausgestellt, dass er ein Geheimdienstmitarbeiter der New Yorker Anti-Terrorismus Einheit war. Ed Newsam, der für schwere Waffen und Taktik zuständig war und den Luke im Helikopter getroffen hatte, kam durch die Vinylvorhänge mit zwei Beamten der Spezialeinheit im Schlepptau. Beide trugen jeweils ein durchsichtiges verschlossenes Packet mit hellgelbem Inhalt. „Achtung!“ rief Newsam und unterbrach das Stimmengewirr. Er zeigte mit zwei Fingern auf seine eigenen Augen. „Don, Luke Augen bitte hierher.“ Newsam hielt in jeder Hand eine Wasserflasche. „Ich weiß, dass ihr beide das schon kennt, aber wir werden so tun, als wäre es das erste Mal für euch, so können wir sicher gehen, dass keine Fehler gemacht werden. Diese Männer hinter mir werden eure Anzüge inspizieren und euch dann helfen, sie anzulegen. Es handelt sich um Schutzanzüge der Stufe A aus solidem Vinyl. Ihr werdet ordentlich ins Schwitzen kommen, wenn ihr sie tragt. Bevor wir anfangen, bitte ich euch deshalb diese Wasserflaschen auszutrinken. Ihr werdet später froh darüber sein.“ „Ist schon irgendjemand vor uns dort unten gewesen?“ fragte Luke. „Zwei Wächter waren unten, nachdem der Sicherheitsverstoß bemerkt worden war. Das Licht funktioniert nicht. Swann hat versucht es zu reparieren, hatte aber kein Glück damit. Es wird also dunkel sein. Die Wächter hatten Taschenlampen dabei, allerdings haben sie schnell wieder kehrt gemacht, als sie das Gewölbe offen und Kanister und Behälter verstreut vorfanden.“ „Haben sie was abbekommen?“ Newsam lächelte. „Ein bisschen. Meine Töchter werden sie für ein paar Tage als Nachtlicht nutzen. Sie trugen keine Anzüge, waren aber nur für einen kurzen Moment dort. Ihr werdet wesentlich länger dort unten bleiben.“ „Werdet ihr sehen können, was wir sehen?“ „An euren Kappen sind Videokameras und LED Lichter befestigt. Ich werde sehen, was ihr seht und ich werde es aufnehmen.“ Es dauerte zwanzig Minuten, die Anzüge anzulegen. Luke war frustriert. Es war schwierig, sich in dem Anzug zu bewegen. Er war von Kopf bis Fuß in Vinyl gekleidet und die Temperatur im Anzug fing bereits an zu steigen. Sein Gesichtsschutz beschlug. Die Zeit schien nur so davonzufliegen. Die Diebe mussten längst weit weg sein. Er und Don nahmen gemeinsam den Lastenaufzug. Er fuhr langsam und knarrend nach unten. Don trug den Geiger-Müller-Zähler. Der sah aus wie eine kleine Autobatterie mit Handgriff. „Könnt ihr mich gut hören?“ fragte Newsam. Es klang für Luke wie eine Stimme in seinem Kopf. Die Kappen hatten eingebaute Lautsprecher und Mikrophone. „Ja,“ sagte Luke. „Ich kann dich hören,“ sagte Don. „Gut. Ich höre euch beide klar und deutlich. Wir sind auf geschlossener Frequenz unterwegs. Die einzigen die Zugang haben seid ihr, ich und Swann oben im Kontrollraum. Swann hat Zugang zu einer digitalen Karte der Einrichtung und eure Anzüge haben eine Tracking-Vorrichtung. Swann kann euch also auf seiner Karte sehen und er wird euch anweisen, wie ihr vom Fahrstuhl zum Gewölbe kommt. Bist du da Swann?“ „Bin hier,“ sagte Swann. Der Fahrstuhl kam ruckartig zum Stehen. „Wenn die Türen sich öffnen, geht raus und biegt nach links ab.“ Die zwei Männer bewegten sich unter den Anweisungen Swanns ungelenk in Richtung eines breiten Flurs. Das Spiel ihrer Helmlichter an der Wand ließ Schatten in der Dunkelheit entstehen. Luke erinnerten sie an Schiffswracks, die er bei einigen Tauchausflügen vor Jahren gesehen hatte. Nach wenigen Sekunden fing der Geiger-Zähler an zu klicken. Zunächst waren die Pausen zwischen den Klicken recht groß, wie ein langsamer Herzschlag. „Wir haben Strahlung,“ sagte Don. „Das sehen wir. Keine Sorge. Es ist nicht schlimm. Es ist ein sensibles Instrument, das ihr da habt.“ Das Klicken wurde schneller und lauter. Swanns Stimme sagte: „In ein paar Metern biegt ihr rechts ab, dann folgt ihr dem Flur noch etwa zehn Meter. Dann kommt ein großer quadratischer Raum. Das Sicherheitsgewölbe ist auf der anderen Seite dieses Raums.“ Sie bogen rechts ab und der Geiger-Zähler legte an Lautstärke und Geschwindigkeit weiter zu. Das Klicken schwoll an und die einzelnen Schläge waren kaum noch voneinander zu unterscheiden. „Newsam?“ „Nur zu. Wir sollten versuchen das in fünf Minuten oder weniger hinter uns zu bringen.“ Sie betraten den Raum. Er sah wüst aus. Auf dem Boden lagen umgeworfene Kanister, Boxen und große Metallbehälter. Einige waren offen. Luke richtete sein Licht auf das Gewölbe auf der anderen Seite des Raums. Die schwere Tür stand offen. „Siehst du das?“ fragte Luke. „Godzilla muss hier gewütet haben.“ Newsams Stimme meldete sich wieder. „Don! Don! Leuchte mit deinem Licht mal auf den Boden, anderthalb Meter vor dir. Dort. Ein bisschen weiter noch. Was ist da auf dem Boden?“ Luke trat neben Don und richtete seine Lampe auf dieselbe Stelle. Etwa drei Meter vor ihnen, inmitten der Verwüstung, lag etwas verstreut, das aussah wie ein Haufen von Fetzen. „Das ist ein Körper,“ sagte Don. „Scheiße.“ Luke stellte sich dazu und richtete sein Lampe auf die Überbleibsel. Die Person war groß und trug etwas, das wie eine Wächteruniform aussah. Luke kniete sich neben den Körper. Er entdeckte einen dunklen Fleck, der leckendem Motoröl unter einem Auto glich. Der Kopf war zur Seite gedreht und schaute zu ihm. Alles oberhalb der Augen war nicht mehr, was einst seine Stirn gewesen war, bildete nun einen Krater. Luke umfasste den Hinterkopf und taste dort nach einem viel kleineren Loch. Trotz seiner dicken Handschuhe fand er es. „Was hast du gefunden Luke?“ „Einen großen Mann, zwischen achtzehn und dreißig Jahre alt, arabischer, persischer oder südländischer Abstammung. Hier ist jede Menge Blut. Er hat Ein- und Austrittswunden, die mit einem Nackenschuss konsistent sind. Sieht wie eine Hinrichtung aus. Es könnte eine weitere Person des Wachpersonals sein oder jemand, der einen Streit mit seinen Freunden hatte.“ „Luke,“ sagte Newsam. „In deinem Gürtel befindet sich ein kleiner digitaler Scanner für Fingerabdrücke. Schau mal, ob du den findest und damit einen Fingerabdruck von dem Typen nehmen kannst.“ „Ich glaube nicht, dass das möglich ist,“ sagte Luke. „Komm schon. Die Handschuhe sind nervig aber ich weiß, wo der Scanner ist. Ich werde es dir beschreiben.“ Luke richtete seine Kamera auf die rechte Hand des Mannes. Alle Finger waren unterhalb des ersten Knöchels verstümmelt worden. Er warf einen Blick auf die andere Hand. Die sah nicht besser aus. „Sie haben die Fingerabdrücke mitgenommen,“ sagte er.
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