MIDAS
„Vorsicht, Drachenkönig, man könnte meinen, du machst dir wirklich Sorgen um mich.“
Er denkt daran, sie auf ihren Hintern fallen zu lassen.
Stattdessen ignoriert er ihre Provokation und führt sie sanft zurück in das Licht und die Wärme des Palastes.
Sie ist klein und zerbrechlich in seinen Armen.
Zugegeben, Drachenmenschen sind im Durchschnitt viel größer als normale Menschen, aber sie ist definitiv eine der Kleinsten ihrer Art.
Wahrscheinlich auch die frustrierendste.
Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen schiebt Midas die dunkelroten Brokatvorhänge beiseite, zieht die smaragdgrünen Decken zurück und legt sie leise auf die seidenweißen Laken des Himmelbetts in seinem Zimmer.
Als die von Leo geführte Amme eintrifft, schläft sie noch und bewegt sich nur leicht, als ihre Wunden versorgt und gereinigt werden.
„Das soll sie nehmen, wenn sie aufwacht, mein Herr“, verkündet die Amme und stellt ein Glas, das zu einem Viertel mit einer grünlich aussehenden Flüssigkeit gefüllt ist, auf den Schminktisch neben dem Bett. Mit einer letzten Verbeugung verlässt sie das Zimmer, dicht gefolgt vom Oberstallmeister.
Er hätte sie nie dorthin schicken dürfen. Nicht weil er ihr Vergehen für weniger schlimm hält, sondern weil er weiß, dass sie es nicht verdient hat. Nicht wirklich.
Er wusste, dass er ein Temperament hatte.
Wenn seine Drachenwut mit der ihren glühte und seine Augen die Farbe eines Blutmondes annahmen, wurde es noch schwieriger, sich zu beherrschen.
Für ihn war das sein einziger Fehler.
Er öffnete seine Schubladen, zog sein zerrissenes Hemd und seine Hose aus, die mit dem Schmutz und dem Blut der Häftlinge befleckt war.
Sie erwacht, als er fertig ist, und öffnet die Augen, als sie sich aufrichtet.
Noch einmal wird er von ihrer Seele berührt, bis sich ihr Blick auf ihn richtet und sich leicht vor Hass und Angst verdunkelt.
Es ist der einzige Blick, den diese Augen je auf ihn geworfen haben.
Aber in diesem Moment, in dem sie seine Hand hält, ohne ein Wort zu sagen, spiegelt sich die stumme Frage in der Luft und wird von ihnen geteilt.
Und jetzt?
Verdammt, er weiß es nicht.
Schweigend beobachtet er, wie sie auf ihre bekleidete und versorgte Schnittwunde hinunterblickt und sagt das Erste, was ihm in den Sinn kommt. „Was hast du da an?“
Offensichtlich ist er nicht der Einzige, der das für das Dümmste hält, was er sagen kann, denn sie runzelt verwirrt die Stirn.
„Was?“
Midas, der nicht leicht in Verlegenheit zu bringen ist, legt die Hände auf seine breite Brust. „Hat dir dein kleiner Ausflug in den Keller das Gehör geraubt? Ich habe gefragt, was du ... dieses Ding da anhast.“
Sie starrt ihn an, als hätte er den Verstand verloren. „Oh, es tut mir leid, mein Herr ... meine unpassende Kleidung beleidigt dich? Ich werde daran denken, das nächste Mal etwas Verlockenderes anzuziehen, wenn ich in den sicheren Tod geschickt werde.“
„Du strapazierst meine Geduld.“
Und als sie auch noch die Hände verschränkte und dabei versehentlich das ohnehin kurze Kleid hochzog, so dass ihre Oberschenkel auf sehr ablenkende Weise entblößt wurden, strapazierte sie noch viel mehr.
Auch ihre Fähigkeit, die Hände bei sich zu behalten.
Unbequem rutscht sie im Bett hin und her.
„Ich nehme an, das bedeutet, dass ich nicht mehr öffentlich hingerichtet werde?“
Er kann hören, dass sie es sarkastisch meint, aber ihre Stimme klingt leise und verrät die offensichtliche Unsicherheit, die sie immer noch verspürt. Deshalb beschließt er, ihre Frage zu ignorieren, und deutet stattdessen auf das Glas neben ihr. „Trink das.“
Sie schließt die Augen und starrt auf die trübgrüne Flüssigkeit. „Darf ich fragen, warum, Mylord?“
Eigentlich wäre er misstrauisch, aber er sagt es ihr nicht. „Nein. Trink es.“
Sie will nach dem Glas greifen, zögert aber im letzten Moment. „Woher weiß ich, dass du mich nicht stattdessen vergiftet hast?“
„Warum sollte ich das tun?“
„Du hältst das doch nicht wirklich für eine abwegige Idee, nachdem du gestern versucht hast, mich öffentlich hinrichten zu lassen?“
„Sag mal, sind alle Sklaven in Averia so respektlos ihrem König gegenüber?“
„Du bist nicht mein König.„
Ihre Augen blickten ihn herausfordernd an.
Er kannte Hass und Furcht. Füge Verehrung und Ehrfurcht hinzu, und du hast alles, was die Menschen seit seiner Kindheit in ihm sahen, aber das ...
Und bei allen Göttern, es erregte ihn ebenso sehr wie es ihn ärgerte, so sehr, dass er, als er wieder sprach, nicht sagen konnte, ob es Wut oder Verlangen war, das seiner Stimme diese Rauheit verlieh.
„Du hast Recht, ich bin nicht dein schwacher Herrscher. Ich bin etwas viel Schlimmeres, und das solltest du dir merken. Jetzt trink es."
„Sag mir, was drin ist.“
Als er verächtlich schnaubte und den Blick abwandte, runzelte sie die Stirn. „Du hast keine Ahnung, nicht wahr, Mylord? Du erwartest, dass ich aufstehe und etwas Verdächtiges und Abstoßendes trinke, wenn nicht einmal du ...“
Ein tiefes Grollen kommt aus der Tiefe ihrer Kehle, und ihre Beherrschung bricht zusammen.
Sie schafft es nicht, den Satz zu beenden.
Mit einem langen Schritt geht er zum Bett, schüttet sich den Inhalt des Glases in den Mund und zieht sie am Arm, so dass es auf ihn fällt und er das tun kann, wonach er sich sehnt, seit sie zum ersten Mal die Augen geöffnet hat.
Die Flüssigkeit hat keinen Geschmack, und das ist gut so, denn als seine Zungenspitze ihre berührt und sie ein leises, zufriedenes Geräusch von sich gibt, schmeckt er nur sie, und sein Blut gerät in Wallung.
Er sagt sich, dass er sie nur dazu bringen wollte, die verdammte Medizin zu nehmen, aber selbst als die Flüssigkeit, die er ihr in den Rachen gepresst hatte, verschwunden ist, kann er nicht aufhören.
Er kann nicht einmal sagen, ob er es will.
Die seidige Weichheit ihrer Lippen an seinen bringt ihn an den Rand seiner Kontrolle, und sein Mund fordert und verschlingt, streichelt ihre Zunge mit seiner und schluckt ihr protestierendes Stöhnen hinunter.
Seine Hände führen ein Eigenleben, und als er sie, auf ihrem Rücken gespreizt, entlangfährt, biegt sie ihn, presst ihre Brust mit den steifen Spitzen an ihn, so dass sein Kopf vor purer, flüssiger Lust wirbelt.
Irgendwie sitzt sie jetzt auf ihm, und seine Faust ist in ihrem flammend orangen Haar, die ganze Wildheit ergießt sich über seine Finger. Er wickelt sie um seine Hände und zieht heftig daran, um ihr zu zeigen, wer hier das Sagen hat. Und als sie gegen seinen Mund stöhnt... mein Gott, wird er sofort steif.
Seine Finger sehnen sich danach, die Glätte ihrer Haut unter seiner Handfläche zu spüren, jeden Zentimeter von ihr zu berühren, bis sie zittert und zittert und nichts anderes mehr wahrnimmt als die Lust, die er ihr bereitet.
Doch gerade als seine Hände unter den Saum ihres Hemdes gleiten, um die gespannte Haut ihrer Lenden zu berühren, zieht sie sich plötzlich von ihm zurück.
Es ist so unerwartet, wie sie in einem Moment in seinen Armen liegt, seine Gedanken vernebelt und es ihm schwer macht, klar zu denken, und im nächsten Moment ist sie weg und holt ihn so abrupt in die Realität zurück, dass er nicht einmal schnell genug reagiert, um sie aufzuhalten.
Sie steht einen Fuß von ihm entfernt, die Haut gerötet und atemlos von seinen Küssen. Ihre Lippen sind geschwollen und ihre Haare ein einziges Chaos.
Einfach verdammt atemberaubend.
Er blickt mit schmalen Augen auf das, was er jetzt mit großer Sicherheit als ein Trikot erkennt, das einem anderen Mann gehört, der nicht er selbst ist, und stellt fest, dass es ihm nicht gefällt. Überhaupt nicht.
„Zieh es aus.„
Sie weicht vor ihm zurück. „Nein.“
„Nein?„ Er steht auf, geht auf sie zu, und wie erwartet weicht sie zurück.
„Ich ...“
Langsam greift er hinter sie, genießt es, wie ihr Atem in seiner Nähe schneller geht und nimmt ein Hemd aus seiner eigenen, bereits geöffneten Schublade, um es ihr zuzuwerfen.
„Beruhige dich, es war nur ein Kuss, und ich habe jetzt keine Lust, dich nackt zu sehen.„
Gut, jetzt macht sie ihn auch noch zum Lügner.
„Aber du bist meine Frau und es steht dir nicht an, ein Wächtergewand zu tragen. Jetzt zieh ... es aus.“
Ihr Ton ist noch trockener als seiner, aber die Erleichterung in ihren Augen ist nicht zu übersehen.„Ich nehme an, es hat keinen Sinn, dich zu bitten, den Blick abzuwenden?“
Er findet das keiner Antwort wert und gibt ihr keine, während sie ihm den Rücken zuwendet.
Als sie sich das hässliche braune Tuch über den Kopf zieht und völlig entblößt dasteht, würde Midas am liebsten wegsehen.
Wirklich, das würde er.
Und zwar nicht, weil er ihr helfen will, diese lächerliche Verklemmtheit beizubehalten, die sie für notwendig hält, sondern weil er nicht noch mehr Bilder von ihr in seinem Kopf herumspuken lassen will.
Doch als sie es tatsächlich auszieht, dabei versehentlich ihr durchsichtiges Hemd hochzieht und für einen gefrorenen Moment ihre Haut darunter enthüllt, merkt er, dass er nicht wegsehen kann.
Und es liegt nicht nur daran, wie sinnlich sich ihr Rücken bei dieser Bewegung wölbt, dass er den Blick nicht von ihr abwenden kann.
Schnell zieht sie das neue Hemd an, aber es ist zu spät. Er hat sie gesehen.
„Wer hat dir das angetan?“
Er wollte nicht so besitzergreifend und knurrend klingen, aber das Kribbeln, das in seinen Fingerspitzen begonnen hat, breitet sich in seinem ganzen Körper aus, und ohne es zu merken, ballt er die Hände zu Fäusten.
Sie antwortet nicht, sieht ihn nicht einmal an, aber er merkt, wie ihr Körper erstarrt, und er weiß, dass sie ihn gehört hat.
„Hera, wenn ich eine Frage stelle, erwarte ich ... nein, ich verlange eine Antwort. Wer hat dir diese Narben verpasst?“
Ihr Schweigen macht ihn nur noch wütender, und er dreht sie am Arm herum, zwingt sie, ihm ins Gesicht zu sehen.
Er hebt ihr Kinn, damit sie ihn ansehen kann, und will eine letzte Warnung aussprechen, doch der Ausdruck äußerster Abneigung in ihren leuchtend blauen Augen kommt so unerwartet, dass es Midas für einen Moment die Sprache verschlägt.
Doch dann sind es ihre Worte, die ihn von den Socken hauen.
„Du. Du hast mir das angetan.“