HERA
Wie kann sie es wagen!"
Ich könnte nicht antworten, selbst wenn ich wollte, nicht mit seinen Händen, die mir fast das Leben aussaugen.
Seine Augen sind von einem überraschenden Rot, das mich bis ins Mark erschüttert, sein schönes Gesicht ist von Wut verzerrt, und mit erschreckender Klarheit begreife ich, dass ich sterben werde.
Die genauen Worte, die mich an diesen Punkt gebracht haben, schweben wie Geister in meinem Kopf.
„Hera, die Königin hat dich gerufen.“
7 kleine Worte; wie konnte ich wissen, dass diese Worte mein Leben über alles verändern und ruinieren würden?
Nein, in diesem Moment wusste ich nur, dass die Königin mich gerufen hatte und das konnte nur eines bedeuten.
Entweder ich habe mich so gut um die verwöhnte Prinzessin Cassiopeia und ihre Launen gekümmert, ihr Zimmer so sauber gemacht, dass es glänzte, dass die Königin mich nun von einer Palastsklavin zu einer Palastdienerin befördert.
Oder ich habe auch nur eine Kleinigkeit falsch gemacht und werde nun aus dem Palast geworfen oder, schlimmer noch, in den kalten, feuchten Kerker unter dem Palast gesperrt.
Ängstlich erhob ich mich vom schmutzigen Küchenboden, meine Hände waren wund und rau vom harten Schrubben.
„Was will die Königin von mir?“, fragte ich laut und sah die Ohrfeige kommen, noch bevor der Schlag meine Wange hart traf, die Haut aufplatzte und mich zu Boden warf.
„Wie kannst du es wagen... die Befehle der Königin in Frage zu stellen?“
Tränen stiegen mir in die Augen, meine brennende Wange war nun knallrot, doch ich wusste es besser, als ein Wort als Antwort zu sagen.
„Wenn dir dein Leben lieb ist, Sklavenmädchen, dann rede gute Asche, riskiere nicht noch einmal, so etwas in Gegenwart Seiner Majestät zu tun, denn während ich vielleicht verzeihend bin, ist sie es bestimmt nicht. Nun hör auf zu weinen und komm mit mir.“
Und ohne ein weiteres Wort folgte ich ihm, während ich mich die ganze Zeit fragte, ob dies mein Ende sein würde.
Was würde dann mit meinem kleinen Bruder geschehen? Alle anderen waren tot, zu Asche verbrannt in dem Feuer, das mein Dorf niedergebrannt hatte.
Diesen Tag werde ich nie vergessen. Das Bild meiner Mutter, die an der Tür unserer Hütte winkte, während mein Bruder und ich in die Hauptstadt gingen, um unsere letzte überlebende Gänseherde für ein bisschen Geld zu verkaufen.
Es war das letzte Mal, dass ich sie lebend sah.
Der Rauch, der aus der Richtung des Dorfes aufstieg, war das erste Anzeichen dafür, dass etwas schrecklich schief gelaufen war. Ich erinnere mich, dass ich, meinen Bruder hinter mir herziehend, so schnell rannte, wie meine Beine mich tragen konnten. Aber noch bevor ich dort ankam, wusste ich, dass es zu spät war.
Der Rauch brennt in meinen Augen, und der Geruch von verbranntem Fleisch und glühender Kohle, der mir in die Nase steigt, sagt mir genau, was geschehen ist.
Die Drachenreiter hatten mein Dorf überfallen und alles und jeden vernichtet.
Es spielte keine Rolle, ob die Angreifer vielleicht noch in der Nähe waren. Ich rannte und rannte, bis ich zu unserer Hütte kam.
Aber da war niemand mehr, nur noch ein Haufen brennende Asche, wo meine Familie gestanden hatte.
Die Stimme des Oberknechts riss mich aus meinen Gedanken. „Warte hier.“
Ich stand vor den schweren goldenen Türen, die wohl zu den Gemächern der Königin führten. Hier war ich noch nie gewesen.
Sklaven durften sich im Palast nicht frei bewegen.
Ich hätte die Dinge lieber nicht noch schlimmer gemacht, indem ich mit Ruß und Dreck aus der Küche vor Ihrer Hoheit erschienen wäre. Aber ich hatte keine andere Wahl, und während ich versuchte, den Schmutz von meiner Hand auf meinem schmutzigen Dienstmädchenkleid abzuwischen, öffneten sich die Türen, und der Oberknecht erschien wieder.
„Komm.“
Als ich den großen, luftigen Raum betrat, blieb mir fast das Herz stehen, als ich begriff, dass ich endgültig erledigt war.
Wenn ich nur gewusst hätte, wie sehr.
Anders als ich angenommen hatte, befand ich mich nicht in den Gemächern Ihrer Hoheit, der Königin von Averia. Nein, ich war im Thronsaal und saß am oberen Ende der Treppe neben der Königin und der Prinzessin. Und wer saß neben ihnen? Niemand Geringeres als Seine Majestät selbst.
Meine Lippen zitterten und Tränen flossen. Ein Sklave, der in den Thronsaal geführt wurde, stand entweder kurz davor, wegen Fluchtversuchs in den Kerker geworfen zu werden oder wegen Verrats öffentlich hingerichtet zu werden.
Ich lag auf den Knien vor den Stufen, bereit, um mein Leben zu flehen.
Der König sprach zuerst. „Ist das das Mädchen?“
„Ja, Eure Hoheit.“
Der König brummte und nickte. „Gut. Wie heißt du, Mädchen?“
Ich unterdrückte mein Schluchzen und wagte es nicht, den Kopf zu heben. „Ich bin nichts weiter als eine Sklavin namens Hera, Eure Majestät.“
„Hera...“, wiederholte er und starrte auf das arme Mädchen, das zitternd vor ihm stand. „Und wie alt bist du, Hera?“
„Ich habe bereits 21 Mondernten erlebt, Euer Gnaden.“
„Und deine Familie?“
„Alle tot ... Getötet von den Drachenreitern, bis auf meinen jüngeren Bruder, der auch hier im Dienste der Hoheit steht“, sagte ich und meine Stimme brach beim letzten Wort, in der Hoffnung, dass die Erwähnung meines Bruders ihr Herz erweichen würde.
Wie sehr hatte ich mich geirrt.
„Dein Bruder... liebst du ihn?“
Als ich nicht antwortete, wiederholte der König seine Frage mit ungeduldigem Unterton. „Ich habe dich gefragt, ob du ihn liebst... deinen Bruder.“
„Ja, mein König, von ganzem Herzen.“
Ich erinnere mich, dass ich mich fragte, um was für eine Art von Prozess und Verurteilung es sich handelte. Wo waren all die Wachen und der Hofstaat?
Aber der König war mit seiner seltsamen Befragung noch nicht fertig. „Und würdest du jedes Opfer auf dich nehmen, um das Leben deines Bruders zu retten?“
Darüber brauchte ich gar nicht nachzudenken. „Das würde niemand wagen.“
Der König lehnte sich zurück und nickte. „Es ist beschlossen ...“
Bei den Göttern, wenn sie mich wegen irgendeines Verbrechens umbringen wollten, hätte ich mir gewünscht, sie hätten es mir einfach klipp und klar gesagt.
„...wenn morgen die Sonne über den Hügeln von Moria aufgeht, wird die Sklavin Hera statt der Prinzessin Kassiopeia die Frau des Drachenkönigs Midas sein, des Herrschers des fünften Reiches...“
Ich hob den Kopf. Verwirrung und Angst, größer als alles, was ich je gekannt hatte, erfüllten mich zum ersten Mal, und mein Blut gefror. „Mein... mein König... ich verstehe nicht.“
Doch niemand machte sich die Mühe, mir zu antworten.
„... Für das Heil unseres ganzen Reiches und für das Leben all dessen, was wir lieben...“ Er schlug sein Zepter dreimal auf den Boden, wie bei einem königlichen Dekret. „Ich bin Avalon der Edle, König von Averia. So habe ich es befohlen und so soll es geschehen. Nimm es und bereite es vor.“
In diesem Moment wünschte ich, man hätte mich zum Tode verurteilt, denn das hier war viel schlimmer.
Und jetzt, da Midas mich durch den Raum schleudert, wird mir klar, dass sie es an diesem Tag vielleicht nicht gesagt, aber tatsächlich getan haben.
Ich falle schmerzhaft gegen die Wand und schaffe es irgendwie, nicht mit dem Kopf aufzuschlagen. Mein Hochzeitskleid ist nur noch ein Fetzen, der an meinem Körper hängt.
Er kommt auf mich zu und ich schrumpfe an der Wand zusammen, beiße mir fest auf die Wangen, aber es nützt nichts, die Tränen hören nicht auf zu fließen.
Nicht seit dem Tag, als man mich aus dem Thronsaal gezerrt und mir die schmutzigen Kleider vom Leib gerissen hat.
Nicht, als ich zum ersten Mal in ein warmes Bad aus Rosen und teuer duftenden Gewürzen getaucht und bis auf den letzten Zentimeter geschrubbt, meine Haut mit Jasmin und Ölen aus dem Armoire der Königin massiert wurde.
Nicht einmal, als ich in Schichten des weichen, kristallblauen Stoffes meines Hochzeitskleides gekleidet wurde, dessen zarter Stoff meine Kurven umschmiegte und wie flüssige Seide um mich herumfloss, wenn ich ging.
Die Diener um mich herum empfanden keinen Neid auf meine Stellung, nicht einen Augenblick lang.
Selbst als sie mein Haar bürsteten, bis das flammende Rot zu leuchten begann und in Wellen über meinen Rücken fiel, und mich mit königlichem Geschmeide schmückten, hatten sie Mitleid mit mir.
Um den Drachenkönig zu heiraten, einen Mann, dessen Grausamkeit in den Sieben Königreichen bekannt und gefürchtet war, ein Ungeheuer, so hässlich, dass es sein Gesicht verbarg.
Es war nichts weniger als ein Fluch.
Mit gesenktem Kopf, die Hände im Schoß gefaltet, zitterte mein Körper vor Angst und Wut und ich kämpfte gegen den Drang an, wegzulaufen, um meinem trostlosen Schicksal zu entkommen, aber ich wusste schon damals, dass es keinen Sinn hatte.
Das war der Preis, den ich zahlen musste.
Um mein Königreich und die einzige Familie, die ich noch hatte, zu retten.
„Es ist so weit“, verkündete eine Stimme, und sie setzten mir den schweren Schleier auf den Kopf und führten mich aus der Garderobe zu den großen Türen des Thronsaals, wo mein Schicksal besiegelt wurde.
Sie hatten mich nicht einmal meinen Bruder sehen lassen, um mich zu verabschieden, aus Angst, ich könnte fliehen.
„Du musst denken, dass wir grausam und selbstsüchtig sind“, sagte der König, der in seinem königlichen Gewand neben mir erschien, die Krone auf dem Kopf, um mich den Gang entlang zu führen. „Aber die Prinzessin...“
„ist die Erbin des Thrones, und ich bin nur eine Sklavin... entbehrlich.“
Ich wusste, dass sie mir nicht mehr antun konnten, als sie mir bereits angetan hatten, nicht, wenn ich im Begriff war, meine Haut zu retten, und deshalb würde ich meine Zunge nicht länger im Zaum halten. „Ich habe mein Schicksal angenommen, Eure Hoheit. Alles, was ich dafür verlange, ist, dass du dich um meinen Bruder kümmerst.“
„Du hast mein Wort. Dein Opfer wird nicht vergessen werden, Hera.“
„Das höre ich immer wieder.“
Es war mir egal, ob sie sich erinnerten oder nicht. Sie konnten vergessen, wenn sie wollten, aber ich würde nicht vergessen, und wenn die Zeit gekommen war, würde ich sie zur Rechenschaft ziehen, jeden einzelnen von ihnen.
Als sich die Türen öffneten und ich hereingeführt wurde, läuteten die königlichen Glocken laut, aber ich hätte genauso gut taub sein können, denn meine Aufmerksamkeit war auf den gerichtet, der sitzen geblieben war, als sich alle anderen erhoben hatten.
Zum ersten Mal sah ich ihn, den Gegenstand meiner Alpträume.
Obwohl sein Gesicht hinter der furchterregenden Rüstung mit den schrecklichen Hörnern verborgen war, spürte ich seine Augen, die jede meiner Bewegungen verfolgten, und mein Herz schlug mir bis zum Zerspringen gegen die Brust.
Meine Hand lag in seiner, und ich fand sie kalt und hart, abgehärtet vom Kampf. Und obwohl ich es zu verbergen suchte, verriet mein Körper bald meine Angst, zitterte gegen meinen Willen.
Er strahlte eine spürbare Macht und Präsenz aus, wie ich sie noch nie erlebt hatte, und das erschreckte mich bis ins Mark.
Und doch verbarg sich hinter all dieser Angst eine Neugier, und ich ertappte mich dabei, wie ich ihm während der Zeremonie verstohlene Blicke zuwarf und mich fragte, ob das, was sich dahinter verbarg, genauso abscheulich war wie seine Verbrechen.
Heute weiß ich, dass es das nicht war.
Die Zeremonie selbst verlief wie in einem Rausch aus leeren Worten und bedeutungslosen Bewegungen.
Als die Bänder um unsere gefesselten Hände gewickelt wurden, wie es Brauch war, fühlte es sich an wie der letzte Nagel im Sarg, und ich kämpfte wieder mit den Tränen, weil alles so ungerecht war.
Ich wurde ohne Zeremonie aus dem Saal geführt, mit zwei Ryder-Wachen an meiner Seite, und allein in einen Wagen an der Spitze der Dragon-Armee gesetzt. Kurz darauf erschien er und erhob sich neben mir mit einer Anmut und Leichtigkeit, die mich angesichts seiner Größe überraschte.
Er gab das Zeichen zum Aufbruch, und zum ersten und letzten Mal wurde ich aus dem einzigen Zuhause geführt, das ich je gekannt hatte.
Auf dem Weg zum Gipfel des Hügels von Moria sagte er kein Wort zu mir, nicht einmal, als plötzlich dunkle Wolken aufzogen, die vorher nicht da gewesen waren, und das Geräusch eines fernen Donners ertönte, ein Blitz die Luft zerriss und so plötzlich und heftig auf den Gipfel des Hügels einschlug, dass ich auf meinem Sitz zusammenzuckte.
Das Tor öffnete sich und erfüllte die Luft mit einem Gestank, der mich schmerzlich an den Tag erinnerte, an dem mein Dorf ausgelöscht worden war.
Nicht einmal, als er mich aus dem Wagen zerrte und zu dem klaffenden Loch im sonst dunklen Himmel führte, um ein Messer zu ziehen und die Haut meiner Handfläche aufzuschlitzen, mein Blut tropfte herab und färbte das Gras unter mir blutrot.
Nicht einmal, als der Schmerz meinen ganzen Körper überflutete, als er meine blutigen Hände zusammenpresste.
Verdammter Schmerz, meine Knie gaben nach, verdammte Lust, Sterne explodierten in meinem Kopf, das letzte, woran ich mich erinnerte, bevor sie mich wegbrachten.
Nein, als ich zum ersten Mal die Stimme des Mannes hörte, dem ich nun verpflichtet war, war ich gerade erwacht und lag in dem weichsten Bett, in dem ich je geschlafen hatte, ein schwaches Pochen in der Hand, die aufgeschnitten worden war.
Seine große Hand um meinen Hals, seine Lippen streiften mein Ohr auf eine Weise, die meinen Magen zusammenkrampfen ließ und meine Zehen in angenehme Wellen kräuselte, die mich überraschten und zugleich abstießen.
Ich werde nie vergessen, wie ich zum ersten Mal in das Gesicht des Ungeheuers blickte, das alles zerstört hatte, was ich liebte, und erkannte, dass die Geschichten, er sähe aus wie Hades selbst, alle falsch waren.
Er war das schönste, unwirklichste Wesen, das ich je gesehen hatte. Mein Finger sehnte sich danach, seine Vollkommenheit zu berühren, die Konturen seines Gesichts nachzuzeichnen, durch sein langes weißes Haar zu fahren.
Und als er mich küsste, seine Lippen brutal auf die meinen presste und mich keuchen und zittern ließ, während mein Körper sich dem unterwarf, der für so viel Kummer und Schmerz verantwortlich war, hatte ich ihn noch mehr.
Denselben Hass, der sich jetzt in seinem Gesicht spiegelte, als er auf mich herabblickte. „Steh auf.“
Ich weiß, dass ich tun sollte, was er mir sagt, aber mein Körper schmerzt und sträubt sich.
„Ich sagte ... steh auf.“
Irgendwie zwinge ich mich auf wackeligen Beinen hoch und traue mich nicht, den Kopf zu heben.
„Sieh mich an ...“ Die Abscheu und der Ekel in seiner Stimme sind so klar wie der Tag, und ich hebe die Augen, um ihm zu begegnen.
Sie haben nicht mehr die Farbe von Flammen, sondern sind viel dunkler als der goldene Schimmer, den ich beim Aufwachen gesehen habe.
„Für deine Rolle in diesem Betrug, in dieser Verschwörung wirst du in den Kerker geschickt und morgen öffentlich hingerichtet.“ Die Endgültigkeit in seiner Stimme besiegelt mein Schicksal.
Als er sich von mir abwendet, durchbohren mich Schmerz und Wut so scharf wie das Messer, das meine Haut aufgeschlitzt hat; ich war schon tot, was machte das noch aus?
Und ich stürze mich auf ihn.