KAPITEL SIEBEN

805 Words
KAPITEL SIEBEN Vesuvius stand an der Ecke der Klippe, neben dem Turm von Kos und starrte auf die krachenden Wellen des Meeres des Leidens hinunter. Der Dampf des gesunkenen Feuerschwerts stieg nach oben in die Luft – und er grinste breit. Er hatte es geschafft. Das Flammenschwert war zerstört. Er hatte den Turm von Kos bestohlen, er hatte Escalon um seinen wertvollsten Artefakt bestohlen. Er hatte ein für alle Mal die Flammen gesenkt. Vesuvius strahlte, schwindlig vor Aufregung. Seine Handfläche pochte immer noch dort, wo er das brennende Schwert der Flammen ergriffen hatte. Er sah nach unten und betrachtete das eingebrannte Abzeichen. Er ließ seinen Finger über die frischen Narben streichen und wusste, dass sie für immer bleiben würden, ein Zeichen seines Erfolgs. Der Schmerz war unerträglich und doch verdrängte er ihn und zwang sich, sich nicht davon stören zu lassen. Tatsächlich hatte er sich beigebracht den Schmerz zu genießen. Nach all diesen Jahrhunderten bekam jetzt endlich sein Volk sein Recht zurück. Sie würden nicht mehr länger nach Marda verbannt sein, im nördlichsten Teil des Reiches, in diesem unfruchtbaren Land. Nun würden sie ihre Rache für die lange Quarantäne-Zeit hinter der Flammenwand bekommen. Sie würden Escalon fluten und es in Stücke reißen. Sein Herz setzte einen Moment aus, ihm wurde bei dem Gedanken. Er konnte es kaum noch erwarten, sich umzudrehen und den Teufelsfinger zu überqueren und zum Festland zurückzukehren und sein Volk in der Mitte von Escalon anzutreffen. Die gesamte Nation der Trolle würde sich auf den Weg nach Andros machen und zusammen würde sie einen Zentimeter nach dem anderen für immer zerstören. Es würde das neue Heimatland der Trolle werden. Und doch, während Vesuvius da so stand und auf die Wellen und den Punkt, wo das Schwert gesunken war hinabsah, nagte etwas an ihm. Er sah nach draußen auf den Horizont und beobachtete das schwarze Wasser der Todesbucht und dort war noch etwas, etwas, dass seine Genugtuung störte. Während er den Horizont absuchte, konnte er in weiter Entfernung, ein einzelnes Schiff mit weißen Segeln ausmachen, welches an der Todesbucht vorbei und vom Teufelsfinger wegsegelte. Und als er es sah wusste er, dass etwas nicht stimmte. Vesuvius drehte sich um und sah neben ihm zum Turm hinauf. Er war leer und seine Türen geöffnet gewesen. Das Schwert hatte auf ihn gewartet. Die, die es bewacht hatten, hatten es aufgegeben. Es war alles zu einfach gewesen. Warum? Vesuvius wusste, dass der Auftragskiller Merk das Schwert verfolgt hatte; er hatte ihn den ganzen Weg über den Teufelsfinger verfolgt. Warum sollte er es dann im Anschluss aufgeben? Warum segelte er weg von hier über die Todesbucht? Wer war die Frau, die mit ihm wegsegelte? Hatte sie denn Turm bewacht? Welche Geheimnisse versteckte sie? Und wo gingen sie hin? Vesuvius sah in den aufsteigenden Dunst des Ozeans und dann wieder in Richtung Horizont und seine Venen brannten. Er konnte nicht anders als zu vermuten, dass er überlistet worden war. So, als ob ihm ein ganzer Sieg genommen worden war. Je länger Vesuvius darüber nachsann, merkte er, dass etwas nicht stimmte. Es war alles zu passend. Er inspizierte das grausame Meer unter sich, die Wellen krachten gegen die Felsen, der Dunst stieg nach oben und er realisierte, dass er die Wahrheit nie erfahren würde. Er würde niemals wirklich wissen, ob das Flammenschwert wirklich zu Boden gesunken war. Es war so, als ob etwas fehlen würde. So, als ob es vielleicht nicht das richtige Schwert gewesen war oder dass die Flammen nicht für immer unten bleiben würden. Vesuvius brannte vor Entrüstung und traf eine Entscheidung: Er musste sie verfolgen. Er würde sonst niemals die Wahrheit wissen. Gab es irgendwo noch einen geheimen Turm? Ein anderes Schwert? Und selbst wenn nicht, selbst wenn er alles erreicht hatte was er wollte, war Vesuvius berühmt dafür kein Opfer am Leben zu lassen. Er verfolgte immer jeden Mann bis zum Tod und hier zu stehen und zu beobachten wie sich diese zwei aus seinem Griff entzogen, gab ihm kein gutes Gefühl. Er wusste, er konnte sie nicht einfach ziehen lassen. Vesuvius sah nach unten. Dutzende von verlassenen Schiffen waren immer noch an der Küste angebunden und schaukelten in den Wellen, so als würden sie auf ihn warten. Und dann kam er zu einer spontanen Entscheidung. „Zu den Schiffen!“ befahl er seiner Trollarmee. Gemeinsam drängelten sie sich alle nach vorne, um seinen Befehl auszuführen und stürzten die steinige Küste hinunter und auf die Schiffe. Vesuvius folgte ihnen und bestieg das Heck des letzten Schiffs. Er drehte sich um, hob seine Hellebarde hoch in die Luft und durchschnitt das Seil. Schon einen Augenblick später war er bereits mit allen Trollen unterwegs. Sie alle waren auf die Schiffe gequetscht und bereiteten sich auf die legendäre Todesbucht vor. Irgendwo dort am Horizont segelten Merk und dieses Mädchen. Und Vesuvius würde nicht eher aufhören, egal wohin er segeln musste, bis beide tot waren.
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