KAPITEL DREI

1391 Words
KAPITEL DREI Keira erwachte vom schrillen Klang ihres Weckers. 7 Uhr. Aber wegen des Jetlags und der Tatsache, dass sie und Cristiano nicht wirklich viel Zeit mit Schlafen im Bett verbracht hatten, fühlte es sich an, als sei es noch mitten in der Nacht. Nach einem Nickerchen tagsüber fühlte sie sich meist ähnlich neben der Spur. Aber auch wenn sie körperlich etwas durchhing, war sie geistig doch hellwach und freute sich auf den Tag. Sie sprang aus dem Bett, voller Erwartung und mit reichlich Adrenalin. Sie sah auf Cristiano herab, der noch fest schlief. „Aufwachen“, sagte sie, beugte sich über ihn und küsste ihn auf die Stirn. Er öffnete die Augen. „Muss ich?“, fragte er gähnend. „Der lange Flug hat mich sehr erschöpft.“ „So so, der lange Flug war das also, ja?“ Keira zwinkerte ihm vielsagend zu. Aber Cristiano war schon wieder eingeschlafen. Sie entschied sich, ihn noch schlafen zu lassen, während sie sich für den Tag fertig machte. Sie schlich ins Wohnzimmer, wo Bryn noch schnarchend auf dem Sofa lag. So leise wie möglich, um die schlafende Bestie nicht zu wecken, schlich Keira an ihrer Schwester vorbei und sprang schnell unter die Dusche, um die Anstrengungen der Reise und einen letzten Rest Italien abzuspülen. Als sie zurück ins Schlafzimmer kam, schlief Cristiano noch immer tief und friedlich. Sie seufzte und beschloss, erst einmal ihre Schmutzwäsche in den Waschsalon an der Ecke zu bringen. Besser, sie verschwendete keine Zeit, wenn sie morgen wieder arbeiten musste. Sie kippte ihren Koffer aus, packte die Sachen, die von letzter Nacht verstreut im Zimmer lagen, dazu, und eilte damit aus der Wohnung, die Treppe hinunter, auf die Straße. Es war ein ziemlich kalter Morgen und sie fühlte sich beinahe nostalgisch. In den letzten beiden Monaten war sie so gut wie gar nicht in New York gewesen und es fühlte sich gut an, wieder daheim zu sein, all die vertrauten Geräusche, den Verkehr, die Gerüche, die Abgase zu erleben. Sie dachte mit Freude daran, dass bald Thanksgiving war, ihr liebster Feiertag. Dieses Jahr würde sie den mit Cristiano feiern können, was es zu etwas Besonderem machte. Vorausgesetzt, er blieb so lange. Im Waschsalon war nichts los und Keira stopfte die Wäsche von mehreren Wochen in die Maschine, füllte Waschmittel ein und warf ein paar Münzen in den Schlitz. Sie hatte nicht viel Kleingeld dabei, weil sich keine Gelegenheit ergeben hatte, Geld zu wechseln, aber eine halbe Stunde war besser als nichts für die Wäsche. Sobald die Maschine lief, kehrte Keira ins Apartment zurück. Sie wollte Cristiano wecken und ihn aus der Wohnung locken, weg von Bryns Klauen. Aber zurück im Schlafzimmer sah sie, dass Cristiano immer noch fest schlief. Sie küsste ihn erneut und versuchte ihn zu wecken. „Hey, schlafende Schönheit“, sagte sie fröhlich und laut. „Wir müssten langsam mal los.“ Cristiano stöhnte. „Können wir nicht einen faulen Tag im Bett verbringen? Wir sind wochenlang unterwegs gewesen. Wir haben uns einen entspannten Vormittag verdient, oder nicht?“ Keira schüttelte den Kopf, denn sie dachte an Bryn im anderen Zimmer. Sie mussten weg sein, bevor sie erwachte. „Nein. New York erwartet uns!“ Cristiano gähnte und wandte sich von ihrer lauten Stimme ab. „Und es wird auch am Nachmittag noch da sein.“ „Aber morgens macht es mehr Spaß“, beharrte Keira und zog ihm die Decke weg. „Glaube mir, ich weiß Bescheid.“ Cristiano gab nach und stand frierend auf. „Warum hast du es so eilig?“, stöhnte er. „Weil es viel zu entdecken gibt.“ Sie zog schnell ein Paar Winterstiefel von Bryn an. Ihre eigenen Sachen waren irgendwo in einer Kiste verstaut, ihre Sachen aus Zachs Wohnung waren über mehrere Wohnungen verteilt, inklusive der ihrer Mutter, Shelbys Dachboden und Bryns Schrank. Selbst unter ihrem Schreibtisch bei Viatorum stand eine Kiste. „Kann ich wenigstens vorher noch duschen?“, fragte Cristiano. Keira kaute auf ihrer Unterlippe. Jede Minute, die sie hier vertrödelten, bedeutete, dass Bryn aufwachen und ihre Klauen in Cristiano schlagen könnte. Aber Keira konnte ihm wohl kaum die notwendigen menschlichen Bedürfnisse untersagen. „Natürlich“, sagte sie übertrieben fröhlich. Sie ging an Bryns Schrank und holte ein flauschiges Handtuch heraus. „Hier“, sagte sie und reichte es ihm, zusammen mit Shampoo und Duschgel aus ihrem Koffer. „Die Dusche ist am Ende vom Flur.“ Er küsste sie und verließ das Zimmer. Keira ließ sich auf das Bett sinken. Sie war jetzt schon erschöpft. Das würde nicht leicht werden. Sie musste so schnell wie möglich eine eigene Wohnung finden. Möglichst gestern schon. Aber dazu musste sie von Zach erst einmal die Kaution für ihre gemeinsame Wohnung zurückbekommen. Sie hatte nicht die geringste Lust, Kontakt mit ihm aufzunehmen, aber es war in dieser Situation das geringere Übel. Sie schnappte sich ihr Handy und schickte ihm eine Nachricht. Gibt es was Neues wegen der Kaution? K Wider besseres Wissen fügte sie am Ende ein Kuss-X hinzu. Sich bei Zachary einzuschmeicheln passte ihr zwar nicht, aber wenn sie dadurch schneller an ihr Geld kam, sollte es ihr recht sein. Sie lugte durch die Tür ins Wohnzimmer. Die Jalousien waren noch runter gelassen und das Zimmer lag im Dunkeln. Man hörte die Dusche am Ende des Flurs und Bryns Schnarchen. Zum Glück hatte Cristiano sie nicht aufgeweckt, als er hier durch gegangen war. Keira wurde langsam ungeduldig. Cristiano ließ sich ganz schön viel Zeit. Sie sah auf die Uhr. Ihre Wäsche wäre gleich schon fertig. Sie wollte im Waschsalon sein, bevor der Waschgang zu Ende war und die Maschine automatisch aufging. Man musste es den Gelegenheitsdieben in der Gegend nicht noch extra leicht machen. Auch Sonntagmorgen um halb acht konnte man nicht vorsichtig genug sein. Sie verließ erneut die Wohnung und eilte zum Waschsalon. Jetzt waren ein paar Leute da, Frauen mittleren Alters, die dem späteren Ansturm zuvorkommen wollten. Keira sammelte die warme, feuchte Wäsche wieder ein. Sie hatte nicht genug Kleingeld für den Trockner, daher würde sie die Sachen in der Wohnung aufhängen. Sie machte sich auf den Rückweg. Es fühlte sich gut an, normale Dinge des Alltags zu tun, wie ein ganz normaler Mensch. Nicht die Reisejournalistin in einem aufregenden fremden Land zu sein. Auch von so tollen Dingen konnte man offenbar zu viel bekommen. Ihr Handy vibrierte in der Tasche, gerade als sie die Treppe zum Apartment hinaufging. Zach hatte geantwortet. Mit nicht unerheblicher Anspannung las sie seine Antwort. Bon jour, Keira! Ich bin beruflich in Frankreich. Morgen fängt eine Konferenz an und dauert eine Woche. Können wir über das Geld reden, wenn ich wieder da bin? Sie seufzte frustriert. Sie verstand nicht einmal, was es da noch zu reden geben sollte, und dann musste sie auch noch eine Woche darauf warten? Er musste es ihr doch einfach nur überweisen. Aber natürlich würde er es ihr nicht so leicht machen. Den Blick noch auf das Handy gerichtet, betrat sie Bryns Apartment und wurde überrascht von dem Gelächter, dass sie hörte. Erstaunt blickte sie auf. Alles war verändert. Die Jalousien waren hochgezogen, das Licht war an, die Kaffeemaschine blubberte. Bryn stand in der Küche und wirkte sehr wach für jemanden, der die Nacht durchzecht hatte. Cristiano lehnte mit dem Rücken an der Anrichte, von seinem nackten Oberkörper liefen noch Wassertropfen, um die Hüfte hatte er ein kleines Handtuch geschlungen, mehr nicht. „Was geht hier vor?“, fragte Keira irritiert. Bryn blickte sie an und runzelte angesichts von Keiras paranoidem Tonfall amüsiert die Stirn. „Ich mache Kaffee. Wo warst du denn?“ „Ich war im Waschsalon.“ Sie hielt das feuchte Bündel Wäsche hoch. „Ich war nur zwei Minuten weg.“ Zwei Minuten hatten offenbar ausgereicht, damit Bryn mehr als nur ein Auge auf Cristianos Adonis-Körper werfen konnte. „Schatz“, sagte Keira betont deutlich an ihn gewandt. „Wir sollten uns anziehen. Wir müssen los.“ „Aber wir haben doch sicher noch Zeit für einen Kaffee, oder nicht? Während du die Wäsche zum Trocknen aufhängst?“ Keira ließ die Tasche einfach auf den Boden fallen und bemühte sich um einen lockeren Ton, während sie ihn an den Schultern packte und Richtung Schlafzimmer schob. „Aber ich möchte dich ins beste Kaffee von New York ausführen“, sagte sie. „Frisch gemahlener Kaffee, um Längen besser als das Zeug aus Bryns Maschine.“ „Oh … okay …“ Cristiano leistete keinen Widerstand. „Aber … deine Sachen?“ Während sie Cristiano ins Schlafzimmer schob, warf Keira ihrer Schwester über die Schulter einen Blick zu. Sie war offenbar amüsiert von der Szene gerade. Keira blickte sie streng an, eine Warnung, die Finger von Cristiano zu lassen. „Ich kann deine Sachen aufhängen“, bot sie mit süßem, wissendem Lächeln an. „Danke“, erwiderte Keira knapp. Sie wollte die Tür schließen, aber Bryn war noch nicht fertig. „Schätzchen, wenn du meinst, ich wäre schlimm, dann warte, bis ihr da draußen seid.“ Sie deutete vage Richtung Fenster. „Da wird es noch viel schlimmer werden, glaube mir.“ Keira war inzwischen total unentspannt und schloss die Tür.
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