Kapitel 1-2

2087 Words
Ich war eine angesehene Ärztin gewesen, bis ich Zeugin eines Mordes hinter einem Vorhang in der Notaufnahme des Krankenhauses geworden war. Es stellte sich heraus, dass ich die Einzige war, die den Täter identifizieren konnte. Die Familie des Mörders verfügte über enorme Mittel und Beziehungen, sowohl in der Regierung als auch im organisierten Verbrechen. Zeugenschutz war die einzige Chance, mich am Leben zu erhalten, bis ich den Mann vor Gericht identifizieren konnte. Den Planeten zu verlassen war der einzige Weg um sicherzugehen, dass der weitreichende Einfluss dieser Familie mir nichts anhaben konnte. Obwohl meine Verurteilung nur ein Cover war, war ich in den Augen der Justiz auf der Erde eine Mörderin. Und sollte auch so behandelt werden. Dieses Krankenhausnachthemd war schlichte Gefängniskleidung, meine Hand- und Fußgelenke an einen harten, gnadenlosen Stuhl geschnallt. Mir stand nicht viel Auswahl zur Verfügung. Ich hatte es bereits tausendmal in Gedanken durchgespielt. Überleben. Das musste ich tun, und das konnte ich nur dann tun, wenn ich so schnell wie möglich von der Erde fortkam. „Miss Day?“, wiederholte die Aufseherin. Ihre Stimme war emotionslos, als hätte sie schon zu viele Kriminelle abgefertigt, um etwas anderes als abgestumpft und abgehärtet zu sein, selbst den schlimmsten Übeltätern gegenüber. „Ich frage Sie noch einmal, Miss Day. Nach Vorschrift muss ich drei Mal versuchen, eine Antwort zu erhalten. Danach werden Sie automatisch gemäß Ihrer Testresultate jemandem zugewiesen und zur Abfertigung weitergeleitet.“ Ich versuchte, mein rasendes Herz zu beruhigen, da ich nicht nur festgebunden war, sondern auch dem Zimmer, dem Gebäude und vor allem dem Leben, das mir nun bevorstand, nicht entkommen konnte. Dieses triste Zimmer war nichts im Vergleich dazu, was ich bereits durchgestanden hatte... und nichts im Vergleich dazu, was mir noch bevorstand. Aber ich konnte nicht zulassen, dass diese kaltherzige Frau für mich entschied. Bestimmt würde sie mich auf einen grobschlächtigen Planeten wie Prillon schicken, wo die Männer für ihre harte und unversöhnliche Art berüchtigt waren, im Bett wie auch außerhalb. „Beanspruchen Sie das Recht, Ihre Welt zu nennen, Miss Day? Oder unterziehen Sie sich den Platzierungsprotokollen des Abfertigungszentrums?“ Ihre Frage riss mich aus den Gedanken. Bevor sie den Raum betreten hatte, war ich hier der sogenannten Abfertigung unterzogen worden. Ich war zu Beginn bei vollem Bewusstsein und wach gewesen. Ich hatte mir Bilder von diversen Landschaften angesehen, von Männern mit unterschiedlicher Kleidung und unterschiedlichem Aussehen. Selbst von Paaren, die diverse Sexualakte durchführten, wie etwa eine Frau, die kniete und den Schwanz eines Mannes lutschte, hatte ich mir Bilder angesehen. Dies war leider eines der harmloseren Bilder gewesen. Manche Bilder zeigten zwei Männer, die eine Frau nahmen, manche einen ganzen Raum voller Leute, die zusahen, während eine Frau gefickt wurde. Fesseln, Peitschen, s*x-Spielzeuge. Die Szenen wechselten zwischen Wüstenlandschaften und weiten Großstadtaufnahmen von außerirdischen Metropolen so groß wie New York City oder London, zwischen Dildos und Keuschheitsgürteln, Piercings und Analsonden. Die Bilder waren immer schneller vorübergezogen und ich dachte, dass ich wach geblieben war. Aber ich musste wohl eingeschlafen sein und hatte diesen merkwürdigen, und doch so lebhaften Traum. Als ich aufwachte waren die Bildschirme verschwunden, aber ich war immer noch an den Untersuchungsstuhl gefesselt. Ich blickte in ihr Gesicht, dessen Ausdruck völlig neutral war, leckte mir über die Lippen und antwortete: „Ich werde die Auswahl des Abfertigungsprotokolls akzeptieren.“ Die Frau nickte knapp und drückte einen Knopf auf dem Tablet vor ihr. „Sehr gut. Beginnen wir also mit dem Zuweisungsprotokoll. Nennen Sie bitte Ihren Namen für unsere Unterlagen.“ Ich schloss einen Moment lang die Augen, dann öffnete ich sie, denn ich konnte die Nachwirkungen dieses Orgasmus immer noch spüren. Es war so intensiv gewesen, und dabei war es ein Traum gewesen. Dies war die kalte, harte Wirklichkeit. Ich bezweifelte, dass es in meiner Zukunft ein echtes Entkommen, oder echte Lust, geben würde. „E-Evelyn Day.“ Ich hätte beinahe meinen richtigen Namen genannt, aber erinnerte mich rechtzeitig. Wie konnte ich das vergessen? „Das Verbrechen, für das Sie verurteilt wurden?“ Es fiel schwer, es auszusprechen. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass ich solchen extremen Maßnahmen zugestimmt hatte, solchen Lügen. „Mord.“ „Sind Sie derzeit, oder waren Sie jemals, verheiratet?“ „Nein.“ Dies war einer der Gründe, warum ich mich in diesem Schlamassel befand. Ich arbeitete zu viel. Ich hatte keinen Mann in meinem Leben, niemanden, zu dem ich abends nach Hause kam. Also arbeitete ich länger, nahm weitere Schichten an, und wurde Zeugin eines Mordes. „Haben Sie je biologischen Nachwuchs hervorgebracht?“ „Nein.“ Das wollte ich zwar eines Tages, aber mit einem Alien? Das war nicht gerade ein Kindheitstraum gewesen. Warum hatte ich keinen Mann kennenlernen können, der sexy und Single war und auf Frauen stand, die sowohl Hirn als auch üppige Kurven hatten? „Ausgezeichnet.“ Aufseherin Egara hakte eine Liste von Kästchen auf ihrem Tablet-Bildschirm ab. „Fürs Protokoll, Miss Day, als in Frage kommendes, fruchtbares weibliches Wesen in den besten Jahren hatten Sie zwei Auswahlmöglichkeiten, um ihre Strafe für das Verbrechen Mord abzudienen. Einerseits lebenslange Haft ohne Bewährung in der Carswell-Strafanstalt in Fort Worth, Texas.“ Ich zitterte bei der Erwähnung des berüchtigten Gefängnisses, in dem die gefährlichsten und grausamsten Kriminellen untergebracht waren. Der gesamte Plan, mich bis zur Verhandlung sicher aufzubewahren, bestand darin, mich vom Planeten zu schicken. Über Carswell hatte ich mir zum Glück keine Gedanken machen müssen. Aufseherin Egara fuhr fort: „Oder, wie Sie zuvor gewählt hatten, alternativ dazu das Interstellare Bräute-Programm. Sie wurden hierher gebracht, um Ihre Einstufung und Zuweisung abzuschließen. Es freut mich, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass das System Sie erfolgreich zuweisen konnte und Sie auf einen Mitgliedsplaneten geschickt werden. Als Braut ist es möglich, dass Sie nie mehr zur Erde zurückkehren, da die Reisebedingungen sich nach den Gesetzen und Bräuchen Ihres neuen Planeten richten werden und von dort bestimmt werden. Sie geben den Status als Erdenbürgerin auf und werden offiziell zu einer Bürgerin Ihrer neuen Welt.“ Wohin würden sie mich schicken? Was für perversen Irrsinn hatten meine Neuroscans dieser Frau gezeigt? Dem lebhaften Traum zufolge konnte das alles sein. Würde ich zu einem Stammeshäuptling auf Vytros kommen, oder zu einem reichen Seehändler auf Ania? In eines der groben Patriarchate in den außenliegenden Welten? Ich räusperte mich, da mir die Worte im Hals zu stecken schienen. „Können Sie... können Sie mir den Auswahlprozess erklären? Woher weiß ich, dass diese Tests eine gute Übereinstimmung erzielen?“ Sie sah mich an, als wäre ich der letzte Hinterwäldler. „Also wirklich, Miss Day. Sie wissen doch, wie es läuft.“ Als ich schwieg, seufzte sie. „Also gut. Alle Häftlinge werden einer Reihe von Tests unterzogen. Ihr Geist wurde stimuliert und sowohl auf bewusste als auch unbewusste Reaktionen überprüft, sodass wir sicher sein können, Sie passend zu den Bräuchen und sexuellen Praktiken eines anderen Planeten zuordnen zu können. Da Sie dort auf unbestimmte Zeit leben werden ist es wichtig, dass wir Bräute senden, die der Anführer würdig sind, die sie angefordert haben. „Jeder Planet hat eine Liste qualifizierter männlicher Wesen, die auf eine Braut warten“, fuhr sie fort. „Unsere Tests ermitteln die beste Welt für Sie, dann stimmen wir Sie mit dem kompatibelsten Kandidaten ab. Wenn Ihre Abfertigung beginnt, dann wird er sofort verständigt. Wenn Sie soweit sind, werden Sie transportiert und erwachen auf Ihrem neuen Planeten. Ihr Partner wird darauf warten, Sie dort in Besitz zu nehmen.“ Meine Handgelenke waren immer noch gefesselt; ich konnte aber meine Fäuste ballen. „Was, wenn... was, wenn die Übereinstimmung nicht gut ist?“ Sie spitzte die Lippen. „Es gibt kein Zurück. Gemäß Protokoll 6.2.7a können wir Sie nicht dazu zwingen, bei jemandem zu bleiben, der nicht kompatibel ist. Sie haben dreißig Tage Zeit, zu entscheiden, ob der primäre Kandidat akzeptabel ist. Wenn Sie nach dreißig Tagen mit Ihrem Partner nicht zufrieden sind, wird Ihnen ein anderer Partner auf der gleichen Welt zugewiesen, und sie werden transferiert. Sie haben für jeden Kandidaten dreißig Tage Zeit, um ihn anzunehmen oder abzulehnen, bis Sie sich mit einem Partner niederlassen.“ „Haben sie... Ich meine, hat auch er die Möglichkeit, mich zurückzuweisen?“ Ich wurde zuvor schon von Männern zurückgewiesen. Oft sogar. Was würde einen Mann auf einem fernen Planeten groß anders machen? „Die Erfolgsrate des Zuweisungsprogramms liegt bei über achtundneunzig Prozent. Sie haben die Tests abgeschlossen und wir haben Ihre persönliche Platzierung bestätigt. Ich bin zuversichtlich, dass Sie ausreichend versorgt sein werden. Diese Partner brauchen, je nach Planet, Frauen, um ihre Rasse zu erhalten, ihre Kultur und ihre Lebensart. Weibliche Wesen sind wertvoll, Miss Day. Darum wurde das interplanetare Abkommen überhaupt erst geschlossen. Falls jedoch Ihr Partner Sie als... unzureichend empfindet, werden Sie einem anderen männlichen Wesen auf dem Planeten zugewiesen. Denken Sie daran, Sie wurden in erster Linie auf den Planeten abgestimmt, und erst danach den Partner.“ „Wird mein Partner wissen, dass ich eines Verbrechens verurteilt wurde?“ „Natürlich. Das Abkommen verlangt völlige Offenlegung.“ „Und die sind verzweifelt genug, verurteilte Verbrecherinnen aufzunehmen?“ Ich hatte mich noch nie als würdig empfunden, jemandes Freundin zu sein, und schon gar keine Ehefrau. Warum würde mich jetzt jemand wollen, wo ich eine verurteilte Mörderin war? „Haben die keine Angst, dass ich sie im Schlaf umbringe?“ Ich würde das niemals tun, aber das konnten die ja nicht wissen. Und würde ich auf deren Welt für ein Verbrechen bestraft werden, das ich dem Anschein nach hier auf der Erde begangen hatte? Die Frau spitzte die Lippen. „Ich garantiere, Miss Day, dass Sie das verstehen werden, sobald Sie irgendeinem der Partner von irgendeinem der Planeten begegnen. Seien Sie versichert, dass von einer Frau wie Ihnen umgebracht zu werden nicht zu ihren Sorgen gehört.“ Ich blickte auf meine triste, schlichte Gefängnisuniform. Ich war nicht schmächtig. Ich war... kurvig. Selbst der Stress der letzten Wochen, die bevorstehende Verhandlung und alles, was dazugehörte, hatte an meinem Gewicht nichts verändert. Ich hatte in der gesamten Zeit keinen richtigen Spiegel und keine Schminke gesehen, also konnte ich mir nur vorstellen, wie ich aussah. Wenn ich in diesem Aufzug meinem Partner gegenübertrat, würde er mich doch bestimmt abweisen, bevor er überhaupt Hallo sagen konnte. Die Frau blickte auf ihr Tablet. „Sind Sie fertig mit Ihren Fragen? Ich habe heute noch eine Frau abzufertigen.“ Es gab nicht wirklich viel Auswahl. Ich nickte. „Ich...ich bin soweit—“, schluckte ich. Es war schwieriger als gedacht, die Worte auszusprechen, die mein Leben verändern würden. „Ich bin bereit dafür, den Planeten zu verlassen, und ich werde meine Platzierung gemäß der Testergebnisse annehmen.“ Die Frau nickte entschlossen. „In Ordnung.“ Sie drückte einen Knopf, und mein Sitz lehnte sich nach hinten wie beim Zahnarzt. „Fürs Protokoll, Miss Day, Sie haben gewählt, Ihre Strafe unter der Direktion des Interstellaren Bräute-Programms abzugelten. Sie wurden einem Partner per Test-Protokoll zugewiesen und werden vom Planeten transportiert. Eine Rückkehr zur Erde ist nicht vorgesehen. Trifft dies zu?“ Heilige Mutter Gottes, was hatte ich getan? Ich würde für meine Zeugenaussage zurückkommen, aber ich stand wirklich vor der Abreise. „Ja.“ „Ausgezeichnet.“ Sie blickte auf ihr Tablet hinunter. „Der Computer hat sie Trion zugewiesen.“ Trion? Ich suchte in meinem Gedächtnis nach etwas, irgendeinem Wissen über diese Welt. Nichts. Ich wusste gar nichts. Oh Gott. Doch vielleicht war die Welt jene in meinem Traum gewesen. Die Teppiche. Das Mandelöl. Der riesige Schwanz... „Diese Welt erfordert eine gründliche körperliche Vorbereitung ihres weiblichen Wesens, bevor wir den Transport einleiten.“ Mein Körper wird... was? Aufseherin Egara gab meinem Sitz einen Schubs, und zu meinem Schrecken glitt der Stuhl auf eine Wand zu, in der sich eine große Öffnung auftat. Der Untersuchungsstuhl glitt wie auf Schienen direkt in den soeben erschienenen Raum auf der anderen Seite der Wand. Das winzige Zimmer war klein und von einer Reihe greller blauer Lichter erhellt. Der Stuhl kam ruckartig zum Stehen, und ein Roboterarm mit einer großen Spritze glitt lautlos an meinen Hals hoch. Ich zuckte zusammen, als die Nadel in meine Haut fuhr, dann fühlte ich nur noch ein leichtes Kribbeln an der Einstichstelle. Ein Gefühl von Lethargie und Zufriedenheit ließ meinen Körper erschlaffen, und ich wurde in eine Wannen voll warmer, blauer Flüssigkeit gesenkt. Mir war so warm, ich fühlte mich so taub... „Versuchen Sie einfach, sich zu entspannen, Miss Day.“ Ihr Finger berührte das Display in ihrer Hand, und ihre Stimme erreichte mich wie aus weiter Ferne. „Ihre Abfertigung beginnt in drei... zwei... eins...“
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