KAPITEL FÜNF

817 Words
KAPITEL FÜNF Teamchef Brent Meredith war kein Mann, der seine Zeit mit Höflichkeiten verschwendete. Das wusste Riley aus Erfahrung. Daher erwartet sie keinen Small Talk, als sie nach dem Hindernislauf in sein Büro kam – keine höflichen Fragen über ihre Gesundheit, ihr Zuhause und ihre Familie. Er konnte freundlich und warm sein, aber diese Momente waren eher selten. Heute kam er direkt auf den Punkt und seine Anliegen waren immer dringend. Bill war bereits dort. Er sah äußerst nervös aus. Sie hoffte, sie würde bald verstehen, warum. Sobald Riley sich gesetzt hatte, lehnte Meredith sich über seinen Schreibtisch zu ihr, sein breites, kantiges Gesicht so einschüchternd wie immer. "Das Wichtigste zuerst, Agentin Paige", sagte er. Riley wartete darauf, dass er etwas sagte – ihr eine Frage stellte oder eine Anweisung gab. Stattdessen starrte er sie einfach an. Riley brauchte nur einen kurzen Moment, um zu verstehen, was Meredith ihr sagen wollte. Meredith stellte seine Frage absichtlich nicht laut. Riley wusste seine Diskretion zu schätzen. Ein Mörder war auf freiem Fuß und sein Name war Shane Hatcher. Er war aus Sing Sing geflohen und Rileys Auftrag war gewesen, Hatcher einzufangen. Sie war gescheitert. Tatsächlich hatte sie es nicht wirklich versucht, und jetzt waren andere FBI Agenten dem Fall zugeteilt. Bisher hatten sie keinen Erfolg gehabt. Shane Hatcher war ein kriminelles Genie. Er war während seiner langen Jahre im Gefängnis ein respektierter Experte der Kriminologie geworden. Daher hatte Riley ihn einige Male im Gefängnis besucht, um seinen Rat für ihre Fälle zu erhalten. Sie kannte ihn gut genug, um sich sicher zu sein, dass er derzeit keine Gefahr für die Gesellschaft darstellte. Hatcher hatte einen seltsamen, aber strikten Moralkodex. Er hatte einen Mann seit seiner Flucht getötet – einen alten Feind, der selbst ein gefährlicher Krimineller gewesen war. Riley war sich sicher, dass er niemanden sonst töten würde. Riley verstand, dass Meredith wissen musste, ob Hatcher sich bei ihr gemeldet hatte. Es war ein hoch priorisierter Fall und es schien, als wäre Hatcher auf dem besten Weg, eine moderne Legende zu werden – ein berühmtes kriminelles Genie, dem alles möglich war. Meredith wollte sie durch eine laut gestellte Frage nicht in Bedrängnis bringen. Aber die Wahrheit war simpel. Riley wusste nichts von Hatchers aktuellem Aufenthaltsort oder seinen Aktivitäten. "Es gibt nichts Neues, Sir", antwortete sie auf Merediths unausgesprochene Frage. Meredith nickte und schien sich leicht zu entspannen. "Also gut", sagte Meredith. "Kommen wir direkt zur Sache. Ich schicke Agent Jeffreys nach Seattle. Er möchte Sie als Partnerin. Ich muss wissen, ob Sie bereit sind, mit ihm mitzugehen." Riley musste nein sagen. Sie hatte so viel, worum sie sich gerade kümmern musste, weshalb ein Fall in einer entfernten Stadt nicht in Frage zu kommen schien. Sie hatte immer noch Anfälle von PTBS, auch wenn sie in der Zeit seit ihrer Gefangenschaft seltener geworden waren. Ihre Tochter, April, hatte ebenfalls durch den Mann gelitten und jetzt kämpfte April mit ihren eigenen Dämonen. Außerdem hatte Riley jetzt auch noch eine neue Tochter, die ihre eigenen Traumata durchlebt hatte. Wenn sie eine Weile hier bleiben und vielleicht einige Kurse an der Akademie unterrichten könnte, würde sich ihr Leben vielleicht stabilisieren. "Ich kann nicht", sagte Riley. "Nicht jetzt." Sie wandte sich an Bill. "Du weißt, worum ich mich gerade kümmern muss", sagte sie. "Ich weiß. Ich hatte nur gehofft …" sagte er, mit einem bittenden Ausdruck in den Augen. Es war an der Zeit herauszufinden, worum es ging. "Worum geht es?", fragte Riley. "Es hat mindestens zwei Giftmorde in Seattle gegeben", sagte Meredith. "Es scheint sich um einen Serienfall zu handeln." Da verstand Riley, warum Bill so aufgewühlt war. Als er noch ein kleiner Junge war, hatte man seine Mutter vergiftet und sie war gestorben. Riley kannte keine Details, aber sie wusste, dass der Mord einer der Gründe war, warum er FBI Agent wurde. Es hatte ihn jahrelang verfolgt. Dieser Fall riss alte Wunden auf. Also hatte er es ernst gemeint, als er sie um Hilfe bat. Meredith fuhr fort, "Bisher wissen wir von zwei Opfern – einem Mann und einer Frau. Es könnte andere gegeben haben und es könnten noch weitere folgen." "Warum wurden wir dazu gebeten?", fragte Riley. "Es gibt doch eine FBI Außenstelle in Seattle. Können die das nicht übernehmen?" Meredith schüttelte den Kopf. "Die Situation dort ist recht dysfunktional. Es scheint, als könnten sich das örtliche FBI und die Polizei auf nichts in dem Fall einigen. Deshalb werden Sie gebraucht, ob Sie wollen oder nicht. Kann ich mich auf Sie verlassen, Agentin Paige?" Plötzlich schien ihr die Entscheidung glasklar zu sein. Trotz ihrer persönlichen Probleme wurde sie bei diesem Fall wirklich gebraucht. "Das können Sie", sagte sie deshalb. Bill nickte und atmete hörbar erleichtert aus. "Gut", sagte Meredith. "Sie fliegen beide morgen früh nach Seattle." Meredith klopfte noch einen Moment mit den Fingern auf den Schreibtisch. "Aber erwarten Sie kein herzliches Willkommen", fügte er hinzu. "Weder die Polizei, noch das FBI sind froh, Sie zu sehen."
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