Flucht

1763 Words
Elise konnte kaum den Schock in ihrem Gesicht verbergen, als sie Ka’al endlich ohne seine Wunden oder den Maulkorb sah. In dem Moment, als er im Mondlicht badete, begannen seine Wunden zu heilen und langsam zu verblassen. Er war der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte. Seine bronzene Haut und grauen Augen wirkten wie eine kraftvolle silberne Flamme, die sie in Ehrfurcht versetzte, als er sich eine Hand durch die Haare fuhr. „Los gehts, kleiner Wolf“, befahl er, und Elise nickte verstehend. Sie schob all diese nebensächlichen Gedanken beiseite, sie musste sich konzentrieren. Dies war ihr einziger Fluchtplan, und es gab keine zweite Chance. Als sie die Tür zum Verlies hinter sich ließen, folgte Elise dicht hinter Ka’al, der sich den gewundenen Treppenstufen näherte, die nach oben führten. Das war der einzige Weg hinaus aus dem Kellergeschoss, aber sie mussten vorsichtig sein, niemandem zu begegnen, sonst würden die Alarmglocken läuten und ihr Leben wäre in Gefahr. Glücklicherweise war wenigstens eine von Hans Aussagen über das Fest richtig: Die Soldaten und Krieger waren alle vom Wolfswein betrunken und reagierten nicht. Ich weiß genau, wohin wir gehen müssen, sprach Ka’al in Elise hinein, sie konnte nicht anders, als die Wärme seiner großen Hände zu spüren, die sich um ihre legten, während er sie aus der Tür führte. Die hinteren Korridore waren fast leer, bis auf einen Wächter, der schwankend und betrunken auf sie zukam. Ka'al brach ihm schnell und brutal das Genick, ohne Spuren von Blut zu hinterlassen, sodass es so aussah, als ob der Wächter schlief. Sie erreichten die hinteren Mauern des Kerkers und fanden endlich einen freien Weg in die Freiheit. „Es wäre einfacher, wenn wir uns in unsere Wölfe verwandeln und hinüberspringen, es mag mehr Anstrengung erfordern, aber es ist besser, wenn wir unbemerkt bleiben. Ich spüre, wie meine Kräfte langsam durch das Mondlicht zurückkehren.“ Doch als keine Antwort kam, wandte er sich zu Elise um, deren Augen weit aufgerissen waren. Sie schüttelte beschämt den Kopf und flüsterte: „Ich kann nicht, ich kann mich nicht verwandeln, ich habe einen defekten Wolf… Es tut mir leid.“ Ihre Worte richteten sich an Ka’al, dessen Gesicht ernst blieb. Ein Zittern aus Scham und Angst überkam sie. Was, wenn er sich entschied, sie hier zurückzulassen und alleine über die Mauer zu springen? fragte sich Elise, den Kopf gesenkt. Sie konnte nicht einmal versuchen, ohne Hilfe zu klettern, da ihre Hand gebrochen war. Sie hörte Ka’al grunzen, als er über die Mauer kletterte. Ka’al hatte sich hochgezogen und war über die Mauer hinweg, und sie konnte kaum die Augen öffnen, um zu sehen, dass sie wieder einmal verlassen worden war. Doch dann hörte sie ihn sagen: „Gib mir deine Hand, kleiner Wolf.“ Sie öffnete die Augen, erstaunt darüber, dass Ka’al nach ihr griff. „Schnell“, warnte er hastig. Elise verlor keine Zeit. Sie ergriff seine großen, schwieligen Hände und biss sich auf die Lippe, um das schmerzhafte Zischen von ihrer Schulter zu unterdrücken, und versuchte, die Verletzung unter ihrer Kleidung zu verstecken, während er sie vorsichtig hinaufzog und über die Mauer half. Sie wollte nicht, dass Ka’al wusste, dass sie verwundet war und er sie deswegen zurücklassen könnte. Elise warf einen letzten Blick auf die Steinmauern und das Burgtor des Kerkers, ihre Ohren spitzten sich bei dem Geräusch von vorbeiziehenden Fackeln, die Wachen wechselten die Schicht. „Wir müssen los“, aber er war ihr schon einen Schritt voraus, seine Knochen begannen sich in einem schnellen und gleichmäßigen Rhythmus zu verschieben. Elise war ohne Zweifel schockiert. Sie hatte noch nie einen Wolf gesehen, der sich mühelos und ohne Schmerzen verwandelte, er glich mehr einem Gestaltwandler als ihresgleichen. Seine gewaltige Größe erreichte zwei Meter, und sein ganzer Körper war von dunklem Mitternachtsfell bedeckt, während seine Augen noch immer diesen vertrauten grauen Unterton hatten. Elise trat einen Schritt zurück, doch etwas in ihr sagte ihr, dass sie keine Angst vor dem mächtigen Anblick dieses Tieres haben musste. Ka’al verneigte sich vor ihr, damit sie auf seinen Rücken steigen konnte. „Halte dich fest“, knurrte er telepathisch, bevor er in den Wald rannte. Sie rannten stundenlang, und Ka’al hielt erst an, als sie das Gebiet des Dunkelnacht-Rudels hinter sich gelassen hatten, zwei Berge passierend, und er weiter nach Süden rannte. Er stoppte erst, als der Morgen kam und Elise den Umriss des Sonnenaufgangs erkennen konnte. Doch schon bald verdunkelten sich die Wolken, und der gesamte Himmel wurde von schweren Regenwolken bedeckt, die sintflutartige Schauer niedergehen ließen. Sie brauchten dringend Unterschlupf, der Regen war wie ein Segen, der all ihre Spuren und den Geruch ihrer Pfoten verwischen würde, was es ihren Verfolgern erschweren sollte, sie aufzuspüren. Elise war jedoch besorgter darüber, dass Ka’al seit Beginn der Reise kein Wort gesprochen hatte. Glücklicherweise fanden sie eine Hütte, die aussah, als sei sie seit Monaten verlassen. Ka’al ließ sie herunter und ging um das Haus, um die Umgebung abzusichern und sicherzustellen, dass sie alleine waren. Elise trat als Erste in die kleine, verlassene Hütte, ihr Blick fiel auf ein Sofa neben einem verlassenen Kamin. Zum Glück lagen noch ein paar unbeachtete Holzscheite herum. Schnell sammelte sie diese auf, legte sie in den Kamin und zündete ein Streichholz an, um das Feuer zu entfachen. Die Tür öffnete sich, und Ka’al trat ein. Ein leichtes Erröten überzog ihre Wangen, als ihr Blick zu seinen unteren Körperpartien wanderte. Ihr Verstand drehte sich bei dem bloßen Anblick seiner Größe. Ist das etwa etwas, was in mich passen könnte? fragte sie sich. „Was machst du, kleiner Wolf?“ fragte er mit hochgezogener Augenbraue, während die Hitze in Elises Nacken und Ohren stieg, als er sie dabei ertappte, wie sie starrte. „I-Ich...“, stammelte sie, doch das laute Krachen des Donners unterbrach sie und ließ sie erstarren. Das Geräusch erinnerte sie sofort an den Moment, als das Genick ihrer Mutter brach, sie konnte nicht mehr atmen. Sie erlitt einen leichten Panikanfall. Ka’al zuckte mit der Nase und bemerkte sofort die Veränderung ihres normalerweise lavendelduftenden Geruchs, der nun von purer Angst geprägt war. „Schau mich an, du musst atmen“, sagte er, aber sie war zu weit in ihren Erinnerungen gefangen. Ka’al blieb keine Wahl, und er ließ ein markerschütterndes Knurren ertönen. „Schau mich an, verdammt!“ rief er, und Elise fuhr erschrocken zusammen und zog sich von ihm zurück. Es wirkte, denn ihre Lungen gaben nach, aber nur für einen kurzen Moment. Durch den Spalt des nächsten Blitzes sah sie Kyrens bösartiges Gesicht, das ihr mit einem bedrohlichen Grinsen entgegenblickte. „Es tut mir leid, ich... war nur kurz weggetreten, ich muss allein sein“, sagte Elise, bevor sie in den einzigen anderen Raum des Hauses flüchtete. Ka’al fluchte leise, atmete tief durch und fuhr sich mit der Hand durch sein langes, vom Regen leicht gelocktes Haar. Sein Wolf schimpfte innerlich, dass er sie zurückholen sollte. Also ging er in das nächste Zimmer und sagte: „Schau, ich muss verstehen, was los ist.“ Seine Stimme wurde leiser, als er sah, dass Elise das zerrissene Oberteil ihres Kleides ausgezogen hatte und eine dunkle, schreckliche violette Prellung auf ihrer Schulter zu sehen war. Sie schnappte nach Luft und versuchte hastig, ihr Kleid wieder hochzuziehen, aber es war zu spät, er hatte es bereits gesehen. „Wie lange hast du das schon? Hat dieser Delta dir das angetan?“ knurrte er, als er näherkam. „Es war Kyren. Es scheint ihn zu amüsieren, mir die Knochen zu brechen und mich leiden zu sehen. Ich schätze, das bin ich für alle, ein verfluchter Wolf, der nur zur Unterhaltung und zum Leiden da ist.“ „Ich werde diesem Bastard den Kopf abreißen“, fluchte er, und Elise blickte zu ihm auf. Ihre Blicke trafen sich, und es fühlte sich an, als hätten die Regenschauer draußen innegehalten und die Welt nur noch ihnen gehört. Schnell schaute sie weg und erinnerte sich an den eigennützigen Grund, warum er sie gerettet hatte. „Es ist nicht so schlimm.“ „Setz dich“, befahl er, und Elise ging zu dem alten Bett in der Ecke, dessen Rahmen ächzte, als sie sich setzte. „Zieh dein Oberteil aus, wir müssen die Knochen richten. Noch einen Tag so, und es wird dauerhaft beschädigt sein“, erklärte er. Sie schob ihr nasses Haar aus dem Rücken, zischte vor Schmerz, als sie ihr Oberteil herunterzog, bis ihr Rücken entblößt war. Sie versuchte, nicht zusammenzuzucken, als sie seine warmen Hände auf ihrer Haut spürte. „Du musst mich für einen Witz und ein Wrack halten“, flüsterte Elise bitter, „wer wird schon an seinem Bindungstag abgewiesen und dann zu diesem Trümmerhaufen? Ich konnte mich nicht einmal selbst oder meine Mutter beschützen, ich bin schwach.“ „Du bist nicht schwach, du bist stark. Du hast dich der Gefahr gestellt und bist nicht zurückgewichen. Du brauchst Training, ja, aber du bist nicht schwach, und es ist nicht deine Schuld, Elise“, sagte er ihr. Es fühlte sich an, als hätte sie lange auf genau diese Worte gewartet. Sie drehte ihren Kopf und sah Ka'al an, der sie ernst anschaute. Eine gespannte Stille lag in der Luft. Sie öffnete den Mund, um zu sprechen, doch in diesem Moment hatte Ka’al ihre Schulter mit einem schnellen Ruck zurück in die Gelenkpfanne gedrückt, was Elise einen schmerzvollen Laut entlockte. „Agh! Verdammt!“ rief sie vor Schmerz, lehnte sich zurück und ließ ihren Körper gegen Ka’al sinken, ihre beider Herzschläge donnerten laut und deutlich gegen ihre Haut, und erst jetzt bemerkte sie, wie heiß sein Körper war. Seine Finger zeichneten kleine Kreise auf ihre bloße Haut, um ihren Schmerz zu lindern, und diese unbekannte Spannung zwischen ihnen hing weiter in der Luft, als Elise langsam ihr Kinn drehte und zu Ka'al aufsah, dessen Augen sich verfinstert hatten. Er warf einen schnellen Blick auf ihre Lippen, und das war die Einladung, auf die Elise unbewusst gewartet hatte. Sie lehnte sich vor und berührte sein Gesicht mit ihren Händen, sein langsam heilendes und nun makelloses, wunderschönes Gesicht. Der schönste Mann, den sie je gesehen hatte. Also wagte sie den mutigen Schritt und küsste ihn. Seine Hände fanden ihren nackten Busen, ihre Brustwarzen waren bereits aufgerichtet und hart, ihre Atemzüge heiß und schwer. Der strömende Regen übertönte ihre Lustlaute, während das Verlangen zwischen ihnen wuchs, ihre Blicke sprachen von Gier und Vorfreude. Bereit und hungrig aufeinander trafen sich ihre Lippen in einem weiteren leidenschaftlichen Kuss, gierig nach mehr. Ein Versprechen für eine wilde, dampfende Nacht lag in der Luft.
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