1. KAPITEL
Einen sicheren Freund erkennt man in einer unsicheren Lage.
Marcus Tullius Cicero
Daisy
"Daisy, kommst du mal!" schallt es von nebenan. Ich bin gerade dabei im Badezimmer meine Kosmetiktasche für Embley zu packen.
"Was ist denn?", frage ich und stecke den Kopf durch die geöffnete Tür.
"Du hast ja gar nichts zum anziehen.", echauffiert sich Anna und deutet mit dem Daumen hinter sich auf meinen geöffneten Kleiderschrank.
"Das kann gar nicht sein.", antworte ich und trete näher. Für einen Moment beschleicht mich tatsächlich die Sorge, jemand hätte den gesamten Inhalt meines Schrankes geklaut. Erleichtert stelle ich fest, dass es nicht der Fall ist und beginne sofort Anna meine Klamotten, die bisher immer als stilvoll und passend empfunden wurden, anzupreisen. "Da ... da ist doch ... beispielsweise das blaue Minikleid." Ich hebe den Bügel mit besagtem Kleid von der Stange. "Oder die Marlenehose und die Bluse hier." Ich greife mir die Klamotten.
Anna zieht die Augenbrauen hoch. Tippt anschließend mit den Worten "Langweilig. Langweilig, Langweilig." auf die Sachen und verschränkt trotzig die Arme vor der Brust. "Süße, du fährst in die Flitterwochen. Soll dein Mann Alpträume vor dem, was ihn in zwanzig Jahren erwartet kriegen?"
Erschrocken schnappe ich nach Luft. "Also ... mein Mann weiß ganz genau was ihn erwartet. Und nur damit du's weißt, er mag mich genau so wie ich bin.", bekräftige ich und hoffe, damit nicht ganz falsch zu liegen.
Anna grinst. "Ja, klar weiß er das. Er kennt dich ja auch schon ne Weile. Aber ..." Sie legt freundschaftlich einen Arm um mich, damit sie mich an sich drücken kann. "... du fliegst in die Flitterwochen," Letzteres betont sie mit einem anzüglichen Zwinkern. "Eine crazy sexy und vor allem unvergessliche Zeit. Hoffentlich deine einzigen Flitterwochen."
"Na, das hoffe ich auch!", bestätige ich.
"Eben. Stell dir vor! Nach der Hochzeit, du hast dich gerade umgezogen, um in die Flitterwochen aufzubrechen."
Ich nicke.
"Du schwebst die Treppe hinab und Dan fallen fast die Augen aus dem Kopf, weil du so heiß aussiehst, dass er sich kaum beherrschen kann dich nicht sofort flach zu legen.", schwärmt sie weiter und gestikuliert in der Luft herum.
"Hm, vielleicht kann er damit warten bis wir unter uns sind."
"Vielleicht, vielleicht auch nicht? Aber eines weiß ich ganz sicher ..."
"Was denn?"
"Das er sich denkt "Na toll, das kann ja heiter werden." wenn du da in deinen alten Klamotten aufkreuzt." erklärt sie und bekräftigt das gesagte mit einem Augenrollen. "Daisy, du bist dann eine verheiratete Frau. Deine Garderobe braucht ganz unbedingt ein Upgrade!"
"Meinst du?", frage ich verunsichert und lasse meinen Blick über meine Kleidung wandern. "Bisher haben mir meine Klamotten eigentlich ganz gut gefallen."
"Süße, sie sind auch toll! Aber eben nicht toll genug für die Flitterwochen." Wieder diese Betonung.
Dezent genervt verdrehe ich die Augen. "Vielen Dank auch, ich hab's begriffen. Und was jetzt?"
Statt einer Antwort greift Anna sich ihr Smartphone und wählt ohne mir mitzuteilen wen sie anruft eine Nummer. Ein Wort sagt sie in das Gerät als der andere Gesprächsteilnehmer abnimmt. "Notfall." Dann befiehlt sie noch, "Halbe Stunde Great Malborought Street!"
"Du willst zur Carnaby Street? Willst du allen Ernstes heute noch shoppen gehen?", stöhne ich und lasse mich auf das Bett fallen. Ich bin jetzt schon erschöpft, und dabei ist es erst Vormittag. Anna stopft ihr Handy in ihre Handtasche und zieht mich an den Hände wieder auf die Füße. "Notfall. Daisy, lass das packen sein! Wir müssen dir Urlaubsklamotten kaufen." Na, wenigstens sagt sie nicht schon wieder Flitterwochen.
"Und die finden wir dort?"
"Wo, wenn nicht dort, Schätzchen?", erwidert sie lachend und zieht mich aus meinem alten WG Zimmer.
"Wen hast du da gerade angerufen? Freddy, stimmt's?"
Sie nickt. "Klar doch. Und verrätst du mir jetzt endlich auch mal etwas?"
"Was denn?"., stöhne ich und ahne schon um was es sich handelt.
"Wohin soll's gehen?"
"Das bleibt unser kleines süßes Geheimnis?", grinse ich frech und gehe an ihr vorbei.
John fährt uns im Bentley bis zur Great Malborought Street wo Freddy bereits am Straßenrand auf uns wartet. Beim aussteigen entlasse ich John mit den Worten, "Sie brauchen nicht zu warten, John. Fahren Sie heim. Sicherlich müssen Sie doch auch noch packen. Für den Rückweg nehmen wir ein Taxi. Versprochen."
"Miss, Mister Edwards besteht darauf ..."
Ich unterbreche ihn. "Ich weiß, John. Aber ich sage Ihnen Sie dürfen fahren." Mit einem Lächeln steige ich aus ehe er noch etwas erwidern kann.
"Ihr Süßen!", jubelt Freddy und zieht uns in seine typische Umarmung als wir vor ihm auf dem Gehweg stehen.
"Meinst du er folgt uns trotzdem heimlich?", raunt Anna mir zu und deutet mit einem Nicken hinter sich auf den noch immer am Straßenrand stehenden Bentley.
Ich zucke die Schultern. "Keine Ahnung. Aber mehr, als ihm frei zu geben, kann ich auch nicht tun."
"Also ich hätte nichts dagegen von ihm verfolgt zu werden.", mischt Freddy sich ein und wirft John einen Handkuss zu als wir untergehakt am Wagen vorbei schlendern.
"Freddy!", rufe ich ihn zur Ordnung. "Du bist verlobt."
"Verlobt, ja. Tod, nein.", grinst er frech. "Also, was suchen wir?", wechselt er das Thema.
"Daisy braucht was für den Flug, für abends, für den Strand, für's Sightseeing und nicht zu vergessen, für das Bett.", erklärt Anna statt meiner und zählt es an den Fingern ab.
"Ähm ...", melde ich mich, doch ich werde mit vier energisch dreinblickenden Augen zum schweigen gebracht. "Süße, tut mir leid. Aber der Inhalt deines Kleiderschranks ist echt traurig!", erklärt meine beste Freundin und bedenkt mich mit einem mitleidigen Blick. An Freddy gewandt fährt sie fort, "Stell dir vor, Darling, sie wollte dieses uralte blaue Minikleid mitnehmen. Und eine Marlenehose."
Freddy greift sich an den Hals als stünde er kurz vor'm Schlaganfall und reißt entsetzt die Augen auf. "Ist nicht dein Ernst?", kreischt er und ich weiß nicht recht ob er damit Anna oder mich meint.
Verzweifelt sehe ich mich nach dem Bentley um. Ein wenig Unterstützung wäre jetzt schön. Doch der Wagen ist fort. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass er an uns vorbeigefahren ist.
Als erstes von der großen Auswahl die diese Straße bietet steuern wir die markante Fassade von 'Liberty London' an.
"Echt jetzt?", stöhne ich schon wieder. "Findet ihr nicht, dass das ein wenig zu teuer sein könnte?"
"Quatsch!", grinst Anna. "Du bist die künftige Countess."
Das muss wohl als Erklärung genügen. Willig füge ich mich den beiden und lasse mich durch die von einem in dunkler Livree gekleideten Pförtner bewachte Tür ziehen.
Kaum eingetreten umfängt uns sofort der Charme und der Prunk des offen zur Schau getragenen Luxus. "Leute ... ich weiß nicht ...", wage ich einen erneuten Versuch den Rückzug anzutreten.
Doch ich stoße auf taube Ohren. Meine besten Freunde waren schon in den Tiefen des Geschäfts verschwunden und begannen zu stöbern.
"Daisy, los komm! Im Obergeschoss gibt's die Klamotten.", schreit Freddy beinahe und winkt mich zu sich zum Aufzug. Still in mich hinein jammernd gehe ich zu ihm. Anna wartet bereits in der Kabine und hält sie uns auf. Gemeinsam fahren wir in den ersten Stock wo sich die Damenabteilung befindet.
Kaum das sich die Aufzugstüren geöffnet haben, muss ich zu meiner Bestürzung feststellen, dass es mir hier ganz gut gefällt. Zwar trifft nicht jedes der bunten Kleidungsstücke die hier auf den Bügeln hängen meinen Geschmack, doch einiges ist schon dabei.
"Oh, sieh mal hier!", jubelt jemand. Es ist Anna, die mich zu sich winkt, gerade als ich mir einen Ständer mit Blusen vornehmen will.
"Sind die nicht wunderschön?" Ich betrachte die langen bunten Chiffonkleider und überlege ob sie sie für sich oder für mich schön findet. "Ähm ... ja klar, sie sind schön! Aber sind sie auch sexy?", entgegne ich zögernd und betaste den fließenden Stoff.
"Der Rückenausschnitt ist sexy." Sie nimmt einen der Bügel und hält ihn mir hin. Der Rückenausschnitt war mir noch gar nicht aufgefallen. "Ja.", sage ich gedehnt. "Stimmt. Es ist wirklich sexy!"
Anna meint schwärmerisch, "Ich sehe dich schon damit am Strand entlang flanieren."
"Ähm ... Strand."
Erstaunt hält sie inne und sieht mich an. "Was denn? Gibt's da etwa keinen Strand?"
Fast wäre ich drauf reingefallen und hätte ihr verraten, dass wir nach New York fliegen. Doch ich kann mich beherrschen. Außerdem fällt mir gerade noch rechtzeitig ein, dass es auch in New York einen Strand gibt. Oder zumindest in der Nähe der Stadt. "Doch klar gibt es den."
Sie sieht mich an, als würde sie mich durchschauen, murmelt dann aber, "Na also dann. Hier!" Sie drückt mir das Kleid an die Brust.
Unwillkürlich spähe ich nach der Größe. Es dürfte passen. Doch ehe ich mich in eine der Umkleidekabinen verkrümeln darf werde ich von ihr weiter gezogen. "Damit hättest du ein langes Kleid. Du brauchst auch noch ein sexy kurzes."
"Ich dachte, sexy hätten wir abgehakt?"
Dafür ernte ich einen strafenden Blick. "Wie lange seit ihr weg?"
"Vier Wochen. Wieso?"
"Du willst nicht ernsthaft vier Wochen lang ein und dasselbe tragen.", stöhnt sie theatralisch.
"Stell dir vor, dort gibt es auch Klamottenläden."
"Ach wirklich?", hakt sie mit listigem Blick nach.
Doch ich falle schon wieder nicht herein und tue als ob mich ein Stapel Shirts brennend interessieren würde.
"Daisy.", werde ich zurück beordert. "Hier." Meine nervige beste Freundin wedelt mit einem schwarzen Etwas in der Luft herum. Zögernd gehe ich auf sie zu.
"Das hier. Elegant und dennoch sexy. Dan wird die Spucke weg bleiben." Damit drückt sie mir auch diesen Fetzen in die Arme. Ich beschließe nichts mehr zu sagen und es stumm über mich ergehen zu lassen.
Wir finden noch zwei enge Röhrenjeans, einige Shirts, eine weiße fast durchsichtige Bluse mit langen Ärmeln und sogar Hotpants. Normalerweise trage ich sowas nicht. Aber um ihnen eine Freude zu machen, drücke ich mal ein Auge zu.
Freddy, der allein irgendwo im Laden umher gewandert war gesellt sich in genau dem richtigen Moment wieder zu uns, entdeckt unsere Errungenschaften und sagt, "Da hinten sind die Umkleiden." Seine Fingerzeig folgend gehen wir zu dritt in einen separaten Raum in dessen Mitte eine rote Chaiselongue steht. Lasziv lässt er sich darauf nieder und wartet der Dinge, da da folgen werden. "Lasst sehen was ihr ausgesucht habt!", verkündet er huldvoll.
Anna begleitet mich zu einer der Kabinen und hilft mir mich umzuziehen. Wie ein Model stolziere und drehe ich mich in dem runden Raum um Freddy und seine Chaiselongue herum. Er nickt anerkennend und pfeift sogar, als er mich in dem kleinen Schwarzen sieht anerkennend durch die Zähne. "Wow! Daisy, Darling, Danny wird ausflippen."
"Meinst du echt?", frage ich verunsichert und zupfe an mir herum. "Der Ruck ist etwas zu kurz, oder?"
Freddy steht ruckartig auf und stellt sich hinter mich, um sich gemeinsam mit mir im Spiegel vor uns betrachten zu können. "Blödsinn! Was redest du denn da?", echauffiert er sich und zwickt mich neckend in die Seite. "Du bist dann in den Flitterwochen. Das bedeutet ..." Er hält inne als er sieht, dass ich die Augen verdrehe. "... das bedeutet, dass du praktisch gar nichts anhaben dürftest, weil ihr gar nicht aus dem Bett kommen dürftet.", klärt er mich über die Gepflogenheiten frisch getrauten Paare auf.
Weil er ja so gut über dieses Thema bescheid weiß.
Dennoch verdrehe ich noch einmal die Augen. "Okay, okay. Ich nehme es ja. Aber nur ..." Beide jubeln und klatschen sich ab. "... damit ihr endlich Ruhe gebt."
"Das ist mir egal.", meint Freddy. "Hauptsache du läufst nicht wie eine Vogelscheuche in deinen Flitterwochen herum. Das könnte ich mir nie verzeihen."
"Na danke auch.", brumme ich und schleiche zurück in die Kabine.
Ich nehme auch die übrigen Kleidungsstücke und anschließend gehen wir geschlossen in die nächste Abteilung über, wo es Schuhe und Handtaschen zu kaufen gibt. "Das muss ja alles zusammenpassen.", belehrt mich Anna mit wichtigtuerischer Miene. "Nicht das die, wo auch immer es sein wird ... " Bei diesen Worten dreht sie sich zu mir um und sieht mir tief in die Augen. "... denken, dass Londoner die schlecht angezogensten Leute auf Erden sind."
Das wird ja immer besser. Bisher war ich tatsächlich davon ausgegangen, dass mein Stil einigermaßen cool und vorzeigbar ist.
Zur Antwort strecke ich ihr das es einer fünfjährigen würdig gewesen wäre die Zunge raus.
"Oh wow!", kreischt Freddy da plötzlich und zieht meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Wie von der Tarantel gestochen stürmt er auf einen Tisch mit hochhackigen Stilettos und Sandalen zu.
Anna und ich sehen uns an und grinsen. "Freddy, voll in seinem Element."
Wir folgen ihm und stellen uns neben ihn an den Tisch. Tatsächlich sehe die Schuhe cool aus, jedoch bezweifle ich, dass ich jemals sicher auf solch hohen Haken laufen könnte.
Meine Vermutung muss ich laut ausgesprochen haben, denn ich ernte schon wieder einen missbilligenden Blick von Freddy. "Diese Schuhe trägt man nur, wenn man nicht zu laufen braucht."
"Ja genau, oder wenn man gevögelt werden will.", ergänzt Anna. Nun bleibt mir die Spucke weg. "Ich kann nie wieder High Heels anschauen ohne an diesen Satz zu denken.", murmle ich.
"Süße ..." Sie legt mir einen Arm um die Schulter. "... diese Schuhe sollen nur schön aussehen und dich gut aussehen lassen. Mehr nicht. Und du brauchst gar nicht so echauffiert zu schauen! Du kennst mich doch. Brain konnte nie genug von mir bekommen wenn ich so was an hatte. Er bestand darauf, dass ich sie beim s*x anbehielt."
"Danke für eine neue Episode Kopfkino.", brumme ich und stelle den Schuh zurück, den ich, ohne es zu bemerken, andächtig in die Hand genommen hatte.
"Nix da!", verkündet sie und reißt den Schuh an sich. "Die passen prima zu dem langen Kleid. Die nimmst du."
"Hast du dir mal das Preisschild angesehen?", rufe ich entsetzt. "Die kosten 400 Pfund."
Doch statt beeindruckt zu sein und sie wieder weg zu stellen, zuckt sie nur unbeeindruckt die Schultern und sagt etwas wie, "Man muss auch mal Opfer bringen."
Anna rauscht mit dem Schuh ab um eine junge Verkäuferin in Beschlag zu nehmen. Kurz darauf kehrt diese mit einem creme farbenen Karton aus den Tiefen des Geschäftes zurück. "Hier. Bitte sehr!", sagt sie und reicht mir den Karton. "Wenn Sie sonst noch einen Wunsch haben, wenden Sie sich an mich!" Damit entfernt sie sich ein paar Schritte und bleibt abwartend an einer Wand im Hintergrund stehen. Sicher hat sie den Klamottenberg gesehen und wittert einen reichen Fang. Widerstrebend probiere ich die Schuhe in der richtigen Größe an und sie passen perfekt. Staunend, wie sie mir optisch schlanke Beine zaubern gehe ich ein paar Schritte auf dem hölzernen Parkett auf und ab und betrachte meine Füße im bodentiefen Spiegel. "Sie sind wirklich schön!", lobe ich leise.
"Schön?", ruft Anna. "Wunderschön! Die nehmen wir!" Letzteres war an die Verkäuferin gerichtet die sich in Habachtstellung bereit hält. "Aber natürlich.", flötet sie.
"Und noch ein flaches Paar.", mischt sich Freddy ein. "Sie braucht auch noch ein flaches Paar, falls sie wandern gehen oder so."
"Wandern?", frage ich verwirrt. "Wo soll man denn in Ne..." Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich selbst bremsen.
"Ne?", hakt Anna nach.
"Neuseeland?", versucht es Freddy.
"Neufundland?", meint Anna.
Sie schüttle lachend den Kopf.
"Nepal?" Freddy und Anna klatschen sich lachend ab.
"Ich sage nichts.", antworte ich nur lachend.
"Schade. Aber sei's drum. Du brauchst flache Schuhe.", verkündet er und winkt lässig ab.
"Okay.", stimme ich zu damit dieses Schauspiel hier endlich ein Ende findet.
Tatsächlich finden wir ein Paar Ballerinas und sogar noch eine neue Handtasche für mich. Alles hübsch aufeinander abgestimmt."
Übereinstimmend mit meinem Kontostand war allerdings nicht gerade die Rechnung die ich an der Kasse zu bezahlen hatte. "Aber sei's drum. Ich heirate nur einmal.", denke ich mir.
Kaum aus der Tür getreten pralle ich fast mit John zusammen der abwartend neben dem Eingang gestanden haben muss. Er macht einen Schritt zurück und streckt die Arme aus um mir meine Einkaufstaschen abzunehmen.
"Aber was ... was machen Sie denn hier?", stammle ich verwundert. "Ich hatte Ihnen doch frei gegeben."
"Seien Sie froh, dass ich nicht brav gewesen bin. Sonst müssten Sie jetzt die Taschen mitschleppen.", grinst er frech. Zwar kann ich seine Augen unter der dunklen Sonnenbrille nicht sehen, doch ich weiß, dass sie gefährlich sexy blitzen.
"Das ist ja ..."
"Wirklich sehr nett von Ihnen! Und so umsichtig.", fährt mir Freddy dazwischen, zwinkert John aufreizend zu und reißt mir dabei die Taschen aus der Hand. Anschließend drückt er sie sofort John in die Arme und hakt sich bei mir unter. "Ich muss schon sagen, Daisy Darling, dein Chauffeur ist Gold wert." Mit einem lasziven Zwinkern über seine Schulter zieht er mich den Gehweg entlang weiter.
"Was er jetzt wohl macht?", fragt Anna leise als sie uns eingeholt hat.
"Na die Taschen ins Auto bringen.", meint Freddy.
"Ja, aber danach."
"Ich hoffe er fährt endlich heim.", murmle ich leise.
"Und ich wette er tut es nicht. Sicherlich folgt er uns unauffällig.", antwortet Freddy und sieht sich noch einmal nach John um. Ich tue es ihm nach, doch von meinem Chauffeur oder dem Bentley ist nichts zu sehen.
"Na, sicherlich macht er es nicht auffällig.", meint Anna. "Er scheint gut ausgebildet zu sein. Er ist unauffällig wie ein Spion. Oder habt ihr bemerkt, dass er uns zu Liberty gefolgt ist?"
Das können wir nur verneinen.
"Ja, er ist ein richtiger James Bond.", lacht mein bester Freund. "Sexy genug dafür ist er ja."
"Hallo. Ihr redet da über meinen Angestellten." Ich wedle mit der Hand in der Luft herum.
"Genau so ist es, Süße. Wo bitte schön steht denn geschrieben, dass man seine Angestellten nicht heiß finden darf?", grinst Anna frech.
"Wenn ich erst mal in Silsoe wohne, lasse ich mir einen Pool bauen, nur damit ich einen Poolboy einstellen kann. Den würde ich dann persönlich aussuchen.", spinnt Freddy albern herum.
"Oh cool! Dann komm ich auch vorbei und flirte mit ihm. Wer weiß was geht?", steigt Anna auf den Zug mit ein.
"Sorry, Schätzchen. Er wird nur auf Männer stehen. Das wird ein Einstellungskriterium.", lacht Freddy schrill und wirft den Kopf zurück.
Anna zieht einen theatralischen Schmollmund.
"Euch ist echt nicht mehr zu helfen.", stöhne ich und werfe die Arme in die Luft. "Hört auf solchen Blödsinn zu quatschen und sagt mir lieber was wir sonst noch einkaufen wollen? Was braucht, eurer Meinung nach, eine Braut sonst noch für ihre Flitterwochen Garderobe?"
"Sie hat Flitterwochen gesagt.", johlt Anna und hält sich den Bauch vor Lachen.
"Ha ha."
"Sei nicht so verklemmt, Darling!", befiehlt Freddy und hakt sich wieder bei mir unter. "Hast du schon einen Bikini?"
"Ähm."
"Und Nachtwäsche. Und wie steht es mit deiner Unterwäsche?"
"Fallst du damit meinst, ob ich welche besitze. Ja, in der Tat, ich habe eine ganze Schublade voll. Danke.", brumme ich beleidigt.
"Quatsch. Ich meine was trägst du zur Hochzeit? Und die ... Tage danach?" Da hat sie gerade nochmal die Kurve gekriegt.
"Für den Hochzeitstag selbst habe ich schon was. Das hat mir Sybill ausgesucht im Brautmodengeschäft. Und ansonsten ..."
"Hast du auch nur deine ganze alte Wäsche.", spricht sie aus was mir auf der Zunge liegt. "Du willst doch sicher Dan mit was Neuem überraschen!"
Ich nicke. "Okay. Du hast recht. ich brauche wirklich mal was Neues. Also zu einem Dessous Geschäft!"
Arm in Arm gehen wir zum nächstbesten Dessous Laden der uns begegnet.
Mehr oder weniger suchen die beiden für mich das aus, was sie meinen was Dan um den Verstand bringen um mich wiederum mich selbst sexy fühlen lässt.
Auch in diesem Laden lasse ich einiges von meinem hart ersparten Geld.
Beim Verlassen des Geschäfts befürchte ich schon, wieder mit John zusammen zu prallen, doch diesmal ist er nicht da. Endlich hat er auf mich gehört und ist nach Hause zum packen gefahren.
Fröhlich frage ich meine Freunde, ob sie noch Lust haben einfach so bummeln zu gehen. Sie hatten Lust und so schlenderten wir weiter durch das bunte und vor allem laute Treiben der Carnaby Street. In einem etwas abgehalfterten Laden für Merchandising erstehe ich noch zwei Bandshirts von den Ramones und Sting. "Was willst du denn damit?", ruft Freddy verächtlich als er mich mit den T-Shirts an der Kasse stehen sieht.
"Zum schlafen." Ich zucke nichtsahnend mit den Schultern.
"Bist du verrückt?", keucht er und beinahe rauft er sich die Haare. Gerade noch so besinnt er sich wo er sich befindet und reckt die Hände stattdessen wie zum beten ineinander verschlungen gen Himmel.
"Nun mach nicht so ein Fass auf, Freddy. Mädels tragen sowas eben zum schlafen.", brumme ich und sehe mich verstohlen um. Sein Divenhafter Auftritt hat uns schon einige neugierige Blicke beschert.
"Ja, kleine Mädchen auf der High School. Aber doch keine verheiratete Frau.", brüllt er beinahe und will mir die Shirts aus der Hand reizen. Doch ich halte sie eisern fest. "Siehst ein, Lloyd!", zische ich. "Ich kaufe sie und trage sie wann es mir passt." Beim Anblick seines entsetzen Gesichtsausdrucks füge ich beschwichtigend hinzu. "Aber ich verspreche dir, ich trage sie nicht auf der Hochzeitsreise."
Freddy nickt und dreht sich auf dem Absatz um um das Geschäft zu verlassen. Es wirkt ganz so, als könne er die Schmach solch einen Mist zu kaufen körperlich nicht ertragen.
In einem kleinen Bistro bestellen wir uns ein verfrühtes Abendessen und lachen über die miteinander verbrachte Zeit.
Kaum das wir bezahlt und uns aufbruchbereit gemacht haben, steht John wieder neben dem kleinen runden Tisch und greift sich ohne zu fragen meine Tüten.
"Hey.", schreie ich, weil ich denke das ein Dieb sich an meinem Hab und Gut zu schaffen machen will. Als ich sehe das es er ist, habe ich tatsächlich den Eindruck, dass er mir stets unauffällig folgt. Ganz so wie ein Schatten. Oder ganz so wie ein Bodyguard.
"Ich war noch in der Nähe.", meint er leichthin und zwinkert mir zu.
"Und darüber sind wir sehr froh!", flötet Freddy. Anna stimmt ihm nickend zu.
"Der Wagen steht gleich um die Ecke.", verkündet John ohne auf Freddys Anzüglichkeiten einzugehen. Wir folgen ihm und wieder einmal wundere ich mich, wie er fertig bringt und in einer Stadt wie London stets einen Parkplatz groß genug das er meinen Bentley aufnehmen kann zu finden.
"Und, wohin soll's nun gehen?", fragt John nachdem wir alle im Fond platz genommen haben.
Fragend sehe ich meine Freunde an. "Keine Ahnung? Was meint ihr?"
Freddy klatscht in die Hände. "Ich weiß was. Wie wäre es, wenn wir einen vorgezogenen Junggesellenabschied machen?"
"Eine Woche vorher?", staune ich. "Geht das denn?"
"Gibt's dafür Regeln?", stellt er die Gegenfrage.
Die gab es wohl nicht, und so beschließen wir uns zuerst einmal ordentlich durchkneten zu lassen und dann tiefen entspannt in einen Club zu gehen.
Freddy gibt John die Anweisung und ich ergänze um den Befehl, dass John nun aber wirklich Feierabend machen sollte.
Doch er stellt sich, wieder einmal, stur und meint, "Mister Edwards besteht darauf, dass ich Sie überall hinfahre wo Sie es wünschen."
"Ja, aber ich kann doch nicht von Ihnen verlangen, dass Sie stundenlang vor einem Beautysalon oder der Bar warten.", entgegne ich und greife mir mein Handy aus der Handtasche. Ich würde Dan ein paar Takte erzählen. So kann man mit einem Menschen doch nicht umspringen. Wir haben 2020 und nicht 1920.
Es klingelt und kurz darauf nimmt er ab. Es ist laut. "Wo bist du?", ist daher die erste Frage die ich ihm stelle.
"Im Pub. Wieso? Was gibt's, Darling?", entgegnet er gut gelaunt.
"Im Pub? Hattest du früher Schluss?"
"Jup. Es lief gut im Court. Ich hab gewonnen.", verkündet er stolz.
"Gratuliere.", murmle ich. "Und jetzt bist du im Pub deinen Erfolg feiern?"
"So was in der Art."
"Aha."
"Ben ist bei mir. Wir trinken nur was. Wo bist du? Kommst du bald nach Hause?"
"Ach so." Erleichtert stoße ich die unwillkürlich angehaltene Luft aus. "Nein, deswegen rufe ich ja an. Freddy, Anna und ich fahren jetzt ins Spa und nachher ebenfalls noch was trinken."
"Cool! Viel Spaß!", lacht er und ich habe den Eindruck, dass er das Gespräch beenden will.
"Moment noch!", bitte ich daher rasch.
"Ja?"
"Es geht um John." Verstohlen werfe ich dem Fahrer einen Blick zu. Ob er lauscht? Allerdings ist es in dem begrenzten Raum eines Fahrzeugs nicht gerade leicht nicht zu lauschen.
"Was ist mit ihm?", lacht Dan und pfeift plötzlich. Sie sie wirklich nur im Pub? Was für einen Grund gibt es in einem Pub zum pfeifen?
"Folgendes, ich schicke ihn andauernd nach Hause. Er muss doch auch packen für die Reise. Aber er geht einfach nicht.", empöre ich mich.
"Gut so. Der Mann weiß eben wofür ich ihn bezahle." Das hilft mir kein bisschen weiter.
"Dan, der Mann braucht doch auch seinen Feierabend." Freddy verdreht die Augen. "Wir können doch nicht von ihm verlangen wer weiß wie lange vor einem Laden herumzustehen und auf mich zu warten. Das geht doch nicht!"
"Und warum nicht? Wenn es doch das ist wofür er bezahlt wird.", entgegnet er lapidar.
"Na, weil man so nicht mit Menschen umspringt, Schatz." Warum war er nur so stur?
Dan scheint zu spüren, dass er mir eine bessere Erklärung schuldig ist. Er senkt die Stimme und sagt, "Daisy, ich fühle mich wohler, wenn er in deiner Nähe ist. Dann bin ich beruhigter."
"Aber er ist nur mein Fahrer. Klar war es vorhin praktisch ihn dabei zu haben. Wegen der Einkaufstaschen und so. Aber für den Rückweg heute Nacht kann ich mir doch auch ein Taxi nehmen.", wage ich zu widersprechen.
"Kommt nicht in Frage.", erklärt er in einem Ton der keine Widerrede duldet.
"Warum nicht?", halte ich dagegen.
"Weil ich dich dann beschützt weiß."
"Wenn es dir darum geht, dass ich nachts nicht allein in der Stadt herumlaufen soll. Anna und Freddy sind bei mir."
"Toll. Eine zierliche Brünette und ein schwules Model. Die beiden können dich gut vor Modesünden aber nicht vor bösen Jungs beschützen.", lacht Dan. Etwas gekränkt ziehe ich einen Schmollmund.
"Jetzt bist du beleidigt oder?", haucht Dan ins Telefon. "Sicherlich ziehst du jetzt eine Schnute." Er atmet geräuschvoll aus. "Wie gern hätte ich es, dass du jetzt in meinen Armen liegst und ich dir den trotzigen Gesichtsausdruck weg küssen könnte!"
Eine wohlige Wärme breitet sich von meinem Bauch aus. "Komm nachher in den Club und ich lege extra für dich noch einmal diesen Gesichtsausdruck auf.", hauche ich damit die anderen mich nicht hören können.
"Ich hab einen anderen Vorschlag. Komm nach Hause und lass mich dir zeigen was ich so drauf habe damit du dich entspannst.", schlägt er mit seiner sexy rauen Stimme vor.
Oh ja. Ich will!
"Das geht nicht. Du bist doch mit Ben unterwegs und ich mit meinen Mädels."
"Schade.", brummt er.
"Nicht traurig sein! Bald hast du mich vier ganze Wochen allein für dich.", flüstere ich.
"Und darauf freu ich mich schon!" Das anzügliche Grinsen kann ich förmlich vor mir sehen.
"Okay.", sage ich und setze zu meinem Endschlag an, "Und John schicke ich jetzt gleich nach Hause. Nur damit du's weißt. Sehe ich ihn nachher vor dem Club stehen, lass ich dich in der Hochzeitsnacht nicht ran." Mit diesen Worten lege ich auf, ehe er noch etwas erwidern kann. Eigentlich hätte ich gedacht, dass er sofort zurück ruft, doch mein Handy bleibt stumm. Stattdessen meldet ein anderes Smartphone irgendwo in Auto den Eingang einer Nachricht.